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Patientenverfügung


Definition und Bedeutung der Patientenverfügung

Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung einer einwilligungsfähigen Person, mit der sie im Voraus festlegt, ob und wie sie in bestimmten medizinischen Situationen behandelt werden möchte, falls sie selbst nicht mehr in der Lage ist, ihren Willen zu äußern. Die Patientenverfügung dient der Selbstbestimmung des Patienten und hat im deutschen Recht eine hohe Bedeutung, insbesondere im Zusammenhang mit medizinischen Entscheidungen zu lebenserhaltenden Maßnahmen, Schmerzbehandlung und Palliativversorgung.

Gesetzliche Grundlagen der Patientenverfügung

Die rechtliche Verankerung der Patientenverfügung findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 1901a und 1901b BGB. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Patientenverfügung im Jahr 2009 wurde die Verbindlichkeit der in einer Patientenverfügung getroffenen Anordnungen für Bevollmächtigte, Betreuer und behandelnde Ärztinnen und Ärzte festgelegt.

§ 1901a BGB – Inhalt und Bindungswirkung

Nach § 1901a Absatz 1 BGB kann jede einwilligungsfähige volljährige Person für den Fall ihrer Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegen, ob sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen einwilligt oder diese untersagt. Die in der Patientenverfügung getroffenen Anordnungen sind bindend, sofern die jeweilige Behandlungssituation eintritt und die Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

Formvorschriften

Eine Patientenverfügung muss nach § 1901a BGB schriftlich verfasst sein. Die eigenhändige Unterschrift ist zwingend erforderlich. Eine notarielle Beurkundung ist jedoch nicht notwendig. Mündliche Erklärungen sowie elektronisch erstellte Dokumente ohne eigenhändige Unterschrift erfüllen die gesetzlichen Anforderungen nicht.

Widerruf und Änderung

Eine Patientenverfügung ist jederzeit formlos widerrufbar, solange der Aussteller einwilligungsfähig ist. Der Widerruf kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Auch Änderungen der Verfügung sind möglich und sollten ebenso schriftlich erfolgen.

Inhaltliche Anforderungen und Ausgestaltung

Die Patientenverfügung sollte möglichst konkret formulierte Anweisungen enthalten, damit der Wille des Verfassers in verschiedenen Behandlungssituationen zweifelsfrei erkannt werden kann. Häufig trifft die Verfügung Regelungen zu folgenden Aspekten:

  • Zustimmung oder Ablehnung bestimmter lebenserhaltender Maßnahmen (z. B. künstliche Beatmung, künstliche Ernährung, Wiederbelebung)
  • Vorgaben zu Schmerz- und Symptombehandlung
  • Anweisungen zur Vermeidung von Leiden und Flüssigkeitsgabe
  • Wünsche bezüglich palliativer und seelsorgerischer Begleitung

Nicht ausreichend sind pauschale Formulierungen wie „Ich möchte nicht an Schläuchen hängen“ oder „Ich möchte würdevoll sterben.“ Damit eine Patientenverfügung rechtsverbindlich ist, müssen die Festlegungen möglichst präzise und konkret sein.

Verhältnis zu Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung

Die Patientenverfügung kann mit einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreuungsverfügung kombiniert werden. Während die Patientenverfügung ausschließlich den eigenen Willen im Hinblick auf medizinische Maßnahmen zum Ausdruck bringt, kann mit einer Vorsorgevollmacht einer anderen Person das Recht eingeräumt werden, über medizinische Maßnahmen zu entscheiden. Im Falle der Einwilligungsunfähigkeit hat der Bevollmächtigte oder der gerichtlich bestellte Betreuer den in der Patientenverfügung niedergelegten Willen umzusetzen.

Geltungsbereich und Durchsetzung

Ärztliche und pflegerische Verpflichtungen

Ärztinnen und Ärzte sowie das behandelnde Pflegepersonal sind an die in einer Patientenverfügung getroffenen Verfügungen gebunden, sofern die dort beschriebenen Situationen und Maßnahmen zutreffen. Im Streitfall muss ggf. ein Betreuungsgericht darüber entscheiden, wie der Patientenwille auszulegen und umzusetzen ist (§ 1904 BGB).

Praktische Umsetzung

Im Falle einer Entscheidungssituation ist zu prüfen, ob der Patient einwilligungsfähig ist. Bei bestehender Einwilligungsunfähigkeit kommt die Patientenverfügung zur Anwendung. Die behandelnden Personen sind dazu verpflichtet, den in der Verfügung geäußerten Willen zu ermitteln, zu respektieren und entsprechend zu handeln. Liegt keine ausreichend konkrete Patientenverfügung vor, ist im Dialog mit den Angehörigen oder dem Betreuer der mutmaßliche Wille des Patienten festzustellen.

