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Oberstadtdirektor


Begriff und rechtliche Stellung des Oberstadtdirektors

Der Oberstadtdirektor ist eine Bezeichnung für ein kommunales Hauptverwaltungsamt, das vor allem in Nordrhein-Westfalen sowie teilweise in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verbreitet war. Der Oberstadtdirektor übernahm als Leiter der Stadtverwaltung die zentralen Verwaltungsaufgaben in kommunalen Gebietskörperschaften mit der Stadtverfassung nach dem Ratsmodell beziehungsweise später nach dem Doppelspitzenmodell. Das Amt ist historisch und rechtlich eng mit der Entwicklung des deutschen Kommunalrechts verbunden und wurde durch zahlreiche Gesetzesreformen verändert oder abgeschafft.

Historische Entwicklung

Ursprünge im Kommunalrecht

Das Amt des Oberstadtdirektors entstand im Zuge der Preußischen Gemeindeordnung von 1853 und wurde insbesondere durch die Deutschen Gemeindeordnungen des 19. und 20. Jahrhunderts weiterentwickelt. Die Position war vor allem für kreisfreie Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern vorgesehen, wobei die genaue Ausgestaltung landesrechtlich geregelt wurde.

Rechtslage in den Bundesländern

  • Nordrhein-Westfalen: Hier war der Oberstadtdirektor bis zur Kommunalrechtsreform 1994 der Hauptverwaltungsbeamte der kreisfreien Städte, während der Oberbürgermeister vornehmlich repräsentative Aufgaben übernahm.
  • Niedersachsen: Das Amt bestand bis in die 1990er Jahre und wurde dann im Zuge der Verwaltungsmodernisierung und der Einführung der Eingleisigkeit abgeschafft.
  • Auch in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt gab es entsprechende rechtliche Regelungen.

Mit den Kommunalverfassungsreformen wurde das Amt des Oberstadtdirektors in den meisten Bundesländern abgeschafft und durch das Amt des (stärkeren) hauptamtlichen Bürgermeisters bzw. Oberbürgermeisters ersetzt.

Aufgaben und Befugnisse

Verwaltungsleitung und Aufgabenbereich

Der Oberstadtdirektor war zentraler Verwaltungsleiter einer Stadtverwaltung. Sein Aufgabenbereich umfasste die folgende wesentliche Aspekte:

  • Leitung und Organisation der Stadtverwaltung: Der Oberstadtdirektor war für die sachgerechte, ordnungsgemäße und sparsame Erfüllung der Aufgaben der Kommunalverwaltung verantwortlich.
  • Implementierung und Vollzug von Ratsbeschlüssen: Als ausführendes Organ sorgte er für die Umsetzung der Beschlüsse des Stadtrates und überwachte deren ordnungsgemäße Durchführung.
  • Personalhoheit: Er war oberster Dienstvorgesetzter der Angestellten und Beamten der Stadtverwaltung.
  • Geschäftsführung und Vertretung: Nach außen vertrat der Oberstadtdirektor die Stadt im rechtsgeschäftlichen Bereich, sofern dies nicht dem repräsentativen Oberbürgermeister vorbehalten war.

Rechtsgrundlagen und Rechtsstellung

Kommunalverfassungsrecht

Die genaue Ausgestaltung des Amtes sowie die Aufgabenverteilung zwischen Oberstadtdirektor und Oberbürgermeister waren im jeweiligen Kommunalverfassungsrecht geregelt, insbesondere:

  • Gemeindeordnungen der Bundesländer (z. B. § 63 ff. GO NRW [alt])
  • Hauptsatzung der jeweiligen Stadt

Dienstrechtliche Stellung

Der Oberstadtdirektor war in der Regel ein Wahlbeamter auf Zeit und wurde vom Stadtrat für eine Amtszeit von sechs bis zwölf Jahren gewählt. Er unterlag dem Beamtenrecht und genoss, insbesondere bei Abwahl, einen weitreichenden Bestandsschutz sowie Pensionsansprüche analog anderer Wahlbeamter.

Abschaffung und Nachfolgeregelungen

Kommunalverfassungsreform

Mit der Kommunalverfassungsreform ab den 1990er Jahren wurde das Amt des Oberstadtdirektors in fast allen betroffenen Bundesländern abgeschafft:

  • Eingleisigkeit: Die Verwaltungs- und Repräsentationsfunktion wurden in der Person des hauptamtlichen Oberbürgermeisters zusammengelegt.
  • Stärkung der demokratischen Legitimation: Der Oberbürgermeister wird seitdem direkt von der Stadtbevölkerung gewählt.

