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Öffentliche Sicherheit und Ordnung


Begriff und Bedeutung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Die Öffentliche Sicherheit und Ordnung ist ein zentraler Begriff im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht. Sie umfasst rechtliche Anforderungen und Zielsetzungen, die für das Funktionieren des Gemeinwesens wesentlich sind. Die Begriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ bezeichnen zusammen die Schutzgüter, denen polizeiliches und ordnungsbehördliches Handeln dient. Sie verwirklichen das staatliche Interesse an der Prävention und Abwehr von Gefahren sowie am Erhalt eines geordneten Zusammenlebens.


Öffentliche Sicherheit

Definition und Inhalte der Öffentlichen Sicherheit

Die Öffentliche Sicherheit ist ein umfassendes Schutzgut im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts. Sie beinhaltet drei Hauptkomponenten:

  • Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung: Schutz der Gesamtheit aller Rechtsnormen (Strafrecht, Verwaltungsrecht, Zivilrecht).
  • Individualrechtsgüter: Schutz von Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Eigentum des Einzelnen vor Beeinträchtigungen.
  • Bestand staatlicher Einrichtungen und deren Funktionsfähigkeit: Sicherstellung, dass staatliche Institutionen ungestört agieren und ihren Aufgaben nachkommen können.

Diese drei Schutzbereiche sind nach vorherrschender Lehre und Rechtsprechung gleichwertig. Die Öffentliche Sicherheit grenzt sich von individuellen Interessen ab, indem sie das kollektive, allgemeine Interesse an der Bewahrung einer funktionierenden und rechtmäßigen Ordnung umfasst.

Rechtliche Grundlagen

Die Regelungen zur Öffentlichen Sicherheit sind hauptsächlich in den Polizeigesetzen der Länder sowie im Bundesrecht, etwa im Bundespolizeigesetz und dem Strafgesetzbuch, verankert. Zentral ist der Gefahrenabwehrgrundsatz, der vorsieht, dass Eingriffe durch Polizei und Ordnungsbehörden nur bei einer konkreten oder abstrakten Gefahr für die öffentliche Sicherheit zulässig sind. Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, präzisiert die Anforderungen und Grenzen dieser Schutzgüter regelmäßig.

Öffentliche Sicherheit im Verhältnis zu Grundrechten

Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit greifen häufig in Grundrechte ein, insbesondere in die allgemeine Handlungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Eigentumsrecht. Diese Eingriffe sind nur zulässig, sofern sie verhältnismäßig, gesetzlich normiert und zum Schutz eines wichtigen Rechtsguts erforderlich sind. Das staatliche Handeln steht somit stets unter dem Vorbehalt des Gesetzes und der Grundrechte.


Öffentliche Ordnung

Definition und Abgrenzung zur Öffentlichen Sicherheit

Die Öffentliche Ordnung bezeichnet die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen unerlässlich ist. Während sich die öffentliche Sicherheit auf die Verletzung gesetzlich normierter Rechtsgüter bezieht, erfasst die öffentliche Ordnung Verhaltensweisen, die das Zusammenleben ernsthaft stören, ohne gegen festgelegte Rechtsnormen zu verstoßen.

Inhalt und Bedeutung

Die Öffentliche Ordnung dient der Gewährleistung eines störungsfreien und friedlichen Miteinanders. Sie umfasst beispielsweise Rücksichtnahmegebote im öffentlichen Raum, Sitten und Gebräuche sowie moralische Mindeststandards, die sich im Laufe der Zeit wandeln können.

Rechtliche Kritik und Bedeutung

Insbesondere die öffentliche Ordnung wird in der Rechtswissenschaft wegen ihrer Unbestimmtheit und Interpretationsspielräume kritisch betrachtet. Gleichwohl bleibt sie ein anerkanntes Schutzgut, das Polizei und Ordnungsbehörden befugt, auch gegen nicht verbotene, aber sozial missbilligte Verhaltensweisen vorzugehen, sofern eine erhebliche Störung des sozialen Friedens zu befürchten ist.


Gesetzliche Regelungen und Zuständigkeiten

Polizeigesetze der Länder

Das Polizei- und Ordnungsrecht ist überwiegend Ländersache. Jedes Bundesland verfügt über spezifische Polizeigesetze (z. B. Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen – PolG NRW, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz – PAG), in denen Aufgaben, Befugnisse und Grenzen des staatlichen Gefahrenabwehrhandelns geregelt sind.

Bundesrechtliche Vorschriften

Das Bundespolizeigesetz (BPolG) regelt die Aufgaben der Bundespolizei, insbesondere im Bereich des Grenzschutzes, des Schutzes von Bahnanlagen und Flughäfen sowie zur Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung. Ergänzend greifen bundesrechtliche Bestimmungen, etwa im Versammlungsgesetz oder Strafgesetzbuch, sodass das Gefahrenabwehrrecht eine übergreifende Regelungsmaterie darstellt.


