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Offene Handelsgesellschaft


Offene Handelsgesellschaft (OHG) – Definition und rechtliche Grundlagen

Die Offene Handelsgesellschaft (kurz: OHG) ist eine rechtsfähige Personengesellschaft, die den Zweck des Betriebs eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma verfolgt. Die OHG zählt zu den wichtigsten und häufigsten Gesellschaftsformen im deutschen Handelsrecht und ist insbesondere im Handelsgesetzbuch (HGB) umfassend geregelt.

Rechtsgrundlagen

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zur Offenen Handelsgesellschaft finden sich im Handelsgesetzbuch (HGB) in den §§ 105 bis 160 HGB. Daneben gelten ergänzend die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), soweit die handelsrechtlichen Normen keine abschließenden Regelungen treffen.

§ 105 HGB – Begriff der OHG

Gemäß § 105 Abs. 1 HGB ist eine OHG eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der keine Gesellschafterin eine Beschränkung der Haftung gegenüber Gläubigern aufweist.


Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft

Voraussetzungen der Gründung

Für die Gründung einer OHG müssen mindestens zwei Gesellschafter vorhanden sein. Eine natürliche oder juristische Person kann Gesellschafterin sein. Die Eintragung in das Handelsregister ist deklaratorisch, d. h. die Gesellschaft entsteht bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags.

Gesellschaftsvertrag

Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag ist nicht vorgeschrieben, jedoch aus Beweisgründen dringend ratsam. Im Vertrag werden insbesondere folgende Punkte geregelt:

  • Firma der Gesellschaft
  • Sitz der Gesellschaft
  • Zweck der Gesellschaft
  • Beitragspflichten der Gesellschafter
  • Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis

Firma und Handelsregister

Die OHG muss unter einer eigenen Firma auftreten und sich in das Handelsregister (Abteilung A) eintragen lassen. Die Firma muss zur Kennzeichnung geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Mit der Handelsregistereintragung wird die Gesellschaft nach außen hin rechtsfähig.


Rechtsfähigkeit und Gesellschaftsvermögen

Die OHG ist rechtsfähig und kann daher selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Sie kann als Trägerin von Rechten und Pflichten klagen und verklagt werden (§ 124 HGB). Das Gesellschaftsvermögen ist sogenanntes Gesamthandsvermögen der Gesellschafter, d. h. es steht allen Gesellschaftern gemeinsam zu.


Haftung der Gesellschafter

Unbeschränkte Haftung

Die Gesellschafter einer OHG haften unbeschränkt, persönlich, solidarisch und gesamtschuldnerisch für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 128 HGB). Die Haftung erstreckt sich sowohl auf das Privatvermögen als auch auf das Gesellschaftsvermögen.

Haftung beim Eintritt und Austritt

  • Beim Eintritt eines neuen Gesellschafters haftet dieser auch für vorher begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten (§ 130 HGB).
  • Scheidet ein Gesellschafter aus, haftet dieser für bis zu fünf Jahre nach seinem Ausscheiden weiter für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten (§ 160 HGB).

Geschäftsführung und Vertretung

Geschäftsführungsbefugnis

Grundsätzlich sind alle Gesellschafter zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet (§ 114 HGB: Einzelgeschäftsführungsbefugnis). Hiervon kann im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden, sodass zum Beispiel einzelne Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen oder zu gemeinschaftlicher Geschäftsführung verpflichtet werden können.

Vertretungsbefugnis

Die OHG wird durch die Gesellschafter vertreten. Jeder Gesellschafter ist einzeln vertretungsbefugt, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen vorsieht (§ 125 HGB).


Gewinn- und Verlustverteilung

Die Verteilung von Gewinn und Verlust erfolgt grundsätzlich nach Köpfen, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Nach § 121 HGB gebührt zunächst jedem Gesellschafter auf seinen Kapitalanteil eine Verzinsung von vier Prozent. Der darüber hinausgehende Gewinn wird nach Köpfen verteilt.


Beendigung der Offenen Handelsgesellschaft

Auflösungsgründe

Eine OHG kann auf verschiedene Weise beendet werden, etwa durch:

  • Zeitablauf (wenn im Vertrag vorgesehen)
  • Auflösungsbeschluss der Gesellschafter
  • Insolvenz der Gesellschaft oder eines Gesellschafters
  • gerichtliches Urteil
  • Tod eines Gesellschafters, sofern der Gesellschaftsvertrag keine Fortsetzung vorsieht

Abwicklung (Liquidation)

Nach der Auflösung erfolgt die Abwicklung (Liquidation) der Gesellschaft nach den §§ 145-158 HGB. Ziel der Abwicklung ist die Verteilung des Gesellschaftsvermögens nach Begleichung der Verbindlichkeiten.


