Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Nutri-Score

Nutri-Score

Begriff und Zweck des Nutri-Score

Der Nutri-Score ist eine freiwillige, farbcodierte Nährwertkennzeichnung auf der Schauseite von Lebensmittelverpackungen. Er ordnet Produkte auf einer fünfstufigen Skala von A (dunkelgrün) bis E (rot) ein. Ziel ist es, den Nährwert eines Lebensmittels auf einen Blick vergleichbar zu machen und die Pflichtangaben der Nährwerttabelle durch ein ergänzendes, leicht verständliches System zu ergänzen. Entwickelt wurde der Nutri-Score in Frankreich; die grafische Wort-Bild-Marke wird zentral verwaltet und über eine einheitliche Nutzungsordnung bereitgestellt.

Rechtlicher Rahmen

Einordnung im europäischen Lebensmittelinformationsrecht

Der Nutri-Score ist eine ergänzende, freiwillige Front-of-Pack-Kennzeichnung. Er darf die verpflichtenden Informationen, insbesondere die Nährwertdeklaration, nicht ersetzen und muss inhaltlich mit ihnen übereinstimmen. Allgemeine Grundsätze wie Verständlichkeit, Klarheit, Lesbarkeit und das Verbot irreführender Angaben sind einzuhalten. Die Verwendung setzt voraus, dass die zugrundeliegenden Nährwertangaben korrekt erhoben sind und die Berechnung nach der jeweils geltenden Methodik erfolgt.

Nationale Umsetzung und behördliche Zuständigkeiten

Mehrere europäische Staaten haben den Nutri-Score als zulässige freiwillige Kennzeichnung anerkannt und nationale Hinweise zur Anwendung veröffentlicht. Die Überwachung obliegt den zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden. Sie prüfen, ob Darstellung, Berechnung und Verwendung mit dem geltenden Lebensmittelkennzeichnungsrecht und den Vorgaben zur grafischen Gestaltung in Einklang stehen.

Marken- und Nutzungsrechte an der Wort-Bild-Marke

Der Nutri-Score ist eine geschützte Wort-Bild-Marke. Markeninhaber ist eine öffentliche Stelle in Frankreich. Unternehmen dürfen die Marke auf Produkten, in Werbung und im Online-Handel nur unter Beachtung einer einheitlichen Nutzungsordnung und eines Gestaltungsleitfadens verwenden. Die Nutzung setzt eine vorherige Registrierung beziehungsweise Anzeige beim Markeninhaber oder der zuständigen nationalen Stelle sowie die Einhaltung der grafischen Vorgaben voraus (Farben, Größenverhältnisse, Buchstaben A-E, Kontrast, Platzierung).

Algorithmus und Produktkategorien

Bewertungslogik in Grundzügen

Der Nutri-Score beruht auf einem wissenschaftlich entwickelten Punktesystem. Bewertet werden negative Beiträge (z. B. Energiegehalt, Zucker, gesättigte Fettsäuren, Natrium) und positive Beiträge (z. B. Ballaststoffe, Proteine, Anteil an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, bestimmten Ölen). Aus der Saldo-Bewertung resultiert die Einstufung von A bis E. Die Berechnung bezieht sich grundsätzlich auf 100 g oder 100 ml des Lebensmittels, um Produkte vergleichbar zu machen.

Besondere Regeln für Getränke und bestimmte Produktgruppen

Für Getränke, Fette/Öle, Käse und einige weitere Kategorien gelten angepasste Berechnungsregeln. So werden alkoholfreie Getränke, Milch- und pflanzliche Drinks, sowie Wasser gesondert betrachtet. Spezialfälle wie zusammengesetzte Lebensmittel oder Trockenprodukte werden nach ihrer Zubereitungsform behandelt, sofern eindeutige und standardisierte Zubereitungshinweise bestehen.

Aktualisierungen und Übergangsfristen

Der Algorithmus wird von einem international besetzten wissenschaftlichen Gremium fortentwickelt. Änderungen dienen der Anpassung an aktuelle ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse, etwa strengere Bewertung von Zucker oder Salz in bestimmten Kategorien. Nationale Behörden und der Markeninhaber veröffentlichen hierfür Übergangsfristen, innerhalb derer bestehende Verpackungsbestände abverkauft und Kennzeichnungen angepasst werden dürfen.

