Legal Lexikon

Pfandkehr


Begriff und Rechtsnatur des Pfandkehr

Der Begriff Pfandkehr umschreibt ein zentrales Institut im Pfandrechtswesen und beschreibt die gerichtliche Verwertung einer verpfändeten beweglichen Sache zur Befriedigung des Pfandgläubigers. Pfandkehr hat im deutschen Recht, insbesondere innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie im historischen Kontext der Zwangsvollstreckung große Bedeutung. Sie zählt zu den klassischen Durchsetzungsinstrumenten des Gläubigers, um seine durch ein Pfandrecht gesicherten Forderungen effizient und rechtmäßig realisieren zu können.

Gesetzliche Grundlagen

Pfandkehr im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Im BGB sind die Vorschriften zur Verwertung verpfändeter Sachen (§§ 1228 bis 1249 BGB) geregelt. Die Pfandkehr selbst wird dabei unmittelbar durch die Vorschriften zur gerichtlichen Pfandverwertung bestimmt.

Wesentliche Vorschriften:

  • § 1247 BGB: Legitimation des Pfandgläubigers zur Verwertung nach Eintritt der Pfandreife, sofern keine anderweitigen Regelungen, insbesondere keine öffentliche Versteigerung, zwingend vorgeschrieben sind.
  • § 1249 BGB: Vorschriften zur Zwangsvollstreckung in das verpfändete Gut, als Voraussetzung und Durchführungsmodalität der Pfandkehr.

Abgrenzung zu anderen Sicherungsrechten

Die Pfandkehr ist streng zu unterscheiden von der Hypothek und anderen Sicherungsrechten an unbeweglichen Sachen. Während die Hypothek vorrangig Grundstücke betrifft, bezieht sich die Pfandkehr auf bewegliches Vermögen.

Historische Entwicklung

Der Begriff und die Konzeption der Pfandkehr stammt aus dem älteren deutschen Recht. Bis zum Inkrafttreten der Zivilprozessordnung (ZPO, 1879) wurde der Pfandkehrbegriff für die gerichtliche Verwertung gepfändeter Mobilien verwendet. Im modernen Recht ist der Begriff kaum mehr gesetzlich explizit verwendet, lebt aber in der Rechtsprechung und Fachliteratur weiter und wird praktisch als Synonym für die Zwangsversteigerung beweglicher Sachen im Rahmen von Sicherungsrechten verwendet.

Voraussetzungen der Pfandkehr

Entstehung und Voraussetzungen des Pfandrechts

Für die Durchführung der Pfandkehr müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Bestehen einer fälligen vollwertigen Forderung
  • Bestellung eines gesetzlichen oder vertraglichen Pfandrechts an einer bestimmten beweglichen Sache
  • Pfandreife gemäß § 1228 Abs. 2 BGB: Die gesicherte Forderung muss zur Zahlung fällig sein, und der Schuldner darf nicht leisten.

Anerkennung und Schutz des Pfandgläubigers

Nur derjenige, der Inhaber eines wirksamen Pfandrechts ist, kann die Pfandkehr zur Durchsetzung seiner Rechte betreiben. Ein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts ist grundsätzlich möglich, sofern alle gesetzlichen Erwerbsvoraussetzungen eingehalten werden (§ 1207 BGB).

Ablauf und Durchführung der Pfandkehr

Ankündigung und Vorbereitung

Bevor zur Pfandkehr geschritten werden darf, ist der Schuldner grundsätzlich hierüber zu informieren. Dies ergibt sich aus Allgemeinen Grundsätzen wie Treu und Glauben und – bei Kaufleuten – aus § 1234 BGB. Wird die Ankündigung unterlassen, kann der Schuldner im Einzelfall Schadensersatzansprüche geltend machen.

