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Ordnungsbehördliche Maßnahmen

Ordnungsbehördliche Maßnahmen: Begriff, Zweck und Einordnung

Ordnungsbehördliche Maßnahmen sind staatliche Eingriffe durch kommunale oder staatliche Ordnungsbehörden, die darauf gerichtet sind, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren oder Störungen zu beseitigen. Sie dienen dem Schutz von Personen, Sachen und der Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung. Grundlage sind die landesrechtlichen Regelungen des Gefahrenabwehr- und Ordnungsrechts. Tätig werden typischerweise Ordnungsämter, Kreise oder übergeordnete Sicherheitsbehörden.

Rechtsrahmen und Zuständigkeiten

Rolle der Ordnungsbehörden

Ordnungsbehörden handeln im Bereich der Gefahrenabwehr. Sie überwachen die Einhaltung ordnungsrechtlicher Pflichten im öffentlichen Raum, bei Betrieben, Veranstaltungen, Anlagen oder im immissionsschutz- und gesundheitlichen Bereich. Die organisatorische Zuordnung und Aufgabenverteilung ist in den Bundesländern unterschiedlich, folgt aber ähnlichen Grundsätzen.

Abstimmung mit anderen Behörden

Ordnungsbehörden arbeiten mit Polizei-, Gesundheits-, Umwelt- und Bauaufsichtsbehörden zusammen. Je nach Lage ist eine Behörde federführend, während andere unterstützen. Maßgeblich sind die jeweiligen landesrechtlichen Zuständigkeitsregeln.

Arten ordnungsbehördlicher Maßnahmen

Individuelle Anordnungen

Die häufigste Form ist die individuelle Verfügung an eine bestimmte Person oder einen Verantwortlichen. Beispiele sind Nutzungsuntersagungen, Auflagen, Befristungen, die Schließung von Einrichtungen oder die Verpflichtung, Gefahrenquellen zu sichern oder zu beseitigen.

Allgemeinverfügungen

Allgemeinverfügungen richten sich an einen bestimmten, aber nicht im Einzelnen benannten Personenkreis oder ordnen etwas für einen konkreten Sachverhalt an, etwa Regelungen für Veranstaltungen, öffentliche Anlagen oder Verkehrsflächen.

Realeingriffe und Sicherstellungen

Hierzu gehören tatsächliche Handlungen wie das Absperren eines Bereichs, die Sicherstellung oder Wegnahme gefährlicher Gegenstände oder die Beseitigung von Störungen, wenn dies erforderlich ist.

Zwangsmittel zur Durchsetzung

Wenn eine rechtmäßige Anordnung nicht befolgt wird, können Zwangsmittel eingesetzt werden. Typische Mittel sind die Ersatzvornahme (die Behörde lässt eine geschuldete Handlung auf Kosten der betroffenen Person ausführen), das Zwangsgeld und als letztes Mittel unmittelbarer Zwang.

Gebühren und Kostenersatz

Für Maßnahmen werden Gebühren erhoben; außerdem können Auslagen und Vollstreckungskosten auferlegt werden. Kosten entstehen insbesondere bei Ersatzvornahmen oder Sicherstellungen.

Voraussetzungen und Grundprinzipien

Gefahr und Notwendigkeit

Maßnahmen setzen grundsätzlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung voraus. Eine Gefahr liegt vor, wenn bei ungehindertem Ablauf der Dinge ein Schaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht. Bei akuter Dringlichkeit können auch sofortige Maßnahmen zulässig sein.

Verantwortlichkeit

Adressaten sind in erster Linie die Verursachenden einer Gefahr (Verhaltensverantwortliche) oder die Eigentümerinnen bzw. Inhaber der tatsächlichen Gewalt über gefährliche Sachen oder Anlagen (Zustandsverantwortliche). Ausnahmsweise kommen andere Personen in Betracht, wenn die Störenden nicht erreichbar sind und unmittelbarer Handlungsbedarf besteht.

Ermessen und Auswahlentscheidungen

Ordnungsbehörden entscheiden, ob sie tätig werden (Entschließung) und wie (Auswahl). Dabei sind Zweckbindung, Gleichbehandlung und Abwägung der widerstreitenden Interessen zu beachten. Das Ermessen ist gesetzlich eingeräumt und an allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze gebunden.

Verhältnismäßigkeit

Jede Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Mildere, gleich geeignete Mittel sind vorrangig. Der Eingriff darf nicht außer Verhältnis zum angestrebten Schutzgut stehen.

