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Passagiervertrag


Definition und Grundlagen des Passagiervertrags

Der Passagiervertrag ist ein besonderer Vertragstyp im Transportrecht und regelt die vertraglichen Beziehungen zwischen einem Beförderungsunternehmen und einer zu befördernden Person („Passagier“). Gegenstand des Passagiervertrags ist in der Regel die entgeltliche Beförderung von Personen durch ein Transportunternehmen, das gewerblich für den öffentlichen oder privaten Personenverkehr zugelassen ist. Der Passagiervertrag stellt eine Sonderform des Beförderungsvertrags dar und kommt insbesondere bei der Personenbeförderung per Bahn, Flugzeug, Schiff oder Omnibus zur Anwendung.

Rechtsgrundlagen sind neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor allem spezielle Regelungen im Handelsgesetzbuch (HGB), die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr, das Luftverkehrsgesetz (LuftVG), das Montrealer Übereinkommen sowie diverse internationale Abkommen und branchenspezifische Vorschriften.

Vertragsschluss und Vertragsparteien

Zustandekommen des Passagiervertrags

Ein Passagiervertrag kommt grundsätzlich durch übereinstimmende Willenserklärungen zwischen Passagier und Beförderer zustande. Die Annahme seitens des Beförderers erfolgt regelmäßig durch die Ausstellung eines Tickets, einer Bordkarte oder durch eine bestätigte Buchung. Der Vertrag kann sowohl schriftlich als auch mündlich abgeschlossen oder im Rahmen eines automatisierten Buchungssystems begründet werden.

Parteien des Passagiervertrags

Die Vertragsparteien sind auf der einen Seite die natürliche Person, die als Passagier befördert werden soll, und auf der anderen Seite das Transportunternehmen, welches die Leistungen erbringt. Bei Buchung durch Dritte (z. B. Reiseveranstalter) kommen ggf. auch mehrgliedrige Vertragsverhältnisse in Betracht. Minderjährige und Geschäftsunfähige sind durch ihre gesetzlichen Vertreter entsprechend zu repräsentieren.

Pflichten aus dem Passagiervertrag

Hauptleistungspflichten des Beförderers

Die primäre Pflicht des Beförderers besteht in der sicheren, vertragsgemäßen und pünktlichen Beförderung des Passagiers zum vereinbarten Ziel. Hierzu zählen auch weitere Leistungen wie die Beförderung von mitgeführtem Gepäck und die Einhaltung technischer, organisatorischer und sicherheitsrelevanter Standards.

Informations- und Fürsorgepflichten

Der Beförderer ist verpflichtet, den Passagier hinreichend über Fahrplanänderungen, Krisensituationen, Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Beförderung zu informieren. Darüber hinaus obliegen ihm besondere Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber Kindern, älteren Menschen sowie Passagieren mit Behinderungen gemäß § 8 Abs. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und einschlägigen europäischen Regelungen.

Pflichten des Passagiers

Der Passagier ist zur Entrichtung des vereinbarten Entgeltes verpflichtet und muss die geltenden Beförderungsbedingungen, Tarifvorschriften sowie allgemeine Verhaltensregeln im Zusammenhang mit der Beförderung beachten. Dazu zählt insbesondere das Mitführen gültiger Reisedokumente und Einhalten sicherheitsrelevanter Anweisungen des Personals.

Haftung im Rahmen des Passagiervertrags

Haftung des Beförderers

Die Haftung des Beförderers richtet sich, je nach Verkehrsmittel, nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften:

  • Eisenbahn: §§ 425 ff. HGB in Verbindung mit der Fahrgastrechteverordnung
  • Luftfahrt: Montrealer Übereinkommen, LuftVG
  • Schiffsverkehr: HGB, Binnenschifffahrtsgesetz, Athener Übereinkommen über die Beförderung von Reisenden auf See

Der Beförderer haftet für Schäden, die durch Tod, Körperverletzung oder Verspätung entstehen, soweit diese auf eine schuldhafte Pflichtverletzung oder technisches Versagen zurückzuführen sind. Für Gepäckverlust gelten eigene Haftungsnormen mit betragsmäßigen Höchstgrenzen.

