Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»IT Recht»Notice and take down

Notice and take down


Begriffserklärung und Entwicklung des Notice and Take Down-Verfahrens

Definition von Notice and Take Down

Das Notice and Take Down-Verfahren bezeichnet ein rechtliches Instrument im Bereich des Internetrechts, welches Anbietern von Online-Diensten (Hosting-Provider, Plattformbetreiber, Forenbetreiber, soziale Netzwerke, etc.) die Pflicht auferlegt, nach einem Hinweis („Notice“) auf eine mögliche Rechtsverletzung die beanstandeten Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls zu entfernen oder zu sperren („Take Down“). Ziel ist es, eine schnelle Reaktion auf Rechtsverletzungen – insbesondere im Bereich des Urheberrechts, Persönlichkeitsrechts oder Datenschutzrechts – im digitalen Umfeld zu gewährleisten.

Historische Entwicklung

Ursprünglich stammt das Notice and Take Down-Prinzip aus dem angelsächsischen Rechtsraum und wurde insbesondere durch den US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA) im Jahr 1998 geprägt. In Europa wurde das Verfahren im Rahmen der E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG) umgesetzt und in nationales Recht übertragen.

Rechtliche Grundlagen in Deutschland und der EU

Europäische Union: E-Commerce-Richtlinie

Die E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) bildet den europäischen Rechtsrahmen für die Verantwortlichkeit von Internet-Diensteanbietern. Gemäß Art. 14 dieser Richtlinie haften sogenannte „Provider“ grundsätzlich nicht für gespeicherte Informationen, sofern sie „weder tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information haben noch ihnen, was Schadensersatzansprüche betrifft, Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird“. Bei Kenntnis müssen sie jedoch „unverzüglich tätig werden“, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu sperren.

Umsetzung in deutsches Recht: Telemediengesetz (TMG)

In Deutschland findet das Notice and Take Down-Verfahren seine Umsetzung insbesondere im § 10 des Telemediengesetzes (TMG). Demnach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information besitzen und ihnen auch keine Umstände bekannt sind, aus denen die Rechtswidrigkeit offensichtlich wird. Bei positiver Kenntnis besteht jedoch die Verpflichtung, die betreffenden Inhalte „unverzüglich“ zu entfernen oder zu sperren.

Weitere relevante Gesetze

Zusätzlich zum TMG sind das Urhebergesetz (UrhG) und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Bedeutung, da sie ebenfalls spezifische Verfahrensvorgaben für die Entfernung rechtswidriger Inhalte im Internet enthalten.

Anwendung und Ablauf des Notice and Take Down-Verfahrens

Meldung und Prüfung

Das Verfahren beginnt mit einer Benachrichtigung („Notice“) des Verletzten oder Berechtigten an den Diensteanbieter. Diese sollte möglichst präzise die betroffenen Inhalte, deren Fundstelle (z. B. URL), die Gründe der vermuteten Rechtsverletzung sowie eine Begründung enthalten.

Nach Erhalt der Mitteilung obliegt dem Anbieter die Pflicht, den Sachverhalt zu prüfen („Notice and Awareness“). Er muss abwägen, ob tatsächlich eine rechtswidrige Verletzung vorliegt, da ein übereiltes Entfernen („Overblocking“) rechtmäßiger Inhalte problematisch wäre.

Entfernung oder Sperrung

Ergibt die Prüfung eine offensichtliche oder eindeutige Rechtsverletzung, ist der Anbieter verpflichtet, den Zugang zu den beanstandeten Inhalten zu sperren oder sie zu entfernen („Take Down“). Die Maßnahmen müssen zeitnah erfolgen, da ansonsten die Haftungsprivilegierung entfällt und eine eigene Verantwortlichkeit, gegebenenfalls auch schadensersatzrechtlicher Natur, drohen kann.