Eingriffe und Maßnahmen im Rahmen der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Gefahrenbegriff

Grundlage jeglichen ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Eingreifens ist der Gefahrenbegriff:

  • Konkrete Gefahr: Ein auf Tatsachen gestützter Sachverhalt, bei dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu erwarten ist.
  • Abstrakte Gefahr: Eine Sachlage, bei der nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Schaden möglich erscheint, ohne dass dieser im jeweiligen Einzelfall bereits bevorsteht.

Maßnahmen und Befugnisse

Polizei und Ordnungsbehörden dürfen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Einschränkungen, Gebote und Verbote zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aussprechen. Hierzu zählen Platzverweise, die Auflösung von Versammlungen, Ingewahrsamnahmen, Sicherstellungen oder auch Gefahrenabwehrverfügungen.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Rechtsschutz

Jede Maßnahme im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung muss am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemessen werden. Rechtsbehelfe wie Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht bieten Betroffenen Rechtsschutz gegen polizeiliche und ordnungsbehördliche Anordnungen.


Abgrenzung zu benachbarten Begriffen

Sicherheit der Allgemeinheit vs. Individualschutz

Während die öffentliche Sicherheit pauschal Rechtsgüter der Allgemeinheit schützt, gewährleistet sie zugleich dem Einzelnen Schutz vor Gefährdungen. Die Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft können dabei teilweise divergieren, etwa bei Demonstrationen oder Veranstaltungen.

Öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung im Vergleich

Zentrales Unterscheidungsmerkmal ist die rechtliche Fixiertheit: Die öffentliche Sicherheit bezieht sich auf eindeutig gesetzlich normierte Schutzgüter, während die öffentliche Ordnung ungeschriebene soziale Regeln umfasst. Eingriffe zur Wahrung der öffentlichen Ordnung setzen regelmäßig einen höheren Rechtfertigungsaufwand voraus.


Bedeutung in der Praxis

Die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist Grundlage für die Stabilität des demokratischen Rechtsstaats. Ordnungsbehördliche und polizeiliche Maßnahmen im Rahmen dieses Auftrags prägen wesentlich das gesellschaftliche Zusammenleben, indem sie Rechtsgüter sichern und das Auftreten von Störungen und Gefahren verringern.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Bundesverfassungsgericht, ständige Rechtsprechung zum Polizei- und Ordnungsrecht
  • Polizeigesetze der Länder (beispielhaft: PolG NRW, PAG)
  • Bundespolizeigesetz (BPolG)
  • Kommentar zum Polizei- und Ordnungsrecht (verschiedene Verlage)

Diese Quellen bieten vertiefende Informationen zur rechtlichen Struktur, Anwendbarkeit und Auslegung des Begriffs „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig?

Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind in Deutschland primär die Verwaltungsbehörden sowie die Polizei zuständig. Die Aufgabenverteilung ergibt sich aus den Polizeigesetzen der Bundesländer und dem Grundgesetz. Die Polizei nimmt sowohl präventive (Gefahrenabwehr) als auch repressive Aufgaben (Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) wahr. Verwaltungsbehörden, insbesondere die Ordnungsämter auf kommunaler Ebene, haben vor allem präventive Aufgaben und werden bei Verstößen gegen ordnungsrechtliche Vorschriften tätig. Ergänzend kann auch das Gesundheitsamt oder das Bauamt im Bereich öffentlicher Sicherheit und Ordnung tätig werden, wenn spezifische Gefahrenlagen, wie Seuchenschutz oder bauliche Unsicherheiten, betroffen sind. Im Rahmen der Föderalismusstruktur bestehen Unterschiede in der Aufgabenwahrnehmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Im Einzelfall entscheidet die sachliche und örtliche Zuständigkeit der jeweiligen Behörde, wobei im Gefahrfall regelmäßig die Polizei vorrangig eingreift (§§ 1, 3, 11 PolG der Länder).

Welche Rechtsgrundlagen regeln Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung?

Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung werden in Deutschland durch verschiedene Rechtsquellen geregelt. Die maßgeblichen Regelungen finden sich insbesondere in den Polizeigesetzen der Länder, die etwa Bestimmungen zu Befugnissen der Polizei bei der Gefahrenabwehr enthalten (z.B. Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen [PolG NRW], Bayerisches Polizeiaufgabengesetz [PAG]). Auch landesrechtliche Ordnungsbehördengesetze (OBG) sind einschlägig. Weiterhin enthalten spezialgesetzliche Vorschriften, etwa das Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder das Versammlungsgesetz (VersG), spezielle Befugnisse. Auf Ebene des Bundes ist das Grundgesetz, insbesondere die Artikel zu Freiheit und Sicherheit (Art. 2, 8, 13 GG) sowie die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 30, 32, 70 ff. GG), von Bedeutung. Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) regelt das behördliche Verfahren, während das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und das Strafgesetzbuch (StGB) die Sanktionierung von Verstößen normieren.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen die Behörden eingreifen?

