Begriff und Wesen der Negativen Feststellungsklage
Die negative Feststellungsklage ist ein zivilprozessuales Instrument, das es einer Partei ermöglicht, gerichtlich feststellen zu lassen, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis oder Anspruch gerade nicht besteht. Im deutschen Zivilprozessrecht ist sie in § 256 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Die negative Feststellungsklage steht im Gegensatz zur positiven Feststellungsklage, mit der die Existenz eines Rechtsverhältnisses oder Anspruchs festgestellt werden soll.
Durch die Erhebung der negativen Feststellungsklage kann der Kläger Ungewissheit über die rechtliche Beziehung zu einer anderen Person oder die Verneinung einer behaupteten Forderung beseitigen. Typischerweise wird sie von einem Beklagten genutzt, gegen den ein Anspruch behauptet wird, dessen Bestehen er bestreitet.
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der negativen Feststellungsklage findet sich in § 256 Abs. 1 ZPO. Dort heißt es, dass mittels einer Klage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden kann, sofern der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Die negative Feststellungsklage dient somit der präventiven Rechtsverteidigung gegen unberechtigte Ansprüche.
Regelungen in § 256 ZPO
- § 256 Abs. 1 ZPO: „Auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.“
- Negativen Feststellungsklage: Ziel ist die gerichtliche Feststellung, dass ein Anspruch oder Rechtsverhältnis nicht besteht.
Voraussetzungen der negativen Feststellungsklage
Damit eine negative Feststellungsklage zulässig ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis
Ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO ist jede auf rechtlicher Grundlage beruhende Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Die Klage ist nur dann zulässig, wenn das Nichtbestehen eines individuellen Anspruchs oder Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll. Ein bloßes tatsächliches Verhalten der Gegenpartei reicht hierfür nicht aus.
Rechtliches Interesse
Ein wesentliches Zulässigkeitserfordernis ist das sogenannte rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung. Dieses ergibt sich, wenn für den Kläger eine gegenwärtige Unsicherheit hinsichtlich seines Rechtsverhältnisses zu befürchten ist und diese Unsicherheit durch die gerichtliche Feststellung beseitigt werden kann.
Das rechtliche Interesse fehlt allerdings, wenn dem Kläger ein einfacherer oder alternativ vorrangiger Rechtsschutz zur Verfügung steht, beispielsweise eine Leistungsklage, oder wenn bereits ein Leistungsklageverfahren anhängig ist bzw. mit diesem noch zu rechnen ist (sogenannte Vorrang der Leistungsklage).
Keine anderweitige Rechtshängigkeit
Eine negative Feststellungsklage ist unzulässig, wenn der Anspruch bereits von der Gegenseite im Wege einer Leistungsklage vor Gericht geltend gemacht wurde und der dortige Rechtsstreit noch anhängig ist. Hier greift die sogenannte rechtshängigkeitsbedingte Sperrwirkung.
Typische Anwendungsbereiche
Die negative Feststellungsklage wird in der Praxis insbesondere in folgenden Konstellationen genutzt:
Abwehr unberechtigter Forderungen
Häufig wird sie im Zusammenhang mit der Abwehr außergerichtlich geltend gemachter Forderungen eingesetzt. Beispielsweise kann ein angeblicher Schuldner feststellen lassen, dass eine behauptete Forderung nicht besteht.
Versicherungs- und Haftungsrecht
Im Versicherungs- sowie im vertraglichen oder deliktischen Haftungsrecht kann die negative Feststellungsklage genutzt werden, um eine begehrte Leistungspflicht oder Haftung auszuschließen.
Wettbewerbsrecht und gewerblicher Rechtsschutz
Im Wettbewerbsrecht und im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes kann die Klage zur Verneinung von Ansprüchen auf Unterlassung, Schadensersatz oder Vertragsstrafen dienen.
Verfahren und Prozessuale Besonderheiten
Parteien
Kläger ist typischerweise die Person, gegen die ein Anspruch behauptet wird. Beklagter ist derjenige, der das Bestehen eines Rechtsverhältnisses oder Anspruchs geltend macht beziehungsweise geltend machen könnte.
Beweislast
Die allgemeine Beweislastregel besagt, dass diejenige Partei, die ein Recht für sich in Anspruch nimmt, dessen Voraussetzungen beweisen muss. Bei der negativen Feststellungsklage trägt derjenige, der das Nichtbestehen des Anspruchs geltend macht, die sogenannte Beweislastumkehr nicht. Vielmehr bleibt es bei der Regel, dass der Anspruchsteller das Bestehen des Anspruchs darlegen und beweisen muss.
Streitgegenstand und Bindungswirkung
Streitgegenstand ist das konkrete streitbefangene Rechtsverhältnis oder der geltend gemachte Anspruch. Das Urteil über die negative Feststellungsklage entfaltet Rechtskraft zwischen den Prozessparteien bezüglich des festgestellten (Nicht-)Bestehens.