Pflichten und Gestaltungsvorgaben für Unternehmen

Zulässige Anbringung auf Verpackungen

Der Nutri-Score wird auf der Schauseite der Verpackung angebracht. Er muss gut sichtbar, deutlich lesbar und unverfälscht wiedergegeben werden. Größe, Farbgebung und Kontrast sind nach dem Gestaltungsleitfaden einzuhalten. Für eine Produktreihe ist die Darstellung konsistent zu halten. Die abgebildete Buchstabenstufe muss exakt dem errechneten Ergebnis entsprechen.

Verwendung in Werbung, Online-Handel und sonstigen Medien

Wird der Nutri-Score außerhalb der Verpackung genutzt (z. B. in Anzeigen, TV-Spots, Social Media, Preiswerbung, Prospekten, Verkaufsregalen, Speisekarten, Lieferservices oder Produktdetailseiten), gelten dieselben Vorgaben: korrekte Einstufung, originalgetreue Grafik und keine Herausstellung, die zu Fehlvorstellungen führt. Im Online-Handel ist eine Platzierung in unmittelbarer Nähe zum Produkt üblich; die angezeigte Stufe muss mit der tatsächlichen Einstufung des angebotenen Artikels übereinstimmen.

Dokumentations- und Nachweispflichten

Die zugrunde liegenden Nährwertdaten und die Berechnung des Nutri-Score sind nachvollziehbar zu dokumentieren. Bei Kontrollen ist darzulegen, aus welchen Quellen die Nährwerte stammen und nach welcher Fassung des Algorithmus die Einstufung erfolgte. Änderungen an Rezepturen und Produktzusammensetzungen sind fortlaufend zu berücksichtigen.

Verantwortlichkeiten in der Lieferkette

Hersteller, Inverkehrbringer, Importeure

Verantwortlich für die korrekte Kennzeichnung ist derjenige, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel in Verkehr gebracht wird. Bei Importen in einen Markt, in dem der Nutri-Score genutzt wird, trifft die Verantwortung den Inverkehrbringer im Zielland. Dieser hat sicherzustellen, dass Berechnung, Darstellung und Nutzungsvoraussetzungen im betreffenden Markt eingehalten werden.

Handelsmarken und Lohnhersteller

Bei Handelsmarken tragen die jeweiligen Markeninhaber die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Nutri-Score-Darstellung. Lohnhersteller und Zulieferer wirken zu, indem sie korrekte Nährwertdaten bereitstellen. Verabredungen zur Datenbereitstellung, Aktualisierung und Prüfung sind in der Lieferbeziehung eindeutig zu regeln.

Aufsichtsmaßnahmen, Sanktionen und Rechtsfolgen

Lebensmittelüberwachung

Die Behörden können Produkte und Werbemittel prüfen, Beanstandungen aussprechen und Abhilfemaßnahmen anordnen. Bei erheblichen Abweichungen kommen verwaltungsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Zudem können Produktanpassungen, Korrekturen der Darstellung oder Rücknahmen verlangt werden, wenn die Kennzeichnung als irreführend eingestuft wird.

Lauterkeitsrechtliche Risiken

Wettbewerber und Verbände können gegen irreführende oder unzulässige Nutri-Score-Darstellungen vorgehen. Typische Risiken bestehen bei falsch berechneten Stufen, bei grafischen Abweichungen mit Hervorhebungseffekten, bei selektiver Darstellung nur günstiger Varianten einer Produktreihe oder bei Widersprüchen zwischen Nutri-Score und sonstiger Aufmachung. Rechtsfolgen können Unterlassungsansprüche und Kostenbelastungen umfassen.

Grenzüberschreitender Vertrieb

Der Vertrieb in mehrere Staaten erfordert Beachtung der jeweiligen nationalen Vorgaben zur Nutzung des Nutri-Score und der akzeptierten Sprach- und Darstellungsversionen. Abweichende Übergangsfristen bei Algorithmus-Updates oder unterschiedliche Verwaltungspraxen sind zu berücksichtigen. Irreführungsverbote gelten grenzüberschreitend.

Verhältnis zu anderen Kennzeichnungen

Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben

Der Nutri-Score ist keine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe, sondern eine ergänzende Nährwertkennzeichnung. Er steht neben freiwilligen Claims wie „zuckerarm“ oder „proteinreich“. Diese Claims unterliegen eigenständigen materiellen Voraussetzungen. Bei gleichzeitiger Verwendung darf insgesamt kein widersprüchlicher oder irreführender Gesamteindruck entstehen.

