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Ordnungsmäßige Buchführung


Ordnungsmäßige Buchführung

Die ordnungsmäßige Buchführung ist ein zentrale Begriff im deutschen Handels- und Steuerrecht und bezeichnet die Gesamtheit aller Vorschriften und Grundsätze, nach denen Unternehmen ihre Bücher und Aufzeichnungen zu führen haben. Ziel ist es, eine nachvollziehbare, prüfbare und vollständige Dokumentation der wirtschaftlichen Vorgänge sicherzustellen. Die Ordnungsmäßigkeit bildet die Grundlage für die Erstellung des Jahresabschlusses sowie für steuerliche und handelsrechtliche Prüfungshandlungen.

Begriff und rechtlicher Rahmen

Definition und gesetzliche Verankerung

Der Begriff „ordnungsmäßige Buchführung“ ist gesetzlich nicht explizit definiert, sondern ergibt sich aus verschiedenen Normen, insbesondere aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) und der Abgabenordnung (AO). Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen finden sich in folgenden Vorschriften:

  • § 238 HGB: Verpflichtet jeden Kaufmann zur Führung von Büchern, aus denen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens ersichtlich sind.
  • §§ 239-241 HGB: Enthalten nähere Vorschriften zur Führung und Aufbewahrung der Bücher.
  • § 140 AO: Verweist auf die Buchführungspflicht nach anderen Gesetzen, also insbesondere dem HGB.
  • § 146 AO: Regelt, wie Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen zu führen sind.

Zusätzlich enthält die GoB (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung; keine eigenständige Rechtsnorm, aber durch Gesetzesverweise anerkannt) verbindliche Mindestanforderungen, die sich sowohl aus Gesetz, höchstrichterlicher Rechtsprechung als auch aus allgemeinen Gepflogenheiten der ordentlichen Buchführungspraxis ergeben.

Anwendungsbereich und Verpflichtete

Die Pflicht zur ordnungsmäßigen Buchführung trifft insbesondere Kaufleute im Sinne von § 1 HGB, aber auch andere rechtsfähige Unternehmen und juristische Personen sowie nach Maßgabe des Steuerrechts auch Einzelpersonen, deren Umsatz oder Gewinn bestimmte Schwellenwerte (siehe § 141 AO) überschreitet.

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

Bedeutung und Quellen

Die GoB dienen als Auslegungsmaßstab, um zu beurteilen, ob die Buchführung als „ordnungsmäßig“ gilt. Sie beruhen auf Erfahrungssätzen der kaufmännischen Buchführung, gesetzlichen Vorgaben und der Rechtsprechung. Sie werden durch Fachverlautbarungen und Empfehlungen der Rechnungslegung weiter konkretisiert.

Wesentliche Grundsätze

Zu den wichtigsten Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung zählen:

  • Klarheit und Übersichtlichkeit: Die Buchführung muss eine zeitgerechte, geordnete und eindeutige Erfassung sowie Abstimmung der Geschäftsvorfälle ermöglichen (§§ 238, 239 HGB).
  • Vollständigkeit: Sämtliche Geschäftsvorfälle und Sachverhalte müssen lückenlos, richtig und vollständig aufgezeichnet werden.
  • Richtigkeit: Die Eintragungen müssen der tatsächlichen Sachlage entsprechen.
  • Zeitgerechte Verbuchung und Aufzeichnung: Geschäftsvorfälle sind zeitnah und fortlaufend zu erfassen (§ 146 AO).
  • Ordnungsgemäße Belegführung: Jeder Buchung muss ein Beleg zugrunde liegen (Belegprinzip).
  • Aufbewahrung und Unveränderbarkeit: Bücher, Aufzeichnungen und Belege müssen über die vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen (i.d.R. zehn Jahre) hinweg vollständig und unveränderbar aufbewahrt werden (§§ 257 HGB, 147 AO).

Besondere Anforderungen an elektronische Buchführung

Bei elektronischer Buchführung gelten ergänzende Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit (z.B. durch regelmäßige Sicherungen, Zugriffsschutz, Protokollierung von Änderungen). Die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) konkretisieren die Anforderungen für digitale Systeme.

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Ordnungsmäßigkeit

Sanktionen und Konsequenzen

Die Verletzung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Buchführung kann erhebliche rechtliche Folgen nach sich ziehen:

  • Verwerfen der Buchführung: Eine nicht ordnungsgemäße Buchführung kann vom Finanzamt oder von Prüfern verworfen werden, die Besteuerungsgrundlagen können dann im Wege der Schätzung ermittelt werden (§ 162 AO).
  • Steuerliche Nachteile: Schätzungen bewirken häufig steuerliche Mehrbelastungen und können zu Nachzahlungen führen.
  • Straf- und Bußgeldvorschriften: Verletzungen der Buchführungspflichten können eine Ordnungswidrigkeit (§ 379 AO) oder sogar eine Straftat (z.B. Steuerhinterziehung, § 370 AO) begründen.
  • Insolvenzrechtliche Folgen: Unzureichende oder nicht vorhandene Buchführung kann bei Insolvenzverfahren nachteilige Konsequenzen haben, unter anderem bei der Feststellung von Insolvenzbetrug (§ 283 StGB).

