Nennwert und nennwertlose Aktie: Begriff, Bedeutung und rechtliche Einordnung
Der Nennwert und die nennwertlose Aktie (auch: Stückaktie) sind zentrale Grundbegriffe des deutschen Aktienrechts. Sie bestimmen, wie das Grundkapital einer Aktiengesellschaft rechnerisch auf die einzelnen Aktien verteilt wird. Obwohl beide Konzepte unterschiedliche technische Ansätze nutzen, dienen sie demselben Ziel: der klaren Zuordnung von Anteilen am Grundkapital und der Sicherung der Kapitalstruktur der Gesellschaft.
Nennwert: Definition und Funktion
Der Nennwert ist der auf einer Aktie angegebene Geldbetrag, der den Anteil dieser Aktie am Grundkapital ausdrückt. Die Summe aller Nennwerte sämtlicher ausgegebener Nennwertaktien entspricht dem Grundkapital. Der Nennwert ist eine rein rechnerische, kapitalbezogene Größe. Er sagt nichts über den Marktpreis der Aktie aus und bleibt auch dann unverändert, wenn sich der Börsenkurs ändert. Der Nennwert darf einen gesetzlich vorgegebenen Mindestbetrag nicht unterschreiten; in Deutschland beträgt er regelmäßig mindestens 1 Euro (Altbestände können abweichen).
Nennwertlose Aktie (Stückaktie): Definition und Funktion
Nennwertlose Aktien, in Deutschland als Stückaktien bezeichnet, weisen keinen aufgedruckten Nennbetrag aus. Stattdessen repräsentiert jede Aktie denselben rechnerischen Anteil am Grundkapital; die Beteiligung ergibt sich aus der Stückzahl. Der rechnerische Anteil jeder Stückaktie am Grundkapital darf einen Mindestbetrag nicht unterschreiten; in Deutschland entspricht er regelmäßig mindestens 1 Euro. Die Gesamtzahl der ausgegebenen Stückaktien multipliziert mit diesem rechnerischen Anteil ergibt das Grundkapital.
Rechtlicher Rahmen und Abgrenzungen
Zulässige Aktienarten und Bezeichnungen
In Deutschland können Aktiengesellschaften Nennwertaktien oder Stückaktien ausgeben. Eine Mischung ist in der Regel nicht vorgesehen; die Festlegung erfolgt durch die Satzung und prägt die Kapitalstruktur. Unabhängig davon können weitere Unterscheidungen bestehen, etwa in Inhaber- oder Namensaktien; diese betreffen jedoch die Übertragbarkeit, nicht die Frage des Nennwerts.
Verhältnis zum Grundkapital
Bei Nennwertaktien wird das Grundkapital durch Addition der Nennwerte gebildet. Bei Stückaktien wird das Grundkapital durch die Anzahl der Aktien und den rechnerischen Anteil je Stück bestimmt. In beiden Fällen ist die Relation zwischen ausgegebenen Aktien und Grundkapital eindeutig und dient der Transparenz gegenüber Anteilseignern und Gläubigern.
Ausgabe von Aktien und Einlageleistung
Bei der Erstausgabe (und Kapitalerhöhungen) werden Aktien zu einem Ausgabebetrag ausgegeben. Dieser darf den Nennwert (bei Nennwertaktien) bzw. den rechnerischen Anteil am Grundkapital (bei Stückaktien) nicht unterschreiten. Ein Ausgabebetrag oberhalb dieser Schwellen führt zu einem Aufgeld (Agio), das der Kapitalrücklage zugeführt wird. Damit wird das Grundkapital rechtlich geschützt und zusätzliches Eigenkapital geordnet ausgewiesen.
Kapitalerhaltung
Die Kapitalerhaltungsvorschriften verhindern, dass Grundkapital an Aktionärinnen und Aktionäre zurückfließt, soweit keine geregelten Ausnahmen vorliegen (z. B. ordnungsgemäße Gewinnverwendung oder formal durchgeführte Kapitalmaßnahmen). Die Einhaltung dieser Grundsätze ist unabhängig davon, ob Nennwertaktien oder Stückaktien ausgegeben wurden.
