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Persönliches Budget


Persönliches Budget im deutschen Sozialrecht

Begriff und Zielsetzung des Persönlichen Budgets

Das Persönliche Budget ist eine individuell ausgestaltete Geldleistung im deutschen Sozialrecht, mit der Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohte Menschen nach § 29 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) die Möglichkeit erhalten, Leistungen zur Teilhabe selbstbestimmt und eigenverantwortlich einzukaufen und zu verwalten. Das Ziel des Persönlichen Budgets besteht darin, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern, indem Leistungsberechtigte Dienst- und Sachleistungen in Form eines monatlichen Geldbetrags oder als Gutscheine erhalten und so Leistungen eigenständig organisieren können.

Rechtsgrundlagen

Nationalrechtliche Regelungen

Die gesetzliche Verankerung des Persönlichen Budgets findet sich insbesondere im § 29 SGB IX, ergänzend auch in den Vorschriften weiterer Sozialgesetzbücher:

  • § 17 SGB I (Leistungen zur Teilhabe)
  • § 53 ff. SGB XII (Eingliederungshilfe)
  • § 54 SGB XII (Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft)
  • § 104 ff. SGB IX (Leistungserbringung)

Gemäß § 17 Absatz 2 bis 4 SGB IX erhalten leistungsberechtigte Personen auf Antrag das Persönliche Budget, welches gegenüber herkömmlichen Sachleistungen einen gleichrangigen Anspruch begründet.

Internationale Übereinkünfte

Das Persönliche Budget ist zudem im Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), insbesondere Artikel 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft), zu sehen, welcher die Vertragsstaaten verpflichtet, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch Wahlfreiheit und Kontrollmöglichkeiten über Unterstützungsleistungen zu stärken.

Anspruchsberechtigte und Voraussetzungen

Anspruch auf das Persönliche Budget haben Personen, die einen Anspruch auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe nach Maßgabe des SGB IX und benannter Sozialleistungsträger haben.

Voraussetzungen:

  • Behinderung oder drohende Behinderung gemäß §§ 2, 19 SGB IX
  • Bestehender Anspruch auf eine Teilhabeleistung (etwa Eingliederungshilfe, Pflegeleistungen, Hilfen zur angemessenen Schulbildung, berufliche Rehabilitation)
  • Gestellter formloser Antrag auf das Persönliche Budget gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger (z.B. Träger der Eingliederungshilfe, Gesetzliche Krankenkasse, Unfall- oder Rentenversicherung)
  • Geeignete Selbstverwaltung der Leistungen oder entsprechende Unterstützung, insbesondere bei hohem Unterstützungsbedarf

Verfahren zur Gewährung des Persönlichen Budgets

Antragstellung

Das Persönliche Budget ist auf Antrag zu gewähren. Der Antrag ist formlos, schriftlich oder zur Niederschrift, bei dem jeweiligen Rehabilitationsträger zu stellen. Nach Antragstellung wird das reguläre Leistungsfeststellungsverfahren eingeleitet, inklusive Bedarfsermittlung und Zielvereinbarung.

Zielvereinbarung

Mit Gewährung eines Persönlichen Budgets wird eine Zielvereinbarung nach § 29 Absatz 3 SGB IX geschlossen. Diese enthält insbesondere

  • die zu erreichenden Ziele (z.B. soziale Teilhabe, Erhalt der Selbstständigkeit),
  • den Bewilligungszeitraum,
  • die Qualitätssicherungsmaßnahmen,
  • die Art und Weise der Verwendungsnachweise.

Sie soll Klarheit über den Leistungsumfang, die Qualität und Überprüfbarkeit der eigens beschafften Maßnahmen bieten.

Bewilligung und Auszahlung

Die bewilligte Budgethöhe richtet sich nach dem sich aus dem individuellen Bedarf ergebenden Anspruch auf die entsprechende Sach- oder Dienstleistung (§ 29 Absatz 2 SGB IX). Die Leistung wird als monatlicher Geldbetrag oder alternativ als Gutschein gewährt. Die Auszahlung erfolgt direkt an die leistungsberechtigte Person.

Umfang und Zweckbindung des Persönlichen Budgets

Das Persönliche Budget kann für alle im SGB IX vorgesehenen Teilhabe- oder Rehabilitationsleistungen verwendet werden, insbesondere im Bereich der Eingliederungshilfe, Pflege, medizinischer Rehabilitation und schulischen/beruflichen Teilhabe.