Widerklage als Verteidigungsmittel
Gegen eine negative Feststellungsklage kann der Beklagte im selben Verfahren eine Leistungsklage in Form einer Widerklage erheben (§ 33 ZPO). So können konkurrierende Ansprüche in einem Verfahren geklärt werden.
Abgrenzung zur positiven Feststellungsklage und anderen Klagarten
Die negative Feststellungsklage ist von der positiven Feststellungsklage abzugrenzen. Während Letztere auf die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs zielt, zielt die negative Feststellungsklage auf dessen Nichtbestehen.
Weiterhin ist sie von der Leistungsklage zu unterscheiden, bei der auf tatsächliche Erfüllung einer Pflicht – etwa Zahlung einer Geldsumme – geklagt wird. Außerdem unterscheidet sie sich von der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO, die während eines laufenden Verfahrens gestellt werden kann.
Rechtsprechung und Praxisrelevanz
Die Rechtsprechung hat zahlreiche Leitentscheidungen zur negativen Feststellungsklage getroffen. Herausragend ist das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den Voraussetzungen des rechtlichen Interesses, der Reichweite des Streitgegenstands sowie der Sperrwirkung durch vorrangige Leistungsklagen.
Die negative Feststellungsklage ist ein wichtiges Instrument zur Abwehr vermeintlicher oder zukünftiger Ansprüche und zur Klärung unklarer Rechtsbeziehungen im Vorfeld umfangreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Kosten und Risiken
Die Gerichtskosten und Anwaltsgebühren einer negativen Feststellungsklage richten sich in der Regel nach dem Wert des Anspruchs, dessen Nichtbestehen festgestellt werden soll. Wer den Prozess verliert, trägt regelmäßig die Kosten des Verfahrens.
Es besteht das Risiko, dass durch eine unbegründete Klage der geltend gemachte Anspruch durch den Beklagten im Wege der Widerklage erfolgreich durchgesetzt wird.
Zusammenfassung
Die negative Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist ein zentrales Instrument des deutschen Zivilprozessrechts zur gerichtlichen Klärung und Abwehr vermeintlicher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse. Sie trägt zur Rechtssicherheit bei, wenn eine Person Ansprüchen ausgesetzt ist, deren Bestehen sie bestreitet. Ihre Zulässigkeit setzt insbesondere das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses und ein rechtliches Interesse an der Feststellung voraus. In der Praxis ist sie vielfältig anwendbar – von der Schuldabwehr bis zur Abgrenzung von Verantwortlichkeiten im Wettbewerbs- und Versicherungsrecht.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist die Erhebung einer negativen Feststellungsklage zulässig?
Die Erhebung einer negativen Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO immer dann zulässig, wenn beim Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung vorliegt, dass ein Rechtsverhältnis – insbesondere eine behauptete Forderung – nicht besteht. Das Feststellungsinteresse kann sich insbesondere aus einer von der Gegenseite geltend gemachten Forderung ergeben, die im Raum steht oder gegen den Kläger bereits außergerichtlich erhoben wurde. Die Klage ist jedoch nur dann zulässig, wenn nicht bereits eine Leistungsklage oder eine anderweitige Klärung besteht, etwa durch einen bereits eingetretenen Rechtsstreit (Rechtshängigkeit) über denselben Sachverhalt. Die negative Feststellungsklage ist zudem unzulässig, wenn das Feststellungsinteresse fehlt, beispielsweise weil der Anspruch bereits rechtskräftig verneint wurde oder wenn der Gegner seine Forderung definitiv nicht mehr verfolgt. Es muss sich grundsätzlich um ein konkretisiertes rechtliches Risiko handeln, dass die Gegenpartei aus dem behaupteten Rechtsverhältnis Rechte ableitet.
Welche prozessualen Voraussetzungen müssen für die negative Feststellungsklage vorliegen?
Neben dem Feststellungsinteresse, das für jede Feststellungsklage erforderlich ist, müssen bei der negativen Feststellungsklage insbesondere die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen: Dazu gehört die Prozessfähigkeit und Parteifähigkeit der Beteiligten, die Zulässigkeit des angerufenen Gerichts (meist bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche das sachlich zuständige Zivilgericht) sowie die ordnungsgemäße Klageerhebung nach den Vorschriften der ZPO. Der Kläger muss seinen Antrag so bestimmt fassen, dass klar erkennbar ist, welches Rechtsverhältnis – und speziell welcher Anspruch der Gegenseite – verneint werden soll. Darüber hinaus muss die Klage innerhalb der Verjährungsfrist für den fraglichen Anspruch erhoben werden, wenn die Gegenseite durch die Erhebung der negativen Feststellungsklage an der Durchsetzung ihrer Rechte gehindert werden soll.