Auswirkungen auf Rechte der Anteilseigner
Stimmrechte und Dividenden
Das Stimmrecht knüpft an die Aktie an. Bei Stückaktien gewährt jede Aktie grundsätzlich eine Stimme. Bei Nennwertaktien ist die Stimmrechtsausübung üblicherweise an die einzelne Aktie bzw. an ein einheitliches Nennwertformat gekoppelt. Dividenden werden nach dem Anteil am Grundkapital bzw. nach der Aktienzahl verteilt; der Börsenkurs oder der Nennwert sind hierfür nicht maßgeblich.
Übertragbarkeit und Verbriefung
Die Übertragbarkeit (z. B. als Inhaber- oder Namensaktie) ist vom Vorliegen eines Nennwerts unabhängig. Im heutigen Girosammelverkehr sind Aktien in der Regel verurkundet oder dematerialisiert und werden elektronisch geführt; der Nennwert oder die Stückeigenschaft sind in den entsprechenden Register- und Depotangaben dokumentiert.
Rechnungslegung und Bilanzierung
Ausweis im Eigenkapital
Das Grundkapital wird in der Bilanz mit dem Nennwert (bei Nennwertaktien) oder mit dem rechnerischen Betrag je Stückaktie mal Stückzahl (bei Stückaktien) ausgewiesen. Eine Veränderung des Börsenkurses berührt diesen Ausweis nicht. Dadurch bleibt die Kapitalbasis in der Rechnungslegung stabil und nachvollziehbar.
Agio und Kapitalrücklage
Wird eine Aktie über dem Nennwert bzw. über dem rechnerischen Anteil am Grundkapital ausgegeben, entsteht ein Aufgeld (Agio). Dieses fließt nicht in das Grundkapital, sondern in die Kapitalrücklage. Die Trennung dient der Transparenz und der Einhaltung der Kapitalbindung.
Kapitalmaßnahmen und Praxisfragen
Aktiensplit und Zusammenlegung
Bei einem Aktiensplit wird die Zahl der Aktien erhöht, ohne dass sich das Grundkapital ändert. Der rechnerische Anteil je Aktie sinkt entsprechend (bei Stückaktien) bzw. der Nennwert wird angepasst (bei Nennwertaktien). Umgekehrt führt eine Zusammenlegung (Reverse Split) zur Verringerung der Aktienzahl bei entsprechend höherem rechnerischem Anteil bzw. Nennwert. Beide Maßnahmen verändern die Kapitalstruktur nicht, sondern nur die Stückelung.
Bezugsrechte und Spitzen
Bei Kapitalerhöhungen steht Aktionärinnen und Aktionären grundsätzlich ein Bezugsrecht zu, um ihre Beteiligungsquote zu wahren. Dabei können sogenannte Spitzen entstehen (Bruchteile von Rechten oder Anteilen), wenn die Bezugsrelation nicht glatt aufgeht. Spitzen werden regelmäßig zusammengelegt und veräußert oder bar ausgeglichen, ohne dass daraus eine neue, eigenständige Aktie entsteht.
Umstellung zwischen Aktienarten
Eine Umstellung von Nennwertaktien auf Stückaktien oder umgekehrt ist rechtlich möglich und erfolgt durch Satzungsänderung und technische Umsetzung im Depotverkehr. Das Grundkapital bleibt hierbei unverändert; es ändert sich lediglich die Art seiner rechnerischen Aufteilung auf die Aktien.
Abgrenzungen
GmbH-Anteile
Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden Geschäftsanteile stets als Nennbeträge geführt. Eine nennwertlose Ausgestaltung ist dort nicht vorgesehen. Die Logik der Kapitalbindung ist mit derjenigen der Aktiengesellschaft vergleichbar, jedoch unterscheiden sich Struktur, Rechte und Übertragungsmodalitäten.
