Ökologischer Landbau: Rechtlicher Hintergrund und gesetzliche Grundlagen
Der Ökologische Landbau bildet einen zentralen Bestandteil nachhaltiger Landwirtschaft und unterliegt in Deutschland und der Europäischen Union einem detaillierten rechtlichen Rahmen. Ziel des ökologischen Landbaus ist die Erzeugung von Lebensmitteln unter Berücksichtigung von Umwelt- und Tierschutz sowie sozialer Nachhaltigkeit. Die rechtlichen Regelungen dienen der Sicherstellung einheitlicher Standards, Transparenz für Verbraucher sowie einer fairen Wettbewerbsbasis.
Begriffsbestimmung und rechtliche Definition
Gemäß der Verordnung (EU) 2018/848, die am 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist, ist „ökologische/biologische Produktion“ ein System, das auf nachhaltigen Praktiken in der Landwirtschaft, dem Schutz natürlicher Ressourcen, der Anwendung hoher Tierschutzstandards und der Erhaltung der biologischen Vielfalt basiert. Der rechtliche Begriff differenziert sich damit klar von konventioneller Landwirtschaft und ist an besondere Produktions-, Verarbeitungs- und Kontrollvorgaben gebunden.
Gesetzliche Grundlagen des ökologischen Landbaus
Europäische Union
Verordnung (EU) 2018/848 über die ökologische/biologische Produktion
Die wichtigste Rechtsquelle auf europäischer Ebene ist die Verordnung (EU) 2018/848. Sie ersetzt die bisher geltende Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und schafft verbindliche Mindeststandards für:
- Die Erzeugung, Verarbeitung, Kennzeichnung und Kontrolle ökologischer Produkte,
- die Zulassung von Hilfs- und Düngemitteln,
- die Beachtung von Umwelt- und Tierschutzvorgaben.
Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für Primärerzeugnisse einschl. landwirtschaftlicher Erzeugnisse, lebende Tiere, Futtermittel, Pflanzen, Saatgut und weitere Komponenten.
Weitere relevante europäische Rechtsakte
- Delegierte Verordnungen zur Detailregelung von Kontrollsystemen und Kennzeichnungsvorgaben
- Durchführungsverordnungen zur Organisation der Kontrollverfahren und dessen Überwachung
Deutschland
Öko-Landbaugesetz (ÖLG)
Das Öko-Landbaugesetz (ÖLG) regelt die Durchführung der europäischen Vorgaben innerhalb Deutschlands, insbesondere Zuständigkeiten und Sanktionen bei Verstößen. Zu den Kerninhalten gehören:
- Zuständigkeit der Überwachungs- und Kontrollstellen,
- Ordnungswidrigkeiten und Sanktionsregelungen,
- Regelungen zu Zulassung und Kontrolle privater Kontrollstellen.
Öko-Kennzeichen-Gesetz (ÖkoKennzG)
Dieses Gesetz regelt das bundeseigene deutsche Bio-Siegel. Es legt die Anforderungen und Rechte für die Nutzung des „Bio-Siegels“ fest, differenziert jedoch inhaltlich nicht von den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung.
Kontrollsystem und Zertifizierung im ökologischen Landbau
Der ökologische Landbau unterliegt einer strengen Überwachung durch unabhängige Kontrollstellen. Diese Kontrollstellen werden staatlich anerkannt und arbeiten nach den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung. Mindestens einmal jährlich erfolgt eine umfassende Inspektion der Betriebe.
Pflichten der Betriebe
- Anmeldung bei einer anerkannten Kontrollstelle vor Beginn der Tätigkeit
- Dokumentation der Erzeugungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungswege
- Duldung regelmäßiger Kontrollen und Probenahmen
- Umsetzung von Rückverfolgbarkeit und Transparenz
Sanktionen bei Verstößen
Verstößt ein Betrieb gegen die Vorgaben des ökologischen Landbaus, drohen Sanktionen gemäß Öko-Landbaugesetz und der EU-Verordnung. Dazu gehören:
- Aberkennung der Zertifizierung für bestimmte Partien oder den gesamten Betrieb,
- Rückruf und Auslistung nicht regelkonformer Produkte,
- Bußgelder oder weitere verwaltungsrechtliche Maßnahmen.
Anforderungen an Produktion, Verarbeitung und Kennzeichnung
Produktion und Betriebsführung
Ökologische Betriebe müssen die Anforderungen der EU-Öko-Verordnung streng einhalten. Dazu gehören:
- Verzicht auf synthetische Pflanzenschutzmittel und leicht lösliche mineralische Düngemittel,
- Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch Fruchtfolge und organische Düngung,
- Pflicht zur artgerechten Tierhaltung (z. B. Mindeststall- und Auslaufflächen, Fütterung aus ökologischer Erzeugung).
