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Pflegehilfsmittel


Begriff und rechtliche Definition von Pflegehilfsmitteln

Pflegehilfsmittel sind gemäß deutschem Recht Gegenstände oder Produkte, die dazu dienen, pflegebedürftige Personen in ihrer selbstständigen Lebensführung zu unterstützen oder die häusliche Pflege zu erleichtern bzw. die Pflegeperson zu entlasten. Sie stellen einen klar abgegrenzten Bereich innerhalb der Versorgung mit Hilfsmitteln dar und zeichnen sich durch ihre wesentliche Bedeutung im Kontext der Pflegeversicherung aus.

Im rechtlichen Sinne werden Pflegehilfsmittel in § 40 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) definiert. Sie sind von Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 33 SGB V abzugrenzen. Während Hilfsmittel nach SGB V vornehmlich auf medizinische Rehabilitation und Behinderung ausgerichtet sind, dienen Pflegehilfsmittel der Bewältigung oder Erleichterung von Pflegehandlungen.

Gesetzliche Grundlagen

Sozialgesetzbuch XI (SGB XI)

Gemäß § 40 Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige ab Pflegegrad 1 im Rahmen der häuslichen Pflege Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, wenn diese zur Erleichterung der Pflege, zur Linderung der Beschwerden der Pflegebedürftigen oder zur Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung erforderlich sind. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen technischen Pflegehilfsmitteln und zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln.

Abgrenzung zu anderen Leistungen

Pflegehilfsmittel nach SGB XI stehen unter dem Leistungsrahmen der Pflegeversicherung. Im Unterschied dazu werden medizinische Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, sofern diese für die medizinische Versorgung notwendig sind. Pflegehilfsmittel sind explizit auf Belange der Pflegebedürftigkeit ausgerichtet und werden überwiegend zur Sicherstellung einer häuslichen Pflege benötigt.

Gemeinsame Pflegehilfsmittelversorgung

Die gemeinsame Versorgung durch Kranken- und Pflegekasse regelt § 14 Abs. 4 SGB XI, wenn Pflege- und medizinischer Bedarf für ein Hilfsmittel parallel vorliegen. In solchen Fällen ist die Leistungspflicht einheitlich abzustimmen.

Arten von Pflegehilfsmitteln

Technische Pflegehilfsmittel

Technische Pflegehilfsmittel sind laut Pflegehilfsmittelverzeichnis (§ 78 SGB XI) vor allem Geräte und sonstige Sachmittel, die wiederverwendbar sind und direkt der Erleichterung der Pflege oder zur Förderung der Selbstständigkeit dienen. Typische Beispiele sind Pflegebetten, Aufstehhilfen, Rollatoren, Lagerungshilfen oder Notrufsysteme. Für viele dieser Hilfsmittel können die Pflegekassen Leihmodelle anbieten, bei denen die Hilfsmittel nach Gebrauch rückübertragen werden.

Zuzahlung und Eigenanteil

Für technische Pflegehilfsmittel ist eine gesetzliche Zuzahlung gemäß § 40 Abs. 3 SGB XI vorgesehen. Die Zuzahlung beträgt 10 % des Abgabepreises, jedoch maximal 25 Euro je Pflegehilfsmittel. Für zur Verfügung gestellte Leihgeräte entfällt diese Zuzahlung.

Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel

Hierunter fallen Einmalprodukte, die regelmäßig verbraucht werden und in der Regel zur Hygiene und dem Infektionsschutz beitragen. Zentrale Beispiele sind Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel, Betteinlagen und Mundschutz. Die Kostenübernahme für diese Art von Pflegehilfsmitteln ist auf maximal 40 Euro pro Monat begrenzt (§ 40 Abs. 2 SGB XI).

Anspruchsvoraussetzungen

Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI

Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegehilfsmittel ist die Feststellung eines Pflegegrades nach SGB XI. Pflegehilfsmittel werden nur dann geleistet, wenn häusliche Pflege vorliegt und die Versorgung durch Angehörige, Freunde oder ambulante Pflegekräfte erfolgt.

Pflegehilfsmittel im stationären Bereich

In stationären Pflegeeinrichtungen ist der Anspruch auf Pflegehilfsmittel unter besonderen Bedingungen möglich, jedoch häufig eingeschränkt, da viele Hilfsmittel zu den Pflichtleistungen der Einrichtung zählen.

Verfahren zur Beantragung von Pflegehilfsmitteln

Antragstellung

Der Antrag auf Pflegehilfsmittel ist bei der zuständigen Pflegekasse, meistens der Pflegekasse bei der jeweiligen Krankenkasse, zu stellen. Die Kassen prüfen, ob das Hilfsmittel im Pflegehilfsmittelverzeichnis nach § 78 SGB XI gelistet ist und ob ein konkreter Bedarf entsprechend vorliegt.