Wie verhält sich die negative Feststellungsklage zu einer Leistungsklage des Gegners?
Zwischen der negativen Feststellungsklage und einer eventuellen Leistungsklage des Anspruchstellenden besteht ein sogenanntes „prozessuales Risiko der Rechtshängigkeit“ gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Erhebt die Partei, gegen die die Forderung geltend gemacht wird, eine negative Feststellungsklage, kann der Gegner darauf mit einer Widerklage (bspw. auf Leistung oder Zahlung) reagieren. Geschieht das nicht, bleibt es bei der Feststellung des Nichtbestehens. Wichtig ist dabei die sogenannte „Vorrangigkeit der Leistungsklage“. Das bedeutet: Wird auf die negative Feststellungsklage hin eine Leistungsklage erhoben, so ist grundsätzlich die Leistungsklage vorrangig zu behandeln. Dies dient der Prozessökonomie, weil sie eine abschließende Klärung des Anspruchs – nicht nur im verneinenden, sondern auch im bejahenden Sinne – ermöglicht.
Welcher Gerichtsstand ist bei einer negativen Feststellungsklage maßgeblich?
Für negative Feststellungsklagen gelten die allgemeinen Gerichtsstandsregelungen der ZPO. In der Regel ist gem. § 13 ZPO das Gericht am Wohnsitz oder Sitz des Beklagten zuständig (allgemeiner Gerichtsstand). Besonderheiten können sich bei bestimmten Anspruchsarten (z.B. aus Verträgen, Delikt, aus dem Versicherungsverhältnis) ergeben, wenn spezielle Gerichtsstandsregelungen zum Tragen kommen (beispielsweise im Versicherungsrecht der Verbrauchergerichtsstand nach § 215 VVG i. V. m. § 29 ZPO). Maßgeblich ist das Rechtsverhältnis, bezüglich dessen das Nichtbestehen festgestellt werden soll; räumliche oder sachliche Sonderregelungen können greifen, wenn das Gesetz dies explizit vorsieht.
Wie ist das Verhältnis der negativen Feststellungsklage zur Verjährung?
Die Erhebung einer negativen Feststellungsklage allein hemmt grundsätzlich nicht die Verjährung des streitigen Anspruchs des Gegners gemäß § 204 BGB, solange nicht eine Widerklage (Leistungsklage) erhoben wird, mit der der Anspruch aktiv geltend gemacht wird. Die Feststellungsklage kann aber auf Ansprüche Bezug nehmen, die der Kläger für verjährt hält. Hierbei kommt es regelmäßig auf den Zeitpunkt an, zu dem der Streit über das behauptete Rechtsverhältnis entstanden ist und welche Verjährungsregelung für den jeweiligen Anspruch gilt. Problematisch ist dabei, dass die negative Feststellungsklage kein geeignetes Instrument ist, um aus eigenem Antrieb die Verjährung eines Anspruchs, der von der Gegenseite geltend gemacht werden könnte, zu hemmen.
Welche Wirkung entfaltet ein rechtskräftiges Urteil über eine negative Feststellungsklage?
Ein Urteil, das das Nichtbestehen eines Anspruchs oder Rechtsverhältnisses rechtskräftig feststellt, bindet die Parteien nach den Grundsätzen der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO). Damit ist es dem Beklagten in einem späteren Verfahren grundsätzlich verwehrt, denselben Anspruch noch einmal gegenüber dem Kläger geltend zu machen (Einwendung der Rechtskraft, sogenannte Präklusionswirkung). Dies gilt auch für abweichende Begründungen, sofern der prozessuale Lebenssachverhalt identisch ist. Eventuelle weitere Ansprüche, die nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens waren, werden allerdings von der Rechtskraft nicht erfasst.
Welche besonderen prozessualen Risiken bestehen bei der Erhebung einer negativen Feststellungsklage?
Ein erhebliches prozessuales Risiko besteht für den Kläger darin, dass das Gericht das Feststellungsinteresse nicht als ausreichend ansieht und die Klage daher als unzulässig abweist. Zudem muss sich der Kläger darauf einstellen, dass der Gegner mit einer Widerklage reagiert, was den Streitgegenstand erweitert und möglicherweise die Kostenlast erhöht. Scheitert der Kläger mit seiner Klage, hat er nicht nur die Klage selbst verloren, sondern riskiert, dem Gegner weiteren Anlass für eine erfolgreiche Leistungsklage zu geben. Darüber hinaus werden die Kosten des Verfahrens in der Regel dem unterliegenden Teil auferlegt (§ 91 ZPO), sodass die negative Feststellungsklage – sofern das berechtigte Interesse nicht klar darstellbar ist – nicht unüberlegt erhoben werden sollte.