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Öffentliche Zustellung


Begriff und Grundlagen der Öffentlichen Zustellung

Die Öffentliche Zustellung ist ein rechtliches Verfahren im deutschen Zivil-, Verwaltungs- und Strafprozessrecht, durch das eine gerichtliche oder behördliche Mitteilung oder Entscheidung durch Veröffentlichung bekannt gemacht wird. Sie stellt das letzte Mittel dar, wenn eine Übergabe an den Adressaten auf herkömmlichem Weg nicht möglich oder tunlich ist. Die Öffentliche Zustellung dient der Sicherstellung des rechtlichen Gehörs und der Wahrung des rechtlichen Gehalts des Verfahrens.

Die Rechtsgrundlagen für die Öffentliche Zustellung finden sich insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO), der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Strafprozessordnung (StPO).


Voraussetzungen der Öffentlichen Zustellung

Zivilprozessrechtliche Voraussetzungen (ZPO)

Nach § 185 ZPO ist die Öffentliche Zustellung zulässig, wenn

  • der Aufenthalt des Empfängers unbekannt ist,
  • eine Zustellung im Ausland unmöglich oder unzulässig ist,
  • der Aufenthaltsort des Empfängers nicht ohne erhebliche Verzögerung festgestellt werden kann,
  • andere Gründe vorliegen, weshalb die Zustellung auf herkömmlichem Wege scheitert.

Die Öffentliche Zustellung ist stets das letzte zulässige Mittel und darf erst dann angewandt werden, wenn alle anderen Zustellungsarten ausgeschlossen oder gescheitert sind. Die Bemühungen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts müssen dokumentiert werden.

Verwaltungsrechtliche Voraussetzungen (VwGO)

In Verwaltungsprozessen ist die Öffentliche Zustellung nach § 10 VwZG (Verwaltungszustellungsgesetz) nur zulässig, wenn eine Zustellung an eine bekannte Adresse nicht möglich ist, der Aufenthalt des Empfängers unbekannt ist oder eine Auslandszustellung unmöglich oder unzumutbar wäre.

Strafprozessrechtliche Besonderheiten (StPO)

Auch im Strafprozess ist die Öffentliche Zustellung vorgesehen (§ 40 StPO). Sie findet Anwendung, wenn der Aufenthaltsort des Beschuldigten nach zumutbaren Ermittlungen nicht festgestellt werden kann oder eine Zustellung im Ausland undurchführbar erscheint.


Verfahren der Öffentlichen Zustellung

Antrag und Beschluss

Die Eröffnung einer Öffentlichen Zustellung erfolgt auf Antrag der betroffenen Partei oder von Amts wegen durch das Gericht. Dem Antrag sind Nachweise beizufügen, dass anderer Zustellungswege nicht möglich waren. Das Gericht prüft die Zulässigkeit und entscheidet per Beschluss.

Durchführung

Die eigentliche Öffentliche Zustellung erfolgt in der Regel durch Aushang an einer vom Gericht bestimmten und allgemein zugänglichen Stelle des Gerichtsgebäudes sowie durch Eintrag in ein elektronisches Zustellungsregister (§ 186 ZPO). Gegebenenfalls findet zudem eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder in sonstigen amtlichen Mitteilungsblättern statt. In bestimmten Verfahren, wie etwa dem Insolvenzverfahren, kommen zusätzliche Publikationspflichten hinzu.

Inhalt der Bekanntmachung

Die Bekanntmachung muss den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks enthalten, insbesondere Angaben zum Absender, Empfänger und eine Beschreibung des Inhalts. Die Schriftstücke werden beim Gericht zur Einsichtnahme bereitgehalten.


Rechtsfolgen und Wirkungen

Fristbeginn und Wirksamkeit

Die Wirkung der Zustellung tritt nach Ablauf von zwei Wochen nach Aushang beziehungsweise Veröffentlichung ein, soweit kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist (§ 188 ZPO). Ab diesem Zeitpunkt beginnen insbesondere prozessuale Fristen zu laufen, etwa für den Einspruch oder die Berufung.

