Begriff und Begriffsgeschichte der Nutzungen
Der Begriff „Nutzungen“ ist ein zentraler Rechtsbegriff im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Sachenrecht. Er bezeichnet Erträge, Vorteile oder Gebrauchsvorteile, die aus einer Sache oder einem Recht gezogen werden können. Die Nutzungen sind von zentraler Bedeutung für verschiedene Rechtsinstitute, etwa beim Eigentum, Nießbrauch, Besitz, dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sowie im Schuldrecht und im Erbrecht. Ihre gesetzliche Definition sowie die Unterscheidung unterschiedlicher Formen der Nutzungen finden sich in den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere in §§ 100 ff. BGB.
Gesetzliche Definition
Gemäß § 100 BGB sind „Nutzungen die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt.“ Die rechtliche Einordnung der Nutzungen spielte schon seit der Kodifikation des römischen Rechts eine Rolle und wurde dann im BGB umfassend geregelt.
Früchte und Gebrauchsvorteile
Natürliche und zivile Früchte
Die Nutzungen unterteilen sich in zwei Hauptkategorien:
- Natürliche Früchte (§ 99 Abs. 1 BGB): Hierbei handelt es sich um Erzeugnisse einer Sache, die aus deren bestimmungsgemäßem Gebrauch gewonnen werden, etwa Obst eines Obstbaumes, Holz aus einem Forst oder die Milch von Kühen. Eine Sache gibt natürliche Früchte gemäß ihrer Bestimmung von sich.
- Zivile Früchte (§ 99 Abs. 3 BGB): Diese umfassen Erträge, die auf Grundlage eines Rechtsverhältnisses erzielt werden. Das klassische Beispiel ist die Mieteinnahme aus der Vermietung einer Sache oder Pachtzinsen aus der Vermietung eines Grundstücks.
Gebrauchsvorteile
Von den Früchten zu unterscheiden sind Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB). Diese bestehen in dem Vorteil, den der unmittelbare Gebrauch einer Sache oder eines Rechts gewährt. So ist beispielsweise die Wohnnutzung einer gemieteten Wohnung ein Gebrauchsvorteil.
Rechtliche Bedeutung der Nutzungen
Eigentum und Besitz
Trennung von Eigentum und Besitz
Die Nutzungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Zuordnung von Eigentum und Besitz. Im deutschen Recht werden Besitzer und Eigentümer unterschieden. Wer die Sache besitzt, ist nicht zwangsläufig ihr Eigentümer. Die Frage, wem aus einer Sache gezogene Nutzungen zustehen, ist insbesondere bei der Trennung von Besitz und Eigentum wesentlich (§ 987 ff. BGB).
Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen
Der Eigentümer einer Sache kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Besitzer Herausgabe der gezogenen Nutzungen verlangen, insbesondere wenn der Besitzer nicht zum Besitz berechtigt ist (§§ 987, 988, 990 BGB). Dabei umfasst der Herausgabeanspruch nicht nur bereits gezogene natürliche Früchte, sondern auch zivile Früchte (z.B. Mietzahlungen) und Gebrauchsvorteile (Nutzungsersatz).
Nießbrauch
Das Recht des Nießbrauchs (§§ 1030 ff. BGB) räumt einer Person das Recht ein, Nutzungen aus einer fremden Sache oder einem fremden Recht zu ziehen, ohne ihr Eigentümer zu sein. Der Nießbraucher darf sämtliche Nutzungen aus der Sache ziehen, ist jedoch zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und zur Erhaltung der Sache verpflichtet.
Schuldrechtliche Bedeutung
Im Schuldrecht sind Nutzungen oft Gegenstand von Leistungs- und Schadensersatzpflichten. Wird ein Gegenstand etwa mangelhaft geliefert und der Käufer zieht in der Zwischenzeit Nutzungen, so kann im Falle eines Rücktritts ein Wertersatz für die gezogenen Nutzungen geschuldet sein (§§ 346, 347 BGB).