Form, Begründung und Bestimmtheit

Anordnungen müssen hinreichend bestimmt sein, damit die betroffene Person klar erkennen kann, was verlangt wird. Regelmäßig ist eine Begründung zu geben und vor Erlass die betroffene Person anzuhören, soweit nicht besondere Dringlichkeit entgegensteht.

Verfahren: Ablauf von der Gefahrenfeststellung bis zur Entscheidung

Einleitung und Sachverhaltsermittlung

Ausgangspunkt sind Hinweise, Kontrollen oder Meldungen. Die Behörde ermittelt den Sachverhalt, dokumentiert die Gefahrenlage und prüft Zuständigkeit, Verantwortlichkeit und Erforderlichkeit.

Anhörung und Entscheidung

Vor der Entscheidung wird die betroffene Person grundsätzlich angehört. Danach ergeht eine Verfügung, die den Inhalt der Maßnahme, die Begründung, Fristen und Hinweise zu Rechtsbehelfen enthält.

Bekanntgabe und Fristen

Die Verfügung wird förmlich bekanntgegeben. Fristen zur Umsetzung werden festgelegt, bei Gefahr im Verzug kann eine sofortige Wirkung angeordnet werden.

Sofortmaßnahmen und Sofortvollzug

Wenn Abwarten unvertretbar ist, kann die Behörde sofort handeln oder die sofortige Vollziehbarkeit anordnen. In solchen Fällen treten Rechtsfolgen unmittelbar ein, auch wenn noch Rechtsbehelfe möglich sind.

Durchsetzung und Vollstreckung

Voraussetzungen der Vollstreckung

Vollstreckung setzt eine wirksame und vollziehbare Grundverfügung voraus, die nicht befolgt wird. Die Auswahl des Zwangsmittels richtet sich nach Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit.

Ersatzvornahme

Bei vertretbaren Handlungen (etwa Beseitigung von Abfällen, Absicherung eines Bereichs) kann die Behörde auf Kosten der betroffenen Person selbst handeln oder Dritte beauftragen.

Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang

Zwangsgeld dient dem Druck zur Befolgung. Unmittelbarer Zwang ist nur zulässig, wenn mildere Mittel nicht ausreichen; er umfasst körperliche Gewalt oder Hilfsmittel der körperlichen Gewalt.

Sicherstellung und Verwahrung

Gegenstände können zur Abwehr erheblicher Gefahren vorübergehend sichergestellt werden. Über Aufbewahrung, Herausgabe und Kosten entscheidet die Behörde nach den allgemeinen ordnungsrechtlichen Regeln.

Rechtsschutz und Kontrolle

Rechtsbehelfe

Gegen ordnungsbehördliche Maßnahmen stehen grundsätzlich Rechtsbehelfe offen. Je nach Bundesland und Art der Maßnahme kommen vorbereitende Verfahren und gerichtliche Klagen in Betracht. Bei Anordnungen mit sofortiger Wirkung ist Eilrechtsschutz möglich.

Akteneinsicht und Transparenz

Betroffene können unter den allgemeinen Voraussetzungen Einsicht in die behördlichen Unterlagen verlangen. Datenschutz und Schutz öffentlicher Belange bleiben zu beachten.

Amtshaftung und Entschädigung

Bei rechtswidrigen Eingriffen oder besonderen rechtmäßigen Eingriffen kann ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommen. Voraussetzungen und Umfang richten sich nach allgemeinen Regeln der staatlichen Haftung.

Fachaufsicht

Ordnungsbehörden unterliegen der Rechts- und Fachaufsicht. Interne und externe Prüfmechanismen sichern Gesetzesbindung und Verhältnismäßigkeit.

Typische Anwendungsbereiche

Öffentliche Sicherheit und Ordnung

Maßnahmen betreffen häufig den Schutz vor Gefahren durch Gebäude, Anlagen, Veranstaltungen, Menschenansammlungen, Lärm, Abfälle, Tiere oder hygienische Risiken.

Gewerbe- und Anlagenüberwachung

Ordnungsbehörden überwachen die Einhaltung betrieblicher Auflagen, untersagen unzulässige Tätigkeiten und ordnen Sicherheitsvorkehrungen an.

Umwelt- und Gesundheitsschutz

Hierzu gehören Anordnungen zum Immissionsschutz, zur Wasser- und Luftreinhaltung, zur Schädlingsbekämpfung sowie Maßnahmen bei Gefahren für die Allgemeinheit.

