Definition und Grundzüge der Offenen Handelsgesellschaft (OHG)
Die Offene Handelsgesellschaft (OHG) ist eine rechtsfähige Personengesellschaft, in der sich mindestens zwei Personen zum Betrieb eines auf Dauer angelegten Handelsgewerbes unter gemeinsamer Firma zusammenschließen. Alle Gesellschafter sind zur Geschäftsführung berechtigt, soweit nichts anderes vereinbart ist, und haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Ein gesetzliches Mindestkapital ist nicht erforderlich.
Rechtsnatur und Abgrenzung
Personengesellschaft und Firma
Die OHG ist eigenständige Trägerin von Rechten und Pflichten. Sie kann unter ihrem Namen Verträge schließen, klagen und verklagt werden sowie Vermögen halten. Die Firma muss den Rechtsformzusatz „OHG“ enthalten und im Handelsregister eingetragen sein. Sie dient der Identifikation im Geschäftsverkehr und soll unterscheidungskräftig und wahr sein.
Abgrenzung zu GbR und KG
Im Unterschied zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist die OHG auf den Betrieb eines Handelsgewerbes ausgerichtet und tritt mit eigener Firma im Handelsregister auf. Gegenüber der Kommanditgesellschaft (KG) gibt es bei der OHG keine Gesellschafter mit beschränkter Haftung; sämtliche Gesellschafter haften unbeschränkt. Dadurch ist die OHG stärker von der persönlichen Mitwirkung und Verantwortung aller Beteiligten geprägt.
Gründung und Gesellschaftsvertrag
Voraussetzungen und Ablauf
Die OHG entsteht durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags zwischen mindestens zwei Gesellschaftern, die den gemeinsamen Betrieb eines Handelsgewerbes vereinbaren. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgt unter Angabe der Firma, des Sitzes, des Unternehmensgegenstands, der Gesellschafter und der Vertretungsregelungen. Eine notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags ist nicht zwingend, kann aber in Einzelfällen aufgrund weiterer Regelungen erforderlich werden.
Inhalt des Gesellschaftsvertrags
Der Gesellschaftsvertrag regelt typischerweise Firma und Sitz, Gegenstand des Unternehmens, Einlagen, Gewinn- und Verlustverteilung, Geschäftsführung und Vertretung, Wettbewerbsverbote, Informations- und Kontrollrechte, Entnahmeregeln, Eintritt und Austritt von Gesellschaftern sowie Fortführung, Auflösung und Liquidation. Abweichungen von gesetzlichen Grundregeln sind in weitem Umfang möglich, soweit zwingende Vorschriften unberührt bleiben.
Geschäftsführung und Vertretung
Innenverhältnis (Geschäftsführung)
Ohne abweichende Vereinbarung ist jeder Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt. Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung kann jeder gesondert vornehmen; bei außergewöhnlichen Geschäften ist regelmäßig ein gemeinsamer Beschluss vorgesehen. Der Gesellschaftsvertrag kann Einzel-, Gesamt- oder Ausschlussgeschäftsführung vorsehen und Zustimmungs- und Katalogtatbestände definieren.
Außenverhältnis (Vertretung)
Im Außenverhältnis vertreten die Gesellschafter die OHG. Üblich sind Einzel- oder Gesamtvertretung. Abweichungen und Beschränkungen der Vertretungsmacht sind Dritten gegenüber grundsätzlich nur wirksam, wenn sie im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht sind. Prokura und Handlungsvollmacht können erteilt werden und folgen eigenen Bekanntmachungs- und Umfangsregeln.
Haftung
Umfang und Art der Haftung
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der OHG persönlich, unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen, unmittelbar und gesamtschuldnerisch. Gläubiger können die Gesellschaft und jeden Gesellschafter nach Wahl in Anspruch nehmen. Intern kann ein Ausgleich zwischen den Gesellschaftern stattfinden, ändert aber nichts an der Außenhaftung.
Eintritt, Austritt und Nachhaftung
Beim Eintritt haftet der neue Gesellschafter grundsätzlich auch für bereits bestehende Verbindlichkeiten der OHG. Beim Austritt bleibt eine nachwirkende Haftung für Altverbindlichkeiten für einen gesetzlich bestimmten Zeitraum bestehen. Der Austritt wird im Handelsregister eingetragen; die Eintragung dient der Klarstellung im Rechtsverkehr.
Kapital, Vermögen und Gewinnverwendung
Einlagen und Kapital
Einlagen können aus Geld, Sachen, Rechten oder Dienstleistungen bestehen, soweit dies vereinbart ist. Ein gesetzliches Mindestkapital existiert nicht. Das Gesellschaftsvermögen ist vom Privatvermögen der Gesellschafter getrennt; aus ihm werden zunächst die Verbindlichkeiten der OHG bedient.
Gewinn- und Verlustverteilung, Entnahmen
Die Verteilung richtet sich vorrangig nach dem Gesellschaftsvertrag. Ohne abweichende Vereinbarung sieht das Gesetz eine Verzinsung der Kapitalanteile mit einem festen Prozentsatz vor und teilt den verbleibenden Gewinn grundsätzlich zu gleichen Teilen. Verluste werden im Zweifel gemeinsam getragen. Es besteht ein gesetzliches Entnahmerecht in begrenztem Umfang; weitergehende Entnahmen bedürfen einer Grundlage im Vertrag oder Beschluss.
