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Netzentwicklungsplan


Netzentwicklungsplan – rechtliche Grundlagen und Begriffserklärung

Der Netzentwicklungsplan (NEP) ist im deutschen und europäischen Energierecht ein zentrales Planungsinstrument für die Entwicklung und den Ausbau der Strom- und Gasnetze. Er dient der bedarfsgerechten, nachhaltigen und effizienten Anpassung der Energieversorgungsnetze an die sich wandelnden Anforderungen der Energieversorgung, insbesondere im Kontext der Energiewende. Seine rechtlichen Grundlagen und Verfahren tragen maßgeblich zur Stabilität, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit der leitungsgebundenen Energieversorgung bei.

Rechtliche Grundlagen des Netzentwicklungsplans

Gesetzliche Grundlage

Die verbindlichen Anforderungen für die Erstellung von Netzentwicklungsplänen ergeben sich im Wesentlichen aus dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), konkret den §§ 12a ff. EnWG (Strom) sowie § 15a EnWG (Gas) für Deutschland. Auf europäischer Ebene sind die Grundpfeiler im Dritten Binnenmarktpaket sowie in den Netzkodizes festgelegt.

Regulatorische Vorgaben

Für die Strom- und Gasnetzentwicklungspläne wurden von der Bundesnetzagentur (BNetzA) umfassende Verfahrensvorgaben ausgearbeitet. Zu den maßgeblichen Verordnungen gehört die Verordnung (EG) Nr. 714/2009 über Bedingungen für den Zugang zum Netz für den grenzüberschreitenden Stromhandel und die Verordnung (EG) Nr. 715/2009 für den Gasbereich. Im Sinne des EnWG obliegt es dem Betreiber des Übertragungs- oder Fernleitungsnetzes, den Netzentwicklungsplan zu erstellen und fortzuschreiben.

Ziele und Funktionen des Netzentwicklungsplans

Der Netzentwicklungsplan dient der Ermittlung und Bewertung des erforderlichen Aus- und Umbaubedarfs der Übertragungs- und Fernleitungsnetze unter Berücksichtigung zukünftiger Bedarfe, technischer Entwicklungen sowie umwelt- und klimarelevanter Anforderungen. Zentrale Ziele sind die Versorgungssicherheit, der Netzzugang für Marktteilnehmer, die Erreichung der energiepolitischen Ziele (insbesondere Dekarbonisierung) sowie die weitere Integration erneuerbarer Energien.

Verfahren zur Erstellung und Genehmigung

Aufstellung

Die Übertragungsnetzbetreiber (Strom) beziehungsweise die Fernleitungsnetzbetreiber (Gas) sind laut EnWG verpflichtet, jährlich einen (Strom) beziehungsweise alle zwei Jahre einen (Gas) Netzentwicklungsplan auszuarbeiten. Dieser ist unter frühzeitiger und umfassender Beteiligung der zuständigen Aufsichtsbehörden, der Öffentlichkeit sowie bedeutender Interessenträger zu erstellen (vgl. § 12b EnWG).

Konsultations- und Beteiligungsverfahren

Die Pläne unterliegen einem mehrstufigen, transparenten Konsultationsverfahren, das u.a. die öffentliche Auslegung, Anhörungen und die Stellungnahmenbürgerlicher, politischer und wirtschaftlicher Institutionen umfasst. Die Ergebnisse finden Eingang in die abschließende Version des Netzentwicklungsplans.

Prüfungs- und Genehmigungsverfahren

Abschließend wird der ausgearbeitete Netzentwicklungsplan von der Bundesnetzagentur geprüft und entweder genehmigt, mit Auflagen versehen oder ganz/teilweise abgelehnt (§ 12c EnWG). Nach der behördlichen Bestätigung ist der Plan für die Netzbetreiber verbindlich in Bezug auf Planung und Umsetzung der Maßnahmen.

Inhaltliche Anforderungen an den Netzentwicklungsplan

Der Netzentwicklungsplan muss folgende wesentliche Angaben enthalten:

  • Szenarien für die zukünftige Entwicklung von Angebot und Nachfrage
  • Prognosen zu Erzeugungskapazitäten und Lasten
  • Wesentliche Netzengpässe und Engpassbeseitigungsmaßnahmen
  • Bedarf an Neu- und Ausbau von Leitungen sowie Modernisierungsmaßnahmen
  • Zeitliche Umsetzungsetappen
  • Bewertung der Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Raumordnung

Verhältnis zu weiteren Planungsinstrumenten

Der Netzentwicklungsplan bildet die Grundlage für den Bundesbedarfsplan (§ 12e EnWG), in dem besonders bedeutsame Leitungsprojekte im Gesetzgebungswege als vordringlicher Bedarf ausgewiesen werden. In seiner Ausgestaltung korrespondiert der NEP unmittelbar mit Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren sowie weiteren raumordnerischen und naturschutzrechtlichen Instrumenten.