Ordnungsmäßige Buchführung im Steuerrecht

Schnittmengen und Unterschiede zum Handelsrecht

Die steuerrechtlichen Buchführungspflichten gründen im Wesentlichen auf der Abgabenordnung. Während das Handelsrecht auf Ermittlung des unternehmensrechtlichen Abschlusses abzielt, dient die steuerliche Buchführung der gerechten Festlegung des steuerpflichtigen Einkommens. Die GoB sind insoweit über § 146 AO und GoBD integriert, wobei steuerliche Sonderregelungen, etwa abweichende Bewertungsvorschriften, zu beachten sind.

Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten

Pflichtinhalte und Fristen

Im Rahmen der ordnungsmäßigen Buchführung sind folgende Unterlagen zehn Jahre aufzubewahren (§ 257 Abs. 1 HGB, § 147 AO):

  • Bücher und Aufzeichnungen
  • Inventare
  • Jahresabschlüsse, Lageberichte
  • Belege und Buchungsbelege
  • Handels- und Geschäftsbriefe

Für empfangene Handels- und Geschäftsbriefe sowie sonstige Unterlagen gilt eine Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren.

Anforderungen an die Lesbarkeit

Die Ordnungsmäßigkeit verlangt, dass die Aufzeichnungen und Dokumente während der Frist lesbar und zugänglich gehalten werden. Auch Konvertierungen beispielsweise auf neue Datenträger, müssen die Unverfälschbarkeit, Vollständigkeit und Lesbarkeit gewährleisten.

Prüfung der Ordnungsmäßigkeit

Prüfung durch interne und externe Stellen

Die Überprüfung der ordnungsmäßigen Buchführung kann im Rahmen der Abschlussprüfung durch den Abschlussprüfer, durch das Finanzamt im Rahmen von Betriebsprüfungen oder durch andere prüfende Stellen erfolgen. Dabei werden die Einhaltung der vorgenannten GoB sowie die Richtigkeit, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Buchführung überprüft.

Bedeutung der ordnungsmäßigen Buchführung im unternehmerischen Alltag

Eine ordnungsmäßige Buchführung stellt eine unverzichtbare Grundlage für die Schlussfolgerung auf die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens dar. Sie ist Voraussetzung für die Ermittlung von Bilanzkennzahlen, die Inanspruchnahme von Krediten sowie für rechtssichere Abläufe im Zusammenhang mit Steuern, Investitionen und Unternehmensbewertungen.


Siehe auch:

  • Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Abgabenordnung (AO)
  • Jahresabschluss
  • Betriebsprüfung

Literatur und Weblinks:

  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Abgabenordnung (AO)
  • Bundesministerium der Finanzen: GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff)

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorschriften regeln die ordnungsmäßige Buchführung in Deutschland?

Die ordnungsmäßige Buchführung in Deutschland ist in erster Linie durch das Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Kernnormen sind dabei die §§ 238 ff. HGB, die die Buchführungspflicht und deren Ausgestaltung konkretisieren. Darüber hinaus sind steuerrechtliche Vorschriften relevant, insbesondere die Abgabenordnung (AO), §§ 140 und 141, die für die steuerliche Buchführungspflicht gelten. Ergänzend finden sich detaillierte Anforderungen in den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), die sich aus Vorschriften, Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen ergeben. Für Kapitalgesellschaften gelten zusätzlich spezielle Vorschriften etwa aus dem GmbHG bzw. AktG. Auch Sondervorschriften, wie etwa das Publizitätsgesetz (PublG), können einschlägig sein. Schließlich sind die GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) sowie GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form) relevant, insbesondere bei der digitalen Buchführung.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen die ordnungsmäßige Buchführungspflicht?

Ein Verstoß gegen die ordnungsmäßige Buchführungspflicht zieht erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich. Zivilrechtlich kann die Verletzung der Buchführungspflichten dazu führen, dass die Buchführung als nichtig oder nicht verwertbar gilt, wodurch der Nachweis von Forderungen oder Verbindlichkeiten erschwert oder unmöglich wird (§ 242 HGB). Straf- und bußgeldrechtlich drohen Sanktionen nach §§ 283 ff. StGB (insbesondere Insolvenzverschleppung, Bankrott) sowie nach § 379 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) und § 162 AO (Schätzung der Besteuerungsgrundlagen). Im Steuerrecht kann die Finanzbehörde zur Zwangsschätzung der Besteuerungsgrundlagen übergehen, wenn die Buchführung Mängel aufweist. Darüber hinaus besteht die Gefahr berufsrechtlicher Konsequenzen, z.B. bei Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern, bis hin zur Entziehung der Berufszulassung bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen.

