Begriff und Abgrenzung: Nicht-bundeseigene Eisenbahn
Als Nicht-bundeseigene Eisenbahn werden Eisenbahnunternehmen und -infrastrukturbetreiber bezeichnet, die sich nicht im Eigentum des Bundes befinden. Dazu gehören insbesondere Unternehmen der Länder und Kommunen, Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand außerhalb des Bundes, privatwirtschaftliche Bahnunternehmen, Hafen- und Industriebahnen sowie Verbund- und Zweckverbandsbahnen. Maßgeblich ist die Eigentümerstellung, nicht die Größe, der Zweck oder die Verkehrsart.
Öffentliche und nicht-öffentliche Eisenbahnen
Nicht-bundeseigene Eisenbahnen können als öffentliche Eisenbahnen Teil des allgemeinen Schienennetzes sein und grundsätzlich jedermann den Zugang zu ihren Verkehrsleistungen oder ihrer Infrastruktur ermöglichen. Daneben gibt es nicht-öffentliche Bahnen (z. B. Werks- oder Anschlussbahnen), die ausschließlich betriebsinternen Zwecken dienen und keinen allgemeinen Zugang gewähren. Die Einordnung hat weitreichende Folgen für Aufsicht, Netzzugang, Sicherheits- und Haftungsregeln.
Rechtsrahmen und Zuständigkeiten
Der Betrieb nicht-bundeseigener Eisenbahnen richtet sich nach bundesrechtlichen Regelungen zum Eisenbahnwesen, ergänzt durch landesrechtliche Vorschriften und europäische Vorgaben. Die Anforderungen betreffen insbesondere Sicherheit, Genehmigungen, Netzzugang, Regulierung, Fahrgastrechte und Umwelt.
Aufsicht und behördliche Zuständigkeit
Die Sicherheits- und Eisenbahnaufsicht ist verteilt: Für Tätigkeiten mit länderübergreifender oder internationaler Bedeutung nimmt regelmäßig eine Bundesbehörde Aufgaben wahr. Betreibt eine nicht-bundeseigene Eisenbahn ausschließlich innerhalb eines Bundeslandes, liegt die Aufsicht typischerweise bei der zuständigen Landesbehörde. In einzelnen Ländern sind Aufgaben der Aufsicht durch Verwaltungsvereinbarungen dem Bund übertragen. Unabhängig davon überwacht die Regulierungsbehörde des Bundes zentrale Fragen des Netzzugangs und der Entgelte, soweit die Infrastruktur dem öffentlichen Verkehr dient.
Europäische Einordnung
EU-Recht prägt Lizenzierung, Sicherheitszertifizierung, Interoperabilität, Trassenvergabe und Fahrgastrechte. Die Europäische Union Agentur für Eisenbahnen setzt technische Spezifikationen und Zulassungsprozesse für Fahrzeuge und Teilsysteme; nationale Sicherheitsbehörden sind für die Umsetzung verantwortlich.
Unternehmens- und Eigentumsformen
Nicht-bundeseigene Eisenbahnen treten in vielfältigen Organisationsformen auf. Sie können als Eigenbetriebe von Städten, als GmbH oder AG mit kommunaler, Landes- oder privater Beteiligung, als Zweckverband oder in gemischtwirtschaftlichen Modellen organisiert sein. Entscheidend ist die zuverlässige Erfüllung der Pflichten als Infrastrukturbetreiber oder Verkehrsunternehmen.
Konzern- und Beteiligungsstrukturen
In der Praxis bestehen häufig Konzernstrukturen mit getrennten Gesellschaften für Infrastruktur (Eisenbahninfrastrukturunternehmen, EIU) und Verkehr (Eisenbahnverkehrsunternehmen, EVU). Rechnungslegungs- und Entflechtungsvorschriften sollen Diskriminierungen beim Netzzugang verhindern, insbesondere wenn das EIU zugleich mit einem EVU verbunden ist.
Tätigkeitsbereiche: Infrastruktur und Verkehr
Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU)
EIU bauen, betreiben und unterhalten Gleise, Bahnhöfe, Signalanlagen und sonstige Anlagen. Öffentliche EIU stellen Kapazität bereit, vergeben Trassen, erheben Nutzungsentgelte und müssen den diskriminierungsfreien Zugang sicherstellen. Nicht-öffentliche EIU (z. B. Werksnetze) sind hiervon nur eingeschränkt erfasst.
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)
EVU führen Personen- oder Güterverkehr auf der Schiene durch. Sie benötigen Zugang zu geeigneter Infrastruktur, Fahrzeuge mit gültiger Zulassung und qualifiziertes Personal. Im Schienenpersonennahverkehr werden Leistungen häufig im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge erbracht.
