Definition und Einführung des Nutri-Score
Der Nutri-Score ist ein fünfstufiges, farblich gekennzeichnetes Label zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln. Er wurde ursprünglich in Frankreich entwickelt und dient Verbrauchern als einfach verständliche Orientierungshilfe zur schnellen Einordnung der ernährungsphysiologischen Qualität eines Produktes. Der Nutri-Score ist dabei kein Ersatz für die Nährwerttabelle auf Lebensmitteln, sondern ergänzt diese durch eine visuelle Gesamtbewertung auf Basis eines wissenschaftlich festgelegten Algorithmus.
Rechtlicher Rahmen des Nutri-Score in der Europäischen Union
Rechtsgrundlagen
Die rechtliche Grundlage für den Nutri-Score liegt in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 über die Information der Verbraucher über Lebensmittel (sogenannte Lebensmittelinformations-Verordnung, LMIV). Sie regelt auf EU-Ebene die verpflichtende und freiwillige Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln.
Der Nutri-Score ist innerhalb der EU bisher keine verpflichtende Kennzeichnung, sondern fällt unter die „zusätzlichen freiwilligen Nährwertkennzeichen“ nach Artikel 35 LMIV. Hersteller, die den Nutri-Score verwenden möchten, müssen dabei die Vorgaben der LMIV einhalten und sicherstellen, dass keine Irreführung oder Verfälschung der Verbraucherinformation erfolgt.
Nationale Umsetzung und Genehmigungsprozess
Der Nutri-Score kann in den EU-Mitgliedstaaten freiwillig genutzt werden, sofern die nationalen Behörden dessen Einführung erlauben und sich die herstellenden Unternehmen zur Einhaltung der entsprechenden Nutzungsbedingungen verpflichten. In Deutschland beispielsweise wurde die Einführung des freiwilligen Nutri-Score-Logos vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt. Die Verwendung ist jedoch an die Einhaltung der offiziellen Lizenzbedingungen der Rechteinhaber, insbesondere Santé Publique France, gebunden.
Schutzrechtliche Aspekte
Der Begriff „Nutri-Score“ sowie das zugehörige Logo sind rechtlich durch Marken und Designrechte geschützt. Diese Schutzrechte liegen bei den französischen Behörden beziehungsweise der Santé Publique France. Jede Verwendung des Nutri-Score-Schemas sowie seines Logos ist im Rahmen einer Lizenzvereinbarung geregelt. Unternehmen, die das Label nutzen möchten, müssen sich registrieren und die Lizenzbedingungen anerkennen. Eine nicht genehmigte Nutzung kann zu markenrechtlichen Ansprüchen führen.
Anforderungen und Pflichten für Lebensmittelunternehmen
Lizenzierung und Registrierung
Lebensmittelhersteller, die den Nutri-Score verwenden wollen, müssen sich bei der Lizenzstelle von Santé Publique France registrieren. Im Rahmen der Registrierung bestätigen sie die Einhaltung der Berechnungsrichtlinien sowie die korrekte Verwendung des Logos. Diese Anforderungen stellen sicher, dass die Anwendung des Labels EU-weit einheitlich und verbraucherschützend erfolgt.
Verantwortlichkeiten der Unternehmen
Nach EU-Recht sowie den Richtlinien zur Verwendung des Nutri-Score sind Unternehmen verpflichtet, eine korrekte und transparente Berechnung des Nährwerts ihrer Produkte sicherzustellen und die Aktualität der Angaben zu gewährleisten. Die Nutzung des Nutri-Score setzt voraus, dass das betreffende Lebensmittel in der Nährwerttabelle alle benötigten Angaben führt, die für die Berechnung des Scores notwendig sind.
Fehlerhafte oder irreführende Angaben zum Nutri-Score können als Verstoß gegen die LMIV und das Wettbewerbsrecht geahndet werden. Die Marktüberwachung obliegt den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.
Rechtliche Diskussionen und Entwicklungen
Debatte um die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht
Die Einführung und weitere Verbreitung des Nutri-Score in der Europäischen Union ist Gegenstand rechtlicher und politischer Diskussionen. Kritisch hinterfragt wird insbesondere, ob nationale freiwillige Systeme mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs und der Harmonisierung innerhalb des Binnenmarkts vereinbar sind. Die EU-Kommission prüft fortlaufend, ob ein verpflichtendes, einheitliches System für die gesamte Union eingeführt werden soll. Eine entsprechende Gesetzgebung ist bislang nicht auf den Weg gebracht worden.
Wettbewerbsrechtliche Fragestellungen
Der Nutri-Score unterliegt den einschlägigen Vorschriften des Wettbewerbs- und Lauterkeitsrechts, insbesondere im Kontext der Werbung mit dem Label. Lebensmittelunternehmen dürfen mittels Nutri-Score keine irreführende Werbung betreiben und müssen exakt auf die gelisteten Regeln achten. Die Überwachung liegt im nationalen Zuständigkeitsbereich, etwa durch die Lebensmittelüberwachungsämter.