Verarbeitung
- Verwendung ausschließlich gemäß Verordnung zugelassener Zusatz- und Hilfsstoffe,
- Trennung ökologischer und konventioneller Produkte bei Lagerung und Produktion,
- Kennzeichnungspflichten auf Endprodukten.
Kennzeichnung ökologischer Produkte
Erzeugnisse dürfen nur als „öko“, „bio“ oder mit dem europäischen Bio-Logo gekennzeichnet werden, wenn sie vollständig konform zur EU-Öko-Verordnung produziert und zertifiziert wurden. Produkte mit einem Öko-Anteil unter 95 % dürfen als solche nicht ausgelobt werden.
Privatwirtschaftliche Standards und Verbände
Über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus existieren privatwirtschaftliche Anbauverbände wie Bioland, Demeter oder Naturland. Diese Verbände setzen häufig strengere Anforderungen an Mitgliederbetriebe. Ihre Zeichen und Marken sind jedoch nur im Rahmen ergänzender privatrechtlicher Vereinbarungen relevant und gehen nicht über die gesetzlichen Vorgaben der EU in rechtlicher Hinsicht hinaus.
Bedeutung des ökologischen Landbaus im Rechtsrahmen
Der ökologische Landbau stellt ein umfassend geregeltes System dar, das durch nationale wie europäische Normen die gesamte Produktions- und Wertschöpfungskette abbildet und kontrolliert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen gewährleisten damit einen hohen Grad an Verbraucherschutz, Umwelt- und Tierschutz sowie Markttransparenz. Das fortlaufende Normierungssystem sorgt für eine fortschreitende Weiterentwicklung der Standards und trägt zur nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft in Europa bei.
Häufig gestellte Fragen
Wer darf Produkte als „ökologisch“ oder „biologisch“ kennzeichnen und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen?
Die Kennzeichnung von Produkten als „ökologisch“ oder „biologisch“ ist in der Europäischen Union streng geregelt. Nach der EU-Öko-Verordnung (aktuell Verordnung (EU) 2018/848) dürfen nur Betriebe und Produkte diese Bezeichnungen führen, die sich zuvor einer offiziellen Kontrolle unterzogen haben. Voraussetzung ist zunächst, dass der gesamte Betrieb (bzw. der betreffende Betriebszweig) nach den Vorgaben der Öko-Verordnung arbeitet und dies von einer zugelassenen Kontrollstelle überprüft und zertifiziert wurde. Erst nach erfolgreicher Zertifizierung werden entsprechende Erzeugnisse mit den vorgeschriebenen Hinweisen und insbesondere mit dem EU-Bio-Logo (die grüne Blattflagge) in Verkehr gebracht. Eine ungerechtfertigte Nutzung der Bezeichnungen „ökologisch“, „biologisch“ oder abgeleiteter Begriffe ist nach Art. 30 der Verordnung verboten und wird gemäß Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie einschlägigen Bußgeldvorschriften geahndet. Die Kennzeichnungspflicht umfasst sowohl die Primärerzeugnisse als auch verarbeitete Produkte, sofern mindestens 95 % der landwirtschaftlichen Zutaten ökologischen Ursprungs sind und alle weiteren Vorgaben der Öko-Verordnung eingehalten werden.
Welche rechtlichen Anforderungen müssen landwirtschaftliche Betriebe für eine Öko-Zertifizierung erfüllen?
Landwirtschaftliche Betriebe, die eine Öko-Zertifizierung anstreben, müssen sich an die Vorgaben der Verordnung (EU) 2018/848 sowie ggf. weiterführender nationaler Vorschriften halten. Zu den wichtigsten rechtlichen Anforderungen gehört die Anmeldung des Betriebs bei einer zugelassenen Öko-Kontrollstelle und die lückenlose Führung von Aufzeichnungen über Saatgut, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und eingesetzte Tiere. Zudem ist die Einhaltung umfassender Vorschriften zur Fruchtfolge, dem Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Mineraldünger, sowie eine artgerechte Tierhaltung verpflichtend. Der Betrieb muss eine Umstellungszeit von mindestens zwei Jahren (bei Gelände für den Anbau einjähriger Kulturen) bzw. drei Jahren (bei Dauergrünland und Dauerkulturen) nachweisen, bevor Produkte als ökologisch vermarktet werden dürfen. Regelmäßige Kontrollen durch die zuständige Kontrollstelle sind vorgeschrieben und der Betrieb ist verpflichtet, den Inspekteuren uneingeschränkten Zugang zu allen Produktions- und Lagereinrichtungen zu gewähren.
Welche Kontrollsysteme und rechtlichen Sanktionen gibt es im ökologischen Landbau?