Informationspflichten und Gegendarstellung

In bestimmten Konstellationen ist der betroffene Nutzer, dessen Inhalte entfernt wurden, über die Maßnahmen zu informieren. Ferner besteht oftmals die Möglichkeit, eine Gegendarstellung einzureichen oder den Sachverhalt weiter aufzuklären. Einzelheiten können sich aus den jeweiligen Plattformrichtlinien oder spezialgesetzlichen Regelungen ergeben.

Anwendungsbereiche und Rechtsfragen

Urheberrecht

Im Bereich des Urheberrechts ist das Notice and Take Down-Verfahren von besonderer Relevanz. Rechteinhaber können bei Verstößen – beispielsweise bei unbefugtem Bereitstellen urheberrechtlich geschützter Werke – das Verfahren nutzen, um eine rasche Entfernung der Inhalte zu erwirken.

Persönlichkeits- und Datenschutzrecht

Auch bei Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, etwa durch beleidigende, verleumderische oder rufschädigende Inhalte, sowie im Falle datenschutzrechtlicher Verstöße (z. B. Veröffentlichung sensibler personenbezogener Daten) kommt das Verfahren zum Einsatz.

Wettbewerbsrecht und Markenrecht

Gewerbliche Schutzrechte, insbesondere im Marken- oder Wettbewerbsrecht, werden auf Online-Plattformen regelmäßig durch Drittnutzer verletzt. Auch hier ist das Notice and Take Down-Verfahren ein effektives Mittel zur Rechtsdurchsetzung.

Haftungsfragen und Rechtsprechung

Privilegierung und Haftungsdurchbrechung

Die Providerhaftung folgt dem Grundsatz der Privilegierung (§§ 7 ff. TMG bzw. Art. 14 E-Commerce-Richtlinie), das heißt ohne Kenntnis einer Rechtsverletzung besteht grundsätzlich keine Haftung. Wird jedoch trotz Hinweis nicht oder nicht unverzüglich gehandelt, entfällt die Privilegierung, und der Anbieter kann für Schäden haftbar gemacht werden.

Gerichtsentscheidungen

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) betont, dass Hosting-Provider erst ab positiver Kenntnis von einer offensichtlichen Rechtsverletzung tätig werden müssen. Einzelfragen werden von den Gerichten jedoch fortlaufend weiterentwickelt, insbesondere zur Frage der „zumutbaren Prüfpflichten“ und zum Umgang mit wiederholten Verstößen.

Grenzen und Kritik des Notice and Take Down-Verfahrens

Probleme und Herausforderungen

Das Verfahren ist effektiv, kann jedoch auch zum sogenannten Overblocking führen, also zur vorsorglichen Entfernung eigentlich rechtmäßiger Inhalte. Hier besteht die Gefahr der Einschränkung von Meinungsäußerungsfreiheit und Informationsfreiheit.

Ferner kann das Verfahren missbraucht werden, etwa um unliebsame Inhalte zu entfernen, obwohl keine objektive Rechtsverletzung vorliegt (sog. „Takedown-Missbrauch“).

Weiterentwicklungen

Mit Inkrafttreten des Digital Services Act (DSA) ab 2024 wird das Notice and Take Down-Regime europaweit weiter harmonisiert und konkretisiert. Ziel ist eine bessere Transparenz, effizientere Rechtsdurchsetzung und effektiverer Rechtsschutz gegen missbräuchliche Meldungen.

Fazit

Das Notice and Take Down-Verfahren ist ein zentrales Instrument des Internetrechts zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen auf Online-Plattformen. Es stellt einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen an Rechtsdurchsetzung, der Handlungsfreiheit von Diensteanbietern und den Grundrechten der betroffenen Nutzer dar. Durch die fortlaufende Rechtsprechung und gesetzgeberische Weiterentwicklung bleibt das Verfahren ein wesentliches Element in der Regulierung digitaler Inhalte.


Quellen:

  • Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie)
  • Telemediengesetz (TMG)
  • Digital Millennium Copyright Act (DMCA)
  • Urhebergesetz (UrhG)
  • Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)
  • Digital Services Act (DSA)
  • Rechtsprechung des BGH zum Thema Providerhaftung

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für ein wirksames Notice and Take Down-Verfahren erfüllt sein?

