Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Mietrecht»Neubaumietenverordnung

Neubaumietenverordnung


Neubaumietenverordnung – Begriff, Historie und rechtliche Einordnung

Die Neubaumietenverordnung ist ein zentrales Element im deutschen Mietrecht der Nachkriegszeit. Sie regelte Mietpreisbindungen für neu errichtete Wohngebäude in verschiedenen Zeiträumen und diente der sozialen Wohnraumversorgung und Mietpreisdämpfung. Nachfolgend wird die Neubaumietenverordnung umfassend rechtlich eingeordnet, erläutert und in ihrem historischen Kontext sowie ihrem aktuellen Stellenwert im deutschen Mietrecht dargestellt.


Entstehung und historische Entwicklung

Ursprünge und Zielsetzung

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bestand in der Bundesrepublik Deutschland ein erheblicher Wohnraummangel, bedingt durch Kriegszerstörungen, Bevölkerungsverschiebungen und Bevölkerungszuwachs. Um angemessene Wohnverhältnisse und einen funktionierenden Wohnungsmarkt zu gewährleisten, führte der Gesetzgeber verschiedene mietpreisregulierende Maßnahmen ein. Die Neubaumietenverordnung sollte speziell die Mietpreisgestaltung für neu errichtete Wohnungen regeln und so einerseits Investitionsanreize im Wohnungsbau setzen und andererseits soziale Härten abfedern.

Gesetzliche Grundlage

Die Neubaumietenverordnung basiert rechtlich auf § 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WoGG) in Verbindung mit dem Gesetz zur Regelung der Mietpreise im sozialen Wohnungsbau. In westdeutschen Bundesländern trat sie zunächst auf Grundlage der Verordnung über die zulässige Miethöhe bei neugebauten Wohnungen (Neubaumietenverordnung – NMV) vom 25. November 1950 in Kraft, die mehrfach novelliert wurde.


Regelungsinhalte und Anwendungsbereich

Definition: Was regelt die Neubaumietenverordnung?

Die Neubaumietenverordnung normiert die zulässigen Mieten für neu errichtete Wohngebäude und Wohnungen, die im Rahmen bestimmter Förderprogramme oder in definierten Zeiträumen fertiggestellt wurden. Ziel war es, die Mieten für Neubauwohnungen in bestimmten Grenzen zu halten, um wirtschaftliches Bauen zu sichern und Mietpreisüberhöhungen zu verhindern.

Regelung der Miethöhe

Kernpunkt der Verordnung ist die Festlegung von Höchstmieten, die für bestimmte Zeiträume nach Fertigstellung eines Neubaus nicht überschritten werden dürfen. Die zulässige Anfangsmiete orientierte sich dabei an verschiedenen Faktoren, insbesondere

  • den Herstellungskosten,
  • dem Baujahr,
  • örtlichen Mietspiegeln und
  • den im Einzelfall gewährten Fördermitteln.

Abweichungen nach oben waren nur in Ausnahmefällen möglich, beispielsweise bei besonderen Ausstattungsmerkmalen.

Verbindung zu anderen Regelungen des Mietpreisrechts

Die Neubaumietenverordnung steht in engem Zusammenhang mit weiteren mietpreisrechtlichen Normen, insbesondere der Preisbindung nach §§ 558 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der Preisbindung im öffentlich geförderten Wohnungsbau sowie weiteren Verordnungen wie der Berechnungsverordnung (II. BV) und der Wohnflächenverordnung (WoFlV).


Geltungsdauer, Ablösung und heutige Bedeutung

Zeitlicher Geltungsbereich

Die Neubaumietenverordnung galt grundsätzlich für alle nach dem 21. Juni 1948 (Währungsreform) errichteten Mietwohnungen. Die Regelungsdauer unterschied sich nach Bundesland und wurde sukzessive durch folgende Rechtsakte modifiziert oder aufgehoben. In vielen Regionen wurde die Regelung zum 31. Dezember 1971 mit Inkrafttreten des Miethöhegesetzes (MHG) bzw. ab 1. Januar 1972 mit der Mietenbegrenzungsverordnung (MietbegrenzungsVO) abgelöst und ging im weiteren Verlauf in die allgemeinen Regelungen des BGB über.

Bedeutung nach Einführung des Miethöhegesetzes und BGB

Mit der Vereinheitlichung des Mietpreisrechts und der Einführung des Miethöhegesetzes verloren die eigenständigen Regelungen der Neubaumietenverordnung sukzessive an praktischer Bedeutung. Gleichwohl ist sie weiterhin im Rechtsverkehr von Bedeutung, soweit sie auf vor dem Datum des Inkrafttretens des Miethöhegesetzes abgeschlossene Mietverhältnisse Anwendung findet (sogenannter „Altmietbestand“).