Ärztliche Verordnung

Eine ärztliche Verordnung ist nicht zwingend erforderlich, kann aber den Nachweis der Erforderlichkeit erleichtern, insbesondere bei technischen Pflegehilfsmitteln.

Hilfsmittelverzeichnis

Das Pflegehilfsmittelverzeichnis wird vom GKV-Spitzenverband herausgegeben und gibt einen verbindlichen Rahmen für die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln. Es dient der einheitlichen Bewertung von Versorgungsansprüchen.

Kostenübernahme und Abrechnung

Kostenbegrenzung und Selbstbeteiligung

Die Pflegekasse übernimmt die Kosten für Pflegehilfsmittel im Rahmen der genannten Grenzen. Liegen die Kosten für Verbrauchsprodukte über der monatlichen Pauschale, so ist der Differenzbetrag vom Versicherten selbst zu tragen. Bei technischen Pflegehilfsmitteln wird gegebenenfalls ein Eigenanteil oder eine Zuzahlung fällig.

Abrechnung mit Leistungserbringern

Anbieter von Pflegehilfsmitteln rechnen in der Regel direkt mit der Pflegekasse ab, sofern ein Vertrag nach § 78 SGB XI über die Versorgung von Pflegebedürftigen besteht.

Rechtsschutz und Widerspruchsverfahren

Ablehnung von Pflegehilfsmitteln

Im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Pflegehilfsmittel besteht das Recht auf eine begründete schriftliche Mitteilung (§ 35 SGB X). Gegen die Ablehnung kann Widerspruch eingelegt werden. Nach erfolglosem Widerspruch ist der Weg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

Datenschutz und Dokumentationspflichten

Gemäß § 67b SGB X sind alle am Verwaltungsverfahren Beteiligten zur Wahrung des Sozialdatenschutzes verpflichtet. Die Erhebung und Weitergabe personenbezogener Daten unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben.

Bedeutung von Pflegehilfsmitteln in der Praxis

Pflegehilfsmittel tragen unter den gesetzlichen Vorgaben maßgeblich zur Sicherung einer selbstbestimmten, würdevollen Pflege im häuslichen Umfeld bei und sind ein zentrales Element im Leistungsportfolio der Pflegeversicherung.


Quellen:

  • SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, §§ 14, 40, 78
  • SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung, § 33
  • GKV-Spitzenverband, Pflegehilfsmittelverzeichnis
  • SGB X – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz

Häufig gestellte Fragen

Wer hat einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegehilfsmittel?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Pflegehilfsmittel besteht gemäß § 40 SGB XI grundsätzlich für alle Pflegebedürftigen, die mindestens in den Pflegegrad 1 eingestuft wurden und zu Hause, in einer Wohngemeinschaft oder in betreuten Wohnformen gepflegt werden. Der Anspruch richtet sich gegen die Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten gegen das entsprechende private Versicherungsunternehmen. Voraussetzung ist, dass die Hilfsmittel zur Erleichterung der Pflege, zur Linderung der Beschwerden der pflegebedürftigen Person oder zur Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung erforderlich sind. Maßgebend ist eine bedarfsbezogene Einzelfallprüfung. Dabei muss die Notwendigkeit der Hilfsmittel von einer Pflegefachkraft oder einem Arzt bescheinigt werden. Es besteht kein genereller Anspruch auf beliebige Pflegehilfsmittel; vielmehr wird in jedem Einzelfall geprüft, ob das beantragte Hilfsmittel medizinisch und pflegerisch notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig ist.

Welche Pflegehilfsmittel fallen unter die gesetzliche Kostenübernahme?

Im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung unterscheidet das Pflegehilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V und § 78 Absatz 1 SGB XI) zwischen technischen Pflegehilfsmitteln (z. B. Pflegebetten, Lagerungshilfen, Hausnotrufsysteme) und zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln (wie Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel, Bettschutzeinlagen). Während für technische Hilfsmittel in der Regel eine leihweise Überlassung durch die Pflegekasse erfolgt und ggf. eine Zuzahlung von 10 % (maximal 25 Euro je Hilfsmittel) zu leisten ist, werden zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel bis zu einem Betrag von monatlich 40 Euro (seit 2022, befristet aufgrund Corona 60 Euro, vorbehaltlich gesetzlicher Änderungen) übernommen. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass nicht alle auf dem Markt verfügbaren Produkte übernommen werden, sondern ausschließlich solche, die im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sind.

Wie erfolgt die Beantragung von Pflegehilfsmitteln rechtlich korrekt?