Das Kontrollsystem im ökologischen Landbau basiert primär auf einem verpflichtenden Inspektionssystem gemäß EU-Öko-Verordnung. Jeder beteiligte Betrieb muss sich mindestens einmal jährlich einer Kontrolle durch eine anerkannte Kontrollstelle unterziehen. Diese Kontrollstellen müssen ihrerseits eine Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17065 besitzen und werden von den Bundesländern überwacht. Neben den routinemäßigen Kontrollen sind auch unangekündigte Kontrollen rechtlich vorgesehen, die insbesondere bei Verdacht auf Verstöße stattfinden. Werden Mängel festgestellt, kann die Kontrollstelle Maßnahmen wie die Auflage der Nachbesserung, vorübergehende Entziehung der Zertifizierung oder bei schwerwiegenden Verstößen ein vollständiges Entzugsverfahren einleiten. Zusätzlich sieht das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie die nationale Öko-Durchführungsverordnung Bußgelder und gegebenenfalls strafrechtliche Sanktionen vor.
Welche rechtlichen Pflichten bestehen für die Rückverfolgbarkeit und Dokumentation im ökologischen Landbau?
Gemäß der Verordnung (EU) 2018/848 sind alle Marktteilnehmer im ökologischen Landbau verpflichtet, eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Produkte zu gewährleisten. Dazu müssen Aufzeichnungen zu allen Produktions- und Verarbeitungsschritten geführt und mindestens fünf Jahre archiviert werden. Die Dokumentationspflicht betrifft sämtliche Eingangsmaterialien, Betriebsmittel, Saatgut, Fütterungsmittel, Lieferungen und Verkäufe. Diese Aufzeichnungen werden von der Kontrollstelle regelmäßig überprüft und bilden die Grundlage für Zertifizierungsentscheidungen. Verstöße gegen die Dokumentations- und Rückverfolgbarkeitspflicht können zur Aberkennung des Öko-Status und zur Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren führen.
Wie werden Verstöße gegen die Rechtsvorschriften des ökologischen Landbaus sanktioniert?
Bei Verstößen gegen die EU-Öko-Verordnung oder nationale Durchführungsbestimmungen greift eine Vielzahl von Sanktionsmechanismen. Zunächst kann die zuständige Kontrollstelle die ökologische Zertifizierung ganz oder teilweise entziehen, was den Produktabsatz mit „Bio“-Kennzeichnung sofort untersagt. Daneben werden die Verstöße den zuständigen Behörden gemeldet, was ein Bußgeld nach sich ziehen kann – in besonders schweren Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen, etwa bei Betrug. Die Höhe der Geldbußen ist im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) sowie in den landesspezifischen Öko-Landbaugesetzen geregelt. Zusätzlich kann der betroffene Betrieb von Fördermaßnahmen, wie den Agrarumweltprogrammen, ausgeschlossen werden und zur Rückzahlung bereits gezahlter Prämien verpflichtet sein.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für Importe und Handelswaren aus Nicht-EU-Staaten im ökologischen Landbau?
Für den Import ökologischer Lebensmittel und Futtermittel aus Drittstaaten gelten die Vorgaben der Verordnung (EU) 2018/848 mit zusätzlichen Spezifikationen. Importierte Öko-Produkte müssen unter Bedingungen erzeugt und zertifiziert sein, die den EU-Standards als gleichwertig anerkannt wurden. Dies wird durch vollständig anerkannte Kontrollstellen im Ursprungsland und eine amtliche Kontrollbescheinigung („certificate of inspection“) nachgewiesen. Erst mit dieser Kontrolle darf die Ware als „ökologisch“ in der EU in Verkehr gebracht werden. Ohne die erforderliche und überprüfbare Dokumentation ist eine Vermarktung unter der Öko-Kennzeichnung in der EU verboten. Sanktionen bei Verstößen erstrecken sich von Einfuhrverboten über Aberkennung des Öko-Status bis hin zu Geldstrafen.
Wie ist der rechtliche Umgang mit parallel geführten konventionellen und ökologischen Betriebszweigen geregelt?
Betriebe, die sowohl ökologische als auch konventionelle Produktionszweige nebeneinander führen (Mischbetriebe), unterliegen strengen Trennungs- und Dokumentationspflichten nach der EU-Öko-Verordnung. Die rechtlichen Vorgaben verlangen eine physische und organisatorische Trennung der Produktion, Verarbeitung und Lagerung. Alle Produktionsschritte müssen eindeutig rückverfolgbar und getrennt dokumentiert werden, um eine Vermischung auszuschließen. In bestimmten Fällen – z.B. bei gleichen Kulturen oder Tierarten – dürfen nur Sorten oder Rassen verwendet werden, die sich klar unterscheiden lassen. Die Kontrolle und Überprüfung dieser Maßnahmen ist besonders intensiv; Nichterfüllung wird rechtlich streng geahndet und kann zur Aberkennung der Öko-Zertifizierung führen.