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Offerte

Begriff und Einordnung der Offerte

Eine Offerte ist ein verbindlicher Antrag auf Abschluss eines Vertrags. Sie richtet sich an eine oder mehrere bestimmte Personen und enthält alle wesentlichen Elemente des geplanten Geschäfts, sodass der Vertrag durch eine vorbehaltlose Annahme unmittelbar zustande kommen kann. Im deutschen und österreichischen Sprachgebrauch wird hierfür meist der Begriff „Angebot“ verwendet; in der Schweiz ist „Offerte“ der geläufige Ausdruck.

Abgrenzung zu werblichen Aufforderungen

Nicht jede Anpreisung von Waren oder Dienstleistungen ist bereits eine Offerte. Werbung, Prospekte, Kataloge, Preislisten oder Schaufensterauslagen sind in vielen Fällen nur eine Aufforderung an Interessierte, ihrerseits eine Offerte abzugeben. Je nach Rechtsordnung gibt es Unterschiede: In manchen Ländern gilt die Auslage von Waren mit Preisangabe tendenziell als Einladung zur Offertstellung, in anderen kann sie unter Umständen bereits als Offerte verstanden werden. Maßgeblich ist der objektive Eindruck, den die Erklärung bei einem verständigen Empfänger hinterlässt.

Offerte, Annahme und Vertragsschluss

Der Vertrag kommt zustande, wenn die Offerte rechtzeitig und ohne Änderungen angenommen wird. Eine Annahme ist eine eindeutige Zustimmungserklärung zur Offerte. Erfolgt die Annahme verspätet oder unter Änderungen, liegt rechtlich keine Annahme, sondern eine neue Offerte (Gegenofferte) vor.

Voraussetzungen und Inhalt

Bestimmtheit und Vollständigkeit

Eine Offerte muss so bestimmt sein, dass ein Vertrag durch einfache Annahme zustande kommen kann. Üblicherweise gehören dazu zumindest Angaben zu Leistung/Gegenstand, Menge/Umfang, Preis oder einer nachvollziehbaren Preisbasis sowie gegebenenfalls Leistungszeit und -ort. Unklare oder lückenhafte Erklärungen gelten eher als Einladung zur Offertstellung.

Form und Übermittlungswege

Grundsätzlich ist die Offerte formfrei und kann mündlich, schriftlich, per E-Mail oder über Online-Systeme abgegeben werden. Für einzelne Vertragstypen können besondere Formvorschriften gelten. Entscheidend ist, dass die Erklärung dem Empfänger zugeht oder so kommuniziert wird, dass er unter normalen Umständen Kenntnis nehmen kann.

Freizeichnungs- und Unverbindlichkeitsklauseln

Formulierungen wie „freibleibend“, „unverbindlich“, „Preis vorbehalten“ oder „solange Vorrat“ begrenzen oder beseitigen die Bindungswirkung der Offerte. Je genauer die Freizeichnung, desto klarer ist, in welchen Punkten keine Bindung gewollt ist (z. B. nur hinsichtlich des Preises oder der Lieferzeit).

Bindung und Fristen

Befristete und unbefristete Offerte

Eine befristete Offerte bindet bis zum Ablauf der angegebenen Frist. Fehlt eine Frist, besteht die Bindung während eines angemessenen Zeitraums, der sich nach Kommunikationsweg, Gegenstand und Verkehrssitte richtet. Bei Gesprächen „unter Anwesenden“ wird häufig eine sofortige Annahme erwartet; bei Mitteilungen „unter Abwesenden“ kommt es auf die übliche Übermittlungs- und Überlegungsdauer an.

Zugang, Annahmefrist und verspätete Annahme

Wirksam wird die Offerte mit Zugang beim Empfänger. Die Annahme muss rechtzeitig zugehen. Eine verspätete Annahme gilt in der Regel als neue Offerte. Erkennt der Erklärende die Verspätung nicht, können ausnahmsweise andere Beurteilungen in Betracht kommen; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

Widerruf und Erlöschen der Offerte

Ein Widerruf ist grundsätzlich nur wirksam, wenn er vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Offerte beim Empfänger eintrifft. Nach Zugang besteht in der Regel Bindung bis zum Erlöschen der Offerte. Eine Offerte erlischt insbesondere durch Ablehnung, Fristablauf, Änderung durch den Empfänger (Gegenofferte) oder rechtzeitigen Widerruf. In besonderen Situationen (etwa Tod oder Handlungsunfähigkeit des Offerenten) können je nach Rechtsordnung abweichende Folgen eintreten.

