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Nutzungsherausgabe


Rechtsbegriff „Nutzungsherausgabe“ – Definition, Umfang und Bedeutung

Begriff und Einordnung der Nutzungsherausgabe

Unter der Bezeichnung „Nutzungsherausgabe“ versteht man ein zivilrechtliches Institut, das im Kontext des deutschen Privatrechts vor allem im Zusammenhang mit dem Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) und dem Eigentumsrecht von erheblicher Bedeutung ist. Die Nutzungsherausgabe verpflichtet den Besitzer, der einen Gegenstand unrechtmäßig oder ohne Rechtsgrund erlangt hat, nicht nur das Erlangte, sondern auch die daraus gezogenen Nutzungen an den Berechtigten herauszugeben. Die rechtlichen Grundlagen finden sich insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wobei diesem Rechtsinstitut eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von Verträgen, bei ungerechtfertigter Bereicherung, sowie im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses zukommt.

Rechtliche Grundlagen der Nutzungsherausgabe

Nutzungsherausgabe im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB)

Die zentrale Norm für die Nutzungsherausgabe im deutschen Recht stellt § 818 BGB dar:

  • § 818 Abs. 1 BGB verpflichtet denjenigen, der zur Herausgabe eines Gegenstandes aufgrund von Bereicherungsrecht (§ 812 BGB) verpflichtet ist, auch die Nutzungen herauszugeben, die er aus der Sache gezogen hat.
  • § 818 Abs. 2 BGB sieht eine Wertersatzpflicht für gezogene Nutzungen vor, wenn diese nicht mehr herausgegeben werden können.
  • Nach § 818 Abs. 3 BGB kann sich die Verpflichtung auf dasjenige beschränken, was noch vorhanden ist (Wegfall der Bereicherung), soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

Bedeutung der Nutzungsherausgabe im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 987 ff. BGB)

Bei unrechtmäßigem Besitz einer Sache durch einen Nichtberechtigten verpflichtet das Gesetz den Besitzer nach § 987 BGB zur Herausgabe der Nutzungen gegenüber dem Eigentümer. Auch im Rahmen von Besitzschutzansprüchen und bei Herausgabeansprüchen nach § 985 BGB ist die Nutzungsherausgabe ein zentrales Element. Insbesondere unterscheidet das Gesetz hierbei zwischen dem „redlichen“ und dem „unredlichen“ Besitzer.

Arten der Nutzungsherausgabe

Tatsächliche Nutzungsherausgabe

Die tatsächliche Nutzungsherausgabe bezieht sich auf die Herausgabe von Nutzungen materieller Art, die der Besitzer tatsächlich aus der Sache gezogen hat. Beispielsweise ist bei einer vermieteten Wohnung die erhaltene Miete als Gebrauchsnutzung herauszugeben.

Herausgabe von Surrogaten und Ersatzwerten

Kann die tatsächliche Nutzungsherausgabe nicht mehr erfolgen, etwa weil die gezogenen Nutzungen bereits verbraucht oder weiterveräußert wurden, so besteht ein Anspruch auf Herausgabe des Wertersatzes, d.h. des objektiven Wertes der gezogenen Nutzungen. Der Wertersatz ist nach den Grundsätzen von § 818 Abs. 2 BGB geschuldet.

Voraussetzungen der Nutzungsherausgabe

  1. Vorliegen eines Herausgabeanspruchs: Grundvoraussetzung ist ein entsprechender Anspruch, etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) oder Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 985 BGB).
  2. Ziehen von Nutzungen: Es müssen tatsächlich Nutzungen erlangt worden sein, etwa durch Vermietung, Verpachtung, Fruchtziehung oder Gebrauch.
  3. Rechtsgrundlosigkeit oder Unrechtmäßigkeit: Die Nutzungsherausgabe setzt bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen voraus, dass kein Rechtsgrund (bspw. wirksamer Vertrag) für das Erlangen der Sache vorliegt beziehungsweise ein Besitzrecht fehlt.

Begriff der „Nutzung“ im Sinn der Nutzungsherausgabe

Unter dem Begriff „Nutzung“ versteht das BGB gemäß § 100 BGB den Gebrauch einer Sache und die Fruchtziehung, das heißt die Erträge oder „Früchte“, die eine Sache abwirft. Dazu zählen sowohl natürliche als auch zivilrechtliche Früchte (beispielsweise Mieteinnahmen, Zinsen).