Internationaler Rechtsvergleich
Wenngleich der Nutri-Score vor allem in einigen EU-Staaten offiziell zugelassen ist, existieren ähnliche Systeme in weiteren Staaten. So gibt es unter anderem in Australien das Health Star Rating und in Großbritannien das „Traffic-Light-System“. Rechtlich voneinander unabhängig, verfolgen die Systeme ähnliche Zielsetzungen, unterscheiden sich jedoch in Methodik und Vorschriften.
Voraussetzungen und Berechnungssystematik des Nutri-Score
Algorithmus und Berechnungsgrundlage
Die Berechnung des Nutri-Score erfolgt auf Grundlage eines wissenschaftlichen Algorithmus, der sowohl positive als auch negative Nährwertkomponenten (wie Energiegehalt, Zucker, gesättigte Fette, Natrium, Ballaststoffe, Eiweiß, Anteil an Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten) einbezieht. Die algorithmische Bewertung ist für Unternehmen, Behörden und Verbraucher transparent einsehbar.
Kontrolle und Marktüberwachung
Die korrekte Verwendung des Nutri-Score wird in Deutschland durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Bundesländer kontrolliert. Diese Prüfungen umfassen sowohl die korrekte Berechnung des Scores als auch die Einhaltung der Lizenz- und Designrichtlinien.
Bedeutung in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis
Urteilslage und praxisrelevante Entscheidungen
Bisher existieren nur wenige gerichtliche Entscheidungen zum Nutri-Score. Die vorliegenden Fälle beschäftigen sich vor allem mit Fragen der wettbewerbsrechtlichen Irreführung und der richtigen Ausweisung der zugrundeliegenden Nährwerte. Rechtsstreitigkeiten entstehen, wenn das Label missbräuchlich verwendet oder falsch berechnet wird.
Verwaltungsanweisungen und Leitfäden
Die nationalen Behörden haben Leitfäden und Hinweise zur einheitlichen Umsetzung des Nutri-Score entwickelt. Diese enthalten häufig praxisnahe Empfehlungen für die Anwendung, die Gestaltung und Berechnung des Scores.
Fazit
Der Nutri-Score ist ein freiwilliges Nährwertkennzeichnungslabel, das auf Basis der Lebensmittel-Informationsverordnung in der Europäischen Union rechtlich zulässig ist und durch ein konzessionsgebundenes Lizenzsystem geschützt wird. Die rechtlichen Rahmenbedingungen umfassen unter anderem das Markenrecht, das Wettbewerbsrecht, die speziellen Anforderungen der Lizenzierung und die nationalen Kontrollmechanismen. Die weitere Entwicklung des Nutri-Score wird stark von den europäischen Harmonisierungsbestrebungen im Lebensmittelrecht beeinflusst. Unternehmen müssen strikt die Geltungsvoraussetzungen beachten, um keine Rechtsverstöße oder markenrechtlichen Auseinandersetzungen zu riskieren.
Häufig gestellte Fragen
Ist die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score in Deutschland verpflichtend?
Die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score ist in Deutschland derzeit nicht verpflichtend, sondern erfolgt auf freiwilliger Basis. Grundsätzlich liegt die rechtliche Grundlage für die Nährwertkennzeichnung auf europäischer Ebene in der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011. Spezifisch zur Auslobung von Logos oder Symbolen wie dem Nutri-Score gestattet Artikel 35 der genannten Verordnung sog. ergänzende Nährwertkennzeichnungen, sofern sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Deutschland hat die Einführung des Nutri-Score im Rahmen einer nationalen Verordnung geregelt (Verordnung zur Einführung des Nutri-Score), allerdings ausschließlich als freiwillige Maßnahme. Das bedeutet: Lebensmittelhersteller können frei entscheiden, ob sie den Nutri-Score verwenden – wenn sie sich jedoch dafür entscheiden, müssen sie sich an die verbindlichen Gestaltungsvorgaben und Berechnungsregeln halten, die durch das französische Markenrecht und die europäischen Vorschriften vorgegeben werden. Eine Pflicht zur Umsetzung und Anwendung des Nutri-Score-Systems ist bislang nicht vorgesehen.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die grafische Ausgestaltung und Verwendung des Nutri-Score?
Die grafische Darstellung und Verwendung des Nutri-Score ist streng reglementiert. Die Rechte am Nutri-Score-Logo liegen bei Santé Publique France, der französischen Gesundheitsbehörde. Unternehmen, die den Nutri-Score auf ihren Produkten verwenden möchten, müssen sich zunächst registrieren und eine Lizenzvereinbarung mit Santé Publique France abschließen. Die rechtlichen Vorgaben umfassen genaue Maßgaben zur Farbgebung, zum Seitenverhältnis, zur Platzierung sowie zur Skalierung des Logos. Verstöße gegen diese Vorgaben können urheberrechtliche oder markenrechtliche Konsequenzen haben. Zudem ist zu beachten, dass das Logo auf allen Verpackungen der betreffenden Marke in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten geführt werden muss, sobald ein Produkt mit Nutri-Score in Verkehr gebracht wird (Kohärenzgebot). Missbräuchliche Nutzung oder eine Veränderung des Logos ist rechtlich untersagt.
