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Parteifähigkeit


Begriff und Bedeutung der Parteifähigkeit

Die Parteifähigkeit stellt einen zentralen Begriff im deutschen Zivilprozessrecht dar und beschreibt die Fähigkeit, in einem gerichtlichen Verfahren als Partei aufzutreten. Sie ist eine der grundlegenden Prozessvoraussetzungen und bildet die Schnittstelle zwischen dem materiellen Recht und dem Prozessrecht. Parteifähigkeit berechtigt und verpflichtet zur Teilnahme am Gerichtsverfahren auf Kläger- oder Beklagtenseite.

Die Regelungen zur Parteifähigkeit finden sich überwiegend in § 50 der Zivilprozessordnung (ZPO).


Gesetzliche Grundlagen

Zivilprozessordnung (§ 50 ZPO)

Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Die Parteifähigkeit leitet sich folglich regelmäßig aus der Rechtsfähigkeit der natürlichen und juristischen Personen ab. Neben § 50 ZPO sind auch prozessuale Spezialvorschriften sowie weitere Normen aus Zivilrecht und dem Öffentlichen Recht zu beachten, soweit Sonderregelungen bestehen.


Voraussetzungen der Parteifähigkeit

Rechtsfähige natürliche Personen

Alle natürlichen Personen sind vom Zeitpunkt der Vollendung der Geburt bis zum Tod parteifähig. Die Geschäftsfähigkeit ist im Regelfall für die Parteifähigkeit nicht erforderlich; auch beschränkt Geschäftsfähige, nicht Geschäftsfähige sowie unter Betreuung stehende Personen bleiben parteifähig.

Besonderheiten bei Minderjährigen

Minderjährige verfügen über Parteifähigkeit, werden prozessual jedoch durch gesetzliche Vertreter (zum Beispiel Eltern oder Vormund) vertreten, da ihnen die Prozessfähigkeit häufig fehlt.

Rechtsfähige juristische Personen

Juristische Personen (z.B. Vereine, Stiftungen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, eingetragene Genossenschaften) sind ab ihrer wirksamen Entstehung parteifähig. Die Parteifähigkeit erstreckt sich auf sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren.

Gesamthandsgemeinschaften und teilrechtsfähige Personenvereinigungen

Auch nicht rechtsfähige Vereinigungen oder Gemeinschaften wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sind unter bestimmten Voraussetzungen parteifähig. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Parteifähigkeit der GbR im Wege der Rechtsfortbildung anerkannt; aus Sicht der Parteirollen können sie unter ihrem Namen verklagen oder verklagt werden.


Unterschied zur Prozessfähigkeit und zur Postulationsfähigkeit

Prozessfähigkeit

Die Prozessfähigkeit unterscheidet sich von der Parteifähigkeit dahingehend, dass sie die Fähigkeit beschreibt, das Prozesshandeln selbst vorzunehmen, also beispielsweise eigenständig Klage zu erheben oder Schriftsätze einzureichen. Während die Parteifähigkeit die „Rechtssubjektivität“ im Prozess betrifft, knüpft die Prozessfähigkeit an die Geschäftsfähigkeit an (§ 51 ZPO).

Postulationsfähigkeit

Die Postulationsfähigkeit wiederum betrifft die Fähigkeit, im Prozess wirksam eigene Erklärungen abzugeben und Anträge zu stellen. Vor bestimmten Gerichten wie dem Landgericht ist hierfür beispielsweise grundsätzlich ein Rechtsanwalt erforderlich (§ 78 ZPO).


Besondere Regelungen und Ausnahmefälle

Pflegschafts- und Betreuungsverfahren

In Verfahren betreffend Pflegschaften, Betreuung oder Vormundschaft existieren spezielle Vorschriften zur Parteifähigkeit und Beteiligtenstellung. Je nach Verfahrensart ist zu differenzieren, ob der Betroffene, die Behörde oder sonstige Personen parteifähig sind.

Nachlassverfahren

Im Nachlassverfahren sind insbesondere Erben (auch Erbengemeinschaften) parteifähig, wobei die Erbengemeinschaft schon vor Auseinandersetzung als „Gesamthandsgemeinschaft“ parteifähig ist.

Handels- und Unternehmensregisterverfahren

Im Handelsregisterverfahren können auch nicht rechtsfähige Unternehmen parteifähig sein, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist (beispielsweise bei Kommanditgesellschaften und offenen Handelsgesellschaften).


