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Patentnichtigkeitsklage


Begriff und Rechtsnatur der Patentnichtigkeitsklage

Die Patentnichtigkeitsklage ist ein Rechtsbehelf im deutschen Patentrecht, mit dem die vollständige oder teilweise Vernichtung eines erteilten Patents durch ein Gericht beantragt werden kann. Ziel der Nichtigkeitsklage ist es, ein Patent nachträglich aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass es zu Unrecht erteilt wurde, insbesondere weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Patentierbarkeit nicht vorlagen oder nachträglich entfallen sind. Sie stellt ein zentrales Instrument zur Rechtskontrolle der Patenterteilung neben dem Einspruchsverfahren dar.

Abgrenzung zu anderen Verfahren

Die Patentnichtigkeitsklage unterscheidet sich vom patentamtlichen Einspruchsverfahren, welches nur für einen bestimmten Zeitraum nach der Patenterteilung möglich ist. Während sich der Einspruch direkt gegen das Patent und dessen Erteilung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) richtet, ist die Nichtigkeitsklage ein gerichtliches Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, das nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben werden kann. Auch von der Löschungsklage gegen Gebrauchsmuster ist die Patentnichtigkeitsklage abzugrenzen.

Gesetzliche Grundlagen

Die zentrale Rechtsgrundlage für die Nichtigkeitsklage gegen deutsche Patente ist § 81 PatG (Patentgesetz), ergänzt durch weitere Vorschriften des PatG sowie internationaler Abkommen wie dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) für europäische Patente mit Wirkung in Deutschland.

Zuständigkeit und Verfahrensgang

Für die Entscheidung über eine Patentnichtigkeitsklage ist das Bundespatentgericht (BPatG) in erster Instanz ausschließlich zuständig. Die Berufungsinstanz ist ausschließlich der Bundesgerichtshof (BGH). Das Verfahren ist als kontradiktorisches Zivilverfahren ausgestaltet.

Gerichtliche Zuständigkeit

  • Bundespatentgericht (§ 81 Abs. 4 PatG): Erstinstanzlich zuständige Stelle für Nichtigkeitsverfahren.
  • Bundesgerichtshof: Ausschließlich zuständige Instanz für die Berufung (sog. Sprungrevision ausgeschlossen).

Verfahrensbeteiligte

  • Kläger: Jede natürliche oder juristische Person kann Nichtigkeitsklage erheben; ein rechtliches Interesse ist nicht erforderlich.
  • Beklagter: Der Inhaber des angegriffenen Patents.

Zulässigkeit der Klage

Klagebefugnis

Die Nichtigkeitsklage kann grundsätzlich von jedermann erhoben werden (Popularklageprinzip). Das heißt, eine Betroffenheit durch das Patent ist nicht Voraussetzung für die Klageberechtigung.

Klagegegner

Beklagt wird stets der zum Klagezeitpunkt im Patentregister eingetragene Patentinhaber. Änderungen der Inhaberschaft während des Prozesses führen zur Prozessnachfolge (§ 265 ZPO analog).

Fristen

Eine Patentnichtigkeitsklage ist während der gesamten Laufzeit des Patents möglich, also bis zum Ablauf von 20 Jahren nach dem Anmeldetag (§ 16 PatG). Sie kann auch noch nach Erhebung einer Patentverletzungsklage erhoben werden.

Präklusionsregelung

Wurde für das Patent bereits ein Einspruchsverfahren oder eine Nichtigkeitsklage erfolglos durchgeführt, ist eine erneute Nichtigkeitsklage nicht ausgeschlossen. Identische Antragsgegenstände können jedoch durch Mitwirkungspflichten und Missbrauchsgrundsätze eingeschränkt sein.

Klagegründe (Nichtigkeitsgründe)

Die Nichtigkeitsgründe sind abschließend in § 22 PatG geregelt. Die wichtigsten Gründe sind:

1. Fehlende Patentfähigkeit

Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Ein Patent kann vernichtet werden, wenn der Gegenstand nicht neu ist oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1 bis 5 PatG).

Gewerbliche Anwendbarkeit

Fehlt es an der industriellen Nutzbarkeit, ist das Patent nichtig (§ 5 PatG).

2. Nicht offenbare Erfindung und unzulässige Erweiterung

Ist der Gegenstand des Patents nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (§ 34 PatG), oder wurde der Schutzbereich nachträglich unzulässig erweitert (§ 21 Abs. 2 PatG), liegt ein Nichtigkeitsgrund vor.

3. Unzulässige Erfindungen

Bestimmte Erfindungen sind von der Patentfähigkeit ausgeschlossen (z. B. § 2 PatG: Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien, mathematische Methoden).

4. Rechtswidrige Entnahme

Ist das Patent auf eine widerrechtlich entnommene Erfindung erteilt worden, kann der Berechtigte (z. B. der wahre Erfinder) Nichtigkeit beantragen.

5. Unzuständigkeit in Bezug auf das Patent

Fehler bei der Zuständigkeitsprüfung, etwa im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens, können einen Nichtigkeitsgrund darstellen.