Welche Aufbewahrungsfristen und -pflichten sieht das Gesetz für Buchführungsunterlagen vor?

Gemäß § 257 HGB sind Kaufleute verpflichtet, bestimmte Buchführungsunterlagen für bestimmte Fristen aufzubewahren. Für Handelsbücher, Inventare, Bilanzen sowie Buchungsbelege besteht eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist. Für empfangene Handelsbriefe und Kopien abgesandter Handelsbriefe gilt eine sechsjährige Frist. Steuerrechtlich legt § 147 AO identische Pflichten und Fristen fest. Die Aufbewahrung kann sowohl in Papierform als auch elektronisch erfolgen, sofern die Unveränderbarkeit und die Lesbarkeit während der gesamten Dauer gewährleistet sind. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung gemacht oder das Dokument entstanden ist. Bei Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht drohen steuerliche und strafrechtliche Konsequenzen.

Inwieweit ist eine elektronische Buchführung gesetzlich zulässig und welche Anforderungen gelten dabei?

Die elektronische Buchführung ist grundsätzlich zulässig und wird durch die GoBD geregelt. Rechtlich ist Voraussetzung, dass die Daten jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar sind. Elektronische Bücher und Unterlagen müssen während der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vor Verlust und Veränderung geschützt sein. Zudem muss sichergestellt werden, dass eine vollständige, richtige, zeitgerechte und geordnete Erfassung und Verarbeitung der Geschäftsvorfälle erfolgt. Die Unveränderbarkeit der Daten nach ihrer ursprünglichen Erfassung ist technisch sicherzustellen (zum Beispiel durch Protokollierung von Änderungen). Die verwendeten IT-Systeme müssen dokumentiert und nachvollziehbar sein. Jede elektronische Buchführung unterliegt im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung der Datenzugriffsberechtigung der Finanzbehörden, wie in den GDPdU und GoBD näher geregelt.

Gibt es bestimmte Formvorschriften hinsichtlich der Sprache, Währung oder Systematik bei der Buchführung?

Rechtlich ist nach § 239 Abs. 1 HGB vorgeschrieben, dass Handelsbücher „in lebender Sprache“ geführt werden, wobei in Deutschland grundsätzlich Deutsch verlangt wird; auf Antrag kann die Buchführung aber auch in einer anderen, insbesondere bei international tätigen Unternehmen anerkannten Sprache geführt werden, sofern erforderlichenfalls eine Übersetzung bereitgestellt wird. Die Buchführung hat nach § 244 HGB in Euro zu erfolgen, wobei auch im Rahmen von Fremdwährungsgeschäften Umrechnungen nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben vorzunehmen sind. Hinsichtlich der Systematik muss eine sachliche und chronologische Ordnung der Geschäftsvorfälle sichergestellt werden (§ 238 Abs. 1 HGB, § 146 AO). Kontenrahmen, Journal und Hauptbuch müssen übersichtlich und nachvollziehbar gestaltet sein.

Wann müssen Geschäftsvorfälle rechtlich spätestens gebucht werden?

Rechtlich ist die zeitgerechte Buchung geschäftlicher Vorgänge vorgeschrieben. Das Gesetz verlangt nicht die sofortige, aber die innerhalb eines der Unternehmensgröße angemessenen Zeitraums erfolgende Verbuchung. Nach § 239 Abs. 2 HGB sind die Eintragungen fortlaufend und sachlich vorzunehmen. Die GoBD konkretisieren, dass Buchungen und sonstige erforderliche Aufzeichnungen grundsätzlich innerhalb von zehn Tagen vorzunehmen sind. Kasseneinnahmen und -ausgaben müssen sogar täglich erfasst werden. Verspätete Buchungen können sowohl zivilrechtliche als auch steuerrechtliche und bußgeldrechtliche Folgen haben, bis hin zur Schätzung durch die Finanzbehörde.

Welche Anforderungen bestehen an die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung aus rechtlicher Sicht?

Die Nachvollziehbarkeit verlangt, dass ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens anhand der Buchführung nachvollziehen kann (§ 238 Abs. 1 S. 2 HGB, § 145 Abs. 1 AO). Dies erfordert eine geordnete, übersichtliche und lückenlose Dokumentation aller Buchungsvorgänge. Buchungsbelege müssen vorhanden sein, so dass jede Buchung auf einen Beleg zurückgeführt werden kann (Belegprinzip). Alle Aufzeichnungen und Unterlagen sind so aufzubewahren, dass sie jederzeit innerhalb der Aufbewahrungsfristen vorgelegt werden können. Auch Änderungen bzw. Berichtigungen sind zu dokumentieren und dürfen keine Spuren verwischen, etwa durch Unkenntlichmachung oder Löschung. Dies ist insbesondere bei der digitalen Buchführung von besonderer rechtlicher Bedeutung.