Legal Lexikon

Offerte


Begriff und Definition der Offerte

Der Begriff „Offerte“ (auch Angebotsabgabe oder Angebot genannt) ist zentral im Privatrecht und beschreibt die rechtlich verbindliche Erklärung einer Partei, einen Vertrag unter bestimmten Bedingungen abschließen zu wollen. Im deutschsprachigen Raum wird der Ausdruck wahlweise im Zusammenhang mit Verträgen des täglichen Lebensgebrauchs oder im unternehmerischen Verkehr verwendet. Eine Offerte ist demnach die Willensäußerung, die unmittelbar auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet ist und die wesentlichen Vertragsbestandteile (sogenannte „essentialia negotii“) enthalten muss.

Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Offerte im BGB und OR

Im deutschen Recht regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) das Zustandekommen von Verträgen in den §§ 145 bis 150. Im schweizerischen Obligationenrecht (OR) finden sich die einschlägigen Vorschriften in den Artikeln 3 bis 10. Eine Offerte (Angebot) wird demnach als empfangsbedürftige Willenserklärung verstanden, die mit Annahme des Angebotsempfängers zum verbindlichen Vertrag führt.

Die Hauptmerkmale einer Offerte

Eine rechtswirksame Offerte setzt voraus:

  • Verbindlichkeit: Der Offerent ist rechtlich an seine Offerte gebunden, es sei denn, ein Ausschluss der Bindung wurde ausdrücklich oder gemäß den Umständen vereinbart.
  • Bestimmtheit: Die Offerte muss alle wesentlichen Vertragsbestandteile (insbesondere Vertragsgegenstand, Preis, Vertragsparteien) enthalten, damit durch eine einfache Annahmeerklärung des anderen Teils der Vertrag zustande kommen kann.
  • Zugang: Die Offerte wird mit Zugang beim Empfänger wirksam (§ 130 BGB), im schweizerischen Recht mit Empfang beim Adressaten (Art. 3 OR).

Abgrenzung zur Aufforderung zur Offertenabgabe (Invitatio ad offerendum)

Eine Offerte ist von der sogenannten „invitatio ad offerendum“ abzugrenzen. Während die Offerte eine verbindliche Erklärung ist, mit der ein Vertraggeschlossen werden soll, handelt es sich bei der invitatio ad offerendum um eine bloße Einladung an den Rechtsverkehr, seinerseits ein Angebot abzugeben. Typisch hierfür sind beispielsweise Schaufensterauslagen oder Werbeanzeigen, welche als Aufforderung zur Abgabe von Offerten verstanden werden.

Bindung an die Offerte

Bindungswirkung im deutschen Recht

Gemäß § 145 BGB ist der Offerent an seine Offerte gebunden, sofern die Bindung nicht ausgeschlossen wurde. Die Bindungsdauer richtet sich nach dem Interesse des Offerenten, eine Annahme erwarten zu können (§ 147 BGB):

  • Unter Anwesenden: Die Offerte kann nur sofort angenommen werden.
  • Unter Abwesenden: Die Annahme kann nur bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, in welchem der Offerent den Eingang der Antwort erwarten darf.

Bindungswirkung im schweizerischen Recht

Das schweizerische Recht (Art. 3 OR) unterscheidet ebenfalls zwischen Anwesenden und Abwesenden. Bei Anwesenden (persönliches Gespräch oder Telefon) ist die Offerte nur so lange bindend, wie vom Gegenüber unmittelbar eine Annahme erfolgen kann. Bei Abwesenden, etwa bei schriftlicher Offerte, ist eine angemessene Überlegungs- und Übermittlungszeit anzusetzen.

Ausschluss und Inhalt der Bindung

Die Bindung an eine Offerte kann ausgeschlossen oder modifiziert werden, etwa durch Zusätze wie „freibleibend“, „unverbindlich“ oder vergleichbare Hinweise. In diesen Fällen kommt trotz Annahme keine vertragliche Bindung zustande.

Erlöschen der Offerte

Erlöschensgründe nach deutschem Recht

Eine Offerte erlischt, wenn sie:

  • abgelehnt wird (§ 146 BGB),
  • nicht rechtzeitig angenommen wird (§ 148 BGB) oder
  • vom Angebotsempfänger abgewandelt wird (das modifizierte Angebot gilt als neue Offerte).

Erlöschensgründe nach schweizerischem Recht

Im schweizerischen Zivilrecht verweist Art. 5 OR auf das Erlöschen der Offerte durch Zeitablauf, Ablehnung oder verspätete Annahme. Eine verspätete Annahme gilt als neue Offerte (Art. 6 OR).

