pactum de non licitando: Bedeutung, Funktion und rechtliche Einordnung
Das pactum de non licitando bezeichnet eine Vereinbarung, in der eine Person oder ein Unternehmen zusagt, in einem Biet- oder Ausschreibungsverfahren kein Gebot abzugeben oder sich nicht aktiv am Zuschlagswettbewerb zu beteiligen. Der Ausdruck leitet sich aus dem Lateinischen ab; „licitare“ bedeutet bieten oder steigern. Inhaltlich geht es um einen Bietverzicht, der bewusst die Teilnahme am Wettbewerb um ein Kaufobjekt, eine Leistung oder einen Auftrag ausschließt.
Die Erscheinungsform reicht von Absprachen unter potenziellen Bietern in Auktionen über Abreden im Umfeld von Ausschreibungen bis zu Klauseln, die in Transaktionsprozessen den Kreis der aktiven Bieter begrenzen sollen. Die rechtliche Bewertung hängt dabei maßgeblich vom Kontext, vom Zweck der Absprache und von den Auswirkungen auf den Wettbewerb ab.
Rechtsnatur und Systematik
Vertragliche Grundlage
Das pactum de non licitando ist ein schuldrechtlicher Vertrag oder eine vertragliche Nebenabrede. Es kann als eigenständige Vereinbarung oder als Klausel innerhalb eines größeren Vertragswerks ausgestaltet sein. Inhaltlich verpflichtet es zur Unterlassung einer Teilnahme am Bietprozess oder zu einem Unterlassen bestimmter Handlungen, die typischerweise zur Abgabe eines Gebots führen würden.
Abgrenzung zu anderen Abreden
Abzugrenzen ist der Bietverzicht von legitimen Kooperationsformen wie Arbeitsgemeinschaften oder Konsortien, die ein gemeinsames Angebot erarbeiten. Solche Zusammenschlüsse zielen darauf ab, Leistungsfähigkeit zu bündeln, statt den Wettbewerb zu eliminieren. Ebenfalls zu unterscheiden sind No‑Shop- oder Standstill‑Klauseln in Transaktionsprozessen, die den Verkäufer oder potenzielle Erwerber für einen bestimmten Zeitraum in ihrer Marktkontaktaufnahme oder Angebotsabgabe beschränken, ohne zwangsläufig eine Absprache zwischen konkurrierenden Bietern zu sein.
Anwendungsfelder
Auktionen und Versteigerungen
Typische Konstellationen sind Präsenz- oder Online-Auktionen, bei denen potenzielle Interessenten vereinbaren, nicht gegeneinander zu bieten. Ziel ist häufig, den Zuschlagspreis zu senken oder den Ausgang der Auktion vorhersehbar zu machen.
Ausschreibungen und Vergaben
Bei Ausschreibungen kann ein pactum de non licitando darauf gerichtet sein, dass ein potenzieller Anbieter kein Angebot abgibt oder auf eine Angebotsabgabe nur zum Schein verzichtet, um einem anderen Teilnehmer Vorteile zu verschaffen. Solche Absprachen berühren die Integrität und Transparenz des Vergabeverfahrens.
Unternehmens- und Beteiligungstransaktionen
In Transaktionsprozessen finden sich mitunter Abreden, die die aktive Teilnahme einzelner Interessenten an einem Bietverfahren zeitweise ausschließen. Entscheidend ist hier, ob die Klausel dem geordneten Ablauf eines strukturierten Prozesses dient oder ob sie das Wettbewerbsgefüge zwischen potenziellen Erwerbern verfälscht.
Zulässigkeit und Wirksamkeit
Vertragsfreiheit und ihre Grenzen
Vereinbarungen zum Bietverzicht unterliegen grundsätzlich der Vertragsfreiheit. Diese findet jedoch dort Grenzen, wo gesetzliche Verbote, der Schutz der Marktteilnehmer oder Grundsätze des lauteren Wettbewerbs betroffenen sind. Eine Absprache, die auf die Ausschaltung von Wettbewerb ausgerichtet ist, kann unwirksam sein.
Wettbewerbsrechtliche Bewertung
Absprachen zwischen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern, die darauf abzielen, Gebote zu unterlassen, zu koordinieren oder Preise zu beeinflussen, werden regelmäßig als spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs angesehen. Dies gilt sowohl für Auktionen als auch für Ausschreibungen. Solche Vereinbarungen können verboten sein, unabhängig davon, ob sie tatsächlich umgesetzt wurden oder zu messbaren Preisänderungen führten.