Eine Zweckbindung ist zu beachten, das heißt, das Budget muss im Rahmen der in der Zielvereinbarung festgelegten Zwecke eigenverantwortlich für Leistungen eingesetzt werden, die einem gleichwertigen Unterstützungsbedarf entsprechen.

Trägerübergreifendes Persönliches Budget

Besonderes Merkmal ist die Möglichkeit des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets (§ 29 Absatz 1 SGB IX). Sind mehrere Rehabilitationsträger beteiligt, legen diese koordiniert eine gemeinsame Bewilligung und Abwicklung fest. Ziel ist die Vereinfachung der Leistungserbringung und die Vermeidung von Überschneidungen und Versorgungslücken.

Qualitätssicherung, Nachweis und Überprüfung

Leistungsberechtigte sind verpflichtet, die zweckmäßige Verwendung des Persönlichen Budgets nachzuweisen. Bei Unklarheiten hinsichtlich der Sicherstellung der bedarfsgerechten Hilfen besteht für die Träger die Möglichkeit, die Bewilligung anzupassen oder einzuschränken. Regelmäßig werden im Rahmen des Teilhabeplans Überprüfungen der Zielerreichung und der Budgetverwendung durchgeführt.

Verhältnis zu anderen Leistungen und Rechtsfolge bei Pflichtverletzung

Das Persönliche Budget tritt an die Stelle entsprechender Sach- oder Dienstleistungsansprüche. Es besteht ein Wahlrecht zwischen der herkömmlichen Sachleistung und dem Persönlichen Budget.

Bei zweckwidriger Verwendung oder falscher Angabe kann die Rückforderung gewährter Mittel erfolgen. Zudem ist die vorzeitige Beendigung des Budgets durch die Verwaltung möglich.

Kritik und Weiterentwicklung

Obwohl das Persönliche Budget die Selbstbestimmung stärken und die Verwaltung vereinfachen soll, wird in der Praxis häufig über einen erhöhten Beratungsbedarf, administrative Herausforderungen und Unsicherheiten bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen berichtet. Die Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen und rechtssichere Ausgestaltung von Zielvereinbarungen gehören zu aktuellen Diskussionsfeldern.

Literatur und Weblinks


Hinweis: Der Artikel stellt eine Darstellung des geltenden Rechts dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Änderungen rechtlicher Vorschriften können Auswirkungen auf die dargestellten Inhalte haben.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat einen Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget?

Der Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget ergibt sich aus § 29 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) und betrifft Menschen mit Behinderungen sowie von Behinderung bedrohte Personen, die Anspruch auf rehabilitationsrechtliche oder Teilhabeleistungen haben. Diese Rechtsvorschrift legt fest, dass anstelle von herkömmlichen Sachleistungen das Persönliche Budget beantragt werden kann. Die Anspruchsberechtigung erstreckt sich sowohl auf volljährige als auch minderjährige Personen, sofern ein anerkannter Bedarf für Leistungen zur Teilhabe besteht. Weiterhin ist es unerheblich, ob die Leistungen bei der Eingliederungshilfe, der Pflegeversicherung oder bei anderen Trägern sozialer Leistungen beantragt werden. Der Antragsteller muss die Voraussetzungen für die jeweilige Leistung erfüllen, wobei das Persönliche Budget lediglich eine alternative Auszahlungsform darstellt, ohne dass weitergehende Leistungsansprüche entstehen.

Bei welchem Leistungsträger ist das Persönliche Budget zu beantragen?

Das Persönliche Budget wird bei demjenigen Leistungsträger beantragt, der für die jeweilige benötigte Teilhabe- oder Rehabilitationsleistung zuständig ist. Dies kann je nach Art des Bedarfs die Agentur für Arbeit, die gesetzliche Unfall- oder Rentenversicherung, das Sozialamt, die Pflegekasse oder auch das Jugendamt sein (§ 14 SGB IX). Sobald mehrfach unterschiedliche Leistungen benötigt werden („Trägerübergreifendes Persönliches Budget“), kann der Antrag bei jedem beteiligten Träger gestellt werden; dieser klärt dann die Zuständigkeit im sogenannten Einmalantragsverfahren nach § 15 SGB IX. Der Antragsteller muss seinen Bedarf konkret benennen, während der Träger verpflichtet ist, auf die Möglichkeit des Persönlichen Budgets hinzuweisen und zu beraten.

Welche rechtlichen Vorgaben regeln die Gestaltung und den Abschluss der Zielvereinbarung?