Anleihen und sonstige Wertpapiere
Bei Schuldverschreibungen bezeichnet der Nennwert den Betrag, der zur Rückzahlung und zur Berechnung von Zinsen maßgeblich ist. Dieser Wert steht neben dem Kurswert, der sich am Markt bildet. Der Begriff Nennwert dient dort einem anderen Zweck als bei Aktien, weil er mit der Schuldverpflichtung der Emittentin verknüpft ist.
Typische Missverständnisse
Die Bezeichnung „nennwertlos“ bedeutet nicht wertlos. Stückaktien haben einen klar bestimmbaren Anteil am Grundkapital. Zudem beeinflusst der Nennwert nicht den Börsenkurs; dieser ergibt sich aus Angebot, Nachfrage und Erwartungen zum Unternehmen. Eine Änderung der Stückelung (Split oder Zusammenlegung) ändert den Kurs rechnerisch, ohne den Unternehmenswert zu berühren.
Häufig gestellte Fragen
Was unterscheidet Nennwertaktien von nennwertlosen Aktien?
Nennwertaktien tragen einen festen Nennbetrag, dessen Summe das Grundkapital bildet. Nennwertlose Aktien (Stückaktien) haben keinen aufgedruckten Betrag; jede Aktie repräsentiert denselben rechnerischen Anteil am Grundkapital. Die wirtschaftliche Beteiligung ist in beiden Fällen eindeutig bestimmbar.
Warum gibt es nennwertlose Aktien?
Stückaktien vereinfachen die Kapitalstruktur, weil jede Aktie dieselbe Quote am Grundkapital verkörpert. Das erleichtert Splits, Zusammenlegungen und die Kommunikation der Beteiligungsverhältnisse, ohne die Kapitalbindung zu verändern.
Beeinflusst der Nennwert das Stimmrecht?
Das Stimmrecht knüpft an die Aktie als solche an. Bei Stückaktien gilt regelmäßig eine Stimme je Aktie. Bei Nennwertaktien ist das Stimmrecht typischerweise an die Anzahl der gehaltenen Aktien gekoppelt. Der Nennwert an sich erhöht das Stimmgewicht nicht.
Hat der Nennwert Einfluss auf den Marktpreis?
Nein. Der Marktpreis ergibt sich aus Angebot, Nachfrage und unternehmensbezogenen Erwartungen. Der Nennwert ist eine bilanzielle Rechengröße und beeinflusst den Kurs nicht. Splits oder Zusammenlegungen verändern zwar den Kurs rechnerisch, aber nicht den Unternehmenswert.
Kann eine Gesellschaft zwischen Nennwertaktien und Stückaktien wechseln?
Ja. Die Umstellung erfolgt durch Satzungsänderung und technische Umsetzung. Das Grundkapital bleibt dabei unverändert; es ändert sich nur die Art der rechnerischen Aufteilung.
Welche Rolle spielt das Agio bei der Aktienausgabe?
Wird eine Aktie über dem Nennwert oder dem rechnerischen Anteil am Grundkapital ausgegeben, entsteht ein Aufgeld (Agio). Dieses wird der Kapitalrücklage zugeführt und erhöht nicht das Grundkapital. So bleibt die Kapitalbindung gewahrt, zusätzliches Eigenkapital wird transparent ausgewiesen.
Gibt es nennwertlose Anteile bei der GmbH?
Nein. GmbH-Geschäftsanteile werden als Nennbeträge geführt. Eine Ausgestaltung als Stückanteile ohne Nennbetrag ist dort nicht vorgesehen.
Wie wird der Nennwert in der Bilanz abgebildet?
Das Grundkapital wird in der Bilanz mit Nennbeträgen (bei Nennwertaktien) oder rechnerischen Beträgen je Aktie mal Stückzahl (bei Stückaktien) ausgewiesen. Ein etwaiges Aufgeld wird separat als Kapitalrücklage dargestellt.