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Nutzungen

Begriff und Grundgedanke der Nutzungen

Unter Nutzungen versteht man im rechtlichen Sinn die Vorteile, die aus einer Sache oder einem Recht gezogen werden können. Dazu zählen sowohl körperliche Erträge (zum Beispiel Ernten oder Nachwuchs von Tieren) als auch wirtschaftliche Vorteile durch den Gebrauch (etwa die Verwendung eines Autos) sowie laufende Erträge, die rechtlich vermittelt sind (beispielsweise Mieten, Pachten oder Zinsen). Der Begriff ordnet, wem diese Vorteile zustehen, wie sie zu behandeln sind und unter welchen Voraussetzungen sie herauszugeben oder zu ersetzen sind.

Nutzungen haben eine doppelte Funktion: Sie beschreiben zum einen den tatsächlichen Mehrwert, der aus einer Sache oder einem Recht gewonnen wird, und zum anderen dienen sie als Anknüpfungspunkt für Ausgleichs- und Herausgabeansprüche, wenn Nutzungen ohne rechtlichen Grund erlangt wurden oder rückabzuwickeln sind.

Arten von Nutzungen

Natürliche Früchte (Sachfrüchte)

Natürliche Früchte sind körperliche Erträge einer Sache, die aus ihrer Bestimmung heraus regelmäßig gewonnen werden. Beispiele sind die Ernte von Feldern, Obstbäumen oder die Milch und Nachzucht von Tieren. Diese Erträge werden im Rahmen eines ordnungsgemäßen Wirtschaftsablaufs gewonnen, ohne die Sache selbst zu verbrauchen.

Zivilfrüchte (rechtliche Früchte)

Zivilfrüchte sind Erträge, die rechtlich vermittelt aus einer Sache oder einem Recht fließen. Hierzu zählen insbesondere Mieten und Pachten, aber auch die Nutzungserträge aus der Überlassung von Rechten. Es handelt sich um regelmäßige wirtschaftliche Vorteile, die aufgrund eines schuldrechtlichen Verhältnisses zufließen.

Gebrauchsvorteile (Nutzungswert)

Gebrauchsvorteile sind die wirtschaftlich messbaren Vorteile aus der Nutzung einer Sache, ohne dass ein äußerer Ertrag entsteht. Wer etwa ein Fahrzeug nutzt, zieht einen Gebrauchsvorteil, selbst wenn kein Entgelt gezahlt wird. Dieser Vorteil lässt sich häufig über ersparte Kosten (zum Beispiel ersparte Mietkosten) oder über den Marktwert der Nutzung (zum Beispiel übliche Miete) bestimmen.

Geld und Nutzungen

Auch Geld hat Nutzungen. Regelmäßig zählen Zinsen zu den Nutzungen von Geld. Darüber hinaus können ersparte Aufwendungen – etwa wenn jemand fremdes Geld Verwendungsvorteile verschafft – als Nutzungsvorteil gesehen werden, wenn dieser Vorteil wirtschaftlich messbar ist.

Entstehung und Zuordnung der Nutzungen

Eigentum und Besitz

Eigentümer

Grundsätzlich stehen die Nutzungen einer Sache dem Eigentümer zu. Er darf die Sache selbst nutzen, Erträge daraus ziehen oder die Nutzung entgeltlich überlassen. Er kann die Ziehung von Nutzungen auch Dritten einräumen, etwa durch Miet-, Pacht- oder Nießbrauchsverträge.

Besitzende Personen

Nutzungen können auch von Personen gezogen werden, die nicht Eigentümer sind. Ob und in welchem Umfang diese Nutzungen behalten werden dürfen, hängt davon ab, ob der Besitz rechtmäßig ist. Wer die Sache mit Zustimmung des Eigentümers innehat (zum Beispiel Mieter oder Pächter), ist zur Nutzung berechtigt. Wer im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit besitzt, kann unter Umständen gezogene Nutzungen behalten, während bei erkennbar fehlender Berechtigung eine Herausgabepflicht besteht, die auch mögliche, aber nicht gezogene Nutzungen erfassen kann.

Berechtigungen Dritter: Miete, Pacht, Nießbrauch

Miete

Bei der Miete wird der Gebrauch einer Sache gegen Entgelt überlassen. Die Mietzahlungen sind Zivilfrüchte, die dem Vermietenden als Nutzungen der Sache zufließen. Der Mietende zieht die Gebrauchsvorteile aus der Sache im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs.