Ablauf des Nichtigkeitsverfahrens

Einreichung der Klageschrift

Die Klageschrift enthält den Antrag auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents sowie die Nennung und Begründung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

Verteidigung des Patentinhabers

Der Patentinhaber kann dem Antrag widersprechen, Verteidigungsvorbringen erheben und ggf. einschränkende Patentansprüche in den Prozess einführen.

Mündliche Verhandlung

In der Regel findet eine mündliche Verhandlung statt, wobei das Gericht ggf. Sachverständige anhört.

Urteil und Rechtsmittel

Das Bundespatentgericht spricht das Urteil, mit dem es das Patent für (teilweise) nichtig oder als rechtsbeständig erklärt. Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung zum Bundesgerichtshof zulässig.

Wirkungen des Urteils

Rückwirkung der Nichtigerklärung

Die Nichtigerklärung eines Patents wirkt ex tunc, also rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Patenterteilung (vgl. § 22 Abs. 2 PatG). Das Patent gilt als von Anfang an nicht existent. Bereits geführte Patentverletzungsverfahren können hiervon betroffen sein.

Bindungswirkung

Das Nichtigkeitsurteil entfaltet Bindungswirkung für Zivilgerichte (§ 148 ZPO). Bereits rechtskräftig abgeschlossene Verletzungsverfahren bleiben aber unberührt.

Europäische und internationale Aspekte

Europäisches Patent mit Wirkung für Deutschland

Gegen ein europäisches Patent, das in Deutschland validiert ist, kann analog Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben werden (§ 81 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. II § 6 IntPatÜG). Nach Ausschöpfung des Verfahrens beim Europäischen Patentamt stehen nur noch nationale Rechtsbehelfe offen.

Einheitspatentsystem

Das mit Wirkung ab 2023 eingeführte Einheitspatent sieht ein eigenes Nichtigkeitsverfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht (UPC) vor. Die Wirkung der Entscheidung erstreckt sich auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten.

Abgrenzung zu verwandten Rechtsbehelfen

Einspruchsverfahren

Das Einspruchsverfahren (§§ 59 ff. PatG) ist ein Amtsermittlungsverfahren beim DPMA, mit dem innerhalb von neun Monaten nach Patenterteilung Einwendungen gegen die Patenterteilung geltend gemacht werden können.

Löschungsverfahren

Das Löschungsverfahren existiert im deutschen Gebrauchsmusterrecht und ist der Nichtigkeitsklage im Patentrecht funktional ähnlich.

Kosten und Streitwert

Die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens richten sich nach dem Streitwert, der in der Regel vom Gericht festgesetzt wird. Sie umfassen Gerichtsgebühren und die Kosten der Rechtsvertretung der Parteien. In der Regel ist das Verfahren kostspieliger als Einspruchsverfahren vor dem Patentamt.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Patentgesetz (PatG), insbesondere §§ 21, 22, 81 ff.
  • IntPatÜG – Gesetz über internationale Patentübereinkommen
  • Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ)
  • Einheitspatent und Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (UPC)
  • Bundespatentgericht, Verfahrenshinweise

Fazit:
Die Patentnichtigkeitsklage ist ein zentrales Instrument zur Qualitätssicherung des Patentsystems. Sie gewährleistet, dass ausschließlich Patente Bestand haben, die der gesetzlichen Prüfung standhalten. Durch die gerichtliche Nachprüfung über die gesamte Laufzeit besteht ein effektives Korrektiv zur Kontrolle der Bestandskraft von Patentschutzrechten.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Erhebung einer Patentnichtigkeitsklage berechtigt?

Eine Patentnichtigkeitsklage kann grundsätzlich von jedermann erhoben werden, der ein rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung eines Patents geltend macht. Nach § 81 Abs. 1 PatG steht die Klage jedem offen, da das Patent als Ausschließlichkeitsrecht nicht nur unmittelbare Wettbewerber, sondern auch sonstige potenziell Betroffene beeinträchtigen kann. Insbesondere die Allgemeinheit sowie Unternehmen, die das Patent in ihrer wirtschaftlichen Betätigung hemmt, können Nichtigkeitsklage führen. Es besteht keine Notwendigkeit, dass bereits ein Verletzungsverfahren gegen den Kläger anhängig ist oder eine Abmahnung erfolgt ist. Auch beispielsweise Patentverwerter, Verbände oder Einzelpersonen sind klageberechtigt, sofern sie ein schutzwürdiges Interesse darlegen können.

Welche Gerichte sind für die Entscheidung über eine Patentnichtigkeitsklage zuständig?

Die ausschließliche sachliche Zuständigkeit für Patentnichtigkeitsklagen gegen deutsche Patente und deutsche Teile europäischer Patente liegt beim Bundespatentgericht (BPatG) gemäß § 65 Abs. 1 PatG. Das Verfahren wird dort in der Besetzung eines Nichtigkeitssenats geführt, der mit technisch und juristisch sachkundigen Mitgliedern besetzt ist. Zuständigkeitskonkurrenzen zu Zivilgerichten bestehen nicht; Patentnichtigkeitsklagen werden in Deutschland also nicht vor Landgerichten, sondern ausschließlich vor dem Bundespatentgericht verhandelt. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich der Bundesgerichtshof (BGH) als Revisionsinstanz zuständig.