Die Voraussetzungen für das behördliche Einschreiten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind im jeweiligen Landesrecht normiert. Grundsätzlich muss eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen. Eine Gefahr liegt vor, wenn bei ungehindertem Ablauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schadenseintritt für die Schutzgüter (beispielsweise Individualrechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum oder die objektive Rechtsordnung) droht. Dabei ist zwischen gegenwärtiger Gefahr (sofort einzuschreiten) und drohender Gefahr (Gefährdung zeichnet sich erst in naher Zukunft ab) zu differenzieren. Das Opportunitätsprinzip gibt den Behörden einen Ermessensspielraum, es sei denn, es besteht eine Verpflichtung zum Einschreiten (sog. Gefahrenabwehrpflicht, Legalitätsprinzip). Jede Maßnahme muss verhältnismäßig sein, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen sowie Beachtung des Grundrechtsschutzes (z.B. Art. 2, 13 GG) sind zwingend.

Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen ordnungsrechtliche Maßnahmen zur Verfügung?

Gegen ordnungsrechtliche Maßnahmen, wie Platzverweise, Untersagungsverfügungen oder Zwangsgelder, stehen Betroffenen nach dem Verwaltungsrecht verschiedene Rechtsmittel offen. Zunächst kann Widerspruch gegen eine belastende Verwaltungsentscheidung eingelegt werden, sofern ein Vorverfahren gesetzlich vorgesehen ist (§ 68 VwGO). In dringenden Fällen kann einstweiliger Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht beantragt werden (§ 80 Abs. 5 VwGO für Anordnung der aufschiebenden Wirkung, § 123 VwGO für sonstigen Eilrechtsschutz). Ist das behördliche Verfahren abgeschlossen, können Klagewege vor dem Verwaltungsgericht verfolgt werden. Bei Maßnahmen der Polizei im Strafverfahren (repressive Polizeimaßnahmen) besteht zusätzlich die Möglichkeit der richterlichen Kontrolle nach der Strafprozessordnung (StPO), etwa durch Anträge auf gerichtliche Entscheidungen (§ 98 Abs. 2, § 101 StPO). Der Rechtsschutz ist sowohl gegen formelle Fehler (Verfahrensfehler) als auch gegen materielle Fehler (Rechtswidrigkeit der Maßnahme) gegeben.

Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen öffentlicher Sicherheit und öffentlicher Ordnung?

Die Abgrenzung zwischen öffentlicher Sicherheit und Ordnung ist für die rechtliche Bewertung behördlicher Maßnahmen von zentraler Bedeutung. Unter öffentlicher Sicherheit versteht man den Schutz der objektiven Rechtsordnung, der Individualrechte und des Bestands des Staates und seiner Einrichtungen. Die öffentliche Ordnung ist ein ungeschriebener Auffangtatbestand und bezieht sich auf die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Beachtung nach den herrschenden sozialen und ethischen Vorstellungen als unerlässlich angesehen wird, um das Zusammenleben der Bürger zu gewährleisten (sog. „gute Sitten“, nicht-kodifizierte Wertvorstellungen). Rechtlich relevante Maßnahmen müssen sich jedoch regelmäßig auf die konkreter fassbare öffentliche Sicherheit stützen, da die Anwendung des Ordnungsschutzes wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs enge gesetzliche Schranken unterliegt und regelmäßig einer strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle unterliegt, um die Grundrechte zu wahren.

Welche Befugnisse hat die Polizei zur Gefahrenabwehr?

Die Polizei verfügt im Rahmen der Gefahrenabwehr über eine Vielzahl von Befugnissen, die in den Polizeigesetzen der Länder geregelt sind. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören Identitätsfeststellung (§ 12 PolG NRW oder entsprechende Normen anderer Länder), Durchsuchungen (§§ 39 ff. PolG NRW), Platzverweise (§ 34 PolG NRW), Ingewahrsamnahmen (§ 35 PolG NRW), Sicherstellungen und Beschlagnahmen (§§ 43 ff. PolG NRW) sowie Betretungs- und Durchsuchungsrechte bei Wohnungen (§ 41 PolG NRW, mit besonderem Blick auf Art. 13 GG). Darüber hinaus kann die Polizei Anordnungen oder Verfügungen treffen, etwa ein Versammlungsverbot aussprechen, Verkehrssperren oder Maßnahmen zur Abwehr von konkreten Gefahren für besonders geschützte Rechtsgüter erlassen. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs regeln die Polizeigesetze in Verbindung mit den jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder. Jeder Eingriff muss auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen und verhältnismäßig ausgestaltet sein.