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OT-Mitgliedschaft


Begriff und rechtlicher Kontext der OT-Mitgliedschaft

Die OT-Mitgliedschaft (OT = „ohne Tarifbindung“ oder „ohne Tarifvertrag“) beschreibt einen speziellen Status von Mitgliedschaften innerhalb eines Arbeitgeberverbandes in Deutschland. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis zwischen Arbeitgeberverbänden, Unternehmen und dem Tarifvertragsrecht. Die rechtlichen Konsequenzen und Besonderheiten dieses Status sind von erheblicher Bedeutung in der Praxis des kollektiven Arbeitsrechts.

Grundlagen der OT-Mitgliedschaft

Definition und Abgrenzung

Der Begriff der OT-Mitgliedschaft bezeichnet die Mitgliedschaft eines Unternehmens in einem Arbeitgeberverband, ohne dass das Unternehmen an die von diesem Verband abgeschlossenen Tarifverträge gebunden ist. Im Gegensatz dazu steht die ordentliche (tarifgebundene) Mitgliedschaft, bei der automatisch die Tarifverträge des Verbandes Anwendung finden.

Die OT-Mitgliedschaft ist überwiegend in Satzungen der Arbeitgeberverbände geregelt und findet ihre rechtliche Grundlage im Vereinsrecht nach §§ 21 ff. BGB sowie im Tarifvertragsgesetz (TVG).

Historische Entwicklung

Mit dem Wandel der Arbeits- und Tarifordnung im Zuge verstärkter Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitsbeziehungen wurde die OT-Mitgliedschaft seit den 1990er-Jahren relevanter. Arbeitgeber suchten vermehrt nach Möglichkeiten, die Bindung an Tarifverträge zu lockern, ohne die Mitgliedschaft im Verband vollständig zu beenden.

OT-Mitgliedschaft im Arbeitsrecht

Tarifbindung nach Tarifvertragsgesetz

Nach § 3 Abs. 1 TVG sind nur solche Mitglieder eines Arbeitgeberverbandes tarifgebunden, die als ordentliche Mitglieder geführt werden. Eine OT-Mitgliedschaft führt dazu, dass der Arbeitgeber zwar weiterhin dem Verband angehört, aber nach § 3 Abs. 1 TVG nicht (mehr) automatisch an die Tarifverträge gebunden ist.

Tarifliche Regelungen gelten dennoch für bereits bestehende Arbeitsverhältnisse, sofern Nachwirkungstatbestände nach § 4 Abs. 5 TVG greifen.

Erwerb und Übergang in die OT-Mitgliedschaft

Der Erwerb der OT-Mitgliedschaft erfolgt regelmäßig durch einen satzungsgemäßen Wechsel innerhalb des Verbandes. In der Praxis geschieht dies entweder zum Zeitpunkt des Eintritts (direkte OT-Mitgliedschaft) oder durch Wechsel aus der ordentlichen Mitgliedschaft. Der Modus und die Voraussetzungen werden von den jeweiligen Verbandssatzungen festgelegt. Häufig wird eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Verband verlangt.

Rechtliche Besonderheiten und Folgen

Die zentrale Folge der OT-Mitgliedschaft ist der Wegfall der Tarifgebundenheit. Arbeitgeber im OT-Status sind berechtigt, individuelle Arbeitsverträge ohne Bindung an geltende Verbandstarifverträge zu gestalten. Dennoch besteht eine allgemeine Verpflichtung zur Verbandstreue (Verbandsloyalität), sofern dies in der Satzung vorgesehen ist. Dazu kann zum Beispiel die Verpflichtung gehören, Verbandsziele zu unterstützen oder sich an Schlichtungsstellenverfahren zu beteiligen.

Unter bestimmten Umständen kann sich ein Arbeitgeber auf die Nachwirkung bereits erlassener Tarifregelungen berufen (§ 4 Abs. 5 TVG), solange keine anderslautende Vereinbarung mit den Beschäftigten getroffen wurde.

Unterschiede zur Einzelmitgliedschaft und zum Austritt

Gegenüber dem Austritt aus dem Verband verbleibt der OT-Arbeitgeber im organisatorischen und strukturellen Umfeld des Verbandes und profitiert weiterhin von dessen Serviceleistungen, Netzwerk und Interessenvertretung – jedoch ohne tarifliche Bindung. Im Unterschied zur Einzelmitgliedschaft gilt in der OT-Mitgliedschaft die Beschränkung auf Nichtteilnahme an tarifpolitischen Abstimmungen oder Verhandlungsmandaten, sofern die Satzung dies vorsieht.