Für ein rechtlich wirksames Notice and Take Down-Verfahren müssen im Wesentlichen bestimmte formale und materielle Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist es erforderlich, dass der Hinweisgeber dem Diensteanbieter eine konkrete und ausreichend begründete Mitteilung über eine vermeintlich rechtswidrige Handlung oder Information zukommen lässt. Diese Mitteilung muss so gestaltet sein, dass der Host-Provider den Rechtsverstoß problemlos erkennen kann, was insbesondere die Angabe der exakten Fundstelle (z.B. URL) sowie eine Substantiierung des Vorwurfs einschließt. Es reicht daher nicht aus, lediglich allgemein auf den Betrieb einer Plattform oder pauschal auf mögliche Rechtsverletzungen hinzuweisen.

Des Weiteren muss sich der Diensteanbieter nach Zugang der Notice unverzüglich um die Prüfung der beanstandeten Inhalte kümmern. Im Rahmen der Prüfung ist es erforderlich, dass er unter Abwägung der Grundrechte aller Beteiligten – namentlich Meinungsfreiheit, unternehmerische Freiheit sowie ggf. Persönlichkeitsrechte des Betroffenen – die Plausibilität des Rechtsverstoßes eigenverantwortlich bewertet. Dies schließt häufig einen Dialog mit dem Nutzer ein, der den Inhalt eingestellt hat. Erst nach dieser sorgfältigen Prüfung kann der Host-Provider rechtlich hinreichend entscheiden, ob er den beanstandeten Inhalt entfernt oder sperrt. Erfolgt die Entfernung oder Sperrung zu spät, bleibt der Provider möglicherweise haftbar, ergreift er sie ohne sorgfältige Prüfung zu früh, kann dies wiederum Rechte der Nutzer verletzen.

Welche Rolle spielt die Störerhaftung beim Notice and Take Down-Verfahren?

Die Störerhaftung ist ein zentraler Bestandteil des Notice and Take Down-Prinzips, insbesondere im deutschen Recht. Sie besagt, dass jemand, der adäquat-kausal zur Rechtsverletzung beiträgt, auch als unbeteiligter Dritter haftbar gemacht werden kann, sofern er zumutbare Prüf- und Handlungspflichten verletzt. Für Host-Provider bedeutet das: Sie haften ab dem Zeitpunkt, an dem sie Kenntnis einer klaren, offensichtlichen Rechtsverletzung erlangt haben, falls sie nicht unverzüglich reagieren. Die Störerhaftung verpflichtet den Diensteanbieter jedoch nicht zu einer proaktiven Überwachung von Inhalten, sondern lediglich dazu, nach einem entsprechenden Hinweis tätig zu werden. Die Ausgestaltung der zumutbaren Prüfpflichten richtet sich dabei stets nach den Umständen des Einzelfalls, wobei Art und Umfang der Dienstleistung, der Grad der Gefahr und die technischen Fähigkeiten des Providers zu berücksichtigen sind.

In welchem Verhältnis steht das Notice and Take Down-Verfahren zum Datenschutzrecht?

Im Rahmen des Notice and Take Down-Prozesses sind die Vorgaben des Datenschutzrechts streng zu beachten. Dies betrifft einerseits die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Hinweisgebers als auch des Betroffenen, dessen Inhalt entfernt oder gesperrt werden soll. Bei der Bearbeitung eines Hinweises müssen Diensteanbieter datenschutzkonforme Verfahren sicherstellen, insbesondere in Bezug auf die Erhebung, Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten zwischen den beteiligten Parteien. Auch etwaige Auskunftsersuchen an Betroffene oder Dritte sind stets am Maßstab der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auszurichten. Ein Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben, wie die unzulässige Offenlegung der Identität eines Nutzers oder das mangelnde Löschen von Daten nach abschließender Bearbeitung, kann zu Bußgeldern und weiteren rechtlichen Konsequenzen führen.