Abgrenzungen

Ordnungsbehörde und Polizei

Beide nehmen Gefahrenabwehr wahr. Unterschiede bestehen vor allem in Organisation, Aufgabenprofil und Befugnissen. Je nach Bundesland können Ordnungsbehörden polizeiliche Befugnisse wahrnehmen oder mit der Polizei eng kooperieren.

Gefahrenabwehr und Ordnungswidrigkeiten

Gefahrenabwehr zielt auf die Verhinderung oder Beseitigung von Gefahren. Ordnungswidrigkeitenverfahren ahnden bereits begangene Verstöße mit Bußgeldern. Beide Bereiche können nebeneinanderstehen.

Gefahrenabwehr und Strafverfolgung

Gefahrenabwehr ist präventiv ausgerichtet, Strafverfolgung reagiert repressiv auf Straftaten. Zuständig sind unterschiedliche Behörden mit unterschiedlichen Verfahrensregeln.

Folgen von Verstößen und Nichtbefolgung

Vollstreckung und Zwangsmittel

Nichtbefolgung kann zur Androhung und Anwendung von Zwangsmitteln führen. Die Behörde setzt Fristen, kündigt Maßnahmen an und setzt sie nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen durch.

Bußgelder und Kosten

Neben der Gefahrenabwehr können gesonderte Bußgeldverfahren eröffnet werden. Zudem fallen Gebühren, Auslagen und gegebenenfalls Kosten der Vollstreckung an.

Föderale Unterschiede

Die Ausgestaltung ordnungsbehördlicher Befugnisse variiert zwischen den Bundesländern. Unterschiede bestehen bei Zuständigkeiten, Begrifflichkeiten, Verfahrensdetails und Katalogen zulässiger Maßnahmen. Die grundlegenden Prinzipien wie Verhältnismäßigkeit, Bestimmtheit, Verantwortlichkeit und Rechtschutzmöglichkeiten sind jedoch weitgehend vergleichbar.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was sind ordnungsbehördliche Maßnahmen?

Es handelt sich um Entscheidungen und Handlungen von Ordnungsbehörden, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren oder bestehende Störungen beseitigen. Dazu zählen individuelle Verfügungen, Allgemeinverfügungen, Realeingriffe und die Anwendung von Zwangsmitteln.

Wer ist für ordnungsbehördliche Maßnahmen zuständig?

Je nach Bundesland sind dies kommunale Ordnungsämter, Kreise oder staatliche Sicherheitsbehörden. Die genaue Zuständigkeit richtet sich nach landesrechtlichen Regeln und der konkreten Gefahrenlage.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Maßnahmen ergriffen werden?

Erforderlich ist regelmäßig eine hinreichend konkrete Gefahr. Zudem müssen Verantwortlichkeit, Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit vorliegen. Formelle Anforderungen wie Bestimmtheit, Begründung und grundsätzlich Anhörung sind zu beachten.

Welche Arten von Maßnahmen gibt es?

Typisch sind Anordnungen an Einzelne, Allgemeinverfügungen, Sicherstellungen und Schließungen. Zur Durchsetzung kommen Ersatzvornahme, Zwangsgeld und in letzter Linie unmittelbarer Zwang in Betracht.

Wie werden ordnungsbehördliche Anordnungen durchgesetzt?

Bei Nichtbefolgung kann die Behörde Zwangsmittel anwenden. Voraussetzung ist in der Regel eine wirksame, vollziehbare Grundverfügung. Die Auswahl des Mittels folgt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Welche Rechte haben Betroffene?

Betroffenen stehen grundsätzlich Rechtsbehelfe offen, einschließlich Eilrechtsschutz bei sofort wirksamen Maßnahmen. Zudem kommen Akteneinsicht und Überprüfung durch unabhängige Gerichte in Betracht.

Welche Kosten können entstehen?

Es fallen Gebühren für behördliche Entscheidungen an. Hinzu treten Auslagen sowie Kosten von Vollstreckungsmaßnahmen, etwa bei Ersatzvornahmen oder Verwahrung sichergestellter Gegenstände.

Worin unterscheidet sich eine ordnungsbehördliche Maßnahme von einer polizeilichen?

Beide dienen der Gefahrenabwehr, unterscheiden sich jedoch in Organisation, Befugnissen und Zuständigkeiten. In einigen Ländern können Ordnungsbehörden polizeinahe Aufgaben wahrnehmen oder mit der Polizei gemeinsam tätig werden.