Satzungsregelungen der Arbeitgeberverbände

Gestaltungsmöglichkeiten

Arbeitgeberverbände sind frei, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der OT-Mitgliedschaft in ihren Satzungen selbst zu gestalten (§ 21 ff. BGB). Dies umfasst:

  • Statuswechsel zwischen ordentlicher und OT-Mitgliedschaft
  • Bedingungen und Fristen für den Statuswechsel
  • Modalitäten der Beitragserhebung
  • Teilnahme- und Mitwirkungsrechte (Stimmrecht, Mitbestimmung in Gremien)
  • Möglichkeiten und Grenzen zur Rückkehr in die Tarifbindung

Mitbestimmungs- und Stimmrechte

In vielen Verbänden sind die Rechte von OT-Mitgliedern im Hinblick auf tarifpolitische Entscheidungen (z. B. Tarifkommissionen, Abstimmungen zu Tarifabschlüssen) begrenzt oder ausgeschlossen. Die genauen Regelungen finden sich in der jeweiligen Verbandssatzung und dienen der Vermeidung von Interessenkonflikten.

Vor- und Nachteile der OT-Mitgliedschaft

Vorteile

  • Flexibilisierung: Unternehmen können Arbeitsbedingungen individueller gestalten und auf tarifliche Vorgaben verzichten.
  • Verbandsanbindung bleibt erhalten: Zugang zu Dienstleistungen, Beratung und Netzwerkstrukturen des Arbeitgeberverbandes.
  • Reduzierung der Tarifbindung: Kostenreduzierung durch Wegfall tariflicher Lohn-und Arbeitszeitvorgaben möglich.

Nachteile

  • Kein Tarifschild mehr: Der Schutz und die Rechtssicherheit verbindlicher Tarifwerke entfallen.
  • Gewerkschaftliche Reaktionen: Gewerkschaften können in Reaktion auf verbreiteten OT-Wechsel zu betrieblichen Arbeitskampfmaßnahmen (z. B. Forderung von Haustarifverträgen, Streik) greifen.
  • Individuelle Verhandlungslast: Gestaltung und Verhandlung individueller Arbeitsbedingungen können zusätzlichen Aufwand für das Unternehmen bedeuten.

OT-Mitgliedschaft im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung

Bundesarbeitsgericht und Instanzgerichte haben mehrfach die Zulässigkeit satzungsmäßig geregelter OT-Mitgliedschaft bestätigt (u. a. BAG, Urteil vom 18.07.2006 – 1 AZR 578/05). Die Gerichte verlangen jedoch eine klare, eindeutige und transparente Satzungsregelung, um die Bestimmtheit des Mitgliederstatus und die daraus entstehenden Rechte und Pflichten sicherzustellen.

OT-Mitgliedschaft und betriebliche Praxis

Bedeutung für das Unternehmen

Für Unternehmen kann die OT-Mitgliedschaft eine Möglichkeit darstellen, sich von starren tariflichen Bindungen zu lösen und gleichzeitig die Zugehörigkeit zu einem starken Arbeitgeberverband aufrechtzuerhalten. Gerade in Branchen mit zunehmendem Fachkräftemangel und sich wandelnden Arbeitsbedingungen bietet die OT-Mitgliedschaft erhöhte Flexibilität.

Auswirkungen auf die Beschäftigten

Beschäftigte in OT-Betrieben werden regelmäßig nicht mehr durch Tarifverträge geschützt, sofern keine einzelvertraglichen Bezugnahmen auf Tarifverträge bestehen oder ein Haustarifvertrag abgeschlossen wird. Die freiwillige Anwendung von Verbandstarifen im Arbeitsvertrag ist jedoch weiterhin möglich.

Zusammenfassung

Die OT-Mitgliedschaft stellt eine rechtlich anerkannte Möglichkeit für Unternehmen dar, sich von der Tarifbindung eines Arbeitgeberverbandes zu lösen, ohne die Mitgliedschaft im Verband komplett aufzugeben. Sie beruht auf autonomen Verbandssatzungen und ist in ihrer konkreten Ausgestaltung unterschiedlich geregelt. Die Vorteile liegen in der Flexibilisierung und Fortführung der verbandlichen Interessenvertretung, während die Nachteile in einem erhöhten Verhandlungsaufwand und potenziellen Reaktionen von Arbeitnehmervertretungen bestehen.

