Begriff und Definition der Partiellen Geschäfts(un)fähigkeit
Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit ist ein Begriff aus dem deutschen Zivilrecht und beschreibt einen Zustand, in dem eine Person zwar grundsätzlich geschäftsfähig ist, ihre Geschäftsfähigkeit jedoch in Teilbereichen ausgeschlossen oder eingeschränkt ist. Diese Einschränkung kann sich auf bestimmte Arten von Rechtsgeschäften, darauf bezogene Lebensbereiche oder konkrete Situationen beziehen. Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit wird vorrangig in der Rechtsprechung und der Rechtsliteratur thematisiert, da die gesetzliche Regelung in Deutschland primär zwischen voller Geschäftsfähigkeit (§ 104 ff. BGB), beschränkter Geschäftsfähigkeit (§ 106 ff. BGB) und völliger Geschäftsunfähigkeit unterscheidet.
Gesetzliche Grundlage und Systematik
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterscheidet grundsätzlich drei Stufen der Geschäftsfähigkeit:
- Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB)
- Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 BGB)
- Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit
Ein ausdrückliches Regelungsregime für die partielle Geschäfts(un)fähigkeit existiert im BGB nicht. Der Begriff wurde von der Rechtsprechung und Literatur entwickelt, um besonderen Fallgestaltungen Rechnung zu tragen, bei denen die betroffene Person zwar grundsätzlich geschäftsfähig ist, für bestimmte Geschäfte oder Lebensbereiche jedoch als geschäftsunfähig behandelt wird. Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit ist somit eine Ergänzung der gesetzlichen Systematik und zielt darauf ab, individuelle Einschränkungen angemessen zu berücksichtigen.
Erscheinungsformen der Partiellen Geschäfts(un)fähigkeit
Anwendungsfälle
Partielle Geschäfts(un)fähigkeit wird insbesondere in folgenden Fällen angenommen:
1. Psychische Störungen mit partiellem Einfluss
Liegt bei einer Person eine Störung der Geistestätigkeit nur hinsichtlich bestimmter Bereiche oder Willensbetätigungen vor, so kann die Rechtsprechung eine partielle Geschäfts(un)fähigkeit annehmen. Beispielhaft wäre ein pathologischer Spielsüchtiger, der nur im Zusammenhang mit Glücksspielen geschäftsunfähig ist, aber in anderen Lebensbereichen über eine genügende Zurechnungsfähigkeit verfügt.
2. Suchtverhalten
Auch bei Suchterkrankungen (z. B. Alkoholsucht) kann die Geschäftsfähigkeit auf Geschäfte, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Suchtmittel stehen, eingeschränkt sein. Demnach können Verträge über den Kauf des Suchtmittels als unwirksam angesehen werden, während andere Rechtsgeschäfte derselben Person wirksam bleiben.
3. Geschäftsfähigkeit im Zusammenhang mit Betreuung oder Einwilligungsvorbehalt
Das Betreuungsrecht sieht vor, dass mit einem Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte von der Einwilligung des bestellten Betreuers abhängig gemacht werden kann, was in der Praxis einer partiellen Geschäfts(un)fähigkeit nahekommt.
Dogmatische Einordnung
Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit gilt als Unterfall der Geschäftsunfähigkeit. Während die allgemeine Geschäftsunfähigkeit die gesamte Person betrifft, wirkt die partielle Geschäfts(un)fähigkeit selektiv auf Teilbereiche bestimmter Willensbekundungen der Betroffenen ein. Die für die Geschäftsunfähigkeit geltenden Vorschriften sind grundsätzlich auf die partiell geschäftsunfähigen Personen entsprechend anzuwenden, jedoch nur auf die betroffenen Rechtsgeschäfte.
Rechtliche Folgen der partiellen Geschäfts(un)fähigkeit
Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften
Rechtsgeschäfte, die von einer Person in einem Bereich der partiellen Geschäfts(un)fähigkeit vorgenommen werden, sind nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Die Nichtigkeit bezieht sich jedoch ausschließlich auf die konkret vom Ausschluss betroffenen Arten der Geschäfte.
Gute Sitten und Schutz Dritter
Von zentraler Bedeutung ist der Vertrauensschutz Dritter. Dieser wird im Rahmen der Regeln einer Geschäftsunfähigkeit gewahrt: Niemand darf gezwungen werden, mit einem erkennbar partielle geschäftsunfähigen Partner bindende Vereinbarungen in den betroffenen Bereichen zu schließen.