Vergaberechtlicher Kontext
In Vergabeverfahren steht neben der wettbewerblichen Komponente auch die Verfahrensfairness im Vordergrund. Eine Bietverzichtsabrede kann zur Nichtigkeit der Angebotsabgabe, zur Aufhebung von Vergabeentscheidungen oder zu Sanktionen gegenüber den Beteiligten führen. Zusätzlich kommen registrierungs- oder zuwendungsrechtliche Konsequenzen in Betracht, etwa Ausschlüsse von zukünftigen Verfahren.
Zivilrechtliche Folgen
Ist eine Bietverzichtsabrede wegen eines Verstoßes gegen Verbote oder gegen grundlegende Wertungen unwirksam, entfällt ihre Durchsetzbarkeit. Bereits erbrachte Leistungen können rückabzuwickeln sein. In Betracht kommen zudem Schadensersatzansprüche Betroffener, etwa des Auftraggebers, des Veranstalters der Auktion oder übergangener Marktteilnehmer.
Straf- und ordnungsrechtliche Risiken
Absprachen im Zusammenhang mit Ausschreibungen oder Auktionen können straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant sein. Neben Geldbußen können persönliche und unternehmensbezogene Sanktionen drohen. Reputationsschäden und nachteilige Nebenfolgen, etwa Einträge in Register, sind möglich.
Gestaltung, Umfang und Dauer
Inhaltliche Elemente
Vereinbarungen zum Bietverzicht beschreiben typischerweise den sachlichen Umfang (welches Objekt, welcher Auftrag), den persönlichen Anwendungsbereich (betroffene Unternehmen oder Personen) und die zeitliche Reichweite (bestimmte Phase oder kompletter Prozess). Oft regeln sie auch Vertraulichkeit und eventuelle Gegenleistungen.
Gegenleistung und Zweck
Eine Gegenleistung für den Verzicht kann ein Indiz für eine wettbewerbsbeschränkende Intention sein, insbesondere wenn sie von einem konkurrierenden Bieter stammt. Dagegen können legitime organisatorische Gründe, etwa die Bündelung von Ressourcen in einem zulässigen Gemeinschaftsangebot, eine andere Einordnung rechtfertigen.
Transparenz gegenüber dem Verfahrensträger
Für die rechtliche Bewertung ist bedeutsam, ob der Verzicht und seine Hintergründe gegenüber dem Veranstalter oder Auftraggeber offengelegt werden und ob der Verzicht in dessen Regelwerk vorgesehen oder erlaubt ist. Verdeckte Absprachen wirken regelmäßig erschwerend.
Abgrenzungen und Sonderfragen
Gemeinschaftsangebote versus Bietverzicht
Ein zulässiges Gemeinschaftsangebot setzt eine echte Zusammenarbeit mit geteilter Leistungserbringung und Verantwortung voraus. Reine Abreden, bei denen ein Teilnehmer lediglich „zurücktritt“, ohne substantielle gemeinsame Leistung zu erbringen, nähern sich einem unzulässigen Bietverzicht an.
No‑Shop‑, Go‑Shop‑ und Standstill‑Klauseln
Solche Klauseln steuern die Interaktion zwischen Verkäufer und Interessenten in Transaktionsprozessen. Sie untersagen regelmäßig dem Verkäufer, parallel weitere Angebote einzuholen, oder untersagen einem Interessenten, ohne Zustimmung Angebote abzugeben oder Anteile zu erwerben. Im Unterschied zum pactum de non licitando zielen sie nicht notwendigerweise auf eine Absprache zwischen Wettbewerbern, können aber bei marktweiter Wirkung vergleichbare Fragen aufwerfen.
Private versus öffentliche Verfahren
Auch in privaten Auktionen oder nichtöffentlichen Verkaufsprozessen gelten die Grundprinzipien des lauteren Wettbewerbs. Der Umstand, dass ein Verfahren privat organisiert ist, rechtfertigt keine verfahrenslenkende Absprache zu Lasten anderer Marktteilnehmer oder des Veranstalters.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Unwirksamkeit und Nichtigkeit
Ein pactum de non licitando, das gegen Verbote oder gegen tragende Grundsätze des Wettbewerbs verstößt, ist in der Regel unwirksam. Darauf gestützte Ansprüche sind nicht durchsetzbar. Abgeleitete Verträge können ebenfalls betroffen sein, wenn sie untrennbar mit der Absprache verknüpft sind.