Europarechtliche Einbindung des Netzentwicklungsplans

Nationalstaatliche Netzentwicklungspläne stehen im Kontext der europäischen Netzplanung. Sie werden mit dem Zehnjahres-Netzentwicklungsplan (TYNDP) des europäischen Netzbetreiberverbandes ENTSO-E (Strom) bzw. ENTSOG (Gas) abgestimmt. Dadurch ist die grenzüberschreitende Interoperabilität und Versorgungssicherheit gewährleistet.

Rechtsschutz und Kontrolle

Die Umsetzung der Maßnahmen des Netzentwicklungsplans unterliegt der Aufsicht der Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur). Bei Streitigkeiten zwischen Netzbetreibern, betroffenen Grundstückseigentümern, Gemeinden oder Dritten bestehen gerichtliche und verwaltungsrechtliche Klagemöglichkeiten; insbesondere im Zusammenhang mit Planfeststellungsverfahren und Enteignungsmaßnahmen.

Zusammenfassung

Der Netzentwicklungsplan ist ein wesentliches rechtliches Steuerungsinstrument für eine zukunftsfähige, sichere und effiziente Netzstruktur im deutschen und europäischen Energierecht. Er verbindet regulatorische Vorgaben, technische und energiewirtschaftliche Ziele sowie Beteiligungs- und Konsultationsrechte und bindet sämtliche Akteure in transparente Planungsprozesse ein. Der NEP bildet sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene einen zentralen Baustein der modernen Energieinfrastrukturpolitik.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Erstellung und Genehmigung des Netzentwicklungsplans?

Die rechtlichen Grundlagen für die Erstellung und Genehmigung des Netzentwicklungsplans (NEP) sind vor allem im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verankert. § 12b EnWG verpflichtet die Übertragungsnetzbetreiber zur Aufstellung eines gemeinsamen Entwurfs des NEP mindestens alle zwei Jahre. Der Prozess ist darüber hinaus durch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) ausgestaltet, das insbesondere das Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung, die Beteiligung der Bundesnetzagentur (BNetzA) sowie das Prüf- und Bestätigungsverfahren regelt. Die BNetzA nimmt eine zentrale Rolle als prüfende und bestätigende Behörde ein und sorgt für die Einhaltung unionsrechtlicher Vorgaben, wie sie etwa aus den EU-Energiebinnenmarktrichtlinien und der TEN-E-Verordnung stammen. Der gesamte Ablauf ist von Transparenzvorgaben, Mitwirkungsrechten der Öffentlichkeit sowie Mitspracherechten aller Betroffenen und Behörden geprägt, sodass rechtliche Vorgaben auch zur Beteiligung umweltrechtlicher Aspekte einfließen (bspw. nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz – UVPG).

Welche Rechte und Pflichten haben Übertragungsnetzbetreiber im Zusammenhang mit dem Netzentwicklungsplan?

Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sind nach § 12b EnWG verpflichtet, einen Netzentwicklungsplan zu erstellen und dabei die voraussichtlichen Entwicklungen des Strommarktes zu berücksichtigen. Sie haben dabei das Recht, alle zur Erstellung notwendigen Informationen zu erheben und einzubeziehen. Zugleich sind sie verpflichtet, im Rahmen der Ausarbeitung Umweltbelange, technische Entwicklungen und Anforderungen der Versorgungssicherheit zu beachten. Gleichfalls müssen sie einen auf der aktuellen Datengrundlage beruhenden, gemeinsamen NEP veröffentlichen. Zu ihren Pflichten gehört ferner, den Plan mehrfach der BNetzA zur Prüfung vorzulegen und die Einwände aus dem Konsultationsverfahren sowie die Stellungnahmen von Ländern, Fachbehörden und Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Weiterhin besteht die Pflicht, die Maßnahmen transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren, wodurch die ÜNB auch der Rechenschaftspflicht gegenüber Regulierungsbehörden und Gerichten unterstehen.

Welche Mitwirkungs- und Klagerechte hat die Öffentlichkeit im Verfahren zum Netzentwicklungsplan?

