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pactum de non petendo

Pactum de non petendo: Bedeutung und Grundidee

Das pactum de non petendo ist eine Vereinbarung, in der sich ein Gläubiger gegenüber einem Schuldner (oder umgekehrt wechselseitig) verpflichtet, einen bestehenden Anspruch für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft nicht gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen. Die Forderung selbst bleibt dabei grundsätzlich bestehen; lediglich ihre Durchsetzung wird ganz oder teilweise ausgeschlossen. Der lateinische Begriff bedeutet wörtlich „Abrede, nicht zu fordern“.

Im Ergebnis verschafft das pactum de non petendo dem Schuldner eine Einwendung oder Einrede, mit der er sich gegen die Geltendmachung schützen kann. Je nach Ausgestaltung kann diese Wirkung zeitlich begrenzt, an Bedingungen geknüpft oder dauerhaft sein. Die Abrede findet sich in der Praxis häufig als eigenständige Klausel („Nichtgeltendmachungsabrede“) oder als Bestandteil weitergehender Vereinbarungen, etwa im Rahmen von Verhandlungen, Restrukturierungen oder Streitbeilegungen.

Rechtsnatur und Abgrenzung

Rechtsnatur

Das pactum de non petendo ist eine vertragliche Verpflichtung, die primär den Gläubiger bindet. Es handelt sich nicht um den Untergang der Forderung, sondern um eine Beschränkung ihrer Durchsetzung. Für den Schuldner begründet die Abrede ein Verteidigungsrecht: Er kann sich auf die Nichtgeltendmachung berufen, wenn der Gläubiger die Forderung gleichwohl einfordert.

Die Wirkungen können materiell- und verfahrensrechtliche Aspekte berühren: Materiell-rechtlich wird die Durchsetzung untersagt oder beschränkt; verfahrensrechtlich kann eine Klage als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen sein, wenn die Abrede entgegensteht und ordnungsgemäß geltend gemacht wird.

Abgrenzung zu ähnlichen Gestaltungen

Erlass oder Verzicht

Beim Erlass oder Verzicht erlischt die Forderung. Beim pactum de non petendo bleibt sie bestehen, darf aber nicht geltend gemacht werden. Das ist insbesondere für Rückgriffs- oder Innenausgleichsfragen bedeutsam, weil eine fortbestehende Forderung andere Rechtsbeziehungen beeinflussen kann.

Stundung

Die Stundung verschiebt Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit. Das pactum de non petendo untersagt die Geltendmachung als solche; die Forderung kann weiterhin fällig sein, aber ihre Einforderung ist vertraglich ausgeschlossen. In der Praxis können beide Gestaltungen kombiniert werden.

Vergleich

Ein Vergleich gestaltet Ansprüche neu, reduziert oder ordnet sie abschließend. Ein pactum de non petendo verändert die Forderung nicht zwingend, sondern hemmt oder untersagt lediglich ihre Durchsetzung. Es kann jedoch Teil eines Vergleichs sein.

Schieds- und Mediationsabreden

Schiedsklauseln und Mediationsabreden regeln das Verfahren oder Forum der Streitbeilegung. Ein pactum de non petendo richtet sich auf das Ob der Geltendmachung. Beide Mechanismen können nebeneinander bestehen, erfüllen aber unterschiedliche Zwecke.

Verjährungsabreden und Stillhalteabkommen

Abreden über Verjährung oder Stillstand zielen auf Fristen oder deren Hemmung/Unterbrechung. Ein pactum de non petendo betrifft primär die Durchsetzung. In Verträgen werden diese Bausteine oft kombiniert, um während Verhandlungen Zeit zu gewinnen und die Durchsetzung auszusetzen.

Inhalt und Ausgestaltung

Parteien und Bindungswirkung

Vertragspartner sind regelmäßig Gläubiger und Schuldner. Möglich sind auch mehrseitige Abreden, etwa in Konsortien oder mit Sicherungsgebern. Grundsätzlich bindet die Abrede nur die Beteiligten (Relativitätsgrundsatz). Eine Ausdehnung auf verbundene Unternehmen, Vertreter oder bestimmte Dritte muss ausdrücklich geregelt sein.