Parteifähigkeit im Strafprozess- und Verwaltungsrecht

Strafprozessrecht

Im Strafprozessrecht spricht man nicht von „Parteien“, sondern untersucht die Beteiligtenfähigkeit (zum Beispiel Angeklagter, Nebenkläger). Hier bestehen eigene Regelungen in der Strafprozessordnung (StPO).

Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit

Auch in Verwaltungsverfahren und Verfahren vor Sozialgerichten ist die Parteifähigkeit erforderlich (§ 61 VwGO, § 70 SGG). Diese orientiert sich ebenfalls an der Rechtsfähigkeit der Beteiligten. Öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sind insoweit parteifähig.


Verlust und Einschränkung der Parteifähigkeit

Die Parteifähigkeit kann durch das Erlöschen der Rechtsfähigkeit entfallen, zum Beispiel durch Tod einer natürlichen Person oder Auflösung juristischer Personen. Im Falle von Insolvenz oder Liquidation bestehen Übergangsregelungen und Sondervorschriften, die teilweise eine fortdauernde beschränkte Parteifähigkeit regeln.


Internationale Aspekte der Parteifähigkeit

Im internationalen Rechtsverkehr richtet sich die Parteifähigkeit nach dem Personalstatut der jeweiligen Partei, das heißt nach dem Recht des Staates, dem die Partei angehört. In grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten ist somit zu prüfen, ob die betreffende Person oder Vereinigung nach dem jeweiligen nationalen Recht parteifähig ist.


Relevanz der Parteifähigkeit im Zivilprozessrecht

Die Parteifähigkeit ist zwingende Prozessvoraussetzung. Fehlt einem Beteiligten die Parteifähigkeit, ist die Klage unzulässig. Das Gericht prüft die Parteifähigkeit von Amts wegen (ex officio) in allen Verfahrensstadien. Ein möglicher Mangel ist nicht heilbar und führt zur sofortigen Verfahrenseinstellung.


Zusammenfassung

Die Parteifähigkeit ist ein zentraler, formaler Begriff des deutschen Prozessrechts. Sie sichert, dass nur solche Rechtssubjekte am Verfahren teilnehmen, die nach dem geltenden Recht Träger von Rechten und Pflichten sein können. Die genauen Voraussetzungen richten sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet, wobei § 50 ZPO für Zivilverfahren maßgeblich ist. Eine sorgfältige Prüfung der Parteifähigkeit ist unverzichtbar, da davon die Wirksamkeit des gesamten Verfahrens abhängt.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Parteifähigkeit im gerichtlichen Verfahren?

Die Parteifähigkeit ist im gerichtlichen Verfahren von zentraler Bedeutung, da sie eine grundlegende Prozessvoraussetzung darstellt. Nur wer parteifähig ist, kann im eigenen Namen als Partei auftreten, Rechte geltend machen und Pflichten übernehmen. Die Parteifähigkeit bestimmt also, wer überhaupt subjektiv Träger prozessualer Rechte und Pflichten sein kann. Sie ist daher unabhängig von der Prozessfähigkeit, die wiederum die Fähigkeit betrifft, selbständig Prozesshandlungen vorzunehmen. Ein Fehlen der Parteifähigkeit führt regelmäßig zur Unzulässigkeit der Klage und kann von Amts wegen zu jedem Verfahrenszeitpunkt durch das Gericht geprüft werden. Im Zivilprozessrecht ist die Parteifähigkeit in den §§ 50 ff. ZPO geregelt; im Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsverfahren gibt es entsprechend angepasste Vorschriften. In vielen Fällen stimmen die Regelungen zur Parteifähigkeit mit denen zur Rechtsfähigkeit überein.

Wie wird die Parteifähigkeit bei juristischen Personen und Personengesellschaften beurteilt?

Die Parteifähigkeit bei juristischen Personen (wie etwa GmbH oder AG) ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn diese rechtsfähig sind. Das bedeutet, sie können klagen und verklagt werden. Juristische Personen handeln dabei durch ihre gesetzlichen Vertreter. Bei Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG) ist die Lage differenzierter: Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist die OHG parteifähig, ebenso die Partnerschaftsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, soweit sie eigene Rechte und Pflichten hat. Für die GbR wurde durch die Rechtsprechung des BGH klargestellt, dass auch diese parteifähig ist, wenn sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eine eigene Rechtspersönlichkeit erlangt hat. Ist dies nicht der Fall, sind die Gesellschafter als Partei zu behandeln.

