Legal Lexikon

Notweg


Definition und rechtliche Grundlagen des Notwegs

Der Notweg ist ein zentrales Institut des deutschen Sachenrechts und bezeichnet das Recht eines Grundstückseigentümers, im Falle fehlender anderweitiger Zugangsmöglichkeiten, über ein fremdes Grundstück einen Weg zu seinem eigenen Grundstück herzustellen und zu benutzen. Dieses Recht ist gesetzlich verankert im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 917 ff. BGB. Der Notweg dient vorrangig dazu, eine angemessene und zumutbare Nutzung des Grundstücks zu gewährleisten, wenn der Eigentümer andernfalls von der Nutzung abgeschnitten wäre.

Voraussetzungen für die Entstehung eines Notwegs

Notwendigkeit des Zugangs

Grundvoraussetzung für das Entstehen eines Notwegerechts ist, dass ein Grundstück, das so genannte hinterliegende Grundstück, keine ausreichende Verbindung zu einem öffentlichen Weg hat oder die vorhandene Verbindung nicht ausreicht, um das Grundstück ordnungsgemäß zu nutzen (§ 917 Abs. 1 BGB). Das Fehlen des Zugangs kann sowohl dauerhaft als auch vorübergehend vorliegen.

Zumutbarkeit und Alternativen

Das Notwegerecht setzt voraus, dass dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des betreffenden Grundstücks nicht zugemutet werden kann, auf andere Weise Zugang oder Zufahrt zu erhalten. Hierbei wird geprüft, ob andere Lösungen wirtschaftlich vertretbar, technisch durchführbar oder rechtlich möglich sind.

Keine Verursachung durch den Eigentümer

Das Notwegerecht steht dem Grundeigentümer nur zu, wenn die fehlende Zugangsmöglichkeit nicht durch eigenes Verhalten, insbesondere durch eine freiwillige Grundstücksteilung oder -veräußerung (sogenannte „Selbstverschuldung“), herbeigeführt wurde (§ 918 BGB).

Inhalt und Umfang des Notwegerechts

Gestattung des Wegerechts

Der Eigentümer des vorgelagerten Grundstücks (dienendes Grundstück) ist verpflichtet, die Benutzung eines geeigneten Weges über sein Grundstück zu dulden. Art und Umfang des Weges bestimmen sich nach den tatsächlichen Erfordernissen des hinterliegenden Grundstücks, wobei der Eingriff so gering wie möglich zu halten ist. Üblicherweise ist dies der direkte, technisch und wirtschaftlich sinnvollste Weg.

Abgrenzung zu anderen Wegerechten

Das Notwegerecht ist von anderen grundbuchlich gesicherten Wegerechten wie der Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) oder dem Wegerecht als Notdienstbarkeit zu unterscheiden. Das Notwegerecht entsteht kraft Gesetzes und ist daher nicht im Grundbuch eingetragen, kann aber nachträglich als Dienstbarkeit eingetragen werden.

Entstehung und Geltendmachung des Notwegerechts

Entstehung kraft Gesetzes

Das Notwegerecht entsteht automatisch, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Es handelt sich um eine gesetzliche Duldungspflicht, die keiner gerichtlichen oder behördlichen Anordnung bedarf.

Durchsetzung und gerichtliche Feststellung

Im Streitfall kann der Eigentümer des hinterliegenden Grundstücks durch eine Klage auf Duldung des Notwegs gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks vorgehen. Hierbei kann das Gericht Art, Lage und Umfang des Notwegs verbindlich festlegen.

Grundbucheintragung

Zur Sicherung des Notwegerechts kann eine Grunddienstbarkeit zugunsten des berechtigten Grundstücks im Grundbuch eingetragen werden. Dies wird insbesondere empfohlen, um das Recht auch gegenüber Rechtsnachfolgern des dienenden Grundstücks zu sichern.

Kosten und Entschädigung

Verpflichtung zur Zahlung einer Notwegerente

Der Eigentümer des hinterliegenden Grundstücks ist dem dienenden Eigentümer zur Zahlung einer angemessenen Notwegerente verpflichtet (§ 917 Abs. 2 BGB). Diese stellt einen Ausgleich für die wirtschaftlichen Nachteile durch das Notwegerecht dar und wird regelmäßig als Geldrente gezahlt.