Gegenstand, Umfang, Dauer

Die Abrede kann sich auf einzelne oder mehrere Forderungen beziehen, auf gerichtliche und/oder außergerichtliche Geltendmachung, auf Einleitung oder Fortführung von Verfahren sowie auf Vollstreckungsmaßnahmen. Sie kann befristet, bedingt oder dauerhaft vereinbart werden. Häufig werden Voraussetzungen definiert, etwa die Aussetzung der Durchsetzung bis zum Abschluss von Verhandlungen oder bis zum Eintritt bestimmter Ereignisse.

Form und Nachweis

Für das pactum de non petendo ist üblicherweise keine besondere Form vorgesehen. In der Praxis kommt es auf klare, eindeutige Regelungen an, damit Umfang, Dauer, erfasste Forderungen und etwaige Bedingungen zweifelsfrei bestimmbar sind. Eine nachvollziehbare Dokumentation erleichtert den Nachweis im Streitfall.

Wirkungen im Streitfall

Einredecharakter und prozessuale Folgen

Erhebt der Gläubiger trotz pactum de non petendo Anspruch, kann der Schuldner die Abrede als Einrede entgegenhalten. Je nach Inhalt der Vereinbarung und den Umständen des Einzelfalls kann ein Gericht eine Klage abweisen oder Verfahren aussetzen. Maßgeblich ist, ob die nichtgeltend gemachte Forderung vom vertraglichen Verbot erfasst ist und ob die Voraussetzungen der Abrede vorliegen.

Kosten- und Haftungsfolgen bei Zuwiderhandlung

Verstößt der Gläubiger gegen die Nichtgeltendmachung, können sich prozessuale Kostennachteile ergeben. Zudem kann eine Haftung auf Ersatz des durch den Verstoß verursachten Schadens in Betracht kommen, etwa wenn trotz vereinbarter Aussetzung ein Verfahren eingeleitet wird. Der konkrete Umfang richtet sich nach der Abrede und dem eingetretenen Nachteil.

Auswirkungen auf Dritte

Mehrere Schuldner, Sicherungsgeber und Rückgriff

Bei mehreren Schuldnern bindet das pactum de non petendo grundsätzlich nur im Verhältnis zu den Parteien. Mit-Schuldner sind regelmäßig nicht erfasst, es sei denn, sie sind einbezogen oder der Anwendungsbereich wird ausdrücklich auf sie erstreckt. Da die Forderung fortbesteht, bleiben interne Ausgleichsmechanismen zwischen Schuldnern grundsätzlich möglich. Für Sicherungsgeber gilt Entsprechendes: Ob sie profitieren, hängt vom Inhalt und Geltungsbereich der Abrede ab.

Abtretung und Übergang von Forderungen

Wird eine Forderung übertragen, stellt sich die Frage, ob das pactum de non petendo dem Erwerber entgegengehalten werden kann. In vielen Konstellationen folgt die nichtgeltend gemachte Einrede der Forderung, sodass der Erwerber an die Abrede gebunden ist, insbesondere wenn sie ihm bekannt war oder die Einrede der Forderung als Einwand anhaftet. Abweichungen können sich aus vertraglichen Vereinbarungen ergeben.

Beendigung und Wegfall

Ablauf, Bedingung, Kündigung

Die Abrede endet typischerweise durch Fristablauf, Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eine vertraglich vorgesehene Beendigungsmöglichkeit. Bei dauerhaften Abreden ist maßgeblich, was die Parteien zur Beendigung geregelt haben. Ein einseitiger Widerruf ohne Grundlage in der Vereinbarung kommt regelmäßig nicht in Betracht.

Verhalten nach Beendigung

Nach Wegfall der Abrede lebt die Möglichkeit der Geltendmachung wieder auf. Ob und in welchem Umfang bereits während der Bindungszeit entfaltete Wirkungen fortwirken, richtet sich nach der Vereinbarung und den erfassten Handlungen, etwa hinsichtlich bereits anhängiger Verfahren oder begonnener Vollstreckungsmaßnahmen.

Anwendungsfelder

Verhandlungen und Due Diligence

In Verhandlungen dient das pactum de non petendo als „Stillhalte“-Mechanismus, um Gespräche ohne Klagedruck zu ermöglichen. Es schafft planbare Zeitfenster und reduziert Eskalationen.