Schadensersatz und Vorteilsausgleich
Betroffene Dritte können Ersatz des ihnen entstandenen Schadens verlangen. Auch Rückforderungen erlangter Vorteile kommen in Betracht, wenn diese auf der unzulässigen Absprache beruhen.
Sanktionen und Nebenfolgen
Neben zivilrechtlichen Folgen sind behördliche Sanktionen möglich. Darüber hinaus drohen Ausschlüsse von Verfahren, Reputationsverlust sowie interne Konsequenzen in Unternehmen.
Internationale Perspektive
In vielen Rechtsordnungen werden Absprachen über Bietverzichte als gravierende Beeinträchtigungen des Wettbewerbs angesehen. Grenzüberschreitende Verfahren unterliegen häufig mehreren Rechtssystemen gleichzeitig. Die Bewertung kann je nach Marktstruktur und Verfahrenstyp variieren, die grundlegende Skepsis gegenüber wettbewerbsreduzierenden Abreden ist jedoch weit verbreitet.
Beweisfragen und Durchsetzung
Bietverzichtsabreden werden oftmals verdeckt getroffen. Für die rechtliche Einordnung spielen Indizien eine Rolle, etwa parallele Verhaltensmuster, ungewöhnliche Gebotsabfolgen oder Zahlungen ohne erkennbaren Leistungsbezug. Verfahrensträger und beteiligte Unternehmen nutzen interne Richtlinien und Kontrollen, um Auffälligkeiten zu identifizieren und aufzuklären. Bei festgestellten Absprachen kann die Beweisführung komplex sein und mehrere Rechtsgebiete betreffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet pactum de non licitando konkret?
Es handelt sich um eine Vereinbarung, mit der eine Partei zusagt, in einer Auktion oder Ausschreibung kein Gebot abzugeben oder die eigene Teilnahme am Bietprozess zu unterlassen. Ziel ist typischerweise, den Wettbewerb zu reduzieren oder das Ergebnis des Verfahrens zu beeinflussen.
Ist ein pactum de non licitando wirksam?
Die Wirksamkeit ist stark kontextabhängig. Absprachen zwischen Wettbewerbern, die auf die Ausschaltung von Wettbewerb zielen, sind regelmäßig unwirksam. Entscheidend sind Zweck, Ausgestaltung, Marktstellung der Beteiligten und die Auswirkungen auf das konkrete Verfahren.
Worin liegt der Unterschied zu Gemeinschaftsangeboten oder Konsortien?
Gemeinschaftsangebote beruhen auf einer echten Zusammenarbeit bei der Leistungserbringung. Ein bloßer Bietverzicht ohne substanzielle gemeinsame Leistung ist keine legitime Kooperation und kann als wettbewerbsbeschränkend bewertet werden.
Welche rechtlichen Folgen kann eine unzulässige Bietverzichtsabrede haben?
Mögliche Folgen sind Unwirksamkeit der Abrede, Rückabwicklung erlangter Vorteile, Schadensersatzansprüche Betroffener sowie behördliche Sanktionen. In bestimmten Konstellationen kommen auch strafrechtliche Konsequenzen in Betracht.
Gilt das auch bei privaten Auktionen?
Ja. Auch private Verfahren unterliegen den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs. Absprachen, die den Wettbewerb verfälschen oder den Veranstalter täuschen, können rechtlich nachteilig beurteilt werden.
Spielt eine Gegenleistung für den Verzicht eine Rolle?
Eine Gegenleistung kann ein Hinweis darauf sein, dass die Absprache auf Wettbewerbsbeschränkung zielt, insbesondere wenn sie zwischen potenziellen Wettbewerbern vereinbart wurde. Die Gesamtumstände sind maßgeblich.
Wie verhalten sich No‑Shop‑ und Standstill‑Klauseln zum pactum de non licitando?
Diese Klauseln steuern die Kontaktnahme oder Angebotsabgabe in Transaktionsprozessen, ohne zwingend eine Absprache zwischen konkurrierenden Bietern zu sein. Je nach Reichweite können jedoch ähnliche wettbewerbliche Fragen auftreten.
Gibt es Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Verfahren?
Ja. Je nach Ort der Auktion oder Ausschreibung sowie Sitz der Beteiligten können mehrere Rechtsordnungen einschlägig sein. In vielen Ländern werden Bietverzichtsabsprachen streng beurteilt.