Erbrechtliche Relevanz
Im Erbrecht sind Nutzungen etwa dann relevant, wenn Erben vorab Zuwendungen erhalten haben und diese beim Pflichtteilsanspruch anzurechnen sind (§ 2315 BGB). Ebenfalls von Bedeutung ist die Nutzung des Nachlasses zwischen Eröffnung des Erbfalls und der Auseinandersetzung.
Unterscheidung von Nutzungen zu anderen Rechtsbegriffen
Gebrauch, Verbrauch und Sachfrüchte
Der rechtliche Begriff der Nutzungen ist von dem reinen Gebrauch einer Sache (der meist durch Besitz vermittelt wird) und vom Verbrauch abzugrenzen, beispielsweise bei Verbrauchsgütern. Natürliche Früchte sind abzugrenzen von den sogenannten Sachfrüchten, die Substanzbestandteile der Sache sein können, jedoch als Erzeugnisse betrachtet werden.
Nutzung von Rechten
Nicht nur Sachen, sondern auch Rechte können Nutzungen abwerfen. Beispielsweise können aus dem Recht an einer Erfindung Lizenzeinnahmen als zivile Frucht und damit als Nutzung resultieren.
Steuerrechtliche Aspekte
Im Steuerrecht sind die aus Sachen und Rechten gezogenen Nutzungen, insbesondere zivile Früchte (Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Zinsen), üblicherweise einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig.
Internationale Bezüge
Während der Begriff der Nutzungen typisch für kontinentaleuropäische Rechtsordnungen ist, existieren im anglo-amerikanischen Rechtskreis vergleichbare Konstruktionen (beispielsweise „profits“ oder „rents and profits“). Die Detailregelungen weichen jedoch teils erheblich voneinander ab.
Zusammenfassung
Der Begriff „Nutzungen“ ist im deutschen Recht weitreichend geregelt und betrifft zahlreiche Lebensbereiche: von der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen über die Vermietung von Wohnraum bis zur Erbfolge oder Ausgestaltung von Sicherungsrechten. Er kennzeichnet sämtliche Vorteile, die aus dem Gebrauch, Fruchtziehung oder der Verwertung von Sachen und Rechten herrühren. Wer Nutzungen in Anspruch nimmt, ist regelmäßig verpflichtet, diese im Rahmen gesetzlicher Vorgaben herauszugeben oder deren Wert zu ersetzen, sofern er hierzu nicht berechtigt ist. Die detaillierte Dogmatik sichert Rechtssicherheit und ein ausgewogenes Interessengeflecht zwischen Eigentümern, Besitzern und Dritten.
Häufig gestellte Fragen
Wann spricht man im rechtlichen Kontext von einer erlaubten Nutzung eines Werkes?
Im rechtlichen Kontext wird von einer erlaubten Nutzung eines Werkes gesprochen, wenn für die konkrete Nutzungsart entweder eine ausdrückliche Einwilligung (Lizenz) des Rechtsinhabers erteilt wurde oder eine gesetzliche Schranke des Urheberrechts, wie beispielsweise das Zitatrecht (§ 51 UrhG) oder die Privatkopie (§ 53 UrhG), greift. Dabei ist die Art und Weise der Nutzung entscheidend: Sie muss dem erteilten Recht oder der gesetzlich eingeräumten Befugnis exakt entsprechen. Jegliche Nutzung, die darüber hinausgeht, gilt als rechtswidrig und kann Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Ebenso ist zu beachten, dass häufig spezielle Regelungen für verschiedene Werkarten (z.B. Musik, Literatur, Software) sowie gesonderte Regelungen für Onlinenutzungen und Vervielfältigungen existieren. Eine erlaubte Nutzung liegt jedoch nicht allein durch den Erwerb eines Werkes (z.B. Buchkauf) vor – erforderlich ist stets eine Prüfung der Nutzungsrechte in Bezug auf den jeweiligen Verwendungszweck und die äußeren Umstände.