Das Verfahren zum Netzentwicklungsplan ist nach EnWG und NABEG explizit auf eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung ausgerichtet. Nach § 12b Abs. 3 EnWG wird der Entwurf des NEP veröffentlicht und zur Konsultation gestellt, wobei jedermann innerhalb einer Frist – in der Regel von vier Wochen – Anmerkungen, Einwände oder Stellungnahmen einbringen kann. Diese Stellungnahmen müssen von den ÜNB geprüft und dokumentiert werden; begründete Einwände sind sachgerecht zu würdigen. Die BNetzA ist im weiteren Prüfverfahren verpflichtet, die vorgebrachten Interessen abzuwägen und eine rechtsstaatliche Entscheidung zu treffen. Im Falle erheblicher rechtlicher oder tatsächlicher Defizite ist eine gerichtliche Überprüfung nach dem Verwaltungsgerichtsweg grundsätzlich möglich, z. B. auf dem Wege einer Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO). Auch Umwelt- und Naturschutzverbände können, gestützt auf das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), Klagerechte geltend machen, soweit sie geltend machen, dass umweltrechtliche Anforderungen nicht ordnungsgemäß eingehalten wurden.

Welche rechtliche Stellung hat die Bestätigung des Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur?

Die Bestätigung des Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG dar. Sie ist hoheitliche Kontrolle und Freigabe zugleich: Die BNetzA prüft die Vollständigkeit, Angemessenheit und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere mit energiewirtschaftlichen sowie umwelt- und raumordnungsrechtlichen Vorgaben. Erst mit dieser Bestätigung wird der NEP zum verbindlichen Planungsdokument, das als Grundlage für spätere Zulassungs- und Planfeststellungsverfahren bei konkreten Netzausbauprojekten dient. Die Rechtswirkung umfasst insoweit die Bindung nicht nur der ÜNB, sondern auch der nachfolgenden Genehmigungsbehörden, wobei zugleich Individualklagen gegen die Bestätigung zugelassen sind. Darüber hinaus ist der NEP durch die Bestätigung mit einer erhöhten rechtlichen Qualität ausgestattet und kann – eingeschränkt – einer gerichtlichen Überprüfung durch Verwaltungsgerichte zugeführt werden.

In welchem Verhältnis steht der Netzentwicklungsplan zu weiteren (raumordnungs-)rechtlichen Planungen?

Der Netzentwicklungsplan ist auf einer vorgelagerten Planungsstufe angesiedelt und entfaltet gegenüber nachfolgenden raumordnungsrechtlichen Planungen eine Bindungswirkung. Er steht insbesondere im Verhältnis zum Bundesbedarfsplan nach § 12e EnWG und zur Bundesfachplanung gemäß § 4 ff. NABEG. Während der NEP als sektorale Fachplanung gilt, erfolgt aus ihm die Entwicklung des Bundesbedarfsplans, der die besonders dringlichen Vorhaben gesetzlich festschreibt. Die raumordnerische Umsetzung erfolgt erst auf den folgenden Stufen (Raumordnungsverfahren, Planfeststellung), die ihrerseits die Inhalte des NEP zu beachten haben, aber im Rahmen des jeweils eigenen Fachrechts (insb. Raumordnungsgesetz – ROG, Landesplanungsgesetze) auf ihre Vereinbarkeit mit anderen Belangen prüfen. Konflikte können dabei über verwaltungsgerichtliche Verfahren aufgelöst werden.

Welche Folgen hat eine rechtlich fehlerhafte Aufstellung oder Bestätigung des Netzentwicklungsplans?

Die Feststellung eines rechtlichen Fehlers im Verfahren zur Aufstellung oder Bestätigung des Netzentwicklungsplans kann gravierende Auswirkungen haben. Bei erheblichen Verfahrensfehlern oder einer rechtswidrigen Berücksichtigung bzw. Missachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften ist der NEP nichtig oder zumindest anfechtbar. Betroffene oder anerkannte Umweltverbände können im Rahmen des Verwaltungsstreitverfahrens eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage gegen die Bestätigung der BNetzA einlegen. Wird dem stattgegeben, muss das Verfahren teilweise oder ganz neu aufgerollt werden, was erhebliche Verzögerungen und wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen kann. Darüber hinaus sind sämtliche nachfolgenden Planungs- und Zulassungsverfahren, die auf dem nichtigen NEP beruhen, ebenfalls angreifbar.

Wie sind datenschutzrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Netzentwicklungsplan geregelt?

Datenschutzrechtliche Anforderungen spielen beim Netzentwicklungsplan insbesondere bei der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Informationen eine Rolle. Die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur sind verpflichtet, sämtliche datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), einzuhalten. Personenbezogene Daten sind grundsätzlich zu anonymisieren, soweit sie zur Planung verarbeitet werden müssen. Kommt es im Rahmen der Konsultation zur Bereitstellung personenbezogener Stellungnahmen, ist deren Verarbeitung nur mit Einwilligung der Betroffenen oder auf gesetzlicher Grundlage zulässig. Verstöße können aufsichtsrechtlich sanktioniert werden und unterliegen der Kontrolle der jeweiligen Datenschutzaufsichtsbehörden.