Nebenintervention – Rechtliche Definition, Grundlagen und Bedeutung
Die Nebenintervention ist ein zentrales Instrument im deutschen Zivilprozessrecht. Sie erlaubt es einer am Rechtsstreit zunächst nicht beteiligten Person, sich einem der Hauptparteien zur Unterstützung anzuschließen. Ziel dieses Beitrags ist es, den Begriff Nebenintervention präzise, umfassend und unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu erläutern.
Begriff und rechtliche Einordnung der Nebenintervention
Definition
Unter einer Nebenintervention (§ 66 ff. ZPO) versteht man das selbstständige Eintreten eines Dritten in einen bereits anhängigen Rechtsstreit zur Unterstützung einer Partei. Die Nebenintervention ist eine Form des Streitbeitritts, bei der der sogenannte Streithelfer als Nebenpartei auftritt, ohne selbst Partei des ursprünglichen Prozesses zu werden.
Abgrenzung zur Hauptintervention
Im Unterschied zur Hauptintervention, bei der der Intervenient ein eigenes Recht geltend macht, unterstützt der Nebenintervenient eine der Hauptparteien. Die Nebenintervention ist daher ausschließlich auf die Förderung des rechtlichen Interesses einer Partei ausgerichtet, ein eigenes Klageziel hat der Streithelfer nicht.
Voraussetzungen der Nebenintervention
Zulässigkeit
Für die Zulässigkeit der Nebenintervention gelten mehrere rechtliche Voraussetzungen:
- Rechtsschutzinteresse: Der Nebenintervenient muss ein rechtliches Interesse daran haben, dass eine der Parteien obsiegt (§ 66 ZPO). Ein rechtliches Interesse besteht insbesondere dann, wenn die Rechtskraft des Urteils oder der Streitgegenstand Auswirkungen auf ein eigenes Rechtsverhältnis des Intervenienten hat (Beispiel: Regressforderungen, Haftung für die Rechtsfolgen des Urteils).
- Kein Vorliegen der Voraussetzungen der Streitgenossenschaft: Die Nebenintervention ist ausgeschlossen, wenn eine einfache oder notwendige Streitgenossenschaft vorliegt.
Verfahrensrechtliche Aspekte
- Erklärung des Beitritts: Der Beitritt erfolgt durch schriftliche Anzeige beim Gericht. Diese ist gemäß § 67 ZPO zu begründen und der Gegenpartei durch das Gericht mitzuteilen.
- Zeitpunkt des Beitritts: Der Beitritt ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zulässig.
Wirkungen und Grenzen der Nebenintervention
Rechtsstellung des Nebenintervenienten
Der Nebenintervenient erhält durch den Beitritt bestimmte prozessuale Rechte:
- Antrags- und Beteiligungsrechte: Er kann in jeder Lage des Verfahrens Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, Rechtsmittel einlegen oder den Rechtsstreit durch Erklärungen beeinflussen (§ 67 ZPO).
- Unselbstständige Verfahrensstellung: Der Nebenintervenient ist an das Verfahren gebunden, verfügt aber nicht über ein eigenes Klagerecht oder die Möglichkeit, eigene Ansprüche durchzusetzen.
Grenzen der Einflussnahme
- Bindung an die Verfahrenshandlung der unterstützten Partei: Der Nebenintervenient darf innerhalb des Verfahrens nicht gegen die unterstützte Partei handeln und ist an deren Dispositionen gebunden.
- Keine eigenständigen Prozesshandlungen: Die Prozessführungsbefugnis verbleibt bei der unterstützten Partei. Entscheidungen in Bezug auf Klagerücknahme oder Anerkenntnis kann nur die Hauptpartei treffen.
Rechtsfolgen im Hinblick auf Rechtskraft und Kosten
Rechtskrafterstreckung und Präklusion
Das Ergebnis des Verfahrens entfaltet Wirkung auch gegenüber dem Nebenintervenienten (§ 68 ZPO). Dies bedeutet, dass der Nebenintervenient mit bestimmten Einwendungen gegenüber Folgeverfahren ausgeschlossen ist, wenn er diese im Rahmen der Nebenintervention hätte geltend machen können (Präklusion).
Kostenfolgen
Nach § 101 ZPO kann das Gericht dem Nebenintervenienten die