Bemessung der Höhe

Die Höhe der Notwegerente orientiert sich am Nachteil, der dem Eigentümer des dienenden Grundstücks durch die Inanspruchnahme seines Grundstücks entsteht. Die konkrete Berechnung erfolgt im Einzelfall und kann bei Uneinigkeit gerichtlich festgesetzt werden.

Beendigung des Notwegerechts

Wegfall der Voraussetzungen

Das Notwegerecht endet, wenn die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen entfallen. Dies ist etwa der Fall, wenn das hinterliegende Grundstück eine andere zumutbare Zugangsmöglichkeit erhält.

Aufhebungsverfahren

Die Löschung eines eingetragenen Notwegerechts kann im Wege eines einvernehmlichen oder gerichtlich durchgesetzten Aufhebungsverfahrens erfolgen, sofern die rechtlichen Voraussetzungen weggefallen sind.

Gesetzliche Regelungen und relevante Rechtsprechung

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zum Notweg finden sich in den §§ 917 und 918 BGB, ergänzt durch allgemeine Vorschriften des Sachenrechts und einschlägige Entscheidungen der Zivilgerichte.

Zentrale gerichtliche Entscheidungen

Die Gerichte haben das Notwegerecht in zahlreichen Urteilen näher konkretisiert, insbesondere zur Bestimmung des zumutbaren Wegs, zur Höhe der Notwegerente sowie zur Abgrenzung von dauerhafter und zeitweiliger Notlage.

Praktische Bedeutung und Anwendungsbereiche

Das Notwegerecht hat erhebliche Bedeutung im ländlichen und suburbanen Raum. Es gewährleistet die wirtschaftliche Nutzung und Werterhaltung von Grundstücken, wenn diese sonst nicht oder nicht ausreichend erschlossen wären. Im urbanen Bereich kommt dem Notweg hingegen nur ausnahmsweise eine Rolle zu, da dort eine ausreichende Erschließung in der Regel bereits gegeben ist.

Zusammenfassung

Das Notwegerecht ist ein gesetzliches Wegerecht, das Grundstückseigentümern in bestimmten Ausnahmesituationen einen Zugang bzw. eine Zufahrt zu ihrem Grundstück über fremdes Land ermöglicht. Es ist an strenge Voraussetzungen geknüpft und verpflichtet den Berechtigten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung. In der Rechtsanwendung ist eine umfassende Würdigung der objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls unerlässlich.


Verwandte Begriffe: Grunddienstbarkeit, Wegerecht, gesetzliche Dienstbarkeit, Grundstückszugang, Erschließung

Rechtsquellen: §§ 917, 918 BGB

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein Notweg rechtlich beansprucht werden kann?

Um einen Notweg im rechtlichen Sinne geltend zu machen, müssen mehrere konkrete Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss das Grundstück, für das ein Notweg begehrt wird, von der öffentlichen Straße tatsächlich oder rechtlich nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten erreichbar sein (Zugang oder Zufahrt). Bloße Unbequemlichkeiten oder wirtschaftliche Nachteile reichen nicht aus; es muss sich um eine wesentliche Beeinträchtigung handeln. Weiterhin muss der Notweg notwendig sein, das heißt, es darf keine andere zumutbare Möglichkeit bestehen, das Grundstück ordnungsgemäß zu nutzen. Die Entstehung der Notlage darf zudem nicht auf einem freiwilligen Verhalten des Eigentümers beruhen, etwa weil dieser das eigene Grundstück unklug geteilt hat. Schließlich ist zu prüfen, ob die Beanspruchung des Notwegs nach Treu und Glauben zumutbar ist, wobei die Interessen aller betroffenen Parteien abzuwägen sind. Die Vorschriften hierzu finden sich insbesondere in § 917 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Wer trägt die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung eines Notwegs?

Die Kosten für die Herstellung und Unterhaltung des Notwegs trägt grundsätzlich der Eigentümer des herrschenden, also des auf den Notweg angewiesenen Grundstücks (§ 917 Abs. 2 BGB). Dies umfasst auch die Verpflichtung, den Weg in einem Zustand zu erhalten, der eine ordnungsgemäße Nutzung ermöglicht, und sämtliche Aufwendungen zu tragen, die mit der Einrichtung, Befestigung oder Instandsetzung des Notwegs verbunden sind. Kommt es zu einer gerichtlichen Vereinbarung oder Entscheidung, können im Einzelfall auch abweichende Regelungen getroffen werden, etwa wenn besondere Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks dies erfordern oder wenn mehrere Personen den Notweg nutzen.