Haftungsbeschränkungen und Ausschlüsse

Gesetzlich vorgesehene Haftungshöchstgrenzen existieren insbesondere im internationalen Luft- und Seevölkerrecht. Die Haftung kann ausgeschlossen werden, wenn die Schädigung auf Einwirken höherer Gewalt, Verschulden des Passagiers oder einen nicht zu vertretenden Dritten zurückzuführen ist. Die Beweislast liegt häufig beim Beförderer.

Haftung des Passagiers

Auch der Passagier haftet für Schäden, die während der Beförderung durch schuldhaftes Verhalten an Personen oder Sachen hervorgerufen werden. Dies kann im Rahmen zivilrechtlicher Ansprüche oder als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Die Beförderungsbedingungen regeln meist detailliert die Haftung bei Beschädigungen, Vandalismus oder unerlaubtem Handeln.

Rechte der Passagiere

Fahrgastrechte bei Verspätung, Ausfall und Überbuchung

Für die unterschiedlichen Verkehrsträger existieren teils weitreichende Fahrgastrechte. Dazu zählen:

  • Anspruch auf Beförderung oder Ersatzbeförderung
  • Anspruch auf Erstattung des Fahrpreises
  • Anspruch auf Entschädigung bei erheblicher Verspätung
  • Betreuungsleistungen im Fall von Ausfall oder Verspätung (Verpflegung, Unterbringung etc.)

In der Luftfahrt sowie im internationalen Bahnverkehr sind diese Rechte in der EU durch die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 kodifiziert.

Kündigung und Rücktritt

Der Passagier ist unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten oder diesen zu kündigen. Maßgeblich sind hier die gesetzlichen Vorgaben (§ 649, § 648 BGB) sowie die mit dem Beförderer vereinbarten Stornierungsbedingungen. Demzufolge können Stornogebühren anfallen; ein Anspruch auf Erstattung bereits erbrachter Zahlungen kann bestehen, wenn die Leistung nicht erbracht wird.

Besondere Formen und internationale Regelungen

Kombinierte Beförderungen und Reisepakete

Der Passagiervertrag ist abzugrenzen vom Reisevertrag nach §§ 651a ff. BGB, bei dem die Personenbeförderung lediglich eine von mehreren Reiseleistungen ist. Im internationalen Kontext gelten zusätzlich die jeweiligen Konventionen und bilateralen Abkommen bezüglich der Pflicht zur Ausstellung von Fahrkarten, Reisedokumenten und Passagierlisten.

Besondere Schutzvorschriften

Für bestimmte Personengruppen bestehen besondere Bestimmungen, beispielsweise für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, unbegleitete Minderjährige oder Flugreisende mit besonderen Bedürfnissen. Diese sind oftmals in europäischen oder internationalen Rechtsakten spezifisch geregelt und gehen den allgemeinen Vorschriften vor.

Beendigung des Passagiervertrags

Der Passagiervertrag endet regelmäßig mit der vollständigen Beförderung des Passagiers an den vereinbarten Zielort. Vorzeitige Beendigungen sind durch Kündigung, Rücktritt oder aufgrund außerordentlicher Umstände (z. B. höhere Gewalt, Sicherheitserwägungen) möglich. In jedem Fall ist die jeweilige Interessenlage unter Abwägung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

Literaturhinweis

Zur weiteren Vertiefung empfiehlt sich die Konsultation einschlägiger Kommentierungen zum Transportrecht, der Spezialgesetze wie HGB, PBefG oder LuftVG sowie internationaler Übereinkommen (Montrealer Übereinkommen, Athener Übereinkommen).


Hinweis: Die dargestellten Informationen zum Passagiervertrag sind eine Zusammenfassung relevanter rechtlicher Rahmenbedingungen und ersetzen keine individuelle Rechtsberatung. Für Einzelfälle ist die Heranziehung der maßgeblichen Gesetzestexte sowie der Rechtsprechung unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte hat der Passagier bei einer Flugverspätung im Rahmen des Passagiervertrags?