Besonderheiten im Steuerrecht

Die OHG ist als Personengesellschaft kein eigenständiges Steuersubjekt für die Einkommensteuer. Gewinne und Verluste werden nach dem Transparenzprinzip den einzelnen Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil zugerechnet und besteuert.

  • Gewerbesteuerpflicht: Die OHG unterliegt mit ihrem Gewinn der Gewerbesteuer.
  • Umsatzsteuer: Die OHG ist umsatzsteuerpflichtig, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Unterschied zu anderen Gesellschaftsformen

Abgrenzung zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Die OHG unterscheidet sich von der GbR insbesondere durch die Ausübung eines Handelsgewerbes sowie die Eintragung im Handelsregister. Bei Vorliegen eines Handelsgewerbes besteht für eine GbR zwingend Umwandlungspflicht in eine OHG.

Abgrenzung zur Kommanditgesellschaft (KG)

Im Gegensatz zur OHG existieren bei der Kommanditgesellschaft mit Kommanditisten auch Gesellschafter mit beschränkter Haftung. In der OHG hingegen haften alle Gesellschafter persönlich und unbeschränkt.


Publizitätspflichten und Rechnungslegung

Die OHG ist zur ordnungsgemäßen Buchführung verpflichtet, sofern ein Handelsgewerbe betrieben wird (§ 238 HGB). Mit der Eintragung ins Handelsregister unterliegt die Gesellschaft bestimmten Offenlegungspflichten. Größenabhängig können zusätzliche Vorschriften des Publizitätsgesetzes gelten.


Umwandlung, Verschmelzung und Nachfolge

Die OHG kann im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen umgewandelt oder verschmolzen werden, beispielsweise in eine Kommanditgesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Aktiengesellschaft (AG). Solche Umwandlungsprozesse unterliegen unter anderem dem Umwandlungsgesetz (UmwG).


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Umwandlungsgesetz (UmwG)
  • Publizitätsgesetz (PublG)

Fazit

Die Offene Handelsgesellschaft ist eine weit verbreitete, rechtsfähige Personengesellschaftsform, die sich durch hohe Flexibilität, unmittelbare persönliche Haftung und klare Strukturen auszeichnet. Sie eignet sich insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Personen, die gemeinsam ein Handelsgewerbe betreiben und bereit sind, mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten einzustehen. Die umfassende gesetzliche Regelung im HGB ermöglicht eine weitgehende Privatautonomie und die Anpassung an die Bedürfnisse der Gesellschafter.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) rechtlich?

Die Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) erfolgt gemäß §§ 105 ff. HGB. Rechtlich erfordert dies den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags zwischen mindestens zwei Gesellschaftern, der formfrei möglich ist, also auch mündlich oder konkludent geschlossen werden kann. Der Gesellschaftsvertrag muss jedoch zwingend auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet sein. Zudem ist die Eintragung ins Handelsregister nach § 106 HGB erforderlich, wobei die OHG auch schon vor der Eintragung als solche behandelt wird und im Außenverhältnis entsteht. Die Anmeldung zur Eintragung muss notariell beglaubigt sein und die wesentlichen Angaben, wie Firma, Sitz, Gegenstand des Unternehmens sowie die Gesellschafter, enthalten. Erst mit der ordnungsgemäßen Eintragung sind die vollumfänglichen Rechte und Pflichten einer OHG begründet.

Welche Rechte und Pflichten haben die Gesellschafter einer OHG?

Gesellschafter einer OHG haben weitreichende Rechte und Pflichten, die sich primär aus dem Gesellschaftsvertrag sowie subsidiär aus dem Handelsgesetzbuch ergeben. Zu den Rechten gehören insbesondere das Recht auf Geschäftsführung (§ 114 HGB) und Vertretung der Gesellschaft nach außen (§ 125 HGB), soweit keine abweichenden Regelungen getroffen wurden. Jeder Gesellschafter darf grundsätzlich die Gesellschaft allein vertreten. Hinsichtlich der Pflichten trifft die Gesellschafter vor allem die Pflicht zur Leistung eines Beitrags (§ 706 BGB i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB), zur Mitwirkung an der Gesellschaft und zur Gewinn- und Verlustbeteiligung (§ 121 HGB). Zentral ist die persönliche, unbeschränkte und gesamtschuldnerische Haftung (§ 128 HGB), wonach jeder Gesellschafter mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der OHG haftet.

Wie gestaltet sich die Haftung der Gesellschafter in einer OHG?