Rechtsfolgen bei Überschreitung der zulässigen Miethöhe

Sanktionen und Rechtsansprüche

Wurde die in der Neubaumietenverordnung zulässige Miete überschritten, ergaben sich für den Mieter verschiedene Rechtsansprüche:

  • Rückforderung überzahlter Miete nach §§ 812 ff. BGB
  • Anpassungsanspruch auf die zulässige Miethöhe
  • In bestimmten Fällen auch mietrechtliche Sanktionen für den Vermieter

Die Durchsetzung dieser Ansprüche war regelmäßig an enge Frist- und Formvorgaben gebunden. Mietverträge, die eine unzulässige „Mietüberhöhung“ enthielten, waren insoweit gemäß § 134 BGB nichtig.


Verhältnis zur heutigen Mietpreisbremse und sozialem Mietrecht

Systematische Einordnung

Die Neubaumietenverordnung kann als ein Vorgänger heutiger Instrumente des Mietpreisrechts, insbesondere der Regelungen zur „Mietpreisbremse“ (§§ 556d ff. BGB) und der sozialen Wohnraumförderung angesehen werden. Während die NMV primär Neubauten betraf, erstreckt sich die Mietpreisbremse heute auf Bestandswohnungen in angespannten Wohnungsmärkten, allerdings mit bestimmten Ausnahmen für Neubauten.

Residuale Bedeutung

In Ausnahmefällen besitzt die Neubaumietenverordnung noch residuale Bedeutung, etwa bei Altverträgen oder bei der rechtlichen Nachprüfung historischer Mietverträge zum Beispiel im Rahmen von Erbauseinandersetzungen.


Literatur und weiterführende Hinweise

Zu den maßgeblichen Quellen, Kommentaren und Rechtsprechungen zur Neubaumietenverordnung zählen:

  • Bundesgesetzblatt, verschiedene Ausgaben zur Neubaumietenverordnung
  • Schmidt-Futterer, Mietrecht, Kommentar
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentierungen zu § 558 BGB und Nebengebieten
  • Entscheidungssammlungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Altfällen der Mietpreisbindung

Zusammenfassung

Die Neubaumietenverordnung ist ein bedeutendes mietrechtliches Regulierungsinstrument der Nachkriegszeit, das wesentliche Impulse für die Entwicklung der Wohnungs- und Mietpreisbindung in Deutschland gesetzt hat. Sie legte die zulässige Miethöhe für den Neubaubereich fest, trug so zum sozialen Ausgleich und zur Steuerung des Wohnungsmarktes bei und wurde in späteren Reformen vom allgemeinen Mietpreisrecht abgelöst. Ihre historische und rechtliche Bedeutung ist weiterhin für bestimmte Altverhältnisse und zum Verständnis der Entwicklung des deutschen Mietrechts relevant.

Häufig gestellte Fragen

Welche Mietverhältnisse fallen unter die Neubaumietenverordnung?

Die Neubaumietenverordnung (NMV) gilt grundsätzlich für Wohnraum, der nach dem 1. Januar 1952 neu errichtet wurde oder bei dem durch Erweiterung zusätzlicher Wohnraum geschaffen wurde und der nicht bereits unter eine Preisbindung aufgrund des sozialen Wohnungsbaus fällt. Sie findet Anwendung insbesondere auf Mietverhältnisse über Wohnungen, die mit Mitteln des freien Wohnungsbaus finanziert wurden, also ohne besondere öffentliche Förderung. Die NMV regelt damit, ab welcher Bezugsfertigkeit eine Wohnung als Neubau im Sinne der Verordnung gilt und welche zeitlichen Befristungen für den Anwendungsbereich maßgeblich sind. Nicht umfasst sind regelmäßig von Trägern öffentlicher Förderung erstellte oder im Wege genossenschaftlicher Bauträgerschaft entstandene Mietwohnungen, sofern sie speziellen Bindungen unterliegen. Die Zugehörigkeit eines Mietverhältnisses zur NMV muss anhand des Baujahrs, der Art der Finanzierung und der Inanspruchnahme etwaiger Fördermittel rechtlich exakt geprüft werden.

Wie bestimmt sich die zulässige Miethöhe nach der Neubaumietenverordnung?