Im Rahmen des Passagiervertrags, der zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen durch den Ticketkauf geschlossen wird, stehen dem Passagier bei Flugverspätungen nach europäischem Recht, insbesondere nach der EU-Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004, verschiedene Ansprüche zu. Wird der Abflug um mindestens zwei Stunden verzögert, hat der Passagier Anspruch auf sogenannte Betreuungsleistungen, wie kostenlose Mahlzeiten und Erfrischungen, Telekommunikationsmöglichkeiten sowie gegebenenfalls Hotelübernachtungen inklusive Transport zwischen Hotel und Flughafen. Ab einer Verspätung von drei Stunden am Endziel kann ein Anspruch auf pauschale Ausgleichszahlungen bestehen, deren Höhe zwischen 250 EUR und 600 EUR liegt und sich nach der Flugstrecke richtet. Dieser Anspruch entfällt jedoch, wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnlichen Umständen beruht, wie etwa unvorhersehbare Wetterbedingungen, Streiks oder Sicherheitsrisiken. Der Passagiervertrag verpflichtet die Fluggesellschaft zudem zur unverzüglichen Information über Rechte, Ansprüche und die Dauer der Verspätung. Unabhängig von europäischem Recht könnten auch nationale Vorschriften und internationale Abkommen wie das Montrealer Übereinkommen zusätzliche Rechte und Entschädigungsansprüche regeln, insbesondere bei Folgeschäden oder verpassten Anschlussflügen.

Wie werden Passagierverträge im internationalen Eisenbahnverkehr rechtlich geregelt?

Im internationalen Eisenbahnverkehr werden Passagierverträge durch spezifische rechtliche Grundlagen wie das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und dessen Anhang CIV (Uniform Rules concerning the Contract of International Carriage of Passengers by Rail) geregelt. Durch den Abschluss eines Fahrausweises (Tickets) kommt ein rechtsverbindlicher Beförderungsvertrag zustande, der die Rechte und Pflichten sowohl des Eisenbahnunternehmens als auch des Reisenden detailliert festlegt. Wesentliche Regelungen betreffen die Verpflichtung des Eisenbahnunternehmens zur sicheren und pünktlichen Beförderung, Informationspflichten, Haftungsfragen bei Verspätungen, Zugausfällen oder Personenschäden sowie Ansprüche auf Entschädigung. Nationales Recht, z. B. deutsches Eisenbahnverkehrsrecht, ergänzt diese Vorgaben und enthält häufig weiterführende Verbraucherschutzregelungen sowie Durchführungsbestimmungen. Im Streitfall haben Reisende aufgrund des Passagiervertrags das Recht, ihre Ansprüche vor Gericht oder durch Schlichtungsverfahren gegen das Eisenbahnunternehmen geltend zu machen.

Welche gesetzlichen Haftungsregelungen gelten im Rahmen eines Passagiervertrags bei Personenschäden?

Bei Personenschäden im Rahmen eines Passagiervertrags gelten umfassende gesetzliche Haftungsregelungen, die sich nach der jeweiligen Verkehrsart unterscheiden. Im internationalen Luftverkehr regelt das Montrealer Übereinkommen die Haftung der Fluggesellschaften: Für Personenschäden (Verletzung oder Tod) besteht eine verschuldensunabhängige Haftung der Fluggesellschaft bis zu rund 128.821 Sonderziehungsrechten (SZR). Über diesen Betrag hinaus haftet die Airline nur bei eigenem Verschulden oder dem Verschulden ihrer Mitarbeiter bzw. Erfüllungsgehilfen. Im Eisenbahnverkehr gelten die Regelungen aus dem COTIF/CIV sowie im innerstaatlichen Verkehr nationale Gesetze (z. B. Eisenbahn-Verkehrsordnung). Für Personenschäden haften Eisenbahnunternehmen in der Regel ebenfalls verschuldensunabhängig, wobei Höchstbeträge gesetzlich geregelt sind. Im Schiffsverkehr finden sich entsprechende Haftungsregelungen im Übereinkommen von Athen (Athener Übereinkommen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See). Grundsätzlich begründet der Passagiervertrag immer eine Schutz- und Sorgfaltspflicht zugunsten des Reisenden, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen kann.

