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Nichtrechtsfähiger Verein


Nichtrechtsfähiger Verein

Der Begriff Nichtrechtsfähiger Verein bezeichnet im deutschen Zivilrecht eine Organisationsform, die, anders als der rechtsfähige Verein, keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Die rechtliche Stellung, die Entstehung und die Handlungsfähigkeit solcher Vereinigungen sind in § 54 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Im Folgenden wird der nichtrechtsfähige Verein ausführlich beschrieben, seine Abgrenzung zu anderen Vereinsformen erläutert und die praktischen sowie rechtlichen Folgen dieser Organisationsform dargestellt.


Begriff und Entstehung

Definition

Ein nichtrechtsfähiger Verein ist eine auf Dauer angelegte Verbindung mehrerer Personen zur Verfolgung eines gemeinschaftlichen, nicht auf wirtschaftlichen Gewinn gerichteten Zwecks, die nicht in das Vereinsregister eingetragen wurde. Diese Vereinigungen können sowohl ideelle als auch wirtschaftliche Ziele verfolgen. Die fehlende eigene Rechtspersönlichkeit unterscheidet den nichtrechtsfähigen Verein maßgeblich vom eingetragenen Verein (§§ 21 ff. BGB).

Merkmale

  • Personenzusammenschluss auf Dauer: Die Vereinigung ist auf eine dauerhafte Zusammenarbeit ausgerichtet.
  • Gemeinschaftlicher Zweck: Der Zweck kann gemeinnützig, kulturell, sportlich, sozial oder wirtschaftlich sein, jedoch nicht auf Gewinnerzielung für die Mitglieder abzielen.
  • Keine Eintragung im Vereinsregister: Die Organisation verzichtet auf eine Registrierung und somit auf die Eintragung als rechtsfähiger Verein.
  • Fehlende Rechtspersönlichkeit: Der nichtrechtsfähige Verein ist nicht selbst Subjekt von Rechten und Pflichten.

Rechtliche Einordnung im BGB

Relevante Vorschriften

Nach § 54 BGB finden auf nichtrechtsfähige Vereine grundsätzlich die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Obgleich das Bürgerliche Gesetzbuch den nichtrechtsfähigen Verein zunächst als Verein ansieht, wird ihm mangels Eintragung keine eigene Rechtspersönlichkeit zuerkannt.

Abgrenzung zu anderen Organisationsformen

  • Eingetragener Verein (e.V.): Verwirklicht durch Eintragung ins Vereinsregister; besitzt eigene Rechtspersönlichkeit.
  • Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR): Ähnliche Anwendung der Vorschriften auf beide Formen, jedoch bestehen strukturelle Unterschiede, etwa bezüglich der Geschäftsführung und Mitgliederversammlung.
  • Wirtschaftlicher Verein: Im Gegensatz zum nichtrechtsfähigen Verein kann ein wirtschaftlicher Verein unter bestimmten Voraussetzungen eigene Rechtspersönlichkeit durch staatliche Verleihung erlangen (§ 22 BGB).

Stellung im Rechtsverkehr

Rechts- und Parteifähigkeit

Ein nichtrechtsfähiger Verein kann im Zivilrechtsverkehr nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten sein. Vertragspartner oder Prozesspartei sind grundsätzlich die handelnden Mitglieder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Das bedeutet, sämtliche Mitglieder haften gemeinsam für Verpflichtungen des Vereins.

Vertretung

Die Vertretung des nichtrechtsfähigen Vereins erfolgt im Regelfall durch die zur Geschäftsführung berufenen Mitglieder. Diese Vertretungsregelungen orientieren sich an den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, gelten jedoch mit den Vereinssatzungen als vertraglicher Rahmen.

Haftung

  • Mitgliederhaftung: Für Verbindlichkeiten haften in der Regel alle Mitglieder persönlich und gesamtschuldnerisch, sofern keine abweichende Regelung getroffen wurde.
  • Vermögensbindung: Das Vereinsvermögen gehört allen Mitgliedern gemeinschaftlich. Einlagen von Mitgliedern gehen grundsätzlich in das gemeinsame Vereinsvermögen über, sie können bei Austritt nicht zurückverlangt werden.

Satzung und interne Organisation

Satzungsinhalt

Auch nichtrechtsfähige Vereine verfügen in der Praxis über eine Satzung, welche die inneren Abläufe, den Zweck, die Mitgliedschaft, die Organstellung sowie die Willensbildung regelt. Die Satzung stellt eine vertragliche Grundlage dar und kann individuell ausgestaltet werden.