Unterschiede zwischen redlichem und unredlichem Besitzer

Das Gesetz differenziert bei der Pflicht zur Nutzungsherausgabe zwischen redlichem und unredlichem Besitzer:

  • Redlicher Besitzer (§ 988 BGB): Muss Nutzungen grundsätzlich nur bei einer Herausgabepflicht nach Rechtshängigkeit des Anspruchs oder bei bösgläubiger Besitzverschaffung herausgeben.
  • Unredlicher Besitzer (§ 987 BGB): Ist zur umfassenden Herausgabe sämtlicher tatsächlich gezogenen Nutzungen verpflichtet, auch rückwirkend ab dem Zeitpunkt, an dem er Besitz erlangte.

Grenzen und Ausschlüsse der Nutzungsherausgabe

Die Nutzungsherausgabe ist in bestimmten Fällen ausgeschlossen oder beschränkt, beispielsweise durch:

  • Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB), falls der Bereicherte nicht mehr im Umfang der Nutzungen bereichert ist und diese verbraucht hat, ohne dadurch etwas erspart oder erlangt zu haben.
  • Verjährung des Anspruchs (§§ 195, 199 BGB), sofern der Herausgabeanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht wird.

Praktische Relevanz der Nutzungsherausgabe

Die Nutzungsherausgabe spielt insbesondere bei der Rückabwicklung gescheiterter oder angefochtener Verträge, der Rückgabe von widerrechtlich besessenen Gegenständen, bei Restitutionsansprüchen und bei Grundstücksangelegenheiten eine erhebliche Rolle. Auch im Bereich der Geschäftsunfähigen- und Minderjährigenrechte sowie bei der Herausgabe im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen kann eine Pflicht zur Nutzungsherausgabe relevant werden.

Steuerrechtliche und praktische Auswirkungen

Auch aus steuerrechtlicher Sicht kann die Nutzungsherausgabe Bedeutung haben, beispielsweise im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von Verträgen oder der Zurechnung von Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Hierbei ist die Differenzierung zwischen Nutzungseinkünften und Kapitalerträgen von zentraler Bedeutung.

Zusammenfassung

Die Nutzungsherausgabe ist ein elementarer Bestandteil des deutschen Zivilrechts und dient dazu, ungerechtfertigte Bereicherungen möglichst umfassend auszugleichen und den Zustand wiederherzustellen, der ohne die rechtsgrundlose Vorteilsverschaffung bestehen würde. Die differenzierte Behandlung abhängig vom Erwerbsgrund und Besitzstand spiegelt die Vielschichtigkeit des zivilrechtlichen Bereicherungs- und Sachenrechts wider. Die genaue Kenntnis der Voraussetzungen, Umfangs und Grenzen der Nutzungsherausgabe ist für die Durchsetzung und Abwehr entsprechender Ansprüche im Rechtsalltag von großer Relevanz.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet?

Zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen ist grundsätzlich derjenige verpflichtet, der eine Sache oder ein Recht unrechtmäßig innehat oder erhält. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen eine Rückabwicklung von Verträgen stattfindet, beispielsweise nach einer erfolgreichen Anfechtung, dem Rücktritt vom Vertrag oder im Rahmen eines Widerrufs. Der Anspruch auf Nutzungsherausgabe folgt häufig aus den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB (Bereicherungsrecht) sowie aus § 346 Abs. 1 BGB im Rücktrittsfall. Die Verpflichtung erstreckt sich dabei auf alle tatsächlich gezogenen Nutzungen, unabhängig davon, ob diese durch Gebrauch, Mieteinnahmen, Zinsen oder sonstige Erträge erzielt wurden. Auch der gutgläubige Besitzer kann zur Herausgabe verpflichtet werden, sobald er vom Mangel seines Besitzrechts Kenntnis erhält.

Welche Nutzungen müssen im Rahmen der Herausgabe ersetzt werden?

Im Rahmen der Herausgabe müssen sämtliche Nutzungen herausgegeben werden, die durch die Nutzung der Sache oder des Rechts tatsächlich gezogen wurden. Dies umfasst insbesondere Gebrauchsvorteile (z.B. Ersparnisse durch die Nutzung eines Gerätes), erhaltene Zinsen, Mieterträge oder sonstige Früchte, die der Sache nach dem wirtschaftlichen Prinzip zugeordnet werden können. Bei Geldbeträgen zählt dazu der sogenannte Nutzungsersatz, wobei Zinsen in Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen oder der mittlerweile aufgelaufenen Tagesgeldzinsen angesetzt werden können. In bestimmten Fällen kann der Anspruch auch eine fiktive Nutzungsentschädigung umfassen, insbesondere wenn eine tatsächliche Nutzung zwar nicht nachgewiesen werden kann, aber typischerweise angefallen wäre.

Wann beginnt und wann endet die Verpflichtung zur Nutzungesherausgabe?