Trennung und Entflechtung
Rechtliche und organisatorische Trennungsvorgaben sollen sicherstellen, dass Infrastrukturentscheidungen neutral getroffen werden. Dazu zählen unter anderem unabhängige Entscheidungen über Trassenvergabe und Entgeltgrundlagen sowie die getrennte Führung von Konten.
Genehmigungen und Betrieb
Unternehmenslizenz und Sicherheitsnachweise
EVU benötigen eine Unternehmenslizenz als Zugangsvoraussetzung zum Eisenbahnmarkt und zusätzlich einen Sicherheitsnachweis für den konkreten Betrieb. EIU benötigen eine entsprechende Sicherheitsgenehmigung. Grundlage ist jeweils ein Sicherheitsmanagementsystem, das Risiken systematisch erfasst und beherrscht.
Personal- und Fahrzeugzulassung
Triebfahrzeugführerinnen und -führer benötigen eine entsprechende europaweit harmonisierte Fahrerlaubnis und Zusatzbescheinigungen. Fahrzeuge und Teilsysteme bedürfen einer Inbetriebnahmegenehmigung bzw. Zulassung, die technische Interoperabilität und Sicherheitsanforderungen abdeckt. Änderungen an Fahrzeugen oder Infrastruktur können erneute Bewertungen auslösen.
Bau, Ausbau und Planfeststellung
Der Neubau oder wesentliche Ausbau von Bahnanlagen erfordert ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Umwelt- und Lärmschutzprüfungen sowie Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Zuständigkeit liegt je nach Vorhaben bei Landes- oder Bundesstellen. Kreuzungen mit Straßen, Gewässern und Leitungen unterliegen besonderen Regeln zur Kostentragung und Sicherung.
Netzzugang, Trassen und Entgelte
Zugangspflicht und Diskriminierungsverbot
Öffentliche Eisenbahninfrastrukturen müssen Eisenbahnverkehrsunternehmen diskriminierungsfrei zugänglich sein. Das umfasst den Zugang zu Trassen, Serviceeinrichtungen (z. B. Personenbahnhöfe, Rangierbahnhöfe, Tank- und Wartungsanlagen) und zugehörigen Dienstleistungen, soweit die Anlagen dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.
Trassenvergabe und Kapazitätsmanagement
Die Vergabe von Fahrwegkapazität erfolgt nach transparenten, vorab veröffentlichten Kriterien. Bei Engpässen sind vorrangige Verfahren, Koordinierung und ggf. Pläne zur Kapazitätssteigerung vorgesehen. Entgelte müssen kostenorientiert, transparent und nichtdiskriminierend sein.
Regulatorische Aufsicht
Die Einhaltung der Netzzugangs- und Entgeltregeln unterliegt der Kontrolle einer unabhängigen Regulierungsbehörde des Bundes. Betroffene Unternehmen können dort Entscheidungen zu Trassen, Entgelten oder Zugangsbedingungen überprüfen lassen.
Finanzierung und öffentliche Verträge
Schienenpersonennahverkehr und öffentliche Dienstleistungsaufträge
Im Nahverkehr vergeben Aufgabenträger der Länder oder Kommunen Leistungen regelmäßig im Wettbewerb. Verträge enthalten Vorgaben zu Qualität, Kapazität, Fahrzeugen, Tarifen und Ausgleichszahlungen. Dadurch werden nicht-bundeseigene Eisenbahnen häufig in die Daseinsvorsorge eingebunden.
Infrastrukturfinanzierung
EIU finanzieren sich aus Nutzungsentgelten und, je nach öffentlicher Widmung, aus Fördermitteln von EU, Bund und Ländern. Zuschüsse sind an Nachweise über Wirtschaftlichkeit, Bedarf und Einhaltung technischer und umweltrechtlicher Standards geknüpft. Für nicht-öffentliche Netze bestehen abweichende Finanzierungsmodelle, insbesondere durch Anschlussnutzer.
Sicherheit, Haftung und Verantwortung
Sicherheitsmanagement und Überwachung
Unternehmen müssen ein wirksames Sicherheitsmanagementsystem vorhalten, das Personalqualifikation, Betriebsverfahren, Instandhaltung, Risikobewertung und kontinuierliche Verbesserung umfasst. Behörden prüfen dies regelmäßig und können Auflagen erteilen oder den Betrieb untersagen.
Unfalluntersuchung
Schwere Eisenbahnunfälle werden von einer unabhängigen Stelle untersucht. Ziel ist die Ursachenaufklärung und die Ableitung von Sicherheitsempfehlungen. Diese Untersuchungen dienen nicht der Schuldzuweisung, sondern der Prävention.
Haftung und Versicherung
Für Schäden aus dem Betrieb der Eisenbahn gelten besondere Haftungsregeln. In bestimmten Konstellationen besteht eine verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit für Personen- und Sachschäden, ergänzt durch allgemeine zivilrechtliche Haftungstatbestände. Eisenbahnunternehmen müssen in der Regel ausreichenden Versicherungsschutz vorhalten, der Art und Umfang des Betriebs abdeckt.