Organe

Typische Organe eines nichtrechtsfähigen Vereins sind:

  • Mitgliederversammlung: Oberstes Organ zur Willensbildung.
  • Vorstand (meist Geschäftsführung): Führung, Verwaltung und Vertretung des Vereins nach außen.

Steuerrechtliche Aspekte

Auch nichtrechtsfähige Vereine können als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung (AO) anerkannt werden und Steuervergünstigungen erhalten. Sie müssen hierzu die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und nachweisen, dass der satzungsgemäße Zweck gemeinnützig ist.


Auflösung und Abwicklung

Die Auflösung eines nichtrechtsfähigen Vereins richtet sich grundsätzlich nach den für die Gesellschaft geltenden Vorschriften. Falls die Satzung keine Regelungen enthält, wird nach allgemeinen Grundsätzen abgewickelt; das Restvermögen wird unter den Mitgliedern verteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.


Praxisbedeutung und Anwendungsbereiche

Typische Erscheinungsformen

Nichtrechtsfähige Vereine finden sich häufig als kleine Sportgruppen, Freizeit-, Kultur-, Musik- oder Interessenvereinigungen, die keinen Wert auf eine eigene Rechtspersönlichkeit oder Eintragung legen.

Vorteile und Nachteile

Vorteile:

  • Einfache Gründung ohne Behördengang oder Registereintrag
  • Flexible interne Organisation
  • Keine Notwendigkeit formalisierter Organe, außer bei Bedarf
  • Geringere laufende Kosten

Nachteile:

  • Persönliche Haftung aller Mitglieder für Vereinsschulden
  • Eingeschränkte Rechtssubjektivität im Geschäftsverkehr
  • Erschwerte gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen

Zusammenfassung

Der nichtrechtsfähige Verein ist eine weit verbreitete, niederschwellige Organisationsform für gemeinsame Zwecke, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und rechtlich weitgehend wie eine Gesellschaft behandelt wird. Für die Mitglieder birgt diese Organisationsform sowohl Vorteile (einfache Gründung, flexible Strukturen) als auch Nachteile (persönliche Haftung, eingeschränkte Außenwirkung). Im Gegensatz zum eingetragenen Verein eignet sich der nichtrechtsfähige Verein besonders für kleinere Gruppen mit geringen Haftungsrisiken und ohne ausgeprägten formellen Öffentlichkeitsauftritt.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet bei einem nichtrechtsfähigen Verein für Verbindlichkeiten?

Bei einem nichtrechtsfähigen Verein haften in erster Linie die Mitglieder persönlich für die Verbindlichkeiten, die im Namen des Vereins begründet werden. Da der nichtrechtsfähige Verein nach § 54 BGB nicht als eigene Rechtspersönlichkeit am Rechtsverkehr teilnimmt, können Verträge und sonstige Verpflichtungen nicht auf den Verein als eigenständiges Rechtssubjekt lauten. Vielmehr schließen die handelnden Personen, beispielsweise der Vorstand oder andere Beauftragte, die Rechtsgeschäfte im Namen aller Mitglieder ab. Solche Verpflichtungen wirken somit als Gesamthandverbindlichkeiten (§ 54 Satz 2 BGB), was bedeutet, dass jedes Mitglied mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten haftet. Die Haftung beschränkt sich lediglich auf den Kreis derjenigen Mitglieder, die bei Eingehung der Verpflichtung dem Verein angehörten. Ein späterer Vereinsbeitritt oder -austritt wirkt sich auf die Haftungsverteilung für bestehende Verbindlichkeiten nicht aus. Im Außenverhältnis kann der Gläubiger alle Mitglieder gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen, im Innenverhältnis kann jedoch abweichend geregelt werden, wie sich die Haftung zwischen den Mitgliedern verteilt.

Kann ein nichtrechtsfähiger Verein klagen oder verklagt werden?

Ein nichtrechtsfähiger Verein ist nicht selbst parteifähig im gerichtlichen Verfahren, da ihm die Rechtspersönlichkeit fehlt. Dies bedeutet, dass der Verein nicht unter seinem Namen klagen oder verklagt werden kann. Rechtsstreitigkeiten müssen daher gegen alle zur Zeit der Streitsache beteiligten Mitglieder als Streitgenossen geführt werden. Im gerichtlichen Verfahren werden stellvertretend häufig die Vorstandsmitglieder als Prozessvertreter benannt und handeln für die Gesamtheit der Mitglieder. Dies kann insbesondere im Falle eines Mitgliederwechsels oder bei wechselnder Vorstandszusammensetzung zu Unsicherheiten führen, da stets genau ermittelt werden muss, wer zum relevanten Zeitpunkt Mitglied war. Unabhängig davon kann im Rahmen gewisser Zwecksetzungen auch die Möglichkeit bestehen, mittels Prozessstandschaft zu klagen, wenn ein entsprechendes Interesse der Vereinsmitglieder vorliegt.