Heilung von Zustellungsmängeln

Ist eine anderweitige Zustellung tatsächlich erfolgt, so heilt der tatsächliche Zugang einen zuvor begangenen Zustellungsmangel. Im Falle der Öffentlichen Zustellung ist die Heilung durch späteren Kenntniserlangung ausgeschlossen, da allein die Veröffentlichung entscheidend ist.


Anwendungsbereiche und Praxisbeispiele

Typische Anwendungsfälle

  • Zivilrechtliche Verfahren, in denen eine Partei nicht auffindbar ist, beispielsweise bei Auswanderung ohne bekannte Adresse,
  • Erbnachlassverfahren, wenn unbekannte Erben lokalisiert werden müssen,
  • Strafprozesse gegen flüchtige Beschuldigte,
  • Verwaltungsverfahren bei nicht erreichbaren Adressaten, etwa im Steuerrecht.

Besonderheiten bei Auslandssachverhalten

Im internationalen Kontext ist die Öffentliche Zustellung lediglich zulässig, wenn die völkerrechtlichen Zustellungswege ausgeschöpft sind oder deren Anwendung nicht möglich ist. Staaten, die dem Haager Zustellungsübereinkommen beigetreten sind, fordern in der Regel ausdrücklich den Nachweis erfolgloser Auslandszustellung, bevor eine Öffentliche Zustellung anerkannt wird.


Rechtsschutz, Herausforderungen und Kritik

Rechtsschutzmöglichkeiten

Gegen die Anordnung der Öffentlichen Zustellung steht dem Betroffenen kein unmittelbares Rechtsmittel zur Verfügung. Die Überprüfung erfolgt im Rahmen der Sachentscheidung beziehungsweise kann inzident im weiteren Verfahren geltend gemacht werden. Die Versäumung von Fristen, die durch die Öffentliche Zustellung ausgelöst wurden, kann unter Umständen durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand angefochten werden, wenn der Betroffene nachträglich von der Zustellung erfährt.

Herausforderungen und Kritik

Die Öffentliche Zustellung ist aus rechtsstaatlicher Sicht ein notwendiges, aber problematisches Mittel, da die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht sichergestellt ist. Besonders in Fällen, in denen der Empfänger seinen Aufenthaltsort bewusst verschleiert, dient sie dem Schutz des Rechtsverkehrs. Kritisiert wird die Öffentliche Zustellung jedoch, weil sie das rechtliche Gehör empfindlich beeinträchtigen kann.


Öffentliche Zustellung in anderen Rechtsgebieten

Arbeitsgerichtsbarkeit

Auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Öffentliche Zustellung in § 53 ArbGG geregelt und knüpft an die Bestimmungen der ZPO an.

Sozialgerichtsbarkeit

Im Sozialrecht gilt § 66 SGG mit eigenständigen Verfahrensregelungen, wobei die Grundsätze der Öffentlichen Zustellung entsprechend übernommen werden.


Zusammenfassung

Die Öffentliche Zustellung ist ein in zahlreichen Verfahrensordnungen verankertes Institut, das die Zustellung von gerichtlichen und behördlichen Dokumenten sicherstellen soll, wenn alle anderen Wege der Zustellung aussichtslos sind. Sie ist an strenge rechtliche Voraussetzungen und Verfahrensregeln gebunden und tritt mit einer festgesetzten Rechtswirkung ein. Aufgrund ihrer grundrechtsrelevanten Auswirkungen sind ihre Anordnung und Durchführung regelmäßig kritisch zu prüfen. Die Öffentliche Zustellung ist besonders für die Rechtssicherheit unverzichtbar, kann aber gleichzeitig das rechtliche Gehör der betroffenen Person beeinträchtigen.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen kommt die öffentliche Zustellung im rechtlichen Kontext zur Anwendung?

Die öffentliche Zustellung wird im deutschen Verfahrensrecht angewendet, wenn eine förmliche Zustellung an den Adressaten auf herkömmliche Weise nicht möglich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Aufenthaltsort der zuzustellenden Person unbekannt ist und trotz zumutbarer Nachforschungen nicht ermittelt werden kann. Auch wenn die Zustellung im Ausland nicht ausführbar oder unzumutbar ist, kann die öffentliche Zustellung angeordnet werden. Die Voraussetzungen und das Verfahren sind besonders streng geregelt, um sicherzustellen, dass sie nur als ultima ratio zum Einsatz kommt, um das rechtliche Gehör der betroffenen Person zu wahren und das Verfahren nicht unnötig zu verzögern.