Formerfordernisse und Gestaltungsmöglichkeiten

Formfreiheit und Formvorschriften

Grundsätzlich ist für die Gültigkeit einer Offerte keine bestimmte Form erforderlich, sie kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgegeben werden. Gesetzlich vorgeschriebene Formen (etwa Schriftform im Immobiliengeschäft nach § 311b BGB) entfalten Wirkung auf den Vertragsschluss, nicht primär auf die Offerte.

Bestimmtheit und Klarheit der Offerte

Die Offerte muss so bestimmt sein, dass der potenzielle Vertragspartner den Vertrag durch einfaches „Ja“ zustande bringen kann. Fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit oder sind erhebliche Vertragsinhalte offen, handelt es sich möglicherweise nur um eine invitatio ad offerendum.

Offerte im Wirtschafts- und Handelsrecht

Bedeutung im Geschäftsverkehr

Im Handelsverkehr sind Offerten häufig Grundlage komplexer Vertragsverhandlungen. Nach kaufmännischem Verkehrswesen sind Offerten in der Regel verbindlich, sofern keine Restriktionen vorliegen.

AGB und Offerte

Häufig werden allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in der Offerte einbezogen. Die Einbeziehung bedarf einer gesonderten Mitteilung und Akzeptanz.

Rechtliche Folgen der Offertenabgabe

Mit Zugang und Annahme der Offerte kommt vertragliche Bindung zustande, welche für beide Seiten Rechte und Pflichten begründet. Die Ablehnung oder Modifikation der Offerte führt zum Erlöschen der ursprünglichen Offerte und ggf. zur Abgabe einer neuen.

Offerte: Sonderfälle

Widerruf und Rücktritt

Eine Offerte kann bis zum Zugang beim Empfänger widerrufen werden (§ 130 BGB; Art. 9 OR). Ein Rücktritt nach Abgabe der Offerte ist nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen möglich.

Internationale Vertragsbeziehungen

Bei grenzüberschreitenden Verträgen gilt häufig das UN-Kaufrecht (CISG). Die Offerte im Sinne des CISG folgt eigenen Regeln bezüglich der Bindungswirkung, der Annahme und des Rückrufs (vgl. Art. 14-18 CISG).

Zusammenfassung

Die Offerte ist ein maßgeblicher Begriff im Zivilrecht, der das Zustandekommen gegenseitiger Verpflichtungen regelt. Von der Bindungswirkung über den Inhalt bis hin zu Erlöschensgründen und Formvorschriften zeichnet sich die Offerte durch vielfältige rechtliche Anforderungen aus. Eine genaue Abgrenzung zur bloßen Aufforderung, ein Angebot abzugeben, sowie die Einhaltung der Bestimmtheit sind entscheidend für ihre Wirksamkeit. Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich im Detail zwischen deutschem, schweizerischem und internationalem Recht, sind aber in den Kerngrundsätzen vergleichbar.

Häufig gestellte Fragen

Ist eine Offerte rechtlich verbindlich?

Eine Offerte (Angebot) ist grundsätzlich rechtlich verbindlich, sofern sie an einen bestimmten Empfänger gerichtet ist und alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält (§ 145 BGB bzw. Art. 3 ff. OR Schweiz). Die Bindungswirkung bedeutet, dass der Offerent – also derjenige, der die Offerte unterbreitet – an die angebotenen Bedingungen gebunden ist, sofern keine Ausnahme wie beispielsweise ein ausdrücklicher Freizeichnungszusatz („freibleibend“, „unverbindlich“ o. Ä.) vereinbart wurde. Die Bindungsdauer kann entweder festgelegt werden oder sich nach den gesetzlichen Regelungen richten. Wird die Offerte innerhalb der Bindungsfrist angenommen, kommt ein Vertrag zustande. Der Offerent kann seine Offerte grundsätzlich vor Annahme noch widerrufen, es sei denn, der Widerruf trifft nach Annahmeerklärung ein oder es handelt sich um ein so genanntes unwiderrufliches Angebot.

Welche Formvorschriften gelten für eine Offerte?

Grundsätzlich herrscht im deutschen sowie im schweizerischen Recht Formfreiheit, d. h., eine Offerte kann formfrei – schriftlich, mündlich oder sogar durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten – abgegeben werden, soweit nicht für das beabsichtigte Rechtsgeschäft eine besondere Form vorgeschrieben ist (z. B. notarielle Beurkundung bei Grundstückskaufverträgen). Eine Offerte per E-Mail, Fax oder auf postalischem Weg ist ebenso möglich wie das mündliche Angebot. Die Einhaltung der Schriftform dient jedoch oftmals der besseren Nachweisbarkeit, vor allem im kaufmännischen Verkehr.