Grenzen und Reichweite der Patientenverfügung

Reichweite medizinischer Maßnahmen

Die Patientenverfügung kann sich auf alle sogenannten ärztlichen Maßnahmen erstrecken, bei denen die Einwilligung des Patienten erforderlich ist. Dazu zählen insbesondere lebensverlängernde oder -verkürzende Eingriffe. Nicht umfasst sind Maßnahmen der Grundpflege, wie Körperpflege, Zufuhr von Nahrung oder Flüssigkeit per Hand, sowie Behandlungsmaßnahmen bei akuten, reversiblen Erkrankungen, die nicht von der Verfügung erfasst sind.

Strafrechtliche Aspekte

Die korrekte Umsetzung einer wirksamen Patientenverfügung ist strafrechtlich geschützt. Ärztinnen und Ärzte, die sich an den geäußerten Willen halten, handeln im Einklang mit dem Gesetz. Eine Missachtung des Patientenwillens kann unter Umständen straf- oder haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Besonderheiten bei psychischen Erkrankungen

Im Kontext psychischer Erkrankungen sind Patientenverfügungen nach § 1901a BGB grundsätzlich möglich, müssen jedoch mit besonderer Sorgfalt formuliert werden. Sie finden keine Anwendung bei akuten, nicht absehbaren Zuständen wie Suizidalität oder vorübergehender psychischer Ausnahmesituationen.

Aufbewahrung und Zugänglichmachung

Um sicherzustellen, dass die Patientenverfügung im Ernstfall auch zur Anwendung kommt, ist eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung empfehlenswert. Weiterhin ist es ratsam, das Dokument an einem gut auffindbaren Ort zu hinterlegen oder einer nahestehenden Vertrauensperson zu übergeben. Ein Eintrag im zentralen Vorsorgeregister kann die Auffindbarkeit und Zugriffsmöglichkeit für medizinisches Personal sowie Betreuer erleichtern.

Rechtsprechung zur Patientenverfügung

Die Rechtsprechung hat die Patientenverfügung als verbindliches Instrument zur Sicherung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten bestätigt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mehrfach betont, dass die in einer Patientenverfügung niedergelegten Willensäußerungen im Sinne des § 1901a BGB maßgeblich sind, sofern sie sich auf die vorliegende Lebens- und Behandlungssituation beziehen und hinreichend konkret formuliert sind. Im Streitfall zwischen Angehörigen und Behandlungsteam entscheidet das zuständige Betreuungsgericht.

Zusammenfassung

Die Patientenverfügung stellt ein zentrales Instrument der gesundheitlichen Vorsorge dar und ist rechtlich verbindlich ausgestaltet. Voraussetzung hierfür ist die schriftliche und eigenhändige Festlegung sowie Einwilligungsfähigkeit bei Errichtung. Die Verfügung muss konkret genug sein, um in medizinischen Ernstfällen Anwendung finden zu können, und ist sowohl für das medizinische Personal als auch für bevollmächtigte oder betreuende Personen bindend. Mit einer rechtssicheren Patientenverfügung lässt sich das Selbstbestimmungsrecht auch in der letzten Lebensphase wahren.

Häufig gestellte Fragen

Kann eine Patientenverfügung jederzeit widerrufen oder geändert werden?

Eine Patientenverfügung kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen oder geändert werden. Nach deutschem Recht, insbesondere gemäß § 1901a BGB, gelten an eine Patientenverfügung keine Formvorschriften hinsichtlich des Widerrufs: Der Widerruf kann schriftlich, mündlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen. Im Gegensatz dazu muss die Verfassung oder Änderung der Verfügung selbst schriftlich erfolgen, um Rechtsgültigkeit zu erlangen. Jegliche Änderungen sollten eindeutig und nachvollziehbar dokumentiert werden, um im Ernstfall Streitigkeiten bezüglich des Patientenwillens zu vermeiden. Der Widerruf wird sofort wirksam, sobald er erklärt ist, und bindet Ärzte sowie bevollmächtigte Vertreter. Zu beachten ist, dass nur der Verfasser der Patientenverfügung – also die volljährige, einwilligungsfähige Person – zu Änderungen oder Widerruf berechtigt ist. Angehörige oder Bevollmächtigte können dies nicht ohne ausdrückliche Ermächtigung tun.

Ist eine notarielle Beglaubigung für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung erforderlich?

Für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung ist in Deutschland grundsätzlich keine notarielle oder behördliche Beglaubigung erforderlich. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1901a BGB) schreibt lediglich die Schriftform vor, das bedeutet, das Dokument muss handschriftlich unterzeichnet sein. Die Einhaltung der Schriftform dient der Rechtssicherheit und der eindeutigen Zuordnung des Willens zum Verfasser. Gleichwohl kann eine notarielle Beglaubigung im Einzelfall sinnvoll sein, um die Echtheit der Unterschrift und die Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung zu bestätigen, was spätere Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit ausräumen kann. Dies ist jedoch freiwillig und erhöht lediglich die Beweiskraft, nicht aber die Rechtsgültigkeit an sich.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich für Ärzte, wenn sie einer Patientenverfügung nicht Folge leisten?

