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Öffentlich-rechtliche Entschädigung


Begriff und Grundlagen der Öffentlich-rechtlichen Entschädigung

Die öffentlicht-rechtliche Entschädigung bezeichnet einen in Gesetzen geregelten Ausgleichsanspruch für Vermögensnachteile, die einem Rechtsträger infolge hoheitlicher Maßnahmen entstehen. Sie stellt sicher, dass bei Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Rechte oder das Eigentum des Einzelnen, sofern diese Eingriffe zulässig sind, aber zu einem Sonderopfer führen, ein finanzieller Ausgleich gewährt wird. Öffentlich-rechtliche Entschädigungen sind vom Schadensersatzanspruch nach Privatrecht zu unterscheiden, da sie nicht auf einer Pflichtverletzung, sondern auf einem rechtmäßigen hoheitlichen Handeln beruhen.

Rechtsgrundlagen

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die zentrale verfassungsrechtliche Grundlage bildet Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), der im Rahmen der Enteignung einen angemessenen Ausgleich fordert. Daneben ergeben sich auch aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Gedanken von Treu und Glauben Entschädigungsansprüche für rechtsmäßige Eingriffe in das Eigentum oder in sonstige vermögenswerte Rechtspositionen.

Einfache gesetzliche Grundlagen

Öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche sind in einer Vielzahl von Einzelgesetzen geregelt, darunter insbesondere:

  • Bundesbodenschutzgesetz – Entschädigung bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (§ 24 BBodSchG)
  • Polizeigesetze der Länder – Ersatz von Schäden durch rechtmäßiges Handeln der Polizei
  • Infektionsschutzgesetz – Entschädigung für Verdienstausfälle und Eingriffe in Erwerbstätigkeit (§ 56 IfSG)
  • Baurechtliche Vorschriften wie das Baugesetzbuch (BauGB) – Entschädigungsansprüche bei Maßnahmen der Bodenordnung oder städtebaulichen Entwicklung

Zusätzlich gewährleisten besondere Sondergesetze in spezifischen Bereichen, etwa im Naturschutzrecht oder Wasserrecht, Entschädigungsansprüche bei rechtmäßigen Eingriffen.

Abgrenzung zu anderen Ansprüchen

Die öffentlich-rechtliche Entschädigung ist strikt abzugrenzen von:

  • Privatrechtlichen Schadensersatzansprüchen, die auf eine widerrechtliche Schädigung durch unerlaubte Handlung zurückgehen (§ 823 BGB).
  • Aufopferungsansprüchen aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG für rechtswidriges Verhalten der Amtswalter.
  • Enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff, bei denen zwar ebenfalls Ausgleichsansprüche bestehen, diese jedoch teilweise auf Richterrecht beruhen und unterschiedliche praktische Anwendungsbereiche haben.

Voraussetzungen und Anspruchsvoraussetzungen

Kausalität und Sonderopfer

Ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Entschädigung besteht nur, wenn

  • durch eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme
  • ein sogenanntes Sonderopfer entsteht, also eine Beeinträchtigung, die über das allgemeine Maß hinausgeht, das die Allgemeinheit zu tragen hat,
  • und dieses Opfer kausal durch die staatliche Maßnahme hervorgerufen wurde.

Formelle Voraussetzungen

Je nach Rechtsgrundlage kann die Geltendmachung des Anspruchs an bestimmte Fristen geknüpft sein; häufig ist ein schriftlicher Antrag erforderlich. Auch weitergehende Voraussetzungen wie die Mitwirkungspflicht der Betroffenen können das Entschädigungsverfahren beeinflussen.

Umfang der Entschädigung

Berechnung und Bemessung

Der Umfang der öffentlich-rechtlichen Entschädigung bestimmt sich regelmäßig nach dem tatsächlich erlittenen Vermögensnachteil. Dabei kann zwischen dem vollständigen Wertverlust einer Sache (Ersatz in Geld) oder der Kompensation des entgangenen Gewinns unterschieden werden. In Einzelfällen ist auch Naturalrestitution vorgesehen, etwa die Rückgabe identischer, beschlagnahmter Gegenstände.

Die Bemessung richtet sich häufig nach dem Verkehrswert (zum Beispiel beim Verlust von Grundstücken) beziehungsweise nach dem gemeinen Wert (§ 9 Bewertungsgesetz). Hinzu können Zinsansprüche für die Zeitspanne zwischen Eingriff und Entschädigungszahlung treten.