Siehe auch:

Literatur und Quellen:

  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2006 – 1 AZR 578/05
  • Kommentar zum Tarifvertragsgesetz (TVG)
  • Satzungen führender deutscher Arbeitgeberverbände

(Dieser Beitrag stellt eine sachliche und umfassende Erläuterung des Begriffs OT-Mitgliedschaft aus arbeitsrechtlicher Sicht dar und ist für die Verwendung in einem Rechtslexikon konzipiert.)

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Erwerb einer OT-Mitgliedschaft erfüllt sein?

Eine OT-Mitgliedschaft (OT = Ohne Tarifbindung) setzt voraus, dass das Mitglied grundsätzlich einem Arbeitgeberverband beitritt, jedoch ausdrücklich ohne sich der tariflichen Bindung zu unterwerfen. Rechtlich betrachtet ist dies nach § 3 Abs. 3 TVG (Tarifvertragsgesetz) möglich, sofern die Satzung des jeweiligen Arbeitgeberverbands eine OT-Mitgliedschaft vorsieht. Voraussetzung für die wirksame OT-Mitgliedschaft ist ein eindeutiges, schriftliches Beitrittsgesuch, in dem der Wille des Mitglieds zur OT-Eigenschaft klar dokumentiert ist. Der Verband muss in seiner Mitgliederdatenführung und in allen Mitgliedsangelegenheiten zwischen OT- und tarifgebundenen Mitgliedern unterscheiden. Eine rückwirkende Statusänderung ist rechtlich nicht zulässig; die OT-Eigenschaft entsteht frühestens ab dem Zeitpunkt, zu dem der Wechsel dem Verband angezeigt und dieser zugestimmt hat. Zudem hat das Bundesarbeitsgericht gefordert, dass die Minderstellung von OT-Mitgliedern und ihre Ausgrenzung aus verbandsinternen tarifpolitischen Entscheidungen ausdrücklich durch die Verbandssatzung geregelt werden muss (§ 33 Abs. 1 BGB, Satzungsautonomie).

Welche rechtlichen Wirkungen hat eine OT-Mitgliedschaft auf bestehende Tarifverträge?

Die OT-Mitgliedschaft hat zur Folge, dass das betreffende Mitglied rechtlich nicht (mehr) nach dem Tarifvertragsgesetz an die Verbandstarifverträge gebunden ist. Dies bedeutet, dass die in der Vergangenheit abgeschlossenen Tarifverträge (§ 3 Abs. 1 TVG) ab dem Zeitpunkt des Statuswechsels in OT keine direkte und zwingende Geltung für das OT-Mitglied nach § 3 Abs. 1 TVG mehr entfalten. Allerdings gilt der sogenannte Nachbindungseffekt gemäß § 3 Abs. 3 TVG: Die Rechte und Pflichten aus einem zu einem früheren Zeitpunkt bestehenden Tarifverhältnis wirken kraft Gesetzes weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (z. B. durch eine arbeitsvertragliche Regelung). Dies kann dazu führen, dass alte tarifliche Ansprüche einzelner Arbeitnehmer fortbestehen, obwohl ihr Arbeitgeber OT-Mitglied geworden ist.

Welche Mitwirkungsrechte besitzt ein OT-Mitglied im Arbeitgeberverband nach dem Wechsel?

Rechtlich gesehen ist ein OT-Mitglied von sämtlichen tarifpolitischen Entscheidungsprozessen und Abstimmungen im Arbeitgeberverband ausgeschlossen. Die Verbandssatzung muss diesen Ausschluss explizit festlegen, um die tarifpolitische Willensbildung klar abzugrenzen und die Funktionsfähigkeit des Verbandstarifsystems im Sinne der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) zu gewährleisten. In anderen Bereichen der Verbandstätigkeit, wie etwa im Bereich der Rechtsberatung, der Informationspolitik oder sonstiger geschäftlicher Unterstützung, kann dem OT-Mitglied grundsätzlich die volle Mitgliedschaftsberechtigung zustehen – vorbehaltlich der besonderen Satzungsbestimmungen des jeweiligen Verbandes. Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass eine Durchmischung von OT- und Tarifmitgliedern im Rahmen tarifpolitischer Verbandsaktivitäten unzulässig ist.

Wie kann ein Statuswechsel von der Tarifmitgliedschaft zur OT-Mitgliedschaft rechtssicher erfolgen?