Form der Verwertung

Die gesetzlich vorgesehene Form der Pfandkehr ist in der Regel die öffentliche Versteigerung. Eine abweichende Verwertungsform (z. B. freihändiger Verkauf) ist nur mit Einwilligung des Schuldners oder falls drohender Verderb besteht (§ 1235 Absatz 1, § 1237 BGB).

Verfahren:

  • Der Pfandgläubiger beantragt die Durchführung, meist durch Einleitung eines gerichtlichen Versteigerungsverfahrens.
  • Der Erlös der gepfändeten Sache dient vorrangig der Befriedigung der gesicherten Forderung.
  • Ein etwaiger Mehrerlös ist an den Schuldner abzuführen (§ 1247 Abs. 2 BGB).

Sonderregelungen

Bei drohendem Verderb oder wenn der Wert der Sache die Kosten der Aufbewahrung nicht deckt, ist ausnahmsweise ein freihändiger Verkauf zulässig (§ 1237 BGB). Die hierfür notwendigen Voraussetzungen sind eng auszulegen und bedürfen einer strengen Prüfung.

Rechtsfolgen der Pfandkehr

Mit erfolgreicher Pfandkehr und Verwertungserlös erlischt das Pfandrecht an der Sache (§ 1252 BGB). Der Pfandgläubiger erhält aus dem Erlös seine gesicherte Forderung zuzüglich etwaiger Kosten. Etwaige Überschüsse stehen dem Eigentümer der Sache (meist dem Schuldner) zu.

Kommt es zu einer Unterdeckung, bleibt die Restforderung ungesichert bestehen und kann ggf. über alternative Vollstreckungsmaßnahmen geltend gemacht werden.

Rechtsschutz und Rechtsmittelausübung

Schutz des Schuldners

Der Schuldner genießt Schutzmechanismen gegen willkürliche oder missbräuchliche Verwertung der Sache. Hierzu zählt das Recht auf Ankündigung der Verwertung, ein ggf. bestehendes Recht zur Vereitelung der Verwertung durch Befriedigung der Forderung sowie gegebenenfalls Unterlassungsansprüche bei drohenden Regelverstößen.

Rechtsmittel

Sind Verfahrensverstöße oder Rechtsverletzungen bei der Durchführung der Pfandkehr festzustellen, kann der Schuldner gegen einzelne Maßnahmen Rechtsschutz durch Einlegung von Beschwerden und gegebenenfalls Anfechtung der Verwertung einlegen.

Steuerrechtliche und insolvenzrechtliche Aspekte

Insolvenzrechtliche Auswirkungen

Im Insolvenzfall sind die Rechte des Pfandgläubigers gem. § 50 InsO durch das Absonderungsrecht geschützt. Für viele Pfandrechte gilt, dass die Verwertung auch im Insolvenzverfahren von der Masseverwaltung, aber im Interesse des Pfandrechtsgläubigers erfolgt.

Steuerliche Behandlung

Pfandkehrvorgänge können umsatzsteuerliche Konsequenzen haben, insbesondere wenn der Verwertungserlös steuerbare Umsätze darstellt. Dabei ist zu beachten, dass der Pfandgläubiger als Leistender gelten kann.

Pfandkehr im internationalen Rechtsvergleich

In den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen existieren vergleichbare Institute, mit z. T. eigenständigen Verwertungsvorschriften. Im anglo-amerikanischen Recht wird das Pendant zur Pfandkehr als „foreclosure“ oder „enforcement of lien“ bezeichnet, wobei einzelne Verfahren deutlich abweichend ausgestaltet sein können.

Literaturhinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 1204 ff., 1247 ff.
  • Zivilprozessordnung (ZPO)
  • Insolvenzordnung (InsO)
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage
  • Staudinger, BGB Kommentar

Dieser Artikel gibt umfassend Auskunft über Wesen, Anwendung und rechtliche Auswirkungen der Pfandkehr anhand der relevanten gesetzlichen Bestimmungen und Rechtsprechung im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Unter welchen Voraussetzungen darf der Pfandgläubiger von seinem Pfandkehrrecht Gebrauch machen?

