Begriff und Definition des Nichtvermögensschadens
Der Nichtvermögensschaden ist ein zivilrechtlicher Begriff, der jene Schäden beschreibt, die nicht unmittelbar das Vermögen einer Person betreffen, sondern in immateriellen Rechtsgütern wie Ehre, Gesundheit oder Persönlichkeitsrechten liegen. Im Gegensatz zum Vermögensschaden, der auf bezifferbaren geldwerten Nachteilen basiert, umfasst der Nichtvermögensschaden insbesondere ideelle Beeinträchtigungen, die nicht unmittelbar in Geld messbar sind.
Die Kodifikation des Nichtvermögensschadens erfolgt in Deutschland überwiegend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Rechtsgrundlagen für die Zuerkennung von Ausgleichs- oder Entschädigungsleistungen bei Nichtvermögensschäden finden sich insbesondere in § 253 und § 823 Abs. 1 BGB sowie in spezialgesetzlichen Vorschriften.
Rechtliche Grundlagen des Nichtvermögensschadens
Zivilrechtliche Grundlagen (§ 253 BGB)
Gemäß § 253 Abs. 1 BGB ist der Ersatz eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Entschädigung in Geld für einen Nichtvermögensschaden, den sogenannten Schmerzensgeldanspruch oder Ausgleich für immaterielle Schäden, kommt lediglich in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen in Betracht (§ 253 Abs. 2 BGB). Das Gesetz unterscheidet hierbei:
- Verletzung des Körpers
- Verletzung der Gesundheit
- Verletzung der Freiheit
- Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung
In diesen Fällen kann dem Geschädigten eine angemessene Entschädigung in Geld zugesprochen werden. Ebenso kann eine Entschädigung beansprucht werden, wenn durch eine vorsätzliche sittenwidrige Handlung, wie sie beispielsweise bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorliegt, ein immaterieller Schaden entstanden ist (§ 253 Abs. 2 BGB).
Deliktsrecht (§ 823 BGB)
Nach § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Kommt es bei der Verletzung eines dieser Rechtsgüter zu einem immateriellen Schaden, kann dies einen Anspruch auf Schmerzensgeld auslösen.
Weitere Anspruchsgrundlagen
Neben den zivilrechtlichen Vorschriften existieren weitere Regelungen, die die Geltendmachung von Nichtvermögensschäden ermöglichen:
- Kunsturhebergesetz (§ 22, § 23 KUG): Geldentschädigung bei Verletzung des Rechts am eigenen Bild.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (§ 15 AGG): Entschädigungsansprüche bei Diskriminierung.
- Telemediengesetz (TMG) und Datenschutzrecht (DSGVO): Geldentschädigung bei Datenschutzverletzungen.
Typische Erscheinungsformen des Nichtvermögensschadens
Schmerzensgeld
Das Schmerzensgeld ist der bekannteste Fall des Nichtvermögensschadensersatzes. Es soll Ausgleich und Genugtuung für erlittene körperliche oder seelische Schmerzen bieten, beispielsweise bei Körperverletzung oder psychischer Traumatisierung infolge eines Unfalls oder einer Straftat.
Persönlichkeitsrechtsverletzung
Im Bereich des Persönlichkeitsrechts liegt ein Nichtvermögensschaden häufig bei unbefugter Veröffentlichung von Bildern, Ehrverletzungen, falscher Berichterstattung oder der Verletzung der Intimsphäre vor. Die Zubilligung einer Geldentschädigung soll hier einen Ausgleich für den erlittenen immateriellen Nachteil schaffen und präventiv weiteren Rechtsverletzungen entgegenwirken.
Diskriminierung und Mobbing
Nichtvermögensschäden können auch im Fall von Diskriminierung wegen Geschlecht, Herkunft, Religion oder Weltanschauung gemäß AGG auftreten. Hier kann eine Entschädigungshöhe auch abschreckende Wirkung haben.
Datenschutzrechtliche Beeinträchtigungen
Mit der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 82 DSGVO) wurde ausdrücklich klargestellt, dass auch für immaterielle Schäden, die aus Datenschutzverletzungen resultieren, ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht. Der immaterielle Schaden kann hier beispielsweise in einem erlittenen Kontrollverlust über persönliche Daten bestehen.
Bemessung und Durchsetzung von Ansprüchen aus Nichtvermögensschäden
Höhe der Entschädigung
Die Höhe der zu gewährenden Entschädigung für Nichtvermögensschäden hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, u.a.:
- Ausmaß und Intensität des erlittenen Schadens
- Dauer der Beeinträchtigung
- Folgen und Schwere der Verletzung
- Verschulden des Schädigers
Die Gerichte orientieren sich bei der Bemessung oftmals an vergleichbaren Entscheidungen (Schmerzensgeldtabellen) sowie an den besonderen Umständen des Einzelfalles. Ziel ist es, einen angemessenen Ausgleich sowie eine Genugtuungsfunktion für den Geschädigten sicherzustellen.