Übergangs- und Auslaufregelungen

In vielen Städten wurde für die bisherigen Oberstadtdirektoren eine Übergangsregelung geschaffen, die deren Status während der laufenden Amtszeit regelte, teilweise mit fortbestehendem Recht auf Versorgung.

Bedeutende Rechtsquellen und Literatur

Wichtige Rechtsnormen

  • Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) [alte und neue Fassung]
  • Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) [vor Umstellung]
  • Kommunalverfassungsreformgesetze der Länder

Weiterführende Literatur

  • Erichsen/Ehlers: Kommunalrecht. 15. Aufl. 2022.
  • Ipsen: Allgemeines Verwaltungsrecht. 12. Aufl. 2023.
  • Oebbecke: Kommunalverfassungsrecht NRW. 7. Aufl. 2013.

Zusammenfassung

Das Amt des Oberstadtdirektors ist ein historisch bedeutsamer Bestandteil des deutschen Kommunalrechts und war über ein Jahrhundert hinweg prägend für das Verwaltungssystem großer Städte insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Die umfassenden Aufgaben und Befugnisse des Oberstadtdirektors machten ihn zum maßgeblichen Akteur der städtischen Verwaltung, ehe seine Funktionen im Zuge der Kommunalverfassungsreform auf das Amt eines demokratisch legitimierten und direkt gewählten Oberbürgermeisters übergingen. Das Amt ist damit insbesondere aus rechtshistorischer und verwaltungswissenschaftlicher Sicht relevant.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Bestellung und Abberufung des Oberstadtdirektors?

Die Bestellung und Abberufung des Oberstadtdirektors ist im Wesentlichen in den Gemeindeordnungen der jeweiligen Länder, insbesondere der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) beziehungsweise den entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer, festgelegt. Der Oberstadtdirektor wurde in vielen Bundesländern im Zuge der Kommunalreformen abgeschafft und seine Aufgaben auf den (Ober-)bürgermeister übertragen. Wo die Position noch besteht oder bestand, wurde der Oberstadtdirektor durch den Rat der Stadt für eine festgelegte Amtszeit (in der Regel acht Jahre) gewählt. Die Abwahl beziehungsweise Abberufung konnte in der Regel nur aus wichtigem Grund erfolgen und erforderte meist eine qualifizierte Mehrheit im Rat. Darüber hinaus konnte gegen bestandskräftige Beschlüsse auch im gerichtlichen Wege vorgegangen werden, etwa dahingehend, ob die Voraussetzungen für eine Abberufung vorlagen. Des Weiteren regeln die Gesetze Einzelheiten zu Amtsantritt, Ernennung (gegebenenfalls als Beamter auf Zeit), Vereidigung sowie Ansprüche auf Versorgung und etwaige Wiederbestellung. Im Falle der Abberufung aus politischen Motiven sahen die Gemeindeordnungen meist enge Grenzen zum Schutz der parteipolitischen Neutralität der Verwaltungsspitze vor.

Welche Aufgaben und Befugnisse ergeben sich für den Oberstadtdirektor ausschließlich aus gesetzlichen Vorgaben?

Der Oberstadtdirektor nimmt als Verwaltungschef die laufende Verwaltungsführung und die rechtmäßige Umsetzung der Ratsbeschlüsse als Pflichtaufgabe wahr. Er ist kraft Gesetzes für alle dem Rat vorbehaltenen Angelegenheiten an dessen Beschlüsse gebunden, während ihm in den Bereichen der laufenden Geschäfte eine eigenständige Verwaltungs- und Personalhoheit zukommt. Grundsätzlich ist der Oberstadtdirektor verantwortlich für die rechtskonforme Ausführung der Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften innerhalb des Geschäftsbereichs der Stadtverwaltung. Dazu zählt unter anderem die Anstellung, Versetzung und Entlassung des städtischen Personals (soweit nicht anders bestimmt), die Haushaltswirtschaft nach Maßgabe des jeweiligen Kommunalhaushaltsrechts sowie die Vertretung der Stadt in Rechts- und Verwaltungsgeschäften, sofern nicht eine andere Stelle durch Gesetze oder Satzung bestellt wird. Zudem trifft ihn eine umfassende Auskunfts- und Berichtspflicht gegenüber dem Rat und den Fachausschüssen.

Wie ist die rechtliche Stellung des Oberstadtdirektors im Verhältnis zum Stadtrat geregelt?