Damit ein Pfandgläubiger rechtmäßig von seinem Pfandkehrrecht Gebrauch machen kann, müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein wirksames Pfandverhältnis bestehen, das entweder durch Gesetz oder rechtsgeschäftliche Vereinbarung begründet ist. Weiterhin muss die gesicherte Forderung fällig sein, das heißt, der Schuldner muss mit der Leistung in Verzug geraten sein und der Gläubiger kann die Befriedigung seiner Ansprüche verlangen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass sich die Sache berechtigterweise im Besitz des Pfandgläubigers befindet. Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass eine separate Verfügung des Schuldners, also ein explizites Einverständnis zur Verwertung im Einzelfall, nicht zwingend erforderlich ist, sofern das Gesetz oder der Vertrag keine abweichenden Regelungen enthält. Allerdings muss üblicherweise der Schuldner über die bevorstehende Verwertung informiert werden, sodass ihm Gelegenheit zur Zahlung oder anderweitigen Abwendung der Pfandverwertung gegeben wird. Insbesondere bei Unternehmerpfandrechten (z.B. HGB § 562a) bestehen spezielle Benachrichtigungspflichten, um den Schuldner vor überraschenden Vermögenseingriffen zu schützen.

Welche Benachrichtigungs- und Androhungspflichten treffen den Pfandgläubiger vor der Ausübung der Pfandkehr?

Vor der tatsächlichen Verwertung durch Pfandkehr obliegt dem Pfandgläubiger in aller Regel die Pflicht, dem Schuldner die bevorstehende Verwertung rechtzeitig anzukündigen und ihm eine letzte Frist zur Zahlung oder sonstigen Erfüllung der gesicherten Forderung zu setzen. Diese Pflicht ergibt sich vor allem bei gesetzlichen Pfandrechten wie etwa dem Vermieterpfandrecht nach BGB § 1234 Absatz 1. Das Androhungserfordernis dient dem Schuldnerschutz, sodass dieser seine Rechte wahrnehmen kann, bevor unwiderrufliche Maßnahmen erfolgen. Die Fristsetzung muss dem Schuldner die Möglichkeit geben, entweder zu zahlen oder das Pfandobjekt selbst zu verwerten. Die konkrete Länge der Frist bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, sollte jedoch den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragen. Wird diese Pflicht zur Androhung und Fristsetzung verletzt, ist die Pfandkehr grundsätzlich unwirksam, was zu Schadensersatzansprüchen des Schuldners führen kann.

Welche gesetzlich geregelten Verwertungsarten stehen dem Pfandgläubiger im Rahmen der Pfandkehr zu?

Das Gesetz sieht für die Ausübung der Pfandkehr im Regelfall die öffentliche Versteigerung des Pfandgegenstands vor, wie es etwa aus § 1235 BGB hervorgeht. Privatverkäufe sind – insbesondere bei beweglichen Sachen – nur im Ausnahmefall gestattet, etwa wenn diese Verwertungsart als wirtschaftlich sinnvoll erscheint und keine berechtigten Interessen des Schuldners entgegenstehen. Die Einnahmen aus der Verwertung sind zur Befriedigung der besicherten Forderung zu verwenden, ein eventueller Überschuss ist an den Schuldner auszukehren. Zudem bestehen beim Pfandrecht an Wertpapieren oder anderen leicht veräußerlichen Sachen nach § 1221 BGB sowie im Handelsrecht (vgl. HGB) besondere Vorschriften, die den Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen zur freihändigen Verwertung berechtigen.

Welche Schutzmechanismen sieht das Gesetz für den Schuldner bei der Ausübung der Pfandkehr vor?