Pacht

Die Pacht umfasst neben dem Gebrauch auch das Recht, die Früchte zu ziehen, etwa bei landwirtschaftlichen Flächen oder Betrieben. Der Pächter erlangt die natürlichen Früchte und kann wirtschaftliche Erträge aus dem Betrieb ziehen; das Pachtentgelt stellt die Zivilfrucht für die Verpächterseite dar.

Nießbrauch

Der Nießbrauch gewährt einer Person das umfassende Recht, die Nutzungen einer Sache oder eines Rechts zu ziehen, ohne Eigentümer zu sein. Dies umfasst die natürlichen Früchte, die Zivilfrüchte und die Gebrauchsvorteile, soweit nichts anderes vereinbart ist. Der Nießbrauch ist typischerweise auf Dauer angelegt und kann belastungsabhängige Pflichten enthalten.

Herausgabe und Ersatz von Nutzungen

Rückabwicklung von Verträgen

Werden Verträge rückgängig gemacht – etwa durch Rücktritt, Anfechtung oder Widerruf – sind bereits gezogene Nutzungen herauszugeben oder zu ersetzen. Dies betrifft zum Beispiel Gebrauchsvorteile aus überlassenen Sachen oder Zinsen aus erhaltenem Geld. Ziel ist die Rückversetzung der Beteiligten in den Zustand, der bestünde, wenn der Vertrag nicht durchgeführt worden wäre.

Eigentumsherausgabe und Besitzschutz

Bei der Herausgabe einer Sache kann neben der Sache selbst auch die Herausgabe der gezogenen Nutzungen verlangt werden. Ob darüber hinaus Nutzungen zu ersetzen sind, die hätten gezogen werden können, richtet sich danach, ob die besitzende Person erkennbar unberechtigt war. Je nach Fallgestaltung können zudem Aufwendungen der besitzenden Person gegenübergestellt werden.

Ungerechtfertigte Bereicherung

Wer Nutzungen ohne rechtlichen Grund erlangt, ist grundsätzlich zur Herausgabe verpflichtet. Ist die Herausgabe in natura nicht möglich, kommt ein Wertersatz in Betracht. Maßgeblich ist dabei der objektive Wert der Nutzung, nicht der subjektive Vorteil im Einzelfall.

Verjährung und Nachweis

Ansprüche auf Herausgabe oder Ersatz von Nutzungen unterliegen Fristen. Die genaue Dauer richtet sich nach der Anspruchsart. Für die Durchsetzung spielt der Nachweis der Nutzungshöhe eine zentrale Rolle. Üblich sind Schätzungen anhand von Marktpreisen, Mieten, Pachtwerten oder Zinssätzen.

Bewertung von Nutzungen

Realisierte und fiktive Nutzungen

Realisierte Nutzungen sind tatsächlich gezogene Erträge oder Gebrauchsvorteile. Fiktive Nutzungen sind Vorteile, die bei ordnungsgemäßer Nutzung hätten erzielt werden können. Ob fiktive Nutzungen zu ersetzen sind, hängt von der Berechtigungslage und dem Verschuldensgrad ab.

Methoden der Wertermittlung

Die Wertermittlung orientiert sich regelmäßig an objektiven Maßstäben:

  • Vergleich mit marktüblichen Mieten, Pachtpreisen oder Lizenzsätzen
  • Berechnung ersparter Aufwendungen (zum Beispiel ersparte Mietkosten)
  • Ansätze aus der Ertragswertbetrachtung bei dauerhaften Rechten
  • Schätzung anhand von Nutzungsdauer, Abnutzung und Intensität der Nutzung

Besonderheiten bei Geldnutzungen

Bei Geld werden Zinsen häufig als Maßstab genutzt. Je nach Lage kann auch der Nutzen aus der Möglichkeit, über das Geld zu verfügen, durch marktübliche Zinssätze oder ersparte Finanzierungskosten abgebildet werden.

Nutzungen im Verhältnis zu Schäden und Aufwendungen

Vorteilsausgleichung

Erhält eine Person durch ein schädigendes Ereignis Vorteile (zum Beispiel Nutzungsvorteile), kann eine Anrechnung auf Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. Entscheidend ist, ob der Vorteil mit dem Schaden adäquat zusammenhängt und zumutbar auszugleichen ist.