Kann ein nichtrechtsfähiger Verein selbst Eigentum erwerben?

Ein nichtrechtsfähiger Verein kann kein eigenes Eigentum an Sachen oder Rechten erwerben, weil er keine juristische Person ist und somit nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Das Eigentum an Immobilien, beweglichen Sachen oder anderen Vermögenswerten wird vielmehr unmittelbar von den Mitgliedern des Vereins als Gemeinschaft zur gesamten Hand (§ 54 S. 2 BGB analog zu § 744 BGB) gehalten. Das bedeutet, dass alle Mitglieder gemeinsam Eigentümer werden. Im Grundbuch werden daher die Vereinsmitglieder (meist mit dem Zusatz „in Gemeinschaft“) als Eigentümer eingetragen. Dies kann im Falle von Mitgliederwechseln zu erheblichem Verwaltungsaufwand führen, da jeder Wechsel eine Änderung in der Eigentümerstellung bedeutet und eine Anpassung z. B. im Grundbuch vorgenommen werden muss.

Wie erfolgt die interne Willensbildung bei einem nichtrechtsfähigen Verein?

Die interne Willensbildung folgt grundsätzlich den von den Mitgliedern vereinbarten Regelungen, meist in einer Satzung festgelegt. Haben die Mitglieder keine Vereinbarung getroffen, gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über Gesellschaften (§§ 705 ff. BGB) entsprechend. Entscheidungen werden oft durch Beschlussfassung in Mitgliederversammlungen getroffen, wobei die Mehrheiten und das Verfahren frei geregelt werden können. Die Satzung kann etwa vorsehen, dass ein Vorstand zur Geschäftsführung und Vertretung berufen wird. Fehlt eine solche Regelung, müssen die Vereinsangelegenheiten von allen Mitgliedern gemeinschaftlich geführt werden, was bei einer größeren Anzahl an Mitgliedern aufwendig sein kann. Die Beschlussfassung und Geschäftsführung sollten daher sorgfältig geregelt sein, um Rechtssicherheit zu schaffen und Streit zu vermeiden.

Gibt es steuerliche Besonderheiten für nichtrechtsfähige Vereine?

Auch nichtrechtsfähige Vereine können steuerlich zu einem eigenständigen Steuersubjekt werden, insbesondere wenn sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausüben oder gemeinnützige Zwecke verfolgen. Das Steuerrecht erkennt solche Vereine unter bestimmten Voraussetzungen als Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG an, mit der Folge, dass ihnen Steuernummer und gegebenenfalls die Gemeinnützigkeit zuerkannt werden kann. Besteht steuerliche Gemeinnützigkeit, können Spenden abgesetzt und Zuwendungsbestätigungen ausgestellt werden. Für die steuerliche Erfassung wird regelmäßig ein Vertreterkreis – z.B. der Vorstand – als Ansprechpartner gegenüber dem Finanzamt benannt. Trotz der fehlenden Rechtspersönlichkeit resultiert aus dem Steuerrecht eine gewisse Selbstständigkeit des Vereins, die sich allerdings allein auf steuerliche Belange beschränkt und keine Auswirkungen auf das Zivilrecht hat.

Wie ist die Auflösung eines nichtrechtsfähigen Vereins rechtlich zu handhaben?

Die Auflösung eines nichtrechtsfähigen Vereins erfolgt gemäß den getroffenen Vereinsvereinbarungen oder, sofern keine Satzung existiert, entsprechend den Regeln über die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 730 ff. BGB). Beschließen die Mitglieder die Auflösung, wird das Vereinsvermögen gemeinschaftlich abgewickelt. Hierzu gehört die Begleichung aller Verbindlichkeiten, die Einziehung von noch offenen Forderungen sowie die Verteilung des verbleibenden Vermögens unter den Mitgliedern, sofern die Satzung keine abweichende Regelung vorsieht. Die Abwicklung kann aufgrund der gemeinschaftlichen Vermögenszuordnung organisatorisch komplex sein, insbesondere wenn im Laufe der Zeit Mitglieder ausgeschieden oder eingetreten sind. Ein Liquidator wird bestellt, soweit die Satzung dies vorsieht oder die Mitglieder entsprechend beschließen. Die Auflösung sollte stets dokumentiert und allen Beteiligten transparent gemacht werden, um nachträgliche Haftungsfragen auszuschließen.