Welche Gründe können für die Nichtigkeit eines Patents im Klageverfahren vorgebracht werden?

Die im Patentnichtigkeitsprozess vorbringbaren Nichtigkeitsgründe sind in § 22 PatG abschließend geregelt. Hauptgründe sind insbesondere die fehlende Patentfähigkeit (Neuheit, erfinderische Tätigkeit), unzureichende Offenbarung, unzulässige Erweiterung des Patentgegenstandes über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, widerrechtliche Entnahme sowie die fehlende Patentfähigkeit des Gegenstands aus anderen Gründen. Der Kläger muss substantiiert begründen und nachweisen, aus welchem der genannten Gründe die angegriffene Patenterteilung fehlerhaft sein soll. Nicht maßgebend sind allerdings Fragen nach der Verletzung des Patents oder nach lizenzrechtlichen Auseinandersetzungen.

Wie verläuft das Verfahren vor dem Bundespatentgericht?

Das Nichtigkeitsverfahren beginnt mit der Klageeinreichung und der Begründung der Nichtigkeitsgründe. Nach Eingang der zulässigen Klage wird dem Patentinhaber Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Im weiteren Verlauf des Verfahrens findet regelmäßig ein schriftlicher Austausch der Argumente mit Schriftsätzen und Beweismitteln, wie beispielsweise Entgegenhaltungen des Standes der Technik, statt. Das Gericht kann Sachverständige anhören und wird nach Abschluss der schriftlichen Phase eine mündliche Verhandlung anberaumen. Dort werden die Parteien angehört und der Prüfungsumfang erörtert. Nach Beratung entscheidet das Gericht durch Urteil über Bestand oder Nichtigkeit – auch teilweise – des Patents. Das Verfahren ist geprägt von besonderer Technizität und erfordert oft umfangreiche Gutachten zur Ermittlung des maßgeblichen technischen Wissensstands.

Ist während eines laufenden Verletzungsverfahrens auch eine Nichtigkeitsklage möglich?

Ja, die Nichtigkeitsklage stellt das zentrale Verteidigungsmittel gegen die Durchsetzung eines Patents im Verletzungsprozess dar. Patentverletzungsstreitigkeiten werden vor den Zivilgerichten geführt, Titel können dort aber nur dann durchgesetzt werden, wenn das Patent auch gültig ist. Um das „Trennungsprinzip“ des deutschen Patentrechts zu beachten, werden Fragen der Patentgültigkeit nicht im Verletzungshauptsacheverfahren, sondern ausschließlich im parallellaufenden Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht geklärt. Häufig wird im Verletzungsprozess gemäß § 148 ZPO eine Aussetzung bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage beantragt. Die Einreichung der Klage empfiehlt sich daher möglichst frühzeitig, um eine etwaige Aussetzungschance zu wahren.

Welche Rechtsmittel stehen gegen das Urteil im Patentnichtigkeitsverfahren zur Verfügung?

Gegen Urteile des Bundespatentgerichts im Patentnichtigkeitsverfahren steht den Parteien das Rechtsmittel der Berufung nicht zur Verfügung, da der Instanzenzug auf zwei Ebenen beschränkt ist. Stattdessen ist die Revision zum Bundesgerichtshof nach Maßgabe der §§ 100, 110 PatG grundsätzlich zulässig. Die Revision kann sowohl von der unterlegenen Klagepartei als auch vom Patentinhaber eingelegt werden und ist auf Rechtsfragen beschränkt, das heißt, der Bundesgerichtshof prüft nicht nochmals sämtliche Tatsachen, sondern entscheidet über die rechtliche Bewertung und Auslegung des Patentrechts sowie der einschlägigen technischen Fragen im Rahmen seiner revisionsrechtlichen Kontrolle.

Welche Kosten können im Zuge einer Patentnichtigkeitsklage anfallen?

Das Nichtigkeitsverfahren ist mit erheblichen Kosten verbunden. Dazu zählen die Gerichtskosten beim Bundespatentgericht, deren Höhe sich nach dem Streitwert richtet und regelmäßig mehrere tausend Euro beträgt. Hinzu kommen die Kosten für die anwaltliche Vertretung der Parteien – üblicherweise durch Patentanwalt und Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft -, die gegebenenfalls auch die Kosten für eigene oder gerichtliche Sachverständige sowie Übersetzungen technischer Dokumente umfassen können. Im Falle des Unterliegens ist der Kläger grds. verpflichtet, die Gerichtskosten sowie die notwendigen Auslagen der Gegenseite zu tragen. Geregelt ist die Kostenfolge in §§ 84 ff. PatG, wobei im Einzelfall die Kostenentscheidung durch das Gericht individuell getroffen werden kann.