Aufwendungsersatz vs. Nutzungsersatz

Manchmal stehen Nutzungsansprüche den Aufwendungen gegenüber, die jemand für die Sache getätigt hat. In solchen Konstellationen erfolgt eine Abwägung: Nutzungen können herauszugeben sein, während angemessene Aufwendungen ersatzfähig sind. Maßgeblich ist die Berechtigungslage und die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen.

Abgrenzungen

Besitzvorteil vs. Nutzung

Nicht jeder Besitzvorteil ist eine Nutzung. Reine Verwahrung ohne Gebrauch löst keine Gebrauchsvorteile aus. Erst wenn die Sache im eigenen Interesse verwendet wird oder Erträge fließen, liegt eine Nutzung vor.

Früchte, Erzeugnisse und Bestandteile

Früchte sind regelmäßig wiederkehrende Erträge, die aus der Bestimmung der Sache heraus entstehen. Erzeugnisse können auch einmalige Hervorbringungen umfassen. Bestandteile sind fest mit der Sache verbundene Elemente; sie sind keine Nutzungen, sondern Teil der Sache selbst.

Praktische Beispiele

Wird eine Wohnung vermietet, sind die Mieteinnahmen die Zivilfrüchte der Immobilie. Der Mietende zieht während der Mietzeit die Gebrauchsvorteile der Wohnung. Bei einem landwirtschaftlichen Pachtvertrag darf der Pächter ernten; die Ernte sind natürliche Früchte. Nutzt jemand ein Fahrzeug über einen längeren Zeitraum, entspricht der Vorteil oft der objektiven Marktmiete für ein vergleichbares Fahrzeug. Bei Geldbeträgen spiegeln marktübliche Zinsen häufig den Nutzungsvorteil wider.

Häufig gestellte Fragen

Was versteht man rechtlich unter Nutzungen?

Nutzungen sind die Vorteile, die aus einer Sache oder einem Recht gezogen werden. Dazu gehören natürliche Früchte (zum Beispiel Ernten), Zivilfrüchte (zum Beispiel Mieten, Pachten, Zinsen) und Gebrauchsvorteile (zum Beispiel der wirtschaftliche Wert der Nutzung eines Autos).

Wer darf die Nutzungen ziehen?

Regelmäßig stehen die Nutzungen dem Eigentümer zu. Nutzungen können aber auch Dritte ziehen, wenn ihnen entsprechende Rechte eingeräumt wurden (zum Beispiel Miete, Pacht, Nießbrauch). Wer ohne Berechtigung nutzt, kann zur Herausgabe oder zum Ersatz verpflichtet sein.

Sind Zinsen Nutzungen?

Ja. Zinsen gelten als Nutzungen von Geld. Sie spiegeln den wirtschaftlichen Vorteil wider, der aus der Überlassung oder Verwendung von Geld entsteht.

Müssen Nutzungen herausgegeben werden, wenn eine Sache zurückzugeben ist?

In vielen Fällen ja. Neben der Sache selbst sind auch gezogene Nutzungen herauszugeben. Je nach Fall können zudem Nutzungen zu ersetzen sein, die bei ordnungsgemäßer Nutzung hätten erzielt werden können.

Was unterscheidet Miete, Pacht und Nießbrauch im Hinblick auf Nutzungen?

Bei der Miete wird der Gebrauch einer Sache gegen Entgelt überlassen, die Miete ist Zivilfrucht. Die Pacht umfasst zusätzlich die Berechtigung, Früchte zu ziehen (zum Beispiel Ernte, Betriebserträge). Der Nießbrauch gewährt umfassende Nutzungsrechte an einer Sache oder einem Recht, ohne Eigentum zu übertragen.

Wie werden Nutzungen bewertet?

Die Bewertung erfolgt in der Regel nach objektiven Maßstäben, etwa marktüblichen Mieten, Pachtpreisen, Zinssätzen, ersparten Aufwendungen oder anhand von Schätzungen zur Nutzungsdauer und Intensität.

Was passiert mit Nutzungen, wenn die Sache zerstört wird?

Bereits gezogene Nutzungen bleiben als eigenständige Vorteile bestehen und können herausgabepflichtig sein. Künftige Nutzungen entfallen mit dem Untergang der Sache. Weitere Ausgleichsansprüche richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Muss man auch nicht gezogene, aber mögliche Nutzungen ersetzen?

Das kann der Fall sein, insbesondere wenn die Nutzung ohne Berechtigung erfolgte und erkennbar war. In solchen Konstellationen kann der Ersatz auch fiktiver, bei ordnungsgemäßer Nutzung erzielbarer Vorteile verlangt werden.