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Pflegezeit


Pflegezeit

Die Pflegezeit ist ein Begriff aus dem deutschen Arbeitsrecht, der einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zur Pflege naher Angehöriger regelt. Die relevanten Vorschriften finden sich im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sowie ergänzend im Familienpflegezeitgesetz (FPfZG). Ziel der Regelung ist es, pflegenden Angehörigen zeitliche Flexibilität und Rechtssicherheit zu verschaffen, wenn sie eine bedarfsgerechte Pflege im familiären Umfeld übernehmen.

Gesetzliche Grundlagen der Pflegezeit

Das Pflegezeitgesetz trat am 01. Juli 2008 in Kraft und definiert die Rahmenbedingungen für den Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Ergänzende Regelungen enthält das Familienpflegezeitgesetz, das insbesondere Teilzeitmodelle für pflegende Angehörige adressiert. Die rechtlichen Vorschriften wurden in mehreren Stufen erweitert und angepasst, zuletzt im Zuge des Pflegestärkungsgesetzes und damit verbundenen Änderungen.

Anwendungsbereich

Das Pflegezeitgesetz gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einschließlich Auszubildender, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Beamte, Soldaten und Richter sind vom Anwendungsbereich ausgenommen, unterliegen jedoch in bundeseigenen Dienstverhältnissen ähnlichen Regelungen.

Inhalt und Umfang des Anspruchs auf Pflegezeit

Anspruch auf Pflegezeit nach § 3 PflegeZG

Arbeitnehmende haben das Recht, sich bis zu sechs Monate ganz oder teilweise von der Arbeit freistellen zu lassen, um einen nahen Angehörigen zu pflegen, der pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI ist. Der Anspruch besteht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten.

Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen
  • Pflegebedürftigkeit des Angehörigen mit mindestens Pflegegrad 1
  • Nahe Angehörige im Sinne des § 7 Abs. 3 PflegeZG, darunter fallen Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegatten, Lebenspartner, Schwiegereltern und Schwiegerkinder sowie Großeltern und Enkel
  • Wohnortnahe Pflege, d.h. die Pflege wird außerhalb einer stationären Einrichtung im privaten Umfeld erbracht

Kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG

Zusätzlich haben Arbeitnehmende einen Anspruch auf eine zehntägige Freistellung zur kurzfristigen Organisation einer pflegerischen Versorgung oder zur akuten Unterstützung bei abrupt auftretender Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen.

Familienpflegezeit nach FPfZG

Das Familienpflegezeitgesetz ergänzt die Pflegezeit durch die Möglichkeit, die Arbeitszeit für maximal 24 Monate auf mindestens 15 Wochenstunden zu reduzieren, um einen nahen Angehörigen zu betreuen. Dies gilt für Beschäftigungsverhältnisse ab 25 Mitarbeitenden.

Rechte und Pflichten während der Pflegezeit

Anzeige- und Nachweispflichten

Der Arbeitgeber muss über die Inanspruchnahme der Pflegezeit spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich informiert werden. Erforderlich ist die Angabe von Beginn, Dauer und Umfang der Freistellung. Die Pflegebedürftigkeit und das Verwandtschaftsverhältnis sind in geeigneter Form, etwa durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, nachzuweisen.

Kündigungsschutz

Während der Pflegezeit und der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht ein besonderer Kündigungsschutz gemäß § 5 PflegeZG. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor und die zuständige Behörde stimmt zu.

Entgelt- und Sozialversicherungsfragen

Die Pflegezeit ist wie ein unbezahlter Sonderurlaub ausgestaltet; ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht während dieser Zeit grundsätzlich nicht. Allerdings greift die Pflegeunterstützungsgeldregelung während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung: Die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine Lohnersatzleistung für bis zu zehn Tage.

Bezüglich der Sozialversicherung besteht eine Pflichtversicherung in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, sofern die oder der Pflegende die Pflege für mindestens zehn Stunden wöchentlich an zwei Tagen erbringt und die Pflegekasse dies bestätigt. Die Beiträge werden von der Pflegekasse gezahlt.

Rückkehrrecht

Nach Beendigung der Pflegezeit besteht ein Anspruch auf Rückkehr zur zuvor ausgeübten Tätigkeit beziehungsweise einen gleichwertigen Arbeitsplatz.

Verhältnis zur Elternzeit

Die Pflegezeit besteht eigenständig und unabhängig von einem befristeten Anspruch auf Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Überschneidungen und Kombinationen sind zulässig, jedoch dürfen die gesetzlichen Vorgaben jeweils nicht überschritten werden.

Sonderregelungen und Ausnahmen

Kleinunternehmen

Bei Unternehmen mit weniger als 16 Beschäftigten ist der Anspruch auf Pflegezeit nach PflegeZG ausgeschlossen; lediglich der Anspruch auf kurzfristige Arbeitsverhinderung besteht dort.