Überprüfung und Feststellung der partiellen Geschäfts(un)fähigkeit
Die Feststellung der partiellen Geschäftsunfähigkeit erfolgt im Einzelfall und basiert auf medizinischen Gutachten oder betreuungsrechtlichen Sachverständigenäußerungen. Ausschlaggebend ist, ob die betroffene Person in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite der jeweiligen Handlung in dem Teilbereich zu überblicken.
Abgrenzung zu anderen Formen der Geschäftsfähigkeit
Abgrenzung zur beschränkten Geschäftsfähigkeit
Die beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 BGB) betrifft Minderjährige im Alter zwischen 7 und 18 Jahren. Hier ist die Geschäftsfähigkeit nach dem Lebensalter pauschal beschränkt und wird durch Einwilligung oder Genehmigung der gesetzlichen Vertreter ergänzt. Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit unterscheidet sich insofern, als sie nicht altersbedingt entsteht, sondern individuell nach Einschränkungen der Willensbildung oder bestimmter Lebens- und Entscheidungsbereiche differenziert.
Abgrenzung zur Geschäftsunfähigkeit
Die allgemeine Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 BGB stellt auf das Fehlen einer Einsichtsfähigkeit bezüglich aller Rechtsgeschäfte ab. Bei der partiellen Geschäfts(un)fähigkeit ist diese Einsichtsfähigkeit jedoch nur für bestimmte Geschäfte ausgeschlossen.
Bedeutung und praktische Relevanz
Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit wird in der Praxis häufig im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen, Suchtverhalten sowie betreuungsrechtlichen Maßnahmen relevant. Sie trägt dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung und verhindert unbillige Ergebnisse, die eine pauschale Annahme völliger Geschäftsunfähigkeit nach sich ziehen würde.
Zusammenfassung
Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit ist eine von Rechtsprechung und Literatur entwickelte Ergänzung zu den gesetzlichen Regelungen der Geschäftsfähigkeit. Sie ist auf Fälle zugeschnitten, in denen Personen nur hinsichtlich bestimmter Arten von Rechtsgeschäften geschäftsunfähig sind. Die rechtliche Behandlung lehnt sich dabei weitgehend an die Grundsätze der Geschäftsunfähigkeit an, greift jedoch selektiv und gewährleistet so einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der betroffenen Person und realitätsgerechter Beteiligung am Rechtsverkehr. Die partielle Geschäfts(un)fähigkeit stellt eine wichtige Differenzierung im deutschen Zivilrecht dar, welche Rechtssicherheit und Gleichgewicht zwischen Autonomie und Fürsorge im Privatrecht schafft.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt nach deutschem Recht eine teilweise Geschäftsunfähigkeit vor?
Eine teilweise Geschäftsunfähigkeit, auch partielle Geschäftsunfähigkeit genannt, liegt nach deutschem Recht vor, wenn eine Person aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit lediglich für einen bestimmten Bereich der Rechtsgeschäfte geschäftsunfähig ist, während sie im Übrigen geschäftsfähig bleibt. Im Gegensatz zur vollständigen Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 BGB, die alle Willenserklärungen umfasst, bezieht sich die partielle Geschäftsunfähigkeit – von der Rechtsprechung entwickelt – nur auf einzelne Lebensbereiche oder Handlungen. Dies kann beispielsweise vorkommen, wenn jemand zwar alltägliche Geschäfte uneingeschränkt tätigen kann, aber etwa beim Abschluss größerer Verträge oder in Bezug auf sein Vermögen nicht in der Lage ist, die Tragweite seiner Handlungen einzuschätzen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang partielle Geschäftsunfähigkeit vorliegt, erfolgt stets individuell anhand des jeweiligen Einzelfalls, wobei auf die Art des Geschäfts sowie den geistigen und gesundheitlichen Zustand der betroffenen Person abzustellen ist. Besonders relevant ist dies etwa im Zusammenhang mit Suchterkrankungen oder psychischen Störungen, welche die Geschäftsfähigkeit – beschränkt auf bestimmte Lebensbereiche – beeinflussen können.
Wie wird die partielle Geschäftsunfähigkeit in der Praxis festgestellt?
In der Praxis erfolgt die Feststellung der partiellen Geschäftsunfähigkeit in aller Regel auf Basis eines psychiatrischen oder psychologischen Gutachtens. Gerichte oder Behörden können hierzu ein medizinisches Sachverständigengutachten anfordern, in dem geprüft wird, ob und inwieweit die betroffene Person bei bestimmten Arten von Rechtsgeschäften aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung über ausreichend Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verfügt. Dabei wird sowohl die Art des Geschäfts als auch der Schwierigkeitsgrad und die Begleitumstände berücksichtigt. Zudem werden bestehende medizinische Befunde und die Lebensumstände der betroffenen Person einbezogen. Entscheidend ist, dass die partielle Geschäftsunfähigkeit immer auf die konkreten Umstände abzustellen ist; eine pauschale, dauerhafte oder generelle Feststellung ohne Bezug auf bestimmte Rechtsgeschäfte oder Lebensbereiche ist nicht möglich. In vielen Fällen ergibt sich die Feststellung im Rahmen eines Betreuungsverfahrens nach dem Betreuungsrecht.