Welche Unterschiede bestehen zwischen einfacher und ausschließlicher Nutzungserlaubnis?
Im Urheberrecht werden zwei grundlegende Typen der Nutzungserlaubnis unterschieden: die einfache (nicht-exklusive) Lizenz und die ausschließliche (exklusive) Lizenz. Eine einfache Lizenz berechtigt den Lizenznehmer, das Werk in einer bestimmten Weise zu nutzen, ohne jedoch andere Personen oder den Urheber selbst von derselben Nutzung auszuschließen. Die ausschließliche Lizenz hingegen gewährt dem Lizenznehmer das alleinige Nutzungsrecht; der Urheber und alle Dritten sind für die vom Lizenznehmer abgedeckte Nutzungsart ausgeschlossen, sofern nicht vertraglich etwas anderes vereinbart wurde. Ausschließliche Lizenzen können zudem im Wege eines Registereintrags abgesichert werden und sind häufig mit einem umfassenderen Rechtsschutz verbunden (z.B. Möglichkeit der eigenen Rechtsverfolgung). Die konkrete Ausgestaltung, Reichweite und ggf. zeitliche oder räumliche Begrenzung der Lizenz sollten stets vertraglich fixiert und klar umrissen sein, da andernfalls Interpretationsspielraum und Rechtsunsicherheit bestehen.
Unter welchen Bedingungen sind urheberrechtliche Nutzungen vergütungspflichtig?
Eine Nutzung ist immer dann vergütungspflichtig, wenn keine ausdrückliche Vergütungsfreiheit vereinbart oder eine gesetzliche Vergütungsausnahme einschlägig ist. Das Urheberrecht sieht den Grundsatz vor, dass jede Nutzung eines Werkes grundsätzlich honorarpflichtig ist (§ 11 S. 2 UrhG). Ausnahmen bestehen etwa bei Nutzungen, die durch Schrankenregelungen gedeckt und als vergütungsfrei ausgestaltet sind, beispielsweise im Rahmen von Zitatrechten oder bestimmten Bildungsnutzungen (§§ 60a ff. UrhG). Für alle anderen Nutzungen ist entweder im Rahmen der Lizenzvereinbarung eine individuelle Vergütung oder, bei gesetzlicher Lizenz, eine pauschale oder gesetzlich geregelte Vergütung (z.B. bei der Kabelweitersendung) zu entrichten. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach branchenüblichen Sätzen, individuellen Vereinbarungen oder, falls solche fehlen, der angemessenen Vergütung im Sinne des § 32 UrhG. Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, kann der Rechtsinhaber Nachvergütung verlangen.
Wer trägt die Verantwortung bei unerlaubter Nutzung durch Dritte?
Im Falle einer unerlaubten Nutzung eines Werkes – also z.B. einer Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ohne ausreichende Rechte – trägt grundsätzlich derjenige die Verantwortung, der die Nutzungshandlung vornimmt. In bestimmten Konstellationen besteht jedoch auch eine sogenannte Störerhaftung oder Mitstörerhaftung, bei der auch Personen oder Unternehmen herangezogen werden können, die die Verletzung nicht selbst begangen haben, aber in irgendeiner Weise daran beteiligt waren (z.B. Betreiber einer Plattform, die urheberrechtswidrige Inhalte bereitstellt). Lizenznehmer müssen zudem darauf achten, ob und wie sie weitergehende Nutzungen durch Dritte zulassen, da sie im Rahmen ihrer Lizenzverträge oftmals verpflichtet sind, ihrerseits Nutzer über bestehende Beschränkungen zu informieren und hinreichende technische Schutzmaßnahmen einzurichten. Ebenso sind im Arbeits- oder Auftragsverhältnis erworbene Rechte und Pflichten genau abzugrenzen. Im Streitfall muss der Rechtsverletzer eventuelle Schadensersatzansprüche, Unterlassung oder gar strafrechtliche Konsequenzen befürchten.