Unter welchen Bedingungen kann der Passagiervertrag einseitig durch das Verkehrsunternehmen gekündigt werden?

Ein Passagiervertrag kann durch das Verkehrsunternehmen nur unter bestimmten, gesetzlich geregelten Bedingungen einseitig gekündigt werden. Grundsätzlich darf die Beförderung verweigert oder der Vertrag aufgelöst werden, wenn der Passagier erhebliche Vertragsverletzungen begeht, etwa gegen geltende Sicherheitsbestimmungen verstößt, andere gefährdet oder die Mitwirkungspflichten grob missachtet (z. B. durch Nichtvorlage erforderlicher Reisedokumente). Im Eisenbahn- und Schiffsverkehr kann auch ein unberechtigter Aufenthalt im Zug oder Schiff nach Fahrplanende einen Kündigungsgrund darstellen. Die Kündigung ist zudem möglich, wenn unvorhergesehene und unabwendbare Ereignisse die Durchführung der Beförderung unmöglich machen (höhere Gewalt). In jedem Fall ist das Verkehrsunternehmen verpflichtet, den Passagier über die Kündigung und deren Begründung zu informieren und ihm gegebenenfalls Alternativen oder Rückerstattungen anzubieten. Ein pauschaler Ausschluss vom Transport ohne sachlichen Grund wäre rechtswidrig und könnte Schadensersatz und andere Rechtsfolgen nach sich ziehen.

Welche Ansprüche entstehen für den Passagier bei Reisemängeln aus dem Passagiervertrag?

Im Falle von Reisemängeln – also Abweichungen der erbrachten Leistung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit, wie z. B. erhebliche Verspätungen, Ausfall wesentlicher Serviceleistungen oder Mängel bei der Unterbringung während einer Kreuzfahrt – entstehen dem Passagier verschiedene Ansprüche aus dem Vertrag. Zunächst kann der Passagier auf Nacherfüllung dringen, das heißt Behebung des Mangels durch das Verkehrsunternehmen. Gelingt dies nicht in angemessener Frist, hat der Passagier das Recht, den Reisepreis zu mindern, d.h. eine anteilige Rückzahlung zu fordern. Unter Umständen kann auch Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, entstandener Kosten oder Folgeschäden verlangt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Reisemangel vom Verkehrsunternehmen zu vertreten ist, wobei ihm eine vertragliche und gesetzliche Sorgfaltspflicht obliegt. Die Ansprüche müssen in der Regel innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden; im deutschen Recht etwa binnen zwei Jahren nach Reiseende gemäß § 651j BGB. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels und dessen Auswirkungen trägt grundsätzlich der Passagier.

Welche Rolle spielen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Passagiervertrag?

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind wesentlicher Bestandteil von Passagierverträgen und regeln zahlreiche Einzelheiten des Vertragsverhältnisses, z. B. zu Haftung, Rücktritt, Umbuchung, Verhaltenspflichten an Bord und Ausschlussgründen. Sie werden durch den Ticketkauf oder Vertragsabschluss Bestandteil des Vertrages, sofern der Passagier auf deren Geltung in zumutbarer Weise hingewiesen wurde. Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere §§ 305 ff., dürfen AGB keine unangemessene Benachteiligung für den Verbraucher enthalten und müssen transparent, verständlich und einsehbar sein. Unwirksame Klauseln (z. B. pauschaler Haftungsausschluss bei grober Fahrlässigkeit) sind gemäß § 307 BGB nichtig; der Passagier kann sich dann auf die gesetzlichen Bestimmungen berufen. Die Gerichte prüfen die Wirksamkeit der AGB im Streitfall von Amts wegen. Internationale Verkehrsunternehmen gestalten ihre AGB häufig mehrsprachig, um auch internationalen Passagieren Rechtssicherheit zu bieten.