Die Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, zu dem der Besitzer oder Leistungsempfänger die Sache oder das Recht erhält. Im Falle einer Rückabwicklung nach Vertragsschluss ist dies in der Regel der Tag der Übergabe. Die Pflicht zur Herausgabe endet grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem die Sache oder das Recht zurückgewährt beziehungsweise restituiert wird. Erhält der Besitzer Kenntnis vom fehlenden Recht zum Besitz, erweitert sich unter Umständen der Umfang der Herausgabepflichten, insbesondere im Hinblick auf die Herausgabe weitergehender Nutzungsvorteile.

Wie erfolgt die Berechnung des Nutzungsersatzes?

Die Berechnung des Nutzungsersatzes richtet sich nach dem wirtschaftlichen Vorteil, den der Nutzer aus der Sache gezogen hat. Das können reale Einnahmen, wie Mieteinnahmen oder Zinserträge, sein oder aber fiktive Nutzungsvorteile wie die Höhe einer ortsüblichen Miete oder die übliche Vergütung für die Nutzung entsprechender Gegenstände. Im Bereich des Widerrufs von Verbraucherverträgen wird oftmals auf eine marktübliche Verzinsung abgestellt, die als Referenz dient, wenn keine konkreten Erträge nachweisbar sind. Die Nutzungsdauer und die Intensität der Nutzung spielen dabei für die Höhe des Anspruchs eine maßgebliche Rolle. Im Streitfall trägt der Herausgabepflichtige die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die gezogenen Nutzungen geringer waren als angenommen.

Kann die Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe ausgeschlossen werden?

Ein Ausschluss der Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe ist rechtlich grundsätzlich nur in Ausnahmefällen möglich. Insbesondere wenn der Erwerber in gutem Glauben und ohne Verschulden handelt oder keinerlei Nutzungen gezogen hat, kann die Verpflichtung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entfallen, sofern der Herausgabepflichtige entreichert ist. Im Rahmen der Vertragsparteien können im Vertrag individuelle Regelungen getroffen werden, die die Herausgabepflicht einschränken oder modifizieren, allerdings sind solche Einschränkungen im Verbraucherschutzrecht oft nichtig oder nur eingeschränkt zulässig.

Welche besonderen Regelungen gelten im Fall des Widerrufs von Verbraucherverträgen?

Beim Widerruf von Verbraucherverträgen gelten spezifische Regelungen gemäß §§ 355 ff. BGB. Grundsätzlich ist der Verbraucher verpflichtet, bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren sowie gezogene Nutzungen herauszugeben. Allerdings sieht § 357 Abs. 7 BGB eine Einschränkung vor: Die Verpflichtung zum Wertersatz und zur Herausgabe der Nutzung kann bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Sache teilweise entfallen, insbesondere wenn der Verbraucher vor Widerruf über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Außerdem kann die Herausgabe von Nutzungen durch pauschale Wertersatzregelungen ersetzt werden, wenn eine genaue Abrechnung nicht möglich ist oder die Nutzungen nicht konkret beziffert werden können.

Welche Rolle spielt die Entreicherung bei der Nutzungsherausgabe?

Die sogenannte Entreicherung ist in § 818 Abs. 3 BGB geregelt. Sie kann die Verpflichtung zur Herausgabe gezogener Nutzungen begrenzen oder entfallen lassen, wenn der Empfänger einer Leistung oder Sache nicht mehr bereichert ist, das heißt, wenn die Vorteile, die er aus der Nutzung gezogen hat, nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind. Diese Vorschrift greift jedoch nur, wenn der Empfänger gutgläubig war und keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Sobald jedoch Kenntnis vom Fehlen eines Rechtsgrundes besteht oder der Besitz bösgläubig erfolgt, besteht die volle Herausgabepflicht auch für gezogene und eventuell noch fiktive Nutzungen.

Müssen auch negative Nutzungen, wie etwa Abnutzung oder Wertverlust, erstattet werden?

Die Pflicht zur Nutzungsherausgabe bezieht sich ausschließlich auf gezogene, also positive Nutzungen. Abnutzungen, Gebrauchsspuren oder Wertminderungen der Sache werden nicht als Nutzungen im rechtlichen Sinne betrachtet, sondern sind ggf. im Rahmen des Wertersatzes getrennt zu berücksichtigen. Hat der Benutzer während des Besitzes die Sache verschlechtert oder beschädigt, kommt zusätzlich eine Ersatzpflicht für die Verschlechterung nach § 346 Abs. 2 BGB in Betracht. Der Wertersatz wegen Abnutzung und Verschleiß wird dann parallel zur Herausgabe der Nutzungen oder dem Nutzungsersatz gefordert und berechnet sich meist nach dem Zeitwert oder der Differenz zwischen Anfangs- und Endwert der Sache.