Inwieweit ist der Diensteanbieter zur Prüfung und Entfernung von Inhalten verpflichtet?

Ein Diensteanbieter ist grundsätzlich nicht zu einer generellen, proaktiven Überwachung oder Durchsicht aller übermittelten oder gespeicherten Informationen verpflichtet (§ 7 Abs. 2 TMG, Art. 15 der eCommerce-Richtlinie 2000/31/EG). Erst nach ausdrücklichem Hinweis auf eine konkrete Rechtsverletzung (Notice) entsteht die Pflicht zur Prüfung und ggf. Entfernung (Take Down) des entsprechenden Inhalts. Der Umfang der Prüfpflicht richtet sich nach Art und Schwere des gemeldeten Rechtsverstoßes: Bei offensichtlich rechtswidrigen Inhalten (z.B. eindeutig strafbare Hassrede) ist eine rasche Reaktion erforderlich, während bei zweifelhaften Fällen eine sorgfältigere Prüfung und ggf. Rückfrage beim Verfasser angemessen sein kann. Die Rechtsprechung verlangt eine sachgerechte Abwägung zwischen den Rechten des Verletzten und den Nutzern der Plattform.

Welche Rechtsfolgen drohen bei Missachtung des Notice and Take Down-Verfahrens?

Vernachlässigt ein Diensteanbieter seine Pflichten im Rahmen des Notice and Take Down, drohen ihm verschiedene rechtliche Konsequenzen. Diese reichen von der zivilrechtlichen Haftung für die Rechtsverletzung – etwa Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche des Verletzten – bis hin zu möglichen strafrechtlichen Konsequenzen, falls etwa die Verbreitung strafbarer Inhalte nicht unterbunden wird. Darüber hinaus kann die zuständige Aufsichtsbehörde gegen den Anbieter aufsichtsrechtliche Maßnahmen (z.B. Bußgelder) erlassen, insbesondere bei systematischer Missachtung der Prüf- und Entfernungspflichten. Auch das Imageschadenrisiko ist zu berücksichtigen, sollte öffentlich werden, dass die Plattform rechtswidrige Inhalte toleriert.

Welche Anforderungen bestehen an die Dokumentation und Nachweisführung im Verfahren?

Eine sorgfältige Dokumentation und Nachweisführung ist rechtlich unabdingbar, um gegenüber Betroffenen, Gerichten oder Aufsichtsbehörden die Einhaltung der Prüf- und Entfernungsprozesse belegen zu können. Die Dokumentation sollte die wesentlichen Daten enthalten: Eingang und Inhalt des Hinweises, die ggf. erfolgte Kommunikation mit dem Hinweisgeber und dem betroffenen Nutzer, die interne Prüfung und Entscheidungsfindung, Zeitpunkte der jeweiligen Maßnahmen sowie die Art der getroffenen Maßnahmen (Entfernung, Sperrung, Ablehnung des Hinweises). Die Dokumentation dient im Streitfall auch als Entlastungsnachweis für den Diensteanbieter und sollte unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben erfolgen.

Welche Bedeutung haben außergerichtliche Einigungen im Rahmen des Notice and Take Down?

Außergerichtliche Einigungen spielen im Notice and Take Down-Verfahren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sie ermöglichen eine schnelle, effiziente und meist kostengünstige Beilegung des Konflikts zwischen den Parteien, ohne ein förmliches gerichtliches Verfahren anstrengen zu müssen. Häufig werden im Zuge der Prüfung die Parteien miteinander in Kontakt gebracht und können – unterstützt durch Moderation des Diensteanbieters – einvernehmliche Lösungen wie etwa die Anpassung des Inhalts, eine Gegenäußerung des Betroffenen oder das dauerhafte Entfernen des Beitrags erzielen. Solche Einigungen können den Rechtsfrieden nachhaltig sichern und entlasten die Justiz. Für Diensteanbieter ist eine solche Einigung besonders vorteilhaft, da sie den Ressourcenaufwand für Gerichtsverfahren sowie das Haftungsrisiko minimiert.