Das Gesetz sieht zahlreiche Schutzmechanismen für den Schuldner vor, um ein unbilliges Vorgehen des Pfandgläubigers zu verhindern und Missbrauch zu vermeiden. Neben der oben genannten Androhungs- und Benachrichtigungspflicht besteht ein wichtiger Schutz darin, dass die Verwertung grundsätzlich öffentlich und transparent zu erfolgen hat, meist durch öffentliche Versteigerung. Darüber hinaus hat der Schuldner ein Anrecht auf eine angemessene Frist zur Abwendung der Verwertung und auf Auszahlung eines etwaigen Verwertungserlöses, der über die gesicherte Forderung hinausgeht. Gemäß § 1220 BGB kann der Schuldner bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Pfand einlösen. Kommt es zu formellen Fehlern oder wird das Pfandrecht in sittenwidriger oder treuwidriger Weise ausgeübt, kann dem Pfandgläubiger die Verwertung untersagt werden und der Schuldner kann unter Umständen Schadensersatz verlangen.

Was passiert, wenn der Erlös aus der Pfandkehr die zu sichernde Forderung übersteigt?

Der Pfandgläubiger ist gesetzlich verpflichtet, einen nach Befriedigung seiner Forderung verbleibenden Überschuss an den Schuldner herauszugeben. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 367 BGB, wonach die Tilgung einer Schuld bei mehreren Forderungen nach Reihenfolge erfolgt, sowie aus § 1247 BGB, der die Verpflichtung zur Herausgabe eines Überschusses nach Abzug aller Kosten wie Zinsen und Verwertungskosten regelt. Sollte der Pfandgläubiger den Überschuss nicht aushändigen, steht dem Schuldner ein Anspruch auf Herausgabe dieses Betrags zu. Missachtet der Gläubiger diese Pflicht, kann er sich schadensersatzpflichtig machen und bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten auch strafrechtlich belangt werden.

Welche besonderen Pflichten treffen den Pfandgläubiger hinsichtlich der Werterhaltung und Fürsorge während der Pfandverwahrung?

Während das Pfandobjekt im Besitz des Pfandgläubigers verbleibt, treffen ihn umfangreiche Obhutspflichten. Gemäß den §§ 1204 ff. BGB muss der Pfandgläubiger das Pfand mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verwahren und darf es nur insoweit benutzen, wie dies zur Erhaltung notwendig ist oder wenn es der Vertrag ausdrücklich vorsieht. Die Vernachlässigung dieser Sorgfalt kann zu Schadensersatzansprüchen des Schuldners führen, sollte das Pfand während der Verwahrung beschädigt oder zerstört werden. Ferner haftet der Pfandgläubiger für jede schuldhafte Verletzung dieser Obhutspflicht. Im Einzelfall kann der Schuldner, sollte die Gefahr einer Verschlechterung bestehen, sogar die vorzeitige Verwertung unter richterlicher Aufsicht verlangen (vgl. § 1243 BGB).

Welche Rechtsbehelfe stehen dem Schuldner gegen eine unberechtigte oder nicht ordnungsgemäß durchgeführte Pfandkehr zur Verfügung?

Dem Schuldner stehen verschiedene rechtliche Mittel zur Verfügung, um sich gegen eine unberechtigte oder formwidrige Pfandkehr zu wehren. Neben der Möglichkeit, Widerspruch gegen die geplante Verwertung einzulegen, kann der Schuldner im Rahmen einstweiliger Verfügungen oder Klagen vor den Zivilgerichten die Unterlassung einer geplanten Verwertung beantragen, insbesondere bei Verletzung von Androhungs- oder Benachrichtigungspflichten. Wurde das Pfand bereits verwertet und erweist sich dies als rechtswidrig, stehen dem Schuldner Ansprüche auf Schadensersatz nach § 989 BGB zu. In besonders gelagerten Fällen, etwa bei groben Verstößen gegen formelle oder materielle Anforderungen, kann der Schuldner zudem eine Rückabwicklung oder Rückgabe des veräußerten Pfands verlangen.