Geltendmachung und Durchsetzung
Ansprüche auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens können im Wege der Klage vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Dabei trifft den Anspruchsteller die Verpflichtung, den Eintritt, den Umfang sowie die Ursächlichkeit des immateriellen Schadens darzulegen und zu beweisen. Die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche beträgt in der Regel drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 195, § 199 BGB).
Nichtvermögensschaden im internationalen und europäischen Recht
Auch auf europäischer Ebene ist der Schutz vor Nichtvermögensschäden anerkannt, insbesondere durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die EMRK garantiert u.a. Schutz der Privatsphäre und des guten Rufs; die DSGVO normiert einen umfassenden Schutz personenbezogener Daten und eröffnet ebenfalls Ersatzansprüche für immaterielle Schäden.
Im internationalen Privatrecht richtet sich die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften zum Nichtvermögensschaden nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR), insbesondere der Rom II-Verordnung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.
Abgrenzung zum Vermögensschaden
Die wesentliche Unterscheidung zum Vermögensschaden besteht darin, dass Letzterer zu einer messbaren materiellen Einbuße führt, etwa durch den Verlust eines Geldbetrages, während der Nichtvermögensschaden sich auf die Einbuße an Lebensqualität, Würde oder seelischem Wohlbefinden bezieht. Diese Abgrenzung ist für die Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Anspruchsgrundlagen von entscheidender Bedeutung.
Fazit
Der Nichtvermögensschaden stellt im deutschen und europäischen Zivilrecht eine eigenständige Schadenskategorie dar, die ideelle Beeinträchtigungen wie Schmerzen, Ehrverletzungen oder Verletzungen der Privatsphäre umfasst. Die Rechtsordnung erkennt diesen Schaden an und bietet verschiedene Anspruchsgrundlagen, um für unmessbare Nachteile einen angemessenen Ausgleich zu schaffen. Die Durchsetzung entsprechender Ansprüche setzt eine sorgfältige Darlegung und Beweisführung voraus und dient sowohl dem Schutz des Einzelnen als auch der Prävention weiterer Rechtsverletzungen.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Bemessung eines Nichtvermögensschadens im deutschen Recht?
Die Bemessung eines Nichtvermögensschadens im deutschen Recht orientiert sich an mehreren Faktoren, die im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden müssen. Maßgeblich ist insbesondere, wie stark und nachhaltig das immaterielle Interesse einer Person beeinträchtigt wurde. Zu berücksichtigen sind unter anderem die Intensität, die Dauer und die Folgen des erlittenen Schadens. Das Gericht prüft darüber hinaus, welche persönlichen Umstände oder Lebensumstände des Geschädigten berücksichtigt werden müssen. Eine mathematisch genaue Berechnung des immateriellen Schadens findet nicht statt – stattdessen wird eine „billige Entschädigung in Geld“ zugesprochen, deren Betrag richterlich nach Ermessen festgesetzt wird (§ 253 Abs. 2 BGB). Orientierung können dabei vergleichbare Urteile oder Schmerzensgeldtabellen bieten. Generell sollen die zugesprochenen Beträge abschreckend auf den Schädiger wirken und zugleich eine Genugtuungsfunktion für das Opfer erfüllen.
In welchen Fällen kann ein Anspruch auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens bestehen?
Ein Anspruch auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens besteht grundsätzlich nur in bestimmten, im Gesetz geregelten Ausnahmefällen. Nach deutschem Schadensrecht ist der Ersatz für immaterielle Schäden grundsätzlich nur dort möglich, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (Prinzip der Enumerationsmethode). Typische Fallgruppen sind insbesondere Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung (§ 253 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus können Ansprüche auf Nichtvermögensschaden aus spezialgesetzlichen Grundlagen wie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) oder bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, beispielsweise im Rahmen des Kunsturhebergesetzes (KUG), entstehen.
Wer trägt die Beweislast für den Eintritt eines Nichtvermögensschadens?
Die Beweislast für das Vorliegen eines Nichtvermögensschadens trägt grundsätzlich der Anspruchsteller. Dieser muss konkret darlegen und nachweisen, dass und in welchem Umfang ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist. Bei physischen Beeinträchtigungen (wie Schmerzen, Verletzungen oder entstellende Narben) ist regelmäßig ein ärztliches Gutachten erforderlich, aus dem sich Art und Schwere der Beeinträchtigung ergeben. Bei psychischen Belastungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann die Darlegung und Nachweisführung schwieriger sein; hier wird vom Kläger verlangt, die Auswirkungen – etwa durch Zeugenaussagen, psychologische Gutachten oder andere geeignete Nachweise – substantiiert zu belegen. In Ausnahmefällen, z.B. bei gravierenden Datenschutzverletzungen, wird die Beweisführung für den Schaden zugunsten der betroffenen Person erleichtert.
Inwiefern beeinflusst ein Mitverschulden des Geschädigten die Höhe des Nichtvermögensschadens?
Ein Mitverschulden des Geschädigten wirkt sich gemäß § 254 BGB auch auf die Zuerkennung und Höhe eines Nichtvermögensschadensersatzes aus. Dies bedeutet, dass das Gericht bei der Bemessung der Entschädigung prüft, inwieweit der Geschädigte durch eigenes Verhalten zur Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens beigetragen hat.