Welche Rechtsfolgen entstehen, wenn eine Willenserklärung unter partieller Geschäftsunfähigkeit abgegeben wird?
Wenn eine Person eine Willenserklärung hinsichtlich eines Geschäfts abgibt, für das sie partiell geschäftsunfähig ist, ist diese Erklärung nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Das Geschäft entfaltet somit keine rechtliche Wirkung, als ob es nie abgeschlossen worden wäre. Diese Nichtigkeit tritt unabhängig davon ein, ob der Vertragspartner von der partiellen Geschäftsunfähigkeit wusste oder nicht. Es ist grundsätzlich auch nicht möglich, diese Willenserklärung im Nachhinein durch eigene oder fremde Zustimmung (z. B. durch einen Betreuer) zu heilen oder zu genehmigen. Erfasst die partielle Geschäftsunfähigkeit nicht das konkrete Geschäft, ist die Willenserklärung hingegen wirksam. Die Abgrenzung ist daher in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, um Rechtssicherheit zwischen den Betroffenen und den Vertragspartnern zu gewährleisten.
In welchen typischen Fallkonstellationen spielt die partielle Geschäftsunfähigkeit eine Rolle?
Partielle Geschäftsunfähigkeit findet insbesondere Bedeutung in Fällen von Abhängigkeits- und Suchterkrankungen, bei bestimmten psychischen Erkrankungen sowie bei altersbedingten geistigen Einschränkungen, die sich auf spezielle Lebensbereiche beschränken. Häufige Praxisfälle betreffen etwa Menschen, die durch eine Spielsucht nur hinsichtlich Spielverträgen oder Verträgen, die mit ihrer Sucht zusammenhängen, als partiell geschäftsunfähig gelten, während sie andere Geschäfte problemlos tätigen können. Ebenso betroffen sein können Fälle von Demenz oder anderen degenerativen Erkrankungen, wenn diese Krankheitsbilder noch keine vollständige Geschäftsunfähigkeit, aber schon eine Einschränkung des Urteilsvermögens in bestimmten Bereichen begründen. Auch bei maßvoller Alkoholabhängigkeit oder anderen substanzbezogenen Beeinträchtigungen kann die partielle Geschäftsunfähigkeit eingreifen.
Ist eine betreute Person automatisch partiell geschäftsunfähig?
Die Anordnung einer rechtlichen Betreuung nach §§ 1814 ff. BGB führt nicht automatisch zur (partiellen) Geschäftsunfähigkeit. Die Betreuung dient vielmehr dem Schutz und der Unterstützung der betroffenen Person und umfasst nicht per se eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit. Erst wenn aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Unfähigkeit vorliegt, bestimmte Geschäfte eigenverantwortlich abzuwickeln, und dies zugleich im betreuungsgerichtlichen Verfahren festgestellt wurde, kann eine partielle Geschäftsunfähigkeit angenommen werden. Auch dann ist immer nur der jeweils betroffene Geschäftsbereich betroffen. Andernfalls bleibt die betreute Person grundsätzlich geschäftsfähig und kann Willenserklärungen wirksam abgeben.
Welche Beweislast gilt im Streitfall zur Feststellung partieller Geschäftsunfähigkeit?
Im Streitfall trägt grundsätzlich die Partei, die sich auf die partielle Geschäftsunfähigkeit einer Person beruft, die volle Beweislast für deren Vorliegen. Sie muss substantiiert vortragen und nachweisen, dass bei Geschäftsabschluss eine krankhafte Störung vorlag, die die Geschäftsfähigkeit für das konkret streitgegenständliche Rechtsgeschäft ausgeschlossen hat. Hierzu ist in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten unerlässlich. Die bloße Existenz einer psychischen Krankheit oder eines Abhängigkeitsleidens reicht nicht aus; vielmehr muss im Detail dargelegt werden, dass und inwieweit die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim konkreten Rechtsgeschäft beeinträchtigt war. Ist der Nachweis nicht eindeutig geführt, gilt die Person als geschäftsfähig und das Rechtsgeschäft als wirksam.