Besonderheiten im Vergleich zur Enteignung

Während die Entschädigung bei der Enteignung unmittelbar und grundsätzlich in voller Höhe zu leisten ist, können öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche je nach Gesetzeslage und Einzelfall Einschränkungen unterliegen, beispielsweise durch Abzug des gemeinen Wertes oder Anrechnung eigener Vorteile.

Verfahren und Rechtsweg

Antragstellung und Verwaltungsverfahren

Die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs erfordert in der Regel einen Antrag bei der zuständigen Verwaltungsbehörde. Über die Entschädigung wird durch Verwaltungsakt entschieden, gegen den betroffene Personen Widerspruch und anschließend Klage erheben können.

Gerichtliche Durchsetzung

Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Entschädigungen ist je nach Anspruchstyp das Verwaltungsgericht (§ 40 VwGO) oder das ordentliche Gericht zuständig. Im Bereich der Enteignungsentschädigung entscheidet häufig eine Enteignungskammer.

Verjährung

Die Ansprüche unterliegen den regulären Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder einschlägigen Sonderregelungen, die insbesondere im Bundesrecht häufig Sonderregelungen vorsehen.

Beispiele aus der Praxis

Typische Fälle öffentlich-rechtlicher Entschädigung sind:

  • Beschlagnahme von Gegenständen im Rahmen von Sicherstellungsverfahren
  • Schäden durch rechtmäßige polizeiliche Maßnahmen (z.B. Sachschäden bei einer Durchsuchung)
  • Nutzungsbeschränkungen durch naturschutzrechtliche Unterschutzstellungen
  • Verdienstausfall infolge hoheitlich angeordneter Quarantäne gemäß Infektionsschutzgesetz

Dogmatische und praktische Bedeutung

Die öffentlich-rechtliche Entschädigung ist ein zentrales Sicherungsinstrument im deutschen Staats- und Verwaltungsrecht. Sie gewährleistet den Ausgleich individueller Sonderopfer und trägt damit zur Akzeptanz staatlicher Eingriffe bei. Vor dem Hintergrund zunehmender staatlicher Steuerungsmaßnahmen, nicht zuletzt im Umweltrecht und Katastrophenschutz, gewinnt die öffentlich-rechtliche Entschädigung weiterhin an Bedeutung – sowohl aus Sicht der Betroffenen als auch der Verwaltung.

Literatur und weiterführende Links


Hinweis: Dieser Artikel bietet einen systematischen Überblick über das Thema „Öffentlich-rechtliche Entschädigung“ mit grundlegenden Informationen zu Anspruchsvoraussetzungen, Verfahren und gesetzlicher Ausgestaltung. Für Details zur Anwendung im Einzelfall sollten stets speziell die jeweiligen Normen und aktuellen Rechtsprechungen herangezogen werden.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Entschädigung?

Ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Entschädigung entsteht, wenn der Staat oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft durch rechtmäßiges hoheitliches Handeln Eigentumspositionen oder andere grundrechtlich geschützte Rechtspositionen eines Bürgers beeinträchtigt und dies über das zumutbare Maß hinausgeht, das im Allgemeininteresse hingenommen werden muss. Voraussetzung ist, dass keine anderen Ausgleichsmöglichkeiten wie Enteignungs- oder Schadensersatzansprüche bestehen und die Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit einem konkret zurechenbaren Eingriff steht. Das klassische Beispiel ist die sogenannte „enteignungsgleiche“ Maßnahme, bei der eine faktische Beeinträchtigung der Eigentumsnutzung erfolgt, ohne dass eine formale Enteignung durchgeführt wird. Darüber hinaus greift der Entschädigungsanspruch auch beim sogenannten enteignenden Eingriff, wenn ein rechtmäßiger hoheitlicher Akt unbeabsichtigt zu einer schädigenden Wirkung führt, die nach Art und Ausmaß nach allgemeinen Gerechtigkeitsgrundsätzen eine Entschädigung erforderlich erscheinen lässt.

Wie wird die Höhe der Entschädigung im öffentlich-rechtlichen Kontext ermittelt?

Die Höhe der öffentlich-rechtlichen Entschädigung richtet sich grundsätzlich nach dem durch die hoheitliche Maßnahme entstandenen Vermögensnachteil. Dabei ist regelmäßig der Wertverlust des betroffenen Eigentums oder der beeinträchtigten sonstigen Rechtsposition maßgeblich. Grundlage ist der sogenannte gemeine Wert, das heißt der Verkehrswert der Sache oder des Rechts vor und nach dem Eingriff. Es finden mitunter Parallelen zum Bewertungsmaßstab des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 249 ff. BGB) Anwendung. Außerdem sind Wertsteigerungen, welche durch die Maßnahme eintreten, anzurechnen. In besonderen Fällen sieht das Gesetz auch eine Naturalrestitution, also eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, vor, sofern dies möglich und zumutbar ist. Zinsen und zusätzliche Kosten können hinzugerechnet werden, insbesondere bei verzögerter Auszahlung.