Die Haftung in einer Offenen Handelsgesellschaft ist im HGB umfassend geregelt. Nach § 128 S. 1 HGB haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Das bedeutet, Gläubiger können jeden Gesellschafter für die gesamten Schulden der OHG in Anspruch nehmen, unabhängig vom internen Beteiligungsverhältnis. Auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters bleibt die Haftung für bis zu fünf Jahre (§ 160 HGB) für bereits bestehende Verbindlichkeiten bestehen. Im Innenverhältnis können abweichende Regelungen vereinbart werden, diese wirken jedoch nicht gegenüber Dritten. Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen ist für die OHG nicht vorgesehen.

Welche Vorschriften gelten für die Gewinn- und Verlustverteilung in einer OHG?

Die Gewinn- und Verlustverteilung richtet sich grundsätzlich nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag. Fehlen solche Regelungen, existiert eine gesetzliche Regelung in § 121 HGB, die vorsieht, dass jedem Gesellschafter zunächst eine vier Prozent Verzinsung seines Kapitalanteils zusteht; der verbleibende Gewinn beziehungsweise Verlust wird nach Köpfen verteilt. Eine abweichende interne Regelung, die beispielsweise eine Verteilung nach Kapitalanteilen vorsieht, ist zulässig, muss jedoch ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Die Regelung gilt analog auch für die Verlustverteilung, wobei in der Gründungspraxis oft detaillierte Regelungen zur Vermeidung von Streitigkeiten getroffen werden.

Wie werden Gesellschafter einer OHG rechtlich vertreten?

Die Vertretung der OHG nach außen erfolgt nach § 125 HGB grundsätzlich durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich, sofern nichts Abweichendes im Handelsregister eingetragen ist. Im Regelfall haben alle Gesellschafter eine Einzelvertretungsbefugnis, es sei denn, im Gesellschaftsvertrag ist ausdrücklich Gesamtvertretung vereinbart. Änderungen hinsichtlich der Vertretungsregelungen, beispielsweise der Ausschluss einzelner Gesellschafter von der Vertretung, sind möglich, müssen jedoch im Handelsregister öffentlich gemacht werden, da sie gegenüber Dritten nur dann wirksam sind (§ 127 HGB). In Ausnahmefällen ist auch die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten möglich.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Gesellschafter aus einer OHG ausscheiden?

Ein Gesellschafter kann aus der OHG durch gesetzliche oder vertragliche Regelungen ausscheiden. Gesetzliche Gründe für das Ausscheiden sind insbesondere die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses (§ 132 HGB), der Tod eines Gesellschafters (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters (§ 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB) oder eine Ausschließung per gerichtlichem Beschluss (§ 140 HGB). Der Gesellschaftsvertrag kann zusätzlich weitere Ausscheidensgründe definieren. Beim Ausscheiden eines Gesellschafters entsteht für diesen ein Abfindungsanspruch (§ 738 BGB), dessen Höhe sich nach den gesellschaftsinternen Regelungen sowie der aktuellen Vermögenslage der OHG bemisst.

Welche Publizitätspflichten bestehen für die OHG?

Die OHG unterliegt aufgrund ihrer Eintragungspflicht strengen Publizitätsanforderungen. Sie muss gemäß § 106 HGB im Handelsregister eingetragen werden. Änderungen, wie Gesellschafterwechsel, Änderungen der Firma, des Sitzes oder Vertretungsregelungen, sind ebenfalls unverzüglich ins Handelsregister einzutragen. Darüber hinaus gelten die handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten. Nach § 238 HGB ist die OHG verpflichtet, Bücher zu führen und einen Jahresabschluss aufzustellen, sofern sie ein Handelsgewerbe betreibt. Die Offenlegungspflichten sind jedoch weniger stark ausgeprägt als bei Kapitalgesellschaften; eine Publikation des Jahresabschlusses ist grundsätzlich nicht erforderlich, außer die OHG überschreitet bestimmte Größenklassen, die eine Einordnung als „große Gesellschaft“ nach HGB bewirken.

Welche Anforderungen gelten bei der Beendigung und Liquidation einer OHG?

Die Beendigung einer OHG erfolgt regelmäßig durch Auflösung, die in § 131 HGB normiert ist. Gründe hierfür sind beispielsweise der Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit, ein Beschluss der Gesellschafter, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder das Eintreten eines gesetzlichen Auflösungsgrundes. Nach Auflösung beginnt die Liquidationsphase (Abwicklung der laufenden Geschäfte, Einziehung von Forderungen, Begleichung von Verbindlichkeiten, Verteilung des Restvermögens). Die Gesellschaft besteht in dieser Phase unter dem Zusatz „i.L.“ (in Liquidation) fort. Abschließend erfolgt die Löschung der OHG im Handelsregister (§ 157 HGB). Die Gesellschafter haften für die während der Liquidation entstandenen Verpflichtungen weiterhin gesamtschuldnerisch.