Teilzeit während der Pflegezeit

Die Arbeitszeit kann während der Pflegezeit auf einen vereinbarten Teilzeitumfang reduziert werden, sofern dies rechtzeitig und unter den genannten Voraussetzungen mit dem Arbeitgeber abgestimmt wurde.

Vorzeitige Beendigung und Verlängerung

Eine vorzeitige Beendigung der Pflegezeit ist aus triftigem Grund, beispielsweise beim Tod des Angehörigen oder einer stationären Unterbringung, möglich. Ebenso können Verlängerungen mit Zustimmung des Arbeitgebers vereinbart werden.

Informationspflichten des Arbeitgebers

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Mitarbeitenden über Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Pflegezeit zu informieren. Dies beinhaltet insbesondere Hinweise auf Antragswege und Nachweispflichten.

Rechtsschutz

Arbeitnehmende haben die Möglichkeit, etwaige Ansprüche auf Pflegezeit gerichtlich durchzusetzen. Zuständig sind die Arbeitsgerichte.

Gesetzliche Weiterentwicklung und Praxisrelevanz

Seit der Einführung der gesetzlichen Regelungen gelten die Pflegezeit und die ergänzende Familienpflegezeit als zentrale Instrumente zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege. Unternehmen und Beschäftigte sehen sich zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, familienbewusste Personalpolitik zu gestalten. Die Vorschriften sind Teil umfassender gesellschaftlicher Entwicklungen im Umgang mit Pflegebedürftigkeit und demografischem Wandel.


Dieser Beitrag bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff Pflegezeit im Sinne des deutschen Arbeitsrechts, beleuchtet alle wesentlichen rechtlichen Grundlagen sowie deren praktische Bedeutung und gibt detaillierte Auskunft über Voraussetzungen, Abläufe, Rechte sowie Pflichten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Pflegezeit.

Häufig gestellte Fragen

Welche Anspruchsvoraussetzungen müssen erfüllt sein, um Pflegezeit in Anspruch nehmen zu können?

Um einen Anspruch auf Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) zu haben, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein naher Angehöriger pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI sein, d.h. es liegt eine anerkannte Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 1 vor. Weiterhin muss die pflegebedürftige Person im häuslichen Umfeld gepflegt werden. Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einschließlich zur Berufsbildung Beschäftigter, jedoch nicht Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG, sondern nur, soweit sie als Arbeitnehmer im rechtlichen Sinne gelten. Der Arbeitgeber muss in der Regel mehr als 15 Beschäftigte haben (§ 3 Abs. 1 PflegeZG). Ausgeschlossen von der Anwendung der Regelungen zur Pflegezeit sind geringfügig Beschäftigte, Heimarbeiter und arbeitnehmerähnliche Personen. Während der Pflegezeit besteht ein Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung. Voraussetzung ist die rechtzeitige schriftliche Ankündigung gegenüber dem Arbeitgeber unter Angabe der Dauer und des gewünschten Umfangs der Freistellung spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn der Pflegezeit (§ 3 Abs. 2 PflegeZG).

Welche Pflichten bestehen gegenüber dem Arbeitgeber bei Inanspruchnahme der Pflegezeit?

Die Inanspruchnahme der Pflegezeit ist dem Arbeitgeber spätestens zehn Werktage vor Beginn schriftlich mitzuteilen. In der Mitteilung sind Beginn, Dauer und Umfang der Freistellung anzugeben (§ 3 Abs. 2 PflegeZG). Zusätzlich besteht eine Nachweispflicht, das heißt, der Arbeitgeber kann eine Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen und der häuslichen Pflegesituation verlangen. Die Nachweise können beispielsweise durch einen formlosen Nachweis der Pflegekasse oder durch eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Kommt der Arbeitnehmer dieser Mitteilungs- oder Nachweispflicht nicht nach, kann der Arbeitgeber die Pflegezeit verweigern. Während der Zeit der Freistellung ist der Kontakt zum Arbeitgeber auf das Notwendigste zu beschränken, es besteht aber weiterhin eine Treuepflicht des Arbeitnehmers, d.h. etwaige Änderungen, die die Fortsetzung oder die Dauer der Pflegezeit betreffen, sind umgehend anzuzeigen.

Wie lange kann Pflegezeit maximal beansprucht werden?