Rechtlich stellt der Oberstadtdirektor eine von der politischen Leitung des Rates weitgehend unabhängige Verwaltungsspitze dar. Seine Weisungsgebundenheit erstreckt sich nur auf die rechtmäßige Umsetzung der Beschlüsse und Vorgaben des Rates; in der laufenden Verwaltungsführung agiert er eigenständig und fachlich unabhängig. Die Gemeindeordnungen konkretisieren die Zusammenarbeit zwischen Rat und Oberstadtdirektor unter dem Grundsatz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts: Der Rat als Organ der politischen Willensbildung beschließt über Grundsatzfragen und Angelegenheiten der Kommunalpolitik, während der Oberstadtdirektor für die Ausführung und Verwaltung zuständig ist. In bestimmten Fällen ist er zur Rechtmäßigkeitseinwendung gegenüber dem Rat verpflichtet; erkennt er einen Ratsbeschluss als rechtswidrig, muss er Widerspruch einlegen oder auf rechtliche Klärung dringen, um die Einhaltung von Gesetz und Recht sicherzustellen.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die persönliche Qualifikation des Oberstadtdirektors?

Die Gemeindeordnungen und ergänzende landesrechtliche Vorschriften (z.B. das Beamtenrecht) definieren für die Bestellung des Oberstadtdirektors klare rechtliche Zugangsvoraussetzungen. Hierzu gehören in der Regel die Befähigung für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst (Laufbahnbefähigung), ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Rechtswissenschaft, Verwaltungswissenschaft oder eine gleichwertige Qualifikation. Das Auswahlverfahren ist auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ausgelegt und unterliegt dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) sowie dem Gebot der Bestenauslese. Die Bestellung erfolgt typischerweise als Beamter auf Zeit, mit den entsprechenden beamtenrechtlichen Pflichten, insbesondere zur Neutralität, Verschwiegenheit und uneigennützigen Amtsführung.

Welche rechtlichen Vorschriften gelten für die Entlastung und Verantwortlichkeit des Oberstadtdirektors?

Für die Entlastung des Oberstadtdirektors, insbesondere hinsichtlich der Haushaltsführung, bestehen detaillierte Regelungen: Die Entlastung erfolgt regelmäßig durch Beschluss des Rates nach Prüfung des Jahresabschlusses durch den Rechnungsprüfungsausschuss oder staatliche Stellen (etwa die Kommunalaufsicht). Rechtlich gesehen entbindet die Entlastung den Oberstadtdirektor nicht von der Haftung aus vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Fehlverhalten, sondern stellt lediglich eine Billigung der Amtsführung im geprüften Zeitraum dar. Die Verantwortlichkeit bezieht sich auf alle Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Amtsausübung; Verstöße können sowohl disziplinarrechtliche Folgen nach dem Beamtenrecht als auch zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen (z.B. bei Haushaltsuntreue, Korruption) haben.

Wie sind die Vertretungsbefugnisse des Oberstadtdirektors in juristischen Angelegenheiten geregelt?

Die Gemeindeordnung und ergänzende Verwaltungsvorschriften regeln, dass der Oberstadtdirektor die juristische Person „Stadt“ in sämtlichen Rechtsgeschäften und Verwaltungsverfahren vertritt, soweit nicht gesetzlich oder durch Hauptsatzung anderweitig bestimmt (z.B. durch Übertragung einzelner Befugnisse auf Dezernenten oder den Bürgermeister). Seine Vertretungsmacht umfasst sowohl die gerichtliche als auch die außergerichtliche Vertretung, etwa in Verträgen, Klageverfahren, Verwaltungsakten und hoheitlichen Maßnahmen. Beschränkungen können sich aus spezialgesetzlichen Regelungen ergeben, etwa bei besonderen Grundlagenverträgen oder im Bereich der Eigenbetriebe, wo der Rat oder spezifische Ausschüsse unmittelbar zuständig sein können.

Welche Pflichten hat der Oberstadtdirektor bei Rechtsverstößen innerhalb der Stadtverwaltung?

Erkennt der Oberstadtdirektor Pflichtverletzungen oder Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung, ist er verpflichtet, diese nach beamtenrechtlichen und spezialgesetzlichen Vorgaben zu verfolgen. Dazu gehören die unverzügliche Einleitung von Disziplinarverfahren gegen städtische Bedienstete, die Information des Rates und gegebenenfalls die Einbindung zuständiger Aufsichtsbehörden. Verstößt er selbst gegen rechtliche Normen, unterliegt er der Dienstaufsicht und haftet unter bestimmten Voraussetzungen persönlich für etwaige materielle oder immaterielle Schäden. Zudem ist er gehalten, bei strafrechtlich relevanten Sachverhalten Anzeige zu erstatten und interne Kontrollmechanismen zur Sicherstellung der Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen zu implementieren.