Annahme und Gegenofferte

Vorbehaltlose Annahme

Die Annahme muss der Offerte entsprechen und ohne inhaltliche Änderungen erfolgen. Sie kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden, sofern die Umstände eindeutig auf Zustimmung schließen lassen.

Modifizierte Annahme als Gegenofferte

Enthält die Antwort des Empfängers Zusätze, Einschränkungen oder Abweichungen (z. B. anderer Preis, andere Menge, abweichende Lieferbedingungen), gilt sie als Gegenofferte. Der Vertrag kommt dann erst durch Annahme dieser Gegenofferte zustande.

Schweigen

Schweigen ist grundsätzlich keine Annahme. Ausnahmen beruhen auf besonderen Umständen, etwa gefestigten Geschäftsgepflogenheiten, vorbestehenden Beziehungen oder ausdrücklich vereinbarten Wirkungsmechanismen.

Typische Konstellationen

Schaufenster, Kataloge, Webshops

Preisangaben in Schaufenstern, Katalogen und Onlineshops sind häufig als Einladung zur Offertstellung zu verstehen. In bestimmten Rechtsordnungen können sie jedoch unter näheren Voraussetzungen bereits eine Offerte darstellen, insbesondere bei eindeutiger Verbindlichkeitserklärung und Bestimmtheit. Entscheidend ist die Gesamtgestaltung, etwa klare Bestell- und Bestätigungsschritte sowie Hinweise zur Verfügbarkeit.

Ausschreibungen und Beschaffung

Bei Ausschreibungen fordern Auftraggeber Interessenten zur Abgabe von Offerten auf. Offerten sind innerhalb der festgelegten Fristen bindend; der Zuschlag wirkt wie eine Annahme. Besondere Regeln können Transparenz, Gleichbehandlung und Dokumentation betreffen.

Rahmenbedingungen und Seriengeschäfte

In laufenden Geschäftsbeziehungen werden Offerten oft in Rahmenvereinbarungen eingebettet. Einzelabrufe können dann als Annahmen zu den festgelegten Rahmenkonditionen oder als eigenständige Offerten zu verstehen sein, abhängig von der vereinbarten Struktur.

Digitale Offerten

E-Mail, Klick-Mechanismen und Warenkorb

Im E-Commerce ist zu unterscheiden zwischen der Darstellung von Produkten, der Abgabe einer Offerte durch den Kunden (Bestellung) und der Annahme durch den Anbieter (Bestellbestätigung mit Vertragsschluss). Bestellschaltflächen sollen eindeutig formuliert sein. Automatische Eingangsbestätigungen dokumentieren den Eingang, lösen aber nicht zwingend einen Vertragsschluss aus.

Automatisierte Offerten und dynamische Preise

Bei algorithmischen Preisstellungen und Sofortbestätigungen ist zu klären, ab welchem Schritt eine rechtlich bindende Offerte vorliegt. Dynamische Systeme verwenden häufig Freizeichnungen oder Annahmevorbehalte, um die Bindung an kurzfristige Preisänderungen oder Verfügbarkeiten zu steuern.

AGB-Einbeziehung

Allgemeine Geschäftsbedingungen können Bestandteil der Offerte werden, wenn sie klar einbezogen und zumutbar zur Kenntnis gebracht werden. Bei widersprechenden AGB beider Seiten entscheidet die Auslegung; je nach Rechtsordnung kommen unterschiedliche Lösungsmodelle in Betracht.

Fehler, Auslegung und Haftungsfragen

Irrtum und Preisfehler

Erklärungs- oder Übermittlungsfehler (z. B. offensichtlicher Schreibfehler im Preis) können die Wirksamkeit der Offerte beeinträchtigen. Ob die Offerte korrigiert oder rückabgewickelt werden kann, hängt von der Erkennbarkeit des Fehlers, den Umständen des Zustandekommens und den berechtigten Erwartungen der Gegenseite ab.

Auslegung unklarer Offerten

Unklare oder widersprüchliche Offerten werden nach dem Verständnis eines objektiven Empfängers ausgelegt. Branchenübungen, Begleitumstände und begleitende Kommunikation können herangezogen werden, um den Erklärungsgehalt zu bestimmen.