Fahrgastrechte und Kundenschutz
Rechte im Personenverkehr
Für den Schienenpersonenverkehr gelten unionsweite Mindeststandards, etwa zu Information, Pünktlichkeit, Entschädigungen, Betreuung bei Störungen und Barrierefreiheit. Nationale Regelungen können ergänzend weitergehende Ansprüche im Nahverkehr vorsehen. Diese Rechte gelten unabhängig davon, ob das Unternehmen bundeseigen oder nicht-bundeseigen ist.
Transparenz und Barrierefreiheit
Betreiber müssen wesentliche Geschäftsbedingungen veröffentlichen, diskriminierungsfrei anwenden und die Erreichbarkeit sowie Nutzbarkeit ihrer Leistungen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen gewährleisten, soweit die einschlägigen Vorgaben dies vorsehen.
Schnittstellen zu anderen Rechtsbereichen
Umwelt- und Lärmschutz
Bau und Betrieb unterliegen Umweltverträglichkeits-, Naturschutz- und Immissionsschutzanforderungen. Lärmvorsorge und -sanierung, Erschütterungsschutz sowie Gewässerschutz sind regelmäßig zu berücksichtigen und können Förderzugänge eröffnen.
Bahnübergänge und Straßenrecht
Kreuzungen mit Straßen erfordern Sicherungsmaßnahmen und besondere Vereinbarungen zu Kostentragung und Unterhaltung. Die Ausgestaltung richtet sich nach den technischen Gegebenheiten, Verkehrsbelastungen und Sicherheitsanforderungen.
Datenschutz und IT-Sicherheit
Bei der Verarbeitung von Kunden- und Betriebsdaten gelten die allgemeinen europäischen und nationalen Datenschutzvorgaben. Kritische Infrastrukturen unterliegen darüber hinaus besonderen Pflichten zur IT-Sicherheit und zu Meldewegen bei Sicherheitsvorfällen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Nicht-bundeseigenen Eisenbahn
Was gilt rechtlich als Nicht-bundeseigene Eisenbahn?
Rechtlich sind alle Eisenbahnen nicht-bundeseigen, die nicht im Eigentum des Bundes stehen. Das umfasst Unternehmen der Länder, Kommunen, Zweckverbände sowie privat oder gemischtwirtschaftlich gehaltene Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen.
Wer beaufsichtigt Nicht-bundeseigene Eisenbahnen?
Die Sicherheitsaufsicht liegt je nach Tätigkeitsprofil bei Bundes- oder Landesbehörden. Bei länderübergreifendem oder internationalem Betrieb ist regelmäßig eine Bundesbehörde zuständig, bei ausschließlich landesweitem Betrieb meist die jeweilige Landesaufsicht. Die Regulierung des Netzzugangs erfolgt durch eine unabhängige Bundesbehörde.
Welche Genehmigungen benötigen Nicht-bundeseigene Eisenbahnen?
Verkehrsunternehmen benötigen eine Lizenz und einen Sicherheitsnachweis; Infrastrukturbetreiber eine Sicherheitsgenehmigung. Zusätzlich sind Fahrzeugzulassungen, Personalqualifikationen und bei Bauvorhaben förmliche Planungs- und Umweltverfahren erforderlich.
Müssen Nicht-bundeseigene Eisenbahnen ihr Netz für Dritte öffnen?
Öffentliche Infrastrukturen unterliegen dem diskriminierungsfreien Netzzugang und müssen Trassen und Serviceeinrichtungen nach transparenten Regeln bereitstellen. Nicht-öffentliche Netze wie reine Werksbahnen sind hiervon nur eingeschränkt erfasst.
Welche Regeln gelten für Trassenvergabe und Entgelte?
Die Vergabe erfolgt nach veröffentlichten Kriterien, mit Koordinierung bei Engpässen. Entgelte müssen transparent, kostenorientiert und nichtdiskriminierend sein. Die regulatorische Kontrolle liegt bei einer unabhängigen Stelle des Bundes.
Welche Haftungsgrundsätze gelten für Nicht-bundeseigene Eisenbahnen?
Es bestehen besondere Haftungsregeln für Schäden aus dem Eisenbahnbetrieb, die teils verschuldensunabhängig sind. Ergänzend greifen allgemeine zivilrechtliche Haftungstatbestände. Ein angemessener Versicherungsschutz ist vorzuhalten.
Gelten Fahrgastrechte auch bei Nicht-bundeseigenen Eisenbahnen?
Ja. Unionsweit geltende Fahrgastrechte finden unabhängig von der Eigentümerstellung Anwendung. Nationale Vorschriften können im Nahverkehr zusätzliche Ansprüche vorsehen.