Der Antrag auf Pflegehilfsmittel ist bei der zuständigen Pflegekasse (bei gesetzlich Versicherten) bzw. dem privaten Versicherungsunternehmen (bei privat Versicherten) zu stellen. Dabei kann die Beantragung durch die pflegebedürftige Person selbst, deren gesetzliche Vertretung oder durch eine bevollmächtigte Person erfolgen. Technische Pflegehilfsmittel bedürfen in der Regel einer ärztlichen Verordnung und/oder einer pflegefachlichen Empfehlung. Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel können oft formlos beantragt werden, viele Anbieter stellen hierfür standardisierte Antragsformulare zur Verfügung. Lehnt die Kasse einen Antrag ab, ist sie verpflichtet, dies schriftlich und mit Begründung zu tun. Gegen ablehnende Bescheide kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen bei Pflegehilfsmittel-Leistungen?

Pflegebedürftige und deren Angehörige sind nach § 60 SGB I verpflichtet, bei der Beantragung und Inanspruchnahme von Pflegehilfsmitteln mitzuwirken. Dazu gehört das Einreichen erforderlicher Unterlagen, insbesondere ärztlicher Verordnungen, Bestätigungen der Notwendigkeit und ggf. die Teilnahme an einer Pflegeberatung. Die Benutzung technischer Pflegehilfsmittel ist zweckentsprechend und schonend vorzunehmen. Bei leihweise überlassenen Gegenständen besteht die Pflicht, diese bei Wegfall des Bedarfs an den Kostenträger zurückzugeben. Im Schadensfall ist der Kostenträger unverzüglich zu informieren.

Kann die Kostenübernahme für Pflegehilfsmittel rückwirkend erfolgen?

Eine rückwirkende Kostenübernahme ist im Regelfall ausgeschlossen, da die Pflegekasse vor der Anschaffung zu beteiligen ist und einen entsprechenden Bedarf feststellen muss. Nur ausnahmsweise und bei besonderer Dringlichkeit (z. B. akute Verschlechterung des Zustands) können Kosten nachträglich übernommen werden, wenn der Versicherte nachweisen kann, dass eine sofortige Versorgung medizinisch notwendig war und eine nachträgliche Genehmigung schnellstmöglich beantragt wurde. Die Entscheidung darüber trifft die Pflegekasse nach pflichtgemäßem Ermessen. Liegt keine Genehmigung vor, trägt der Versicherte das Kostenrisiko.

Welche Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen sind gesetzlich vorgeschrieben?

Bei technischen Pflegehilfsmitteln ist eine gesetzlich vorgeschriebene Eigenbeteiligung von 10 % des Abgabepreises – höchstens jedoch 25 Euro je Hilfsmittel – zu leisten (§ 40 Abs. 5 SGB XI). Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel sind für Pflegebedürftige zuzahlungsfrei, ausgenommen hiervon sind keine Ausnahmen nach § 40 Abs. 6 SGB XI geregelt. Bei wirtschaftlicher Notlage können Versicherte auf Antrag von der Zuzahlungspflicht befreit werden. Eventuelle Mehrkosten, die entstehen, weil ein teureres als das von der Kasse genehmigte Hilfsmittel gewählt wird, müssen vom Versicherten selbst getragen werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Ablehnung eines Antrags auf Pflegehilfsmittel?

Wird ein Antrag auf Pflegehilfsmittel abgelehnt, ist die Pflegekasse verpflichtet, dies dem Antragsteller schriftlich unter Angabe von Gründen (gemäß § 35 SGB X) mitzuteilen. Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides Widerspruch eingelegt werden (§ 84 SGB XI). Im Widerspruchsverfahren prüft die Kasse die Entscheidung erneut. Fällt die Entscheidung erneut negativ aus, besteht die Möglichkeit der Klage beim zuständigen Sozialgericht. Die Verfahren sind für Versicherte kostenfrei. Besonders empfehlenswert ist die Inanspruchnahme von Beratung durch einen Pflegestützpunkt, die Verbraucherzentrale oder einen Rechtsanwalt mit Spezialisierung im Sozialrecht.

Dürfen Pflegehilfsmittel weitergegeben oder verkauft werden?

Pflegehilfsmittel, die von der Pflegekasse gewährt und leihweise überlassen wurden, dürfen nicht weitergegeben, verkauft oder dauerhaft überlassen werden. Sie bleiben Eigentum der Kasse bzw. des Lieferanten. Sollte ein Hilfsmittel nicht mehr benötigt werden (z. B. bei Änderung des Pflegegrades oder Tod des Pflegebedürftigen), ist es an die Kasse oder das beauftragte Sanitätshaus zurückzugeben. Eigenständig erworbene, nicht von der Kasse finanzierte Pflegehilfsmittel unterliegen keinen rechtlichen Weitergabebeschränkungen. Bei Missbrauch oder unerlaubter Weitergabe drohen Rückforderungsansprüche und ggf. strafrechtliche Konsequenzen.