Pflichten, Rechte und Wettbewerbsverbot
Treuepflicht und Informationsrechte
Gesellschafter sind zur Förderung des Gesellschaftszwecks verpflichtet und haben die Interessen der OHG zu wahren. Sie verfügen über Informations-, Einsichts- und Kontrollrechte, insbesondere auf Buch- und Geschäftsunterlagen. Umfang und Ausübung können vertraglich konkretisiert werden.
Wettbewerbsverbot
Gesellschafter dürfen ohne Zustimmung keine konkurrierenden Geschäfte im Tätigkeitsbereich der OHG betreiben oder sich an konkurrierenden Unternehmen in verantwortlicher Weise beteiligen. Verstöße können Unterlassungs-, Schadensersatz- und Herausgabeansprüche auslösen.
Rechnungslegung und Publizität
Als kaufmännisch tätige Gesellschaft führt die OHG eine ordnungsgemäße Buchführung und erstellt Jahresabschlüsse (insbesondere Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung). Umfang und Form richten sich nach der Größe des Unternehmens. Besondere Offenlegungspflichten können entstehen, wenn keine natürliche Person unbeschränkt haftet oder bestimmte Größenklassen überschritten werden. Im Übrigen bestehen handelsregisterliche Mitteilungspflichten, etwa bei Änderungen in Firma, Sitz, Vertretung und Gesellschafterbestand.
Änderungen im Gesellschafterkreis
Eintritt, Ausscheiden, Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Umstrukturierungen bedürfen einer vereinbarten oder gesetzlichen Grundlage und der Handelsregisteranmeldung. Häufig sehen Verträge Zustimmungserfordernisse, Vorkaufsrechte und Fortsetzungsklauseln vor, um Kontinuität zu sichern.
Beendigung, Auflösung und Liquidation
Gründe für die Auflösung können der Ablauf einer vereinbarten Dauer, ein Gesellschafterbeschluss, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder andere im Vertrag genannte Umstände sein. Nach Auflösung erfolgt die Liquidation: Beendigung laufender Geschäfte, Einzug von Forderungen, Verwertung des Vermögens, Begleichung der Verbindlichkeiten und Verteilung eines Überschusses. Die Liquidatoren vertreten die OHG in dieser Phase; nach Abschluss wird die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht.
Steuerliche Einordnung
Die OHG ist ertragsteuerlich regelmäßig transparent; die Gewinne werden den Gesellschaftern zugerechnet und dort besteuert. Gewerbesteuer entsteht auf Ebene der Gesellschaft. Umsatzsteuerliche Pflichten treffen die OHG als Unternehmerin. Die konkrete steuerliche Behandlung richtet sich nach den individuellen Verhältnissen und den getroffenen Vereinbarungen.
Typische Anwendungsbereiche
Die OHG eignet sich für Unternehmen, bei denen die persönliche Mitwirkung der Gesellschafter, schnelle Entscheidungswege und Flexibilität im Vordergrund stehen. Sie findet sich häufig im Handel, im Handwerk sowie in dienstleistungsorientierten Betrieben mit kaufmännischer Organisation.
Häufig gestellte Fragen zur Offenen Handelsgesellschaft
Worin besteht der wesentliche Unterschied zwischen OHG, GbR und KG?
Die OHG ist auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter eigener Firma ausgerichtet und erfordert einen Handelsregistereintrag. Alle Gesellschafter haften unbeschränkt. Die GbR ist typischerweise nicht kaufmännisch organisiert und tritt nicht mit Firma auf. In der KG gibt es neben unbeschränkt haftenden Gesellschaftern auch beschränkt haftende Kommanditisten.
Haften Gesellschafter der OHG auch mit ihrem Privatvermögen?
Ja. Gesellschafter haften persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Gläubiger können sich an die Gesellschaft und an jeden Gesellschafter wenden. Interne Ausgleichsansprüche ändern an der Außenhaftung nichts.
Wie wird eine OHG gegründet?
Erforderlich sind ein Gesellschaftsvertrag zwischen mindestens zwei Personen, die Aufnahme eines Handelsgewerbes und die Eintragung der Firma und Vertretungsverhältnisse in das Handelsregister. Die Firma muss den Rechtsformzusatz „OHG“ führen.
Wer darf die OHG nach außen vertreten?
Grundsätzlich vertreten die Gesellschafter die OHG; üblich sind Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnisse. Abweichungen und Beschränkungen werden Dritten gegenüber in der Regel erst mit Eintragung und Bekanntmachung im Handelsregister wirksam.
Wie werden Gewinne und Verluste verteilt?
Maßgeblich ist der Gesellschaftsvertrag. Fehlt eine Regelung, sieht das Gesetz eine Verzinsung der Kapitalanteile mit einem festen Prozentsatz vor; der verbleibende Gewinn wird meist zu gleichen Teilen verteilt. Verluste werden entsprechend den gesetzlichen Grundsätzen gemeinsam getragen.
Was geschieht beim Eintritt oder Ausscheiden eines Gesellschafters?
Beim Eintritt erstreckt sich die Haftung grundsätzlich auch auf bereits bestehende Verbindlichkeiten der OHG. Beim Ausscheiden bleibt eine Nachhaftung für Altverbindlichkeiten für einen gesetzlich bestimmten Zeitraum bestehen. Änderungen sind im Handelsregister anzumelden.
Welche Buchführungs- und Veröffentlichungspflichten bestehen?
Die OHG ist zur ordnungsgemäßen Buchführung und zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Besondere Offenlegungspflichten können je nach Größe und Zusammensetzung der Gesellschafter bestehen. Handelsregisterliche Meldepflichten treffen die OHG bei relevanten Änderungen.