Was geschieht, wenn die Offerte abgeändert angenommen wird?

Nach deutschem und schweizerischem Recht entspricht eine Annahme mit Abänderungen grundsätzlich einer Ablehnung der ursprünglichen Offerte verbunden mit einer neuen Offerte (Gegenofferte). Die Änderungen – unabhängig davon, ob es sich um wesentliche Bestandteile wie Preis, Menge, Leistung oder nur Nebenpunkte handelt – führen dazu, dass der Annehmende nun die Position des Offerenten einnimmt und der ursprünglich Offerierende auf die Abgabe einer Annahme reagieren muss. Erst durch eine vorbehaltlose Annahme der geänderten Offerte kommt ein Vertrag zustande.

Wann erlischt eine Offerte automatisch?

Eine Offerte erlischt rechtlich automatisch, wenn sie abgelehnt wird, die Annahmefrist abläuft oder der Offerent sein Angebot widerruft, bevor es angenommen wird. Stirbt einer der Beteiligten (Anbieter oder Empfänger), kann die Offerte – je nach anwendbarem Recht – ebenfalls ihre Gültigkeit verlieren. Außerdem kann eine Offerte ungültig (nichtig) werden, wenn die Voraussetzungen für Geschäftsfähigkeit, Willensmängel (z. B. Irrtum, Täuschung) oder das Vorliegen eines gesetzlichen Verbots eingreifen.

Wie kann die Bindungsfrist einer Offerte bestimmt werden?

Die Bindungsfrist einer Offerte kann ausdrücklich im Angebot festgelegt werden („Dieses Angebot ist gültig bis zum …“). Ist keine Frist definiert, gilt gemäß Gesetz eine „angemessene“ Frist, die sich nach der Art des Geschäfts, der üblichen Geschäftspraxis und den Umständen des einzelnen Falls bemisst. Bei Offerten unter Anwesenden (d. h. in persönlicher Gegenwart, am Telefon, Video­konferenz etc.) ist etwa eine sofortige Annahme erforderlich; bei Abwesenheit (z. B. Brief, E-Mail) die Zeit, die für Übermittlung der Offerte, Überlegungszeit und Antwort notwendig ist.

Kann eine Offerte widerrufen werden?

Ein Widerruf der Offerte ist grundsätzlich bis zum Zugang der Annahmeerklärung möglich, d. h., solange der Empfänger das Angebot noch nicht angenommen hat, kann der Offerent seine Meinung ändern. Der Widerruf muss aber spätestens gleichzeitig mit der Offerte beim Empfänger eingehen (§ 130 BGB Abs. 1 Satz 2). Wurde dem Angebot die Eigenschaft der Unwiderruflichkeit zugesichert, ist ein nachträglicher Widerruf ausgeschlossen. Im schweizerischen Recht gelten vergleichbare Regelungen hinsichtlich der Bindung und des Widerrufs.

Welche rechtlichen Konsequenzen bestehen bei irrtümlicher Offertenerstellung?

Wird eine Offerte aufgrund eines Tatsachenirrtums abgegeben (z. B. falscher Preis, Mengen­angabe), kann sie ggf. angefochten werden (§ 119 BGB, Art. 23-27 OR Schweiz). Die Anfechtung muss jedoch unverzüglich erfolgen, sobald der Irrtum erkannt wird. In bestimmten Fällen haftet der Offerent dem Empfänger aber für den Vertrauensschaden, d. h., derjenige, der auf die Verbindlichkeit der Offerte vertraut hat, kann Ersatz seines nachweisbaren Schadens verlangen (sog. Vertrauensinteresse). Die Anfechtung wegen Irrtums ist somit ein Risikofaktor im Rechtsverkehr.

In welchen Fällen ist eine Offerte nichtig oder unwirksam?

Eine Offerte ist nichtig, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB, Art. 20 OR) oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB), beispielsweise bei sittenwidrigen Geschäften oder offensichtlichen Formverstößen bei formbedürftigen Verträgen. Darüber hinaus ist eine Offerte unwirksam, wenn sie von einer nicht geschäftsfähigen Person abgegeben wurde oder der Geschäftswille fehlt. Außerdem kann eine Offerte wegen Willensmängeln wie arglistiger Täuschung oder Drohung angefochten werden, was zur rückwirkenden Unwirksamkeit führt.