Muss für die Nutzung eines Notwegs eine Entschädigung gezahlt werden?

Ja, für die Nutzung eines Notwegs kann dem Eigentümer des belasteten Grundstücks laut § 917 Abs. 2 BGB eine sogenannte Notwegerente als angemessene Entschädigung zustehen. Diese Entschädigung orientiert sich in der Regel am Umfang, an der Art und der Dauer der Nutzung sowie an eventuellen wirtschaftlichen Nachteilen, die dem dienenden Grundstück durch die Einrichtung des Notwegs entstehen. Die genaue Höhe wird im Streitfall entweder durch eine einvernehmliche Regelung oder durch das zuständige Gericht festgesetzt.

Wie wird der Verlauf eines Notwegs bestimmt?

Der Verlauf des Notwegs ist entsprechend § 917 BGB so zu bestimmen, dass er für das herrschende Grundstück möglichst zweckmäßig und für das dienende Grundstück möglichst schonend ist. Die Wegführung darf dabei die Interessen des Eigentümers des belasteten Grundstücks nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen; hierzu zählen beispielsweise Einbußen an Privatsphäre, Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Nutzung oder Sicherheitsaspekte. Idealerweise legen die Parteien den Verlauf des Notwegs einvernehmlich fest. Besteht keine Einigung, kann das zuständige Gericht den Verlauf unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien verbindlich festlegen.

Kann ein einmal eingerichteter Notweg wieder entzogen oder verändert werden?

Ein eingerichteter Notweg kann entzogen oder verändert werden, wenn die ursprünglich bestehende Notlage behoben ist – etwa durch die Erschließung eines neuen öffentlichen Weges, welcher das Grundstück ausreichend anbindet. Auch kann eine Änderung des Verlaufs verlangt werden, wenn dies unter Wahrung der Interessen beider Parteien möglich und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zumutbar ist (§ 917 Abs. 3 BGB). Darüber hinaus sind Veränderungen im Rahmen eines geänderten Nutzungsbedarfs sowie nach Abwägung neuer Interessenlagen möglich. Solche Änderungen bedürfen meist einer einvernehmlichen Vereinbarung oder einer durch das Gericht angeordneten Anpassung.

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks bei unzulässiger Nutzung des Notwegs?

Wird der Notweg über das Maß des eingeräumten Rechts hinaus genutzt, stehen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks diverse rechtliche Schritte offen. Dazu zählt unter anderem der Anspruch auf Unterlassung gemäß § 1004 BGB, sofern beispielsweise Dritte oder zusätzliche Fahrzeuge den Weg nutzen, ohne dass dies vom eingeräumten Notwegrecht gedeckt ist. Gibt es Schäden am Grundstück, kann außerdem ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Besteht Streit über den Umfang der Nutzung, kann dieser gerichtlich durch ein sogenanntes Notwegverfahren geklärt werden.

Ist ein Notweg im Grundbuch einzutragen?

Das gesetzliche Notwegrecht nach § 917 BGB entsteht kraft Gesetzes und ist daher grundsätzlich nicht eintragungsbedürftig. In der Praxis empfiehlt sich jedoch häufig eine grundbuchliche Sicherung des Wegerechts, insbesondere zur Rechtssicherheit bei Eigentümerwechseln und zur Klarstellung der jeweiligen Rechte und Pflichten. Liegt statt des gesetzlichen Notwegs ein vertraglich eingeräumtes Wegerecht (Dienstbarkeit) vor, so ist eine Eintragung im Grundbuch hingegen zwingend erforderlich, damit es auch gegenüber Rechtsnachfolgern Wirkung entfaltet (§ 873 BGB).

Wie können Streitigkeiten über das Notwegerecht außergerichtlich gelöst werden?

Streitigkeiten über das Bestehen, den Verlauf oder die Nutzung eines Notwegs können zunächst außergerichtlich durch Verhandlungen oder mittels einer Mediation gelöst werden. Kommt keine Einigung zustande, steht den Parteien alternativ der Weg zu einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle offen, die in einigen Bundesländern bei Streitigkeiten unter Nachbarn verpflichtend einzuschalten ist, bevor eine Klage zulässig ist. Erst wenn diese Wege scheitern, kann ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden, bei dem das Gericht sowohl über das Bestehen als auch über Umfang, Verlauf und Entschädigungsmodalitäten des Notwegs entscheidet.