Welche Verfahrensschritte sind bis zur Entschädigung zu durchlaufen?

Der Entschädigungsberechtigte muss zunächst einen Antrag auf Entschädigung bei der zuständigen Behörde oder vor dem zuständigen Gericht stellen, je nachdem, welche Verfahrensordnung einschlägig ist (z.B. Verwaltungsgerichtsordnung, Spezialgesetze). Im Antrag ist der Sachverhalt detailliert zu schildern und die erstmals geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung darzulegen. Die Behörde prüft anschließend die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs, fordert gegebenenfalls weitere Unterlagen an und erteilt schließlich einen Bescheid. Kommt es zu keiner Einigung über die Höhe oder die Berechtigung der Entschädigung, steht dem Betroffenen der Rechtsweg offen. In komplexeren Fällen kann ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Die gerichtlichen Verfahren orientieren sich an den allgemeinen Vorschriften der Verwaltungsprozessordnung.

Welche Rolle spielt die Zumutbarkeitsschwelle im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Entschädigung?

Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Entschädigung ist die Zumutbarkeitsschwelle ein zentrales Kriterium für das Entstehen eines Anspruchs. Maßgeblich ist, ob dem Betroffenen die entstandene Einbuße als Teil des allgemeinen Lebensrisikos oder des Gemeinwohls noch zugemutet werden kann oder ob sie außergewöhnlich schwer wiegt und daher ausgleichspflichtig ist. Die Schwelle wird von den Gerichten im Einzelfall unter Berücksichtigung der Umstände wie Art, Dauer und Ausmaß der Beeinträchtigung sowie des Verhältnisses zum öffentlichen Interesse beurteilt. Eine Bagatellgrenze gibt es nicht, aber geringfügige oder vorübergehende Beeinträchtigungen führen in der Regel nicht zu einem Entschädigungsanspruch.

Gibt es Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen für die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruchs?

Ja, für öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche gelten sowohl materielle Ausschluss- als auch Verjährungsfristen, die im Einzelfall nach den einschlägigen gesetzlichen Grundlagen variieren können. Oft ist eine Entschädigung nur dann zu leisten, wenn sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums, meist drei Jahre nach Kenntniserlangung von Schaden und Schädiger, schriftlich beantragt wird (§ 199 BGB gilt entsprechend). In besonderen Gesetzen (z.B. Baugesetzbuch für Enteignungen) sind zum Teil kürzere Fristen vorgesehen. Nach Ablauf der Frist ist der Anspruch ausgeschlossen, es sei denn, es liegen besondere Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor.

Welche Unterschiede bestehen zwischen öffentlich-rechtlicher Entschädigung und privatrechtlichem Schadensersatz?

Öffentlich-rechtliche Entschädigung und privatrechtlicher Schadensersatz unterscheiden sich wesentlich in ihren Voraussetzungen und Zielrichtungen. Während der Schadensersatz im Zivilrecht typischerweise an ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Schädigers anknüpft, zielt die öffentlich-rechtliche Entschädigung auf den Ausgleich rechtmäßiger, aber unverhältnismäßig belastender staatlicher Eingriffe ab, ohne dass ein Verschulden erforderlich ist. Die Entschädigung dient hier dem Interessenausgleich zwischen Allgemeinwohl und Individualinteresse, der Schadensersatz dagegen der Wiederherstellung des geschädigten Vermögensstatus. Die Anspruchsgrundlagen sind unterschiedlich und richten sich nach dem öffentlichen Recht bzw. dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

Welche Rechtsmittel stehen bei Streitigkeiten über die Höhe oder die Gewährung der Entschädigung zur Verfügung?

Im Falle eines Streits über die Höhe oder Gewährung der öffentlich-rechtlichen Entschädigung kann der Betroffene gegen den ablehnenden oder für zu niedrig erachteten Bescheid Widerspruch einlegen, sofern das jeweilige Sachrecht dies vorsieht. Bleibt der Widerspruch erfolglos oder ist ein Vorverfahren entbehrlich, kann Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Die Verwaltungsgerichte prüfen sowohl die Frage der Entschädigungspflicht als auch die Angemessenheit der Höhe. Neben der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kommen bei Streit um die Entschädigung auch die allgemeine Leistungsklage und gegebenenfalls einstweiliger Rechtsschutz in Betracht, falls Eilbedürftigkeit vorliegt.