Kann ein nicht rechtsfähiger Verein parteifähig sein?

Ein nicht rechtsfähiger Verein ist grundsätzlich keine parteifähige Einheit, da es an einer eigenen Rechtsfähigkeit mangelt. Er kann deshalb nicht selbst Kläger oder Beklagter sein. Vielmehr sind in solchen Fällen die handelnden Personen und gegebenenfalls die Mitglieder als natürliche Personen Beteiligte im Prozess. Ausnahmen ergeben sich dann, wenn spezialgesetzliche Bestimmungen oder die Rechtsprechung in Einzelfällen einem nicht rechtsfähigen Verein eine beschränkte Parteifähigkeit zubilligen, dies ist jedoch selten und erfordert eine genaue Prüfung des Einzelfalles. Im Allgemeinen bleibt es dabei, dass nur rechtsfähige Vereine im Sinne des § 21 BGB parteifähig sind.

Welche Bedeutung hat der Zeitpunkt für das Vorliegen der Parteifähigkeit?

Für das Vorliegen der Parteifähigkeit ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entscheidend, bei Urteilsverfahren § 525 ZPO entsprechend. Wenn zum Beispiel eine juristische Person nach Klageerhebung, aber vor der letzten mündlichen Verhandlung erlischt, geht die Parteifähigkeit verloren und das Verfahren wird gegen eine nicht mehr existierende Partei geführt. In solchen Fällen kann es zu einer Unterbrechung des Verfahrens kommen, bis ein Rechtsnachfolger feststeht oder ein Nachtragsverfahren eingeleitet wird. Bei natürlichen Personen wirkt sich der Tod einer Partei ähnlich aus. Es ist daher entscheidend, über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg auf die Parteifähigkeit zu achten.

Wie wird Parteifähigkeit im Insolvenzverfahren behandelt?

Im Insolvenzverfahren ist stets zu prüfen, ob die insolvente Partei ihre Parteifähigkeit behält oder der Insolvenzverwalter als Partei auftritt. Grundsätzlich bleibt die insolvente juristische Person oder natürliche Person parteifähig. Die Prozessführungsbefugnis geht jedoch gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Das bedeutet, Ansprüche, die zur Insolvenzmasse gehören, sind im Namen des Insolvenzverwalters, aber auf Rechnung und im Namen der insolventen Partei geltend zu machen oder gegen sie zu richten. Die insolvente Partei selbst ist weiterhin (partei-)fähig, tritt jedoch im Prozess meist nicht mehr auf.

Gibt es Einschränkungen der Parteifähigkeit für Minderjährige oder Geschäftsunfähige?

Minderjährige und geschäftsunfähige Personen sind grundsätzlich parteifähig, sofern sie rechtsfähig sind (bei natürlichen Personen regelmäßig ab Geburt). Allerdings sind sie nicht oder nur beschränkt prozessfähig, das heißt, sie können Prozesse nicht selbst führen, sondern benötigen einen gesetzlichen Vertreter, z.B. die Eltern oder einen Vormund. Die Parteifähigkeit als solches bleibt aber unberührt: Klagen können für oder gegen sie geführt werden, auch wenn sie persönlich nicht verfahrensfähig sind. Die Trennung von Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit ist im deutschen Rechtssystem eindeutig.

Welche Folgen hat das Fehlen der Parteifähigkeit?

Fehlt einer Partei die Parteifähigkeit, führt dies zwingend zur Unzulässigkeit der Klage oder des Antrags. Dies kann vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen festgestellt werden. Wird erst im Laufe des Verfahrens erkannt, dass eine Partei nicht parteifähig ist (beispielsweise weil eine Gesellschaft erloschen ist oder der Kläger nicht existiert), ist das Verfahren insoweit einzustellen oder die Klage als unzulässig abzuweisen. Eventuelle Verfahrenshandlungen einer nicht parteifähigen Partei sind unwirksam. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Verfahrensfähigkeit durch Nachbesserung (z.B. durch einen Nachfolger oder gesetzlichen Vertreter) nachzuholen, soweit dies rechtlich möglich ist.