Welche Rechtsgrundlagen regeln die öffentliche Zustellung?

Die öffentliche Zustellung ist in den jeweiligen Verfahrensordnungen geregelt: Beispielsweise in der Zivilprozessordnung (§§ 185-188 ZPO), im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 10 VwZG), im Strafprozessrecht (StPO) sowie im Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Vorschriften regeln jeweils die Voraussetzungen, das Verfahren und die Rechtswirkungen der öffentlichen Zustellung. Dabei gibt es sowohl gemeinsame als auch abweichende Regelungen je nach Gerichtsbarkeit und Materie.

Wie läuft das Verfahren der öffentlichen Zustellung ab?

Das Verfahren beginnt in der Regel mit einem Antrag beim zuständigen Gericht oder einer entsprechenden Behörde. Das Gericht prüft die Zulässigkeit und insbesondere die erfolgten Nachforschungen hinsichtlich des Aufenthaltsortes der betroffenen Person. Wird die öffentliche Zustellung angeordnet, erfolgt sie zumeist durch Anbringen einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder der öffentlichen Bekanntmachungsstelle des Gerichts. Zusätzlich kann sie – abhängig von den spezifischen Vorschriften – in amtlichen Blättern oder online veröffentlicht werden. Die Zustellung gilt dann nach Ablauf einer bestimmten Frist (meist zwei Wochen) als vollzogen.

Welche rechtlichen Wirkungen hat die öffentliche Zustellung?

Mit der öffentlichen Zustellung werden die gleichen Rechtsfolgen ausgelöst wie mit einer förmlichen persönlichen Zustellung, insbesondere beginnen Fristen (z. B. zur Einlegung von Rechtsmitteln) zu laufen. Das bedeutet, die betroffene Person muss sich den Zugang zur öffentlichen Zustellung zurechnen lassen, auch wenn sie tatsächlich von der Zustellung keine Kenntnis erlangt hat. Dies stellt einen erheblichen Eingriff dar, weshalb die öffentliche Zustellung nur unter den gesetzlich definierten engen Voraussetzungen zulässig ist.

Welche Risiken bestehen bei der Anordnung und Durchführung der öffentlichen Zustellung?

Die Hauptgefahr der öffentlichen Zustellung liegt darin, dass die betroffene Person von der Zustellung keine tatsächliche Kenntnis erlangt und dadurch ihre Rechte nicht wahrnehmen kann. Dies kann unter Umständen zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führen. Fehler bei der Anordnung oder der Durchführung können schwerwiegende Folgen haben, etwa die Unwirksamkeit der Zustellung und im schlimmsten Fall die Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bis hin zur Wiederaufnahme des Verfahrens.

Können Betroffene gegen eine öffentliche Zustellung vorgehen?

Betroffene haben die Möglichkeit, sich im Nachhinein gegen die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung zu wehren, insbesondere durch Rechtsmittel, mit deren Hilfe sie geltend machen können, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung nicht vorlagen oder das Verfahren fehlerhaft durchgeführt wurde. Voraussetzung ist, dass ein rechtliches Interesse sowie die Glaubhaftmachung oder der Nachweis vorliegt, dass z. B. die Person nicht unbekannten Aufenthaltsorts war oder das Gericht nicht alle zumutbaren Nachforschungen angestellt hat.

Gibt es Besonderheiten bei der öffentlichen Zustellung an juristische Personen?

Ja, bei juristischen Personen gelten besondere Anforderungen. Die öffentliche Zustellung an eine juristische Person ist nur dann zulässig, wenn deren gesetzlicher Vertreter sowie die Anschrift nicht ermittelbar sind, obwohl sämtliche verfügbaren Quellen zur Nachforschung ausgeschöpft wurden. Auch hier müssen die gerichtlichen Nachforschungspflichten streng eingehalten und in der Entscheidungsbegründung dokumentiert werden. Die Rechtsprechung verlangt, dass alle zumutbaren Schritte unternommen wurden, um die Zustellung auf anderem Weg zu bewirken, weil auch hier das rechtliche Gehör umfassend gewährleistet werden muss.