Die zulässige Miethöhe unterliegt nach Maßgabe der Neubaumietenverordnung bestimmten Begrenzungen. Die Verordnung sieht eine sogenannte Kostenmiete vor, die sich nach den tatsächlichen Aufwendungen des Vermieters für den Neubau, einschließlich Finanzierungskosten, Abschreibungen, angemessener Verzinsung des eingesetzten Kapitals, laufender Kosten und Instandhaltung bemisst. § 2 der NMV legt dar, wie die Wirtschaftlichkeitsrechnung zu erfolgen hat und welche Kosten nachweislich umlagefähig sind. Der Vermieter ist verpflichtet, auf Anforderung des Mieters eine nachvollziehbare Berechnung (Kalkulation) der Miethöhe vorzulegen, aus der sämtliche Kostenpositionen hervorgehen müssen. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit ist die Einhaltung der im Gesetz vorgegebenen Grenzen; Überschreitungen können zu Rückforderungsansprüchen des Mieters und zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen führen.

Welche Rechte und Pflichten treffen Vermieter nach der Neubaumietenverordnung?

Vermieter sind nach der Neubaumietenverordnung verpflichtet, sämtliche mietpreisbildenden Faktoren transparent und nachvollziehbar darzulegen. Sie müssen vor Vertragsabschluss – oder auf Verlangen nachträglich – dem Mieter die Grundlage der vereinbarten Miete offenlegen und eine sogenannte Wirtschaftlichkeitsberechnung schriftlich aushändigen. Zusätzlich besteht die Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung der Miethöhe, wenn sich relevante Kostenbestandteile ändern (zum Beispiel Zins- und Tilgungssätze bei Darlehen). Auf Seiten des Mieters besteht das Recht, Einblick in die Kostenkalkulation zu verlangen und Verstöße zu beanstanden. Bei Unstimmigkeiten oder überhöhten Mieten kann der Mieter eine behördliche Überprüfung beantragen und gegebenenfalls mietvertragliche Rückforderungen geltend machen.

Welche Kontrollmechanismen bestehen zur Einhaltung der Neubaumietenverordnung?

Die Einhaltung der Vorgaben der Neubaumietenverordnung wird durch die zuständigen Landesbehörden überwacht. Diese Behörden besitzen das Recht, Mieten zu prüfen und Nachweise zu Kosten und Wirtschaftlichkeit beim Vermieter einzufordern. Im Falle von Verstößen können sie die unverzügliche Herabsetzung überhöhter Mieten anordnen, Bußgelder verhängen oder sogar die Rückerstattung zu viel verlangter Beträge anordnen. Der Mieter selbst ist berechtigt, die Überprüfung anzuregen, wenn der Verdacht einer überhöhten Miete besteht. In Streitfällen steht sowohl der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten als auch ein verwaltungsrechtliches Verfahren offen.

Können Mieterhöhungen während eines laufenden Mietverhältnisses nach der Neubaumietenverordnung erfolgen?

Mieterhöhungen im Geltungsbereich der Neubaumietenverordnung sind nur unter streng gesetzlich geregelten Umständen möglich. Voraussetzung ist in der Regel eine nachweisbare Kostenerhöhung auf Seiten des Vermieters, beispielsweise durch gestiegene Zinsen, höhere Instandhaltungskosten oder vergleichbare wirtschaftliche Belastungen. Die Mieterhöhung ist mittels einer aktualisierten Wirtschaftlichkeitsberechnung zu belegen und dem Mieter verständlich zu erläutern. Formale und inhaltliche Anforderungen an die Erhöhung werden durch die NMV vorgegeben; eine bloße Anlehnung an die ortsübliche Vergleichsmiete ist unzulässig. Vor Umsetzung einer Erhöhung sind auch etwaige Fristen und Anzeigepflichten zu beachten, andernfalls ist die Mieterhöhung unwirksam.

Welche Ausnahmen oder Sonderregelungen sieht die Neubaumietenverordnung vor?

Die Neubaumietenverordnung beinhaltet bestimmte Ausnahmen, beispielsweise für sogenannte Luxuswohnungen, bei denen aufgrund hochwertiger Ausstattung und besonderer Bauqualität von den allgemeinen Begrenzungen der Kostenmiete abgewichen werden darf, sofern dies behördlich genehmigt ist. Weiter existieren Übergangsregelungen für Altverträge sowie Sonderregelungen, wenn staatliche Förderprogramme mit abweichenden Mietbestimmungen in Anspruch genommen wurden. Auch ist zu beachten, dass bei Modernisierungsmaßnahmen, die nachträglich den Wohnstandard erhöhen, unter Bedingungen ebenfalls Mietanpassungen möglich sein können. Die Ausgestaltung der Ausnahmetatbestände ist jedoch restriktiv und verlangt regelmäßig eine behördliche Anerkennung bzw. Dokumentationspflicht.