Ein Statuswechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbandes ist nur dann rechtlich wirksam, wenn die Verbandssatzung diesen ausdrücklich vorsieht und das Mitglied den Statuswechsel schriftlich beantragt. Der Statuswechsel muss eindeutig erklärt und von der zuständigen Verbandsgremien formal beschlossen werden. Mit der Änderung des Status erlischt die Tarifbindung für zukünftige Tarifabschlüsse gemäß § 3 Abs. 3 TVG. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollte der Ablauf des Statuswechsels dokumentiert werden. Wichtige rechtliche Voraussetzung ist zudem, dass der Statuswechsel nie rückwirkend, sondern stets nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen kann und rechtzeitig dem Verband angezeigt wurde, um ein etwaiges „Rosinenpicken“ bei anstehenden Tarifverhandlungen zu verhindern.

Können OT-Mitglieder eigene Haustarifverträge abschließen?

Juristisch besteht für OT-Mitglieder die Möglichkeit, außerhalb des Verbandstarifvertrages eigene Haustarifverträge direkt mit einer Gewerkschaft abzuschließen, da sie gemäß § 3 Abs. 1 TVG nicht (mehr) automatisch an Verbandstarifverträge gebunden sind. Voraussetzung hierfür ist die eigenständige Tariffähigkeit des Arbeitgebers und der Gewerkschaft sowie die Einhaltung aller Vorgaben des Tarifvertragsgesetzes für den Vertragsschluss. Bestehende Haustarifverträge gehen verbandsrechtlichen Vereinbarungen grundsätzlich vor, soweit sie denselben Regelungsgegenstand betreffen; eine doppelte Tarifbindung besteht jedoch rechtlich nicht. In der Praxis müssen vor Abschluss besonderer Haustarifverträge die jeweiligen Regelungsbereiche sorgfältig geprüft werden, insbesondere hinsichtlich deren Wirksamkeit und etwaiger Kollisionsregelungen.

Welche rechtlichen Folgen hat eine unzulässige Durchmischung von OT- und tarifgebundenen Mitgliedern bei Tarifverhandlungen?

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (insbesondere des Bundesarbeitsgerichts) ist eine Beteiligung von OT-Mitgliedern an tarifpolitischen Entscheidungen oder Verhandlungen nicht zulässig. Kommt es dennoch zu einer Durchmischung, kann dies die Wirksamkeit tariflicher Vereinbarungen beeinträchtigen und im Extremfall zur Nichtigkeit der betroffenen Tarifverträge führen (§ 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 TVG). Der Arbeitgeberverband muss daher mittels satzungsrechtlicher und organisatorischer Maßnahmen sicherstellen, dass OT-Mitglieder bei tarifpolitischen Entscheidungsprozessen rechtlich ausgeschlossen sind. Die Sorgfaltspflichten des Verbandsvorstands umfassen ausdrücklich die Vermeidung jeglicher Einbindung von OT-Mitgliedern in tarifrelevante Vorgänge.

Wie kann die OT-Mitgliedschaft beendet und zur Tarifmitgliedschaft zurückgekehrt werden?

Die Beendigung der OT-Mitgliedschaft und die Rückkehr in den Status eines tarifgebundenen Mitglieds ist grundsätzlich möglich, benötigt jedoch eine erneute schriftliche Statuserklärung des Mitglieds sowie die Zustimmung des Arbeitgeberverbands. Die Verbandssatzung muss hierfür klare Verfahrensregeln vorsehen. Mit Wirksamwerden der Statusänderung lebt die Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG wieder auf, sodass die Verbandstarifverträge für das Mitglied bindend werden. Eine „Zwischenform“ ist rechtlich ausgeschlossen; das Mitglied ist entweder voll tarifgebunden oder OT-Mitglied. Eventuelle tarifvertragliche Nachwirkungen bedürfen einer gesonderten rechtlichen Prüfung im Einzelfall.

Welche Aufklärungs- und Hinweispflichten bestehen gegenüber Betriebsrat und Arbeitnehmern?

Bei Statuswechseln hin zur OT-Mitgliedschaft bestehen aus arbeitsrechtlicher Sicht strenge Hinweispflichten gemäß § 613a BGB und § 80 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat ist umfassend und frühzeitig über die Statusänderung zu informieren, da dies Einfluss auf die Geltung der Tarifverträge im Betrieb haben kann. Auch die betroffenen Arbeitnehmer sind rechtzeitig und transparent darüber zu unterrichten, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die unmittelbare und zwingende Wirkung der Tarifverträge entfällt und sich etwaige arbeitsrechtliche Ansprüche künftig nur noch aus Nachwirkung oder einzelvertraglichen Regelungen ergeben können. Werden diese Pflichten verletzt, drohen Schadensersatzansprüche und-bei gravierenden Mängeln-die Unwirksamkeit tarifdispositiver Regelungen.