Können Hersteller für falsche Angabe des Nutri-Score haftbar gemacht werden?
Hersteller sind gemäß den zugrundeliegenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften dazu verpflichtet, den Nutri-Score nach den offiziellen, wissenschaftlich festgelegten Algorithmen korrekt zu berechnen. Eine fehlerhafte oder irreführende Angabe kann als Verstoß gegen die lebensmittelrechtlichen Vorgaben, einschließlich des Irreführungsverbots nach Artikel 7 der LMIV, gewertet werden. In solchen Fällen drohen wettbewerbsrechtliche Schritte und Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherverbände. Zudem können behördliche Maßnahmen bis hin zu Bußgeldern folgen. Die Haftung erstreckt sich auf alle Akteure der Lieferkette, sodass auch Inverkehrbringer und Händler in Regress genommen werden könnten, falls sie nachweislich von einer fehlerhaften Kennzeichnung wussten oder diese hätten erkennen müssen.
Gibt es europarechtliche Regelungen oder Initiativen zur verpflichtenden Einführung des Nutri-Score?
Auf europäischer Ebene gibt es bislang keine verpflichtende Regelung zur Einführung des Nutri-Score. Allerdings wurden von der EU-Kommission bereits mehrfach Überlegungen und Initiativen angestoßen, eine harmonisierte, verpflichtende Nährwertkennzeichnung in Form eines „Front-of-Pack“-Labels einzuführen. In diesem Kontext ist der Nutri-Score eines von mehreren diskutierten Modellen. Im Rahmen der „Farm to Fork“-Strategie wurde eine entsprechende Gesetzesinitiative angekündigt, deren konkrete Ausgestaltung, Rechtsverbindlichkeit und Anwendungsbereich aber noch Gegenstand politischer Beratungen sind. Bis zu einer verbindlichen europäischen Regelung bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, wie und ob sie freiwillige Systeme wie den Nutri-Score implementieren.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Vorschriften zur Nutri-Score-Kennzeichnung?
Verstöße gegen die lizenzrechtlichen, kennzeichnungsrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Nutri-Score können als Ordnungswidrigkeiten oder sogar als Straftaten verfolgt werden. Bei unerlaubter Nutzung des Logos drohen Abmahnungen und Unterlassungsklagen durch den Markeninhaber sowie Schadensersatzforderungen. Die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden können zudem Bußgelder nach deutschem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) auferlegen. Ebenso kann nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine kostenpflichtige Abmahnung oder einstweilige Verfügung durch Wettbewerber oder Verbraucherverbände erfolgen, etwa bei irreführender Kennzeichnung oder unsachgemäßer Darstellung des Nutri-Score.
Müssen importierte Lebensmittel aus Nicht-EU-Ländern, die den Nutri-Score verwenden, besondere rechtliche Anforderungen erfüllen?
Für importierte Lebensmittel aus Nicht-EU-Staaten gelten grundsätzlich dieselben lebensmittelrechtlichen Vorgaben wie für innerhalb der EU hergestellte Produkte, sobald diese im europäischen Wirtschaftsraum verkauft werden. Verwendet ein importiertes Produkt den Nutri-Score, muss der Importeur sicherstellen, dass alle rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere in Bezug auf Lizenzierung, richtige Berechnung und korrekte grafische Darstellung, erfüllt sind. Eine Nutzung des Nutri-Score ohne ordnungsgemäße Lizenz sowie ohne Konformität zu den europäischen Kennzeichnungsvorgaben ist unzulässig. Daraus resultierende Verstöße können zum Einzug der Produkte durch die Überwachungsbehörden, zur Rückrufpflicht oder zu wettbewerbsrechtlichen Sanktionen führen.
Welche besonderen Anforderungen gelten für Online-Handel und Werbung hinsichtlich des Nutri-Score?
Im Bereich Online-Handel und Werbung ist der Nutri-Score als Teil der verpflichtenden (ergänzenden) Nährwertkennzeichnung zu behandeln, sobald ein Hersteller sich zur Nutzung entschlossen hat. Jegliche Produktdarstellung im Fernabsatz, insbesondere auf Webseiten, in Online-Shops oder in digitalen Werbemitteln, erfordert die korrekte und deutlich sichtbare Wiedergabe des Nutri-Score nach denselben Vorgaben wie auf der physischen Verpackung. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Anforderungen der Lebensmittelinformationsverordnung, die eine Gleichstellung von Online- und Offline-Handel vorsieht, sofern ein Produkt i.S.d. Art. 14 LMIV „zum Verkauf angeboten“ wird. Fehlt die Kennzeichnung oder ist sie fehlerhaft, können wettbewerbsrechtliche Sanktionen und behördliche Maßnahmen folgen.