Lizenz- und IP-Streitigkeiten

Bei Schutzrechten kann eine Nichtgeltendmachung genutzt werden, um technische oder wirtschaftliche Klärungen herbeizuführen, ohne sofortige Prozesse zu riskieren.

Finanzierungen und Restrukturierungen

Gläubiger stimmen häufig einer temporären Nichtgeltendmachung zu, um Restrukturierungsbeiträge zu koordinieren und Wertvernichtung durch parallele Durchsetzungen zu vermeiden.

Verbands- und Sammelkontexte

In Mehrparteienkonstellationen, etwa bei Konsortialabreden, kann die Nichtgeltendmachung eingesetzt werden, um einheitliche Strategien zu sichern und unkoordinierte Vorstöße zu verhindern.

Grenzen und Wirksamkeitsvoraussetzungen

Bestimmtheit und Transparenz

Erforderlich ist eine klare Bestimmung von Beteiligten, erfassten Forderungen, Reichweite (gerichtlich/außergerichtlich), Dauer und Bedingungen. Unbestimmte oder widersprüchliche Formulierungen können die Tragfähigkeit beeinträchtigen.

Angemessenheit und AGB-Kontrolle

In vorformulierten Vertragsbedingungen unterliegt die Nichtgeltendmachungsabrede einer Inhaltskontrolle. Unangemessene Benachteiligungen oder überraschende Klauseln können unwirksam sein. Transparenz und Ausgewogenheit sind bedeutsam.

Unabdingbare Rechte und öffentliche Interessen

Die Abrede darf zwingenden Regelungen, Schutzvorschriften oder übergeordneten Interessen nicht widersprechen. Bestimmte Ansprüche oder Durchsetzungsbefugnisse können einer Beschränkung entzogen sein.

Internationaler Bezug und Rechtswahl

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten hängt die Wirksamkeit von der anwendbaren Rechtsordnung und der vereinbarten Zuständigkeit ab. Begriff und Wirkungen des pactum de non petendo sind in unterschiedlichen Rechtssystemen bekannt, werden jedoch nicht identisch eingeordnet.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet pactum de non petendo?

Es handelt sich um eine Vereinbarung, durch die die Durchsetzung eines Anspruchs ganz oder teilweise untersagt wird. Die Forderung bleibt grundsätzlich bestehen; der Schuldner erhält ein Verteidigungsrecht gegen die Geltendmachung.

Worin liegt der Unterschied zum Erlass?

Beim Erlass erlischt der Anspruch. Beim pactum de non petendo bleibt er bestehen, darf aber nicht geltend gemacht werden. Das kann für Rückgriffs- und Innenverhältnis-Fragen entscheidend sein.

Gilt ein pactum de non petendo auch gegenüber Mit-Schuldnern oder Sicherungsgebern?

Regelmäßig bindet die Abrede nur die Parteien. Andere Schuldner oder Sicherungsgeber sind nur erfasst, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der Abrede eindeutig ergibt.

Beeinflusst ein pactum de non petendo die Verjährung?

Die Nichtgeltendmachung betrifft primär die Durchsetzung, nicht automatisch Fristen. Ob Fristen ruhen, gehemmt oder verlängert sind, hängt von ergänzenden Abreden und den anwendbaren Regeln ab.

Was geschieht, wenn trotz pactum de non petendo Klage erhoben wird?

Der Schuldner kann sich auf die Abrede berufen. Je nach Inhalt der Vereinbarung kann ein Gericht die Klage abweisen oder das Verfahren aussetzen. Zudem können Kostennachteile und Haftungsfolgen für den Verstoß in Betracht kommen.

Kann ein pactum de non petendo widerrufen oder gekündigt werden?

Das richtet sich nach der vereinbarten Regelung. Üblich sind Befristungen, Bedingungen oder vertraglich festgelegte Beendigungsmöglichkeiten. Ein einseitiger Widerruf ohne Grundlage in der Abrede ist regelmäßig nicht vorgesehen.

Bindet ein pactum de non petendo einen Erwerber der Forderung?

In vielen Konstellationen haftet die Einrede der Forderung an, sodass der Erwerber gebunden ist, insbesondere wenn die Abrede bekannt ist oder ihr Charakter an die Forderung gekoppelt ist. Abweichungen können vertraglich geregelt sein.