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Öffentliche Aufträge


Begriff und Bedeutung von Öffentlichen Aufträgen

Öffentliche Aufträge sind Verträge, welche von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen (Auftragnehmern) zur Beschaffung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen abgeschlossen werden. Diese Form der Vertragsvergabe spielt eine wesentliche Rolle beim Einsatz öffentlicher Mittel und bei der Sicherstellung einer wirtschaftlichen, transparenten und wettbewerblichen Mittelverwendung, insbesondere im Rahmen der Daseinsvorsorge sowie bei der Umsetzung öffentlicher Infrastrukturprojekte.

Rechtliche Grundlagen Öffentlicher Aufträge

Europarechtliche Grundlagen

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist maßgeblich durch das Europarecht geprägt. Die maßgeblichen Richtlinien der Europäischen Union, insbesondere die Richtlinie 2014/24/EU (Vergaberichtlinie), regeln die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Ziel ist es, Diskriminierungen entgegenzuwirken, einen fairen Wettbewerb sicherzustellen und den Binnenmarkt zu stärken. Die EU-Richtlinien setzen Mindestanforderungen an Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit; die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.

Nationale Regelungen in Deutschland

In Deutschland findet sich die Umsetzung der EU-Vorgaben insbesondere im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB, §§ 97 ff.), der Vergabeverordnung (VgV), der Sektorenverordnung (SektVO), der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) sowie der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV). Für Bauaufträge sind zusätzlich die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) maßgeblich, für Liefer- und Dienstleistungsaufträge die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO).

Überblick über die wichtigsten Rechtsquellen

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Vergabeverordnung (VgV)
  • Sektorenverordnung (SektVO)
  • Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A)
  • Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)
  • Richtlinien der Europäischen Union

Öffentliche Auftraggeber

Nach § 99 GWB zählen zu den öffentlichen Auftraggebern insbesondere:

  • Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden)
  • sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Anstalten, Stiftungen)
  • bestimmte privatrechtlich organisierte Unternehmen, sofern sie Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen und unter Kontrolle öffentlicher Stellen stehen

Arten Öffentlicher Aufträge

Öffentliche Aufträge werden in drei Haupttypen unterteilt:

  1. Lieferaufträge: Kauf, Leasing oder Miete von beweglichen Sachen
  2. Dienstleistungsaufträge: Erbringung von Leistungen anderer Art als Bauleistungen
  3. Bauaufträge: Errichtung oder Umbau von Bauwerken

Ablauf und Vergabeverfahren

Bekanntmachung und Vorbereitung

Das Vergabeverfahren beginnt typischerweise mit einer öffentlichen Bekanntmachung des Auftrags. Auftraggeber müssen die wesentlichen Informationen zum geplanten Auftrag und den angewendeten Verfahrensregeln bekanntgeben. Dies dient der Transparenz und soll Unternehmen die Chancengleichheit zur Teilnahme gewähren.

Wahl des Vergabeverfahrens

Es können unterschiedliche Vergabearten zur Anwendung kommen, abhängig vom Auftragswert und der Art des Auftrags:

  • Offenes Verfahren
  • Nichtoffenes Verfahren
  • Verhandlungsverfahren
  • Wettbewerblicher Dialog
  • Innovationspartnerschaft

Die Wahl richtet sich nach gesetzlichen Vorgaben und dem Bedarf des Auftraggebers, wobei bestimmte Verfahrensarten an strenge Voraussetzungen geknüpft sind.

Wertgrenzen und Schwellenwerte

Entscheidend für die Anwendung der Verfahrensvorschriften ist der geschätzte Auftragswert. Bei Erreichen oder Überschreiten der sogenannten EU-Schwellenwerte sind die europaweiten Vergabevorschriften anzuwenden. Unterhalb dieser Werte gelten nationale Vorschriften wie die UVgO.

Ablauf der Angebots- und Wertungsphase

Nach Einreichen der Angebote prüft der Auftraggeber die Zulässigkeit, Eignung sowie die einzelnen Angebote nach objektiven Wertungskriterien. Kriterien sind beispielsweise Preis, Qualität, Umwelteigenschaften, soziale Kriterien und Innovation. Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag.

Zuschlag und Vertragsschluss

Mit dem Zuschlag wird der eigentliche öffentliche Vertrag geschlossen. Der Zuschlag muss innerhalb der Bindefrist erfolgen und darf nur dem Bieter erteilt werden, der die Zuschlagskriterien am besten erfüllt. Die Absage an nicht berücksichtigte Bieter erfolgt regelmäßig unter Beachtung von Fristen und Regelungen zu Informationen über die Vergabeentscheidung (z. B. Stand-Still-Frist oder Informations- und Wartepflicht).