Umwelt- und Nachhaltigkeitskennzeichen

Der Nutri-Score bewertet den Nährwert, nicht Umwelt- oder Nachhaltigkeitsaspekte. Eine Vermischung mit ökologischen Aussagen ist zu vermeiden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher die Informationen zutreffend zuordnen können. Werden mehrere Kennzeichen parallel genutzt, müssen sie eindeutig unterscheidbar sein.

Verbraucherinformation und Transparenz

Verständlichkeit und Grenzen des Systems

Der Nutri-Score ermöglicht einen schnellen Vergleich innerhalb einer Produktkategorie und darüber hinaus. Er bildet jedoch nur ausgewählte Nährwertkriterien ab und ersetzt keine vollständige Betrachtung von Zutaten, Verarbeitungsgrad, Portionsgrößen oder individuellen Ernährungsbedürfnissen. Rechtlich maßgeblich bleiben die Pflichtangaben.

Umgang mit Rezepturänderungen

Verändern sich Rezepturen, kann sich die Einstufung ändern. In solchen Fällen sind Verpackungen, Werbemittel und Online-Darstellungen entsprechend zu aktualisieren. Übergangsfristen der Markenverwaltung und behördliche Vorgaben zum Abverkauf bereits produzierter Verpackungen sind zu beachten.

Häufig gestellte Fragen zum Nutri-Score

Ist der Nutri-Score verpflichtend?

Nein. Der Nutri-Score ist eine freiwillige ergänzende Kennzeichnung. Wird er verwendet, gelten jedoch die allgemeinen Kennzeichnungspflichten und die besonderen Vorgaben zur korrekten Berechnung und Darstellung.

Wer darf den Nutri-Score verwenden?

Verwenden dürfen ihn Unternehmen, die die Nutzungsordnung und den Gestaltungsleitfaden einhalten und die erforderliche Registrierung oder Anzeige beim Markeninhaber beziehungsweise der zuständigen Stelle vorgenommen haben. Die grafische Marke ist geschützt und darf nur regelkonform eingesetzt werden.

Wie wird die korrekte Nutzung überwacht?

Die Lebensmittelüberwachung kontrolliert stichprobenartig Produkte, Verpackungen und Werbung. Sie prüft insbesondere die Richtigkeit der Einstufung, die Übereinstimmung mit den Pflichtangaben sowie die Einhaltung der Gestaltungs- und Sichtbarkeitsvorgaben.

Darf der Nutri-Score in Werbung und Online-Shops gezeigt werden?

Ja, die Darstellung außerhalb der Verpackung ist möglich, sofern die Vorgaben zur korrekten, originalgetreuen und nicht irreführenden Verwendung eingehalten werden. Die gezeigte Stufe muss mit derjenigen des beworbenen Produkts übereinstimmen.

Welche Folgen hat eine falsche oder irreführende Darstellung?

In Betracht kommen behördliche Beanstandungen und Anordnungen zur Abhilfe. Zusätzlich sind wettbewerbsrechtliche Schritte durch Mitbewerber oder Verbände möglich, wenn die Darstellung als irreführend angesehen wird.

Gibt es Übergangsfristen bei Algorithmus-Änderungen?

Ja. Bei Aktualisierungen des Berechnungsmodells werden Übergangsfristen veröffentlicht, innerhalb derer Verpackungen und Werbemittel umgestellt werden können. In dieser Zeit ist der Abverkauf vorhandener Bestände regelmäßig vorgesehen.

Wer ist bei Importen oder Handelsmarken verantwortlich?

Verantwortlich ist grundsätzlich der Inverkehrbringer im jeweiligen Markt. Bei Handelsmarken trifft die Verantwortung den Markeninhaber. Lohnhersteller unterstützen durch korrekte Datenlieferung und Berechnung.

Muss der Nutri-Score bei Rezepturänderungen sofort angepasst werden?

Ändert sich die Einstufung durch eine neue Rezeptur, sind Kennzeichnung und Kommunikation anzupassen. Dabei werden regelmäßig praktikable Umstellungs- und Abverkaufszeiträume berücksichtigt, soweit sie vorgesehen sind.