Die Pflegezeit kann für eine Gesamtdauer von bis zu sechs Monaten genommen werden (§ 3 Abs. 1 PflegeZG). Die Inanspruchnahme kann sowohl für eine vollständige Freistellung als auch für eine teilweise Freistellung (z.B. Reduzierung der Arbeitszeit) erfolgen. Innerhalb des maximalen Zeitrahmens ist eine Aufteilung möglich, wenn mehrere pflegebedürftige Angehörige gepflegt werden müssen; hierbei ist die Gesamtsumme der Anspruchszeiträume dennoch auf sechs Monate pro pflegebedürftiger Person begrenzt. Die sechsmonatige Pflegezeit kann pro pflegebedürftiger Person nur einmalig in Anspruch genommen werden, ein Rückkehrrecht auf den ursprünglichen Arbeitsplatz ist gesetzlich vorgesehen, die Position und wesentliche Arbeitsbedingungen dürfen sich nach der Pflegezeit grundsätzlich nicht verschlechtern (§ 4 PflegeZG).

Besteht während der Pflegezeit ein besonderer Kündigungsschutz?

Ja, während der Pflegezeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz nach § 5 PflegeZG. Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab der Ankündigung bis zum Ende der Pflegezeit nicht ordentlich und in der Regel auch nicht außerordentlich kündigen. Ausnahmen bedürfen der vorherigen Zustimmung der zuständigen Landesbehörde für Arbeitsschutz. Der Kündigungsschutz greift ab dem Zugang der schriftlichen Ankündigung der Pflegezeit durch den Arbeitnehmer und dauert bis zum Ablauf der vereinbarten Pflegezeit. Jegliche Kündigungen innerhalb dieses Zeitraums sind grundsätzlich unwirksam, wenn keine behördliche Zustimmung vorliegt.

Wird das Arbeitsverhältnis während der Pflegezeit vergütet fortgesetzt?

Das Arbeitsverhältnis ruht während der vollständig in Anspruch genommenen Pflegezeit, d.h. es besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt während der Freistellung (§ 3 Abs. 1 PflegeZG). Bei teilweiser Inanspruchnahme der Pflegezeit wird das Arbeitsentgelt entsprechend dem reduzierten Arbeitsumfang anteilig gezahlt. Arbeitnehmer haben jedoch die Möglichkeit, eine Lohnersatzleistung in Form von zinslosen Darlehen nach dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu beantragen, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Andere Entgeltfortzahlungen, wie in Form von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsgeld, sind während der vollständigen Freistellung grundsätzlich ausgeschlossen.

Können Pflegezeit und Familienpflegezeit kombiniert werden?

Ja, die Inanspruchnahme von Pflegezeit und Familienpflegezeit ist kombinierbar, allerdings dürfen beide Zeiträume insgesamt 24 Monate pro pflegebedürftiger Person nicht überschreiten (§ 4 FPfZG i.V.m. § 2 Abs. 7 PflegeZG). Die Kombinationsmöglichkeiten sind komplex: Beispielsweise kann zunächst Pflegezeit von bis zu 6 Monaten und anschließend Familienpflegezeit (mit einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden bis zu 24 Monaten) genommen werden, solange die Gesamtzeit maximal 24 Monate beträgt. Die Anspruchsberechtigung, Anzeigepflichten und Fristen sind bei beiden Ansprüchen exakt einzuhalten.

Welche Möglichkeiten bestehen nach Ablauf der Pflegezeit bezüglich der Rückkehr in den Beruf?

Nach Ablauf der Pflegezeit besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Rückkehr zur alten Arbeitszeit und auf den früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz (§ 4 PflegeZG). Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht schlechterstellen, weder in Bezug auf Arbeitsbedingungen noch in Bezug auf das Arbeitsentgelt. Es besteht jedoch keine rechtliche Verpflichtung zur sofortigen Rückkehr, wenn Erholungsurlaub, Krankheit oder andere zulässige Unterbrechungen vorliegen. Im Streitfall obliegt es dem Arbeitgeber, nachzuweisen, dass eine gleichwertige Beschäftigung nicht möglich ist. Arbeitnehmer können den schriftlichen Nachweis verlangen, dass ihre Position und ihr Arbeitsverhältnis unverändert wiederaufgenommen werden.

Was sind die rechtlichen Folgen bei unberechtigter oder nicht ordnungsgemäß mitgeteilter Inanspruchnahme der Pflegezeit?

Wird die Pflegezeit ohne die erforderliche Mitteilungsfrist oder ohne die vorgeschriebenen Nachweise gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht, kann der Anspruch auf Pflegezeit abgelehnt werden. Bei Missbrauch der Pflegezeit, zum Beispiel wenn die angebliche Pflege nicht tatsächlich ausgeübt wird, kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Schritte, wie Abmahnung oder sogar fristlose Kündigung (bei Nachweis des Missbrauchs), einleiten. Weiterhin sind Lohnrückforderungen möglich, wenn während der Pflegezeit ausnahmsweise ein Entgelt oder eine Lohnersatzleistung gezahlt wurde, ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen tatsächlich vorlagen. Arbeitnehmer machen sich zudem möglicherweise schadensersatzpflichtig gegenüber dem Arbeitgeber.