Haftung in der Anbahnungsphase

Verhält sich eine Partei während der Vertragsanbahnung pflichtwidrig, können sich daraus Ersatzansprüche ergeben, etwa für Aufwendungen oder Vertrauensschäden. Maßgeblich sind Treu und Glauben sowie das Verhalten bei der Vorbereitung und Abgabe von Offerten.

Verbraucherbezug

Vorvertragliche Informationen

Bei Geschäften mit Verbrauchern bestehen Informationspflichten, insbesondere über Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, Preise, Liefermodalitäten und Zahlungsbedingungen. Diese Angaben prägen die Offerte oder gehen ihr voraus.

Widerrufsrechte im Fernabsatz

Bei außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossenen Verträgen können Verbraucher je nach Rechtsordnung ein zeitlich begrenztes Widerrufsrecht haben. Der Widerruf betrifft den bereits geschlossenen Vertrag; die Offerte als solche wird dadurch nicht nachträglich verändert.

Preisangaben

Preisangaben gegenüber Verbrauchern sollen vollständig und transparent sein, einschließlich Steuern, Gebühren und Lieferkosten, soweit relevant. Unklare Preisbestandteile gefährden die Bestimmtheit der Offerte.

Internationale Bezüge

Unterschiede im deutschsprachigen Raum

Die Grundstruktur von Offerte und Annahme ist im deutschsprachigen Raum ähnlich. Unterschiede bestehen vor allem bei der rechtlichen Einordnung von Warenpräsentationen, bei Bindungsfristen, bei der Wirkung von Freizeichnungsklauseln und bei einzelnen Sonderfragen (etwa Folgen besonderer persönlicher Umstände der Parteien). Die Beurteilung richtet sich stets nach der anwendbaren Rechtsordnung.

Grenzüberschreitende Verträge

Im internationalen Warenkauf kann ein eigenständiges Regelwerk zur Anwendung kommen, das Offerte und Annahme detailliert ordnet. Maßgeblich sind die Voraussetzungen der Bestimmtheit, der Zugang der Erklärungen, Fristen, Widerrufsmöglichkeiten und die Wirkung von Änderungen in der Annahme. Die Parteien können die Geltung solcher Regelwerke vereinbaren oder ausschließen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Offerte

Was unterscheidet eine Offerte von Werbung?

Werbung, Kataloge oder Onlinelistings sind häufig nur Einladungen, eine Offerte abzugeben. Eine Offerte liegt vor, wenn eine Erklärung an einen bestimmten Empfängerkreis gerichtet ist und alle wesentlichen Punkte so bestimmt enthält, dass der Vertrag durch Annahme zustande kommen kann.

Ist eine Offerte immer verbindlich?

Grundsätzlich ja. Der Erklärende ist an seine Offerte gebunden, solange sie nicht erloschen ist. Die Bindung kann durch Freizeichnungsklauseln eingeschränkt werden. Ohne solche Klauseln wirkt die Bindung für die Dauer der Frist oder eine angemessene Zeit.

Wie lange gilt eine Offerte?

Bei befristeten Offerten bis zum Ablauf der Frist. Bei unbefristeten Offerten so lange, wie nach Art des Geschäfts und Kommunikationswegs eine Annahme erwartet werden darf. Faktoren sind etwa Komplexität, Marktüblichkeit und Übermittlungsdauer.

Kann eine Offerte widerrufen werden?

Ein Widerruf ist in der Regel nur wirksam, wenn er dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit der Offerte zugeht. Nach Zugang besteht Bindung bis zum Erlöschen der Offerte, es sei denn, die Bindung wurde von vornherein eingeschränkt.

Was passiert bei verspäteter Annahme?

Eine verspätete Annahme gilt regelmäßig als neue Offerte. Der ursprünglich Offerierende kann diese Gegenofferte annehmen oder ablehnen.

Gilt Schweigen als Annahme einer Offerte?

Im Grundsatz nein. Schweigen ist keine Zustimmung. Nur in besonderen, klar abgegrenzten Konstellationen kann Schweigen eine Annahmewirkung entfalten, etwa bei etablierten Gepflogenheiten zwischen den Parteien.

Ist ein offensichtlicher Preisfehler in einer Offerte verbindlich?

Bei erkennbaren oder groben Fehlern kann die Wirksamkeit der Offerte beeinträchtigt sein. Ob der Vertrag zustande kommt oder rückabgewickelt wird, hängt von den Umständen, der Erkennbarkeit des Fehlers und den berechtigten Erwartungen des Empfängers ab.