Nachprüfungsverfahren

Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter

Bieter haben Anspruch auf effektiven Rechtsschutz bei Verstößen gegen Vergaberecht. Ab Erreichen der EU-Schwellenwerte besteht die Möglichkeit, Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern des Bundes oder der Länder zu beantragen. Gegen deren Entscheidungen ist die sofortige Beschwerde beim jeweils zuständigen Oberlandesgericht möglich.

Ablauf des Nachprüfungsverfahrens

Bieter können Vergaberechtsverstöße rügen und die Einhaltung der Vergabevorschriften einklagen. Das Nachprüfungsverfahren kann zur Aufhebung und Wiederholung des Vergabeverfahrens oder zur Anpassung einzelner Verfahrensschritte führen.

Besonderheiten und Ausnahmen

Sektorenauftraggeber und besondere Bereiche

Für bestimmte Sektoren (z. B. Energie, Wasser, Verkehr, Post) gelten abweichende vergaberechtliche Vorschriften, geregelt insbesondere in der SektVO. Für bestimmte Verteidigungs- und Sicherheitsbereiche greifen Sonderregelungen.

Soziale und besondere Dienstleistungen

Für bestimmte soziale und andere besondere Dienstleistungen (z. B. im Gesundheits- und Sozialwesen) sieht das Gesetz vereinfachte oder speziell angepasste Verfahrensregeln vor (sog. „leichteres Verfahren“ gemäß Anhang XIV der EU-Vergaberichtlinie).

Ausschlussgründe

Gesetzliche Ausschlussgründe können einen Bieter von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausschließen, z. B. bei schweren Verfehlungen, Insolvenz oder wettbewerbswidrigem Verhalten.

Praktische Bedeutung und Zielsetzung

Öffentliche Aufträge machen einen erheblichen Anteil der Gesamtausgaben öffentlicher Haushalte aus und dienen der Versorgung mit Gütern, Bau- und Dienstleistungen. Ein rechtssicheres, transparentes Vergabeverfahren verhindert Vetternwirtschaft, sichert Steuergeld effizient ein und fördert mittelständische Unternehmen.

Weiterführende Literatur und Rechtsquellen

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Vergabeverordnung (VgV)
  • Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)
  • EU-Richtlinie 2014/24/EU
  • Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – Vergabeportal

Hinweis: Die vorstehende Darstellung dient einer ersten Orientierung über den Begriff Öffentliche Aufträge und dessen rechtliche Einordnung. Für konkrete Einzelfälle sind die jeweiligen Regelungen und Umstände zu prüfen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Teilnahme an der Vergabe öffentlicher Aufträge berechtigt?

Zur Teilnahme an der Vergabe öffentlicher Aufträge sind grundsätzlich alle Unternehmen berechtigt, unabhängig von ihrer Rechtsform oder Größe, sofern sie die vom Auftraggeber festgelegten Eignungskriterien erfüllen. Diese umfassen Nachweise zur Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, die vom Bieter durch geeignete Unterlagen – etwa Referenzen, Nachweise über Personal und technische Ausstattung, Bescheinigungen über die Einhaltung arbeitsrechtlicher oder umweltrechtlicher Verpflichtungen – zu erbringen sind. Diskriminierende oder den Wettbewerb beschränkende Anforderungen des Auftraggebers sind unzulässig. Ferner dürfen Unternehmen nicht von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, es sei denn, sie erfüllen bestimmte Ausschlussgründe, wie z. B. schwere Verfehlungen, Insolvenz, Verstöße gegen das Kartellrecht oder die Nichtzahlung von Steuern und Sozialabgaben. Die Prüfung der Berechtigung erfolgt durch den Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung.

Wie läuft ein Vergabeverfahren rechtlich ab?

Das Vergabeverfahren unterliegt detaillierten gesetzlichen Vorgaben, insbesondere im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV), der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) oder der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Rechtskonform findet es regelmäßig in mehreren Stufen statt: Zunächst erfolgt die Bekanntmachung des Auftrags (z.B. über das Vergabeportal), anschließend die Angebotsabgabe der Bieter. Die Angebote werden nach formalen und materiellen Kriterien geprüft; unzulässige Angebote sind zwingend auszuscheiden. Im Anschluss erfolgen die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung des festgelegten Zuschlagskriteriums (meist der „wirtschaftlichste“ Anbieter) und schließlich die Zuschlagserteilung. Während des Verfahrens sind umfangreiche Transparenz-, Dokumentations- und Informationspflichten einzuhalten, insbesondere gegenüber den Bietern.