Die Zielvereinbarung bildet die rechtliche Grundlage der Leistungsgewährung im Rahmen des Persönlichen Budgets. § 29 Abs. 3 SGB IX verpflichtet Leistungsberechtigte und Leistungsträger, eine schriftliche Zielvereinbarung abzuschließen, bevor die Mittel ausgezahlt werden. In dieser Zielvereinbarung werden Art und Umfang der Leistungen, die mit dem Persönlichen Budget abgedeckt werden, Aufnahme der angestrebten Teilhabeziele sowie die Nachweise zur zweckentsprechenden Verwendung des Budgets festgelegt. Die Zielvereinbarung muss einvernehmlich ausgehandelt, darf jedoch nicht als „Vertragszwang“ verstanden werden. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet der Träger per Verwaltungsakt. Rechtlich gesehen ist die Zielvereinbarung somit eine besondere Form der Leistungsgewährung mit paritätischem Aushandlungscharakter, deren rechtlicher Inhalt überprüfbar bleiben muss.

Wie wird die Verwendung des Persönlichen Budgets rechtlich kontrolliert?

Die rechtliche Kontrolle der Mittelverwendung erfolgt durch die Pflicht zur zweckentsprechenden Verwendung und regelmäßige Nachweispflichten. Nach § 29 Abs. 3 SGB IX ist in der Zielvereinbarung festzulegen, in welcher Form und in welchem Rhythmus der Nachweis über die Verwendung zu führen ist. Die Leistungsberechtigten müssen dem Leistungsträger belegen, dass das Persönliche Budget entsprechend der vereinbarten Teilhabeziele genutzt wurde. Eine vollständige freie Verfügung ist ausgeschlossen: Missbrauch oder Zweckentfremdung kann zur Rückforderung der Mittel (§ 50 SGB X) und ggf. zur Einstellung weiterer Leistungen führen. Die Kontrolle schließt auch stichprobenartige Überprüfungen und ggf. persönliche Gespräche ein. Der Datenschutz ist zu wahren.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Ablehnung oder Streitigkeiten bezüglich des Persönlichen Budgets?

Wird ein Antrag auf Persönliches Budget ganz oder teilweise abgelehnt, erfolgt dies durch einen formal prüfbaren Verwaltungsakt, gegen den gemäß § 78 SGG (Sozialgerichtsgesetz) Widerspruch und anschließend Anfechtungsklage beim Sozialgericht erhoben werden kann. Gleiches gilt für Streitigkeiten um die Ausgestaltung oder Höhe des Budgets. Bei nicht fristgerechter Entscheidung kann eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erfolgen. Kommt keine Zielvereinbarung zustande, entscheidet der Träger durch Verwaltungsakt, der ebenfalls anfechtbar ist. Die rechtlichen Möglichkeiten beinhalten Rechtsbehelfsbelehrung, Akteneinsicht und bei Bedarf auch die Vertretung durch Bevollmächtigte oder Beistände.

In welchem Verhältnis steht das Persönliche Budget zu anderen Sozialleistungen?

Das Persönliche Budget ist keine zusätzliche Sozialleistung, sondern ersetzt gleichwertig bisherige Sach- oder Dienstleistungen (§ 29 Abs. 2 SGB IX). Die Leistungsberechtigten erhalten die ihnen zustehenden Leistungen alternativ in Geld- oder Gutscheinform mit der Pflicht zur eigenen Organisation. Andere Ansprüche auf Sozialleistungen bleiben unberührt, sofern sie nicht identisch sind. Eine Doppelinanspruchnahme („Doppelleistung“) ist ausgeschlossen. Bestehen Mehrbedarfe in Zusammenhang mit dem Persönlichen Budget, sind diese gesondert zu prüfen und ggf. zu bewilligen.

Wie lange besteht der Anspruch auf das Persönliche Budget und wie erfolgt die Anpassung?

Der Anspruch auf das Persönliche Budget besteht grundsätzlich fortlaufend, solange die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der individuelle Hilfebedarf besteht. Die Bewilligung erfolgt in der Regel befristet, meist für ein bis zwei Jahre. Änderungen des Bedarfs, neue gesetzliche Vorgaben oder Veränderungen der Lebenssituation (z.B. Wechsel des Arbeits- oder Wohnortes) können eine Überprüfung und Anpassung des Budgets nach § 48 SGB X erforderlich machen. Sowohl Leistungsberechtigte als auch Leistungsträger können eine Neufestsetzung oder Anpassung beantragen. Eine rechtmäßige Änderung erfordert stets einen Verwaltungsakt mit entsprechender Begründung und ggf. Anhörung.