Welche Pflichten hat ein Nutzer hinsichtlich der Nennung des Urhebers?
Nach § 13 UrhG ist bei jeder Nutzung eines Werkes grundsätzlich die Anerkennung der Urheberschaft durch Namensnennung verpflichtend, es sei denn, der Urheber verzichtet ausdrücklich darauf oder die Nennung ist nach den jeweiligen Nutzungsumständen unüblich oder technisch unmöglich. Die Nennung des Urhebers muss „am Werk“ erfolgen, d.h. in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nutzung, sei es als Autorenzeile, Abspann, Fußnote oder vergleichbare Verweisform. Unterlässt der Nutzer diese Namensnennung widerrechtlich, kann der Urheber auf Unterlassung und im Einzelfall auf Schadensersatz (§ 97 UrhG) klagen. Zu beachten ist, dass diese Pflicht auch bei erlaubten oder lizenzierten Nutzungen greift, sofern vertraglich oder gesetzlich nichts anderes geregelt ist. Darüber hinaus sind je nach Gebiet (etwa in der Wissenschaft oder im Journalismus) spezifische Zitier- und Kennzeichnungspflichten zu befolgen.
Was ist bei der Einräumung von Nutzungsrechten an mehreren Erwerber zu beachten?
Werden an ein und demselben Werk mehrere Nutzungsrechte eingeräumt, so ist strikt darauf zu achten, dass es zu keiner Überschneidung oder Kollision der eingeräumten Rechte kommt. Im Lizenzvertrag sollte daher genau definiert werden, in welchem Umfang, für welche Nutzungsarten, ggf. in welchen Regionen und für welchen Zeitraum das Nutzungsrecht gilt. Die parallele Einräumung einfacher Nutzungsrechte ist möglich, sofern keine Exklusivitätszusage vorliegt. Bei der Vergabe ausschließlicher Nutzungsrechte an mehr als einen Lizenznehmer ist höchste Vorsicht geboten, da dies zu Rechtsstreitigkeiten und zur Unwirksamkeit der Lizenz führen kann. Zudem empfiehlt es sich, jede Rechteeinräumung lückenlos zu dokumentieren – nicht zuletzt, um im Streitfall den lückenlosen Rechteverlauf und die Rechtmäßigkeit der eigenen Nutzung nachweisen zu können. Weiterhin besteht bei der Kollision von Nutzungsrechten die Möglichkeit des Rückrufs oder der nachträglichen Einschränkung, wenn dies im Vertrag entsprechend vereinbart wurde oder eine gesetzliche Lageänderung dies erforderlich macht.
Welche Besonderheiten gelten bei der digitalen Werknutzung hinsichtlich der Erschöpfung?
Im klassischen Urheberrecht gilt bezüglich der Erschöpfung, dass das Verbreitungsrecht an einem Werkexemplar mit dessen rechtmäßigem Verkauf erlischt (§ 17 Abs. 2 UrhG, Erschöpfungsgrundsatz). Dies gilt aber ausdrücklich fast ausschließlich für körperliche Werkexemplare (z.B. Bücher, CDs). Bei digitalen Werknutzungen, insbesondere im Bereich von Downloads oder Streaming, findet der Erschöpfungsgrundsatz grundsätzlich keine Anwendung. Digitale Inhalte dürfen daher ohne ausdrückliche Zustimmung des Rechtsinhabers nicht weiterverbreitet oder weiterverkauft werden, da keine Erschöpfung im Sinne des Urheberrechts eintritt (EuGH, C‑128/11 – „UsedSoft“). Nutzer digitaler Werke müssen daher stets die vertraglichen Nutzungsvorgaben beachten und sind nicht berechtigt, beispielsweise heruntergeladene Software, E-Books oder Musikdateien „gebraucht“ an Dritte zu übertragen, es sei denn, der Rechteinhaber hat dies ausdrücklich erlaubt oder es besteht eine spezielle Rechtsgrundlage.