Welche Rechtschutzmöglichkeiten haben Bieter im Vergabeverfahren?

Bieter, die sich in ihren Rechten aus dem Vergaberecht verletzt sehen, haben die Möglichkeit, Rechtschutz vor der Vergabekammer des Bundes oder der Länder zu suchen, wobei die Zuständigkeit vom Auftragswert und der Auftragsart abhängt (oberhalb der EU-Schwellenwerte: GWB-Vergaberecht und Nachprüfungsverfahren; unterhalb der Schwellenwerte: eingeschränkter Primärrechtsschutz). Der Nachprüfungsantrag ist binnen 15 Tagen ab Kenntnis von der möglichen Rechtsverletzung zu stellen. Bereits im laufenden Vergabeverfahren können Bieter außerdem durch Rügen auf drohende Rechtsverstöße hinweisen („Rügeobliegenheit“). Bei Erfolg kann die Vergabekammer beispielsweise eine Wiederholung oder Korrektur des Vergabeverfahrens anordnen oder auch Schadenersatz zusprechen.

Welche Fristen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beachten?

Im Vergaberecht bestehen zahlreiche zwingende Fristen. Diese betreffen sowohl die Ausgestaltung der Verfahren durch den Auftraggeber als auch die Rechte und Pflichten der Bieter. Wesentlich sind insbesondere die Angebotsfristen (Angaben findet man in den Vergabeunterlagen), die Fristen zur Rüge von Vergaberechtsverstößen und die Fristen zur Stellung eines Nachprüfungsantrags vor der Vergabekammer. Zu beachten sind weiterhin die sogenannte „Stillhaltefrist“ zwischen der Information über die Zuschlagsentscheidung und der formalen Zuschlagserteilung sowie gesetzliche Informationsfristen gegenüber den unterlegenen Bietern. Verstöße gegen Fristen können zum Ausschluss des Angebots bzw. zum Verlust von Rechtschutzmöglichkeiten führen.

Welche Verpflichtungen bestehen bei der Dokumentation des Vergabeprozesses?

Der Auftraggeber ist gesetzlich verpflichtet, sämtliche wesentlichen Entscheidungen und Vorgänge des Vergabeverfahrens umfassend zu dokumentieren. Ziel ist die Herstellung von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und späterer Überprüfbarkeit durch Gericht oder Nachprüfungsinstanzen. Insbesondere sind die Gründe für die Auswahl oder den Ausschluss von Angeboten, die Wertung der Angebote, die Zuschlagsentscheidung, etwaige Rückfragen und die Kommunikation mit den Bietern schriftlich festzuhalten. Die Vergabedokumentation ist mindestens bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfristen (meist zehn Jahre) aufzubewahren und kann im Rahmen von Nachprüfungsverfahren zur Akteneinsicht angefordert werden.

Welche Haftungsrisiken bestehen für öffentliche Auftraggeber?

Öffentliche Auftraggeber haften insbesondere bei der Verletzung von Vergaberecht gegenüber Bietern, die durch die fehlerhafte Durchführung eines Vergabeverfahrens Schaden erleiden. Haftungsgrundlagen ergeben sich aus dem allgemeinen Zivilrecht (z. B. § 280 BGB), dem Staatshaftungsrecht sowie unmittelbar aus dem Kartell-Vergaberecht (§ 126 GWB). Schadensersatzansprüche setzen grundsätzlich den Nachweis eines Verschuldens und eines konkreten Schadens voraus. Darüber hinaus können, insbesondere bei schwerwiegenden Verfahrensverstößen (Diskriminierung, Intransparenz, unzulässige Auftragsänderungen), auch nachträgliche Änderungen des Vertrags oder eine vollständige Rückabwicklung drohen.

Dürfen die Vergabeunterlagen nach Angebotsabgabe noch geändert werden?

Nach Ablauf der Angebotsfrist besteht grundsätzlich ein striktes Änderungsverbot; Angebote dürfen weder nachträglich angepasst noch nachgereicht werden. Änderungen an den Vergabeunterlagen durch den öffentlichen Auftraggeber nach dem Start der Angebotsphase sind nur in engen Ausnahmefällen zulässig und erfordern in der Regel eine Verlängerung der Angebotsfrist oder, bei grundlegenden Änderungen, eine vollständige Neuausschreibung des Verfahrens. Ziel dieser Regelungen ist es, die Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten und Manipulationen oder Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Ein Verstoß kann zur Unwirksamkeit des Vergabeverfahrens führen.