Leistet ein Arzt einer wirksamen und einschlägigen Patientenverfügung nicht Folge, kann dies erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zunächst wirkt die Patientenverfügung gemäß § 1901a BGB für alle medizinischen Maßnahmen bindend, soweit sie den aktuellen Behandlungssachverhalt hinreichend konkret abdeckt und der behandelnde Arzt die Echtheit sowie den aktuellen Willen des Patienten zweifelsfrei feststellen kann. Die Missachtung eines darin klar geäußerten Willens stellt grundsätzlich eine Körperverletzung dar, die strafrechtlich verfolgt werden kann (§ 223 StGB). Ärzte machen sich außerdem zivilrechtlich schadensersatzpflichtig. Soweit medizinische Maßnahmen entgegen dem Patientenwillen durchgeführt werden, kann dies einen schwerwiegenden berufsrechtlichen Verstoß darstellen, der disziplinarrechtliche Maßnahmen bis hin zum Entzug der Approbation nach sich ziehen kann.

Wie lange ist eine Patientenverfügung rechtlich gültig?

Es existiert keine gesetzlich geregelte zeitliche Begrenzung für die Gültigkeit einer Patientenverfügung. Sie bleibt so lange gültig, bis sie widerrufen oder durch eine neue Patientenverfügung ersetzt wird. Allerdings empfiehlt das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz regelmäßige Aktualisierungen, insbesondere dann, wenn sich die Lebenssituation, die eigene Auffassung zu medizinischen Maßnahmen oder gesetzliche Rahmenbedingungen ändern. In der Praxis kann eine sehr alte Patientenverfügung (z.B. über zehn Jahre alt) zu Auslegungsproblemen führen, etwa hinsichtlich der Aktualität des Willens. Während ältere Patientenverfügungen prinzipiell weiterhin rechtlich wirksam sind, dienen regelmäßige Überprüfungen und Bestätigungen der Aktualität der Beweissicherung und sind bei der Entscheidungsfindung im Ernstfall von großem Vorteil.

Was geschieht rechtlich, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?

Liegt keine Patientenverfügung vor, richtet sich die medizinische Behandlung im Falle einer Einwilligungsunfähigkeit nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten (§ 1901a Abs. 2 BGB). In diesem Fall ist in der Regel ein gerichtlicher Betreuer oder ein gesetzlicher Vertreter – wie etwa ein in einer Vorsorgevollmacht benannter Bevollmächtigter – zur Vertretung berechtigt. Der mutmaßliche Wille ist anhand von früheren mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, ethischen oder religiösen Überzeugungen und sonstigen persönlichen Wertvorstellungen des Betroffenen zu ermitteln. Entscheidungen über ärztliche Maßnahmen mit schwerwiegenden Folgen, insbesondere den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen, bedürfen einer engen Abstimmung zwischen Arzt und Vertreter und werden oft in Krisensituationen mit einer gerichtlichen Genehmigung kombiniert.

Können Patientenverfügungen auch Regelungen zu Organspende oder Beerdigung enthalten?

Patientenverfügungen sind rechtlich ausschließlich auf medizinische Maßnahmen und die Einwilligung oder Verweigerung zur Durchführung bestimmter ärztlicher Behandlungen begrenzt. Regelungen zu Organspende, Beerdigungen oder sonstige postmortale Wünsche sollten daher nicht in der Patientenverfügung selbst, sondern gesondert, beispielsweise in einer Organspendeerklärung oder einer Bestattungsverfügung, festgehalten werden. Während medizinisches Personal an die Vorgaben einer Patientenverfügung gebunden ist, entfalten solche zusätzlichen Regelungen in diesem Dokument keine rechtliche Bindungswirkung und können im Ernstfall zu Verwirrungen führen. Es ist ratsam, die verschiedenen Verfügungen organisatorisch klar voneinander zu trennen.

Gibt es spezielle Anforderungen an die Formulierung von Patientenverfügungen aus rechtlicher Sicht?

Ja, die Patientenverfügung muss so konkret und bestimmt wie möglich formuliert sein, um im Ernstfall rechtssicher angewendet werden zu können. Laut höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist erforderlich, dass der Wille des Erklärenden in Bezug auf bestimmte ärztliche Maßnahmen klar und verständlich zum Ausdruck kommt. Allgemeine Formulierungen wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“, ohne weitere Präzisierung, genügen im Streitfall meist nicht, um eine verbindliche Handlungsanleitung für den Arzt darzustellen. Empfehlenswert ist, die Verfügung auf konkrete Behandlungssituationen (z.B. irreversible Bewusstlosigkeit, Endstadium einer unheilbaren Krankheit) und einzelne Maßnahmen (z.B. künstliche Ernährung, Beatmung, Schmerztherapie) zu beziehen. Je detaillierter die Angaben, desto besser ist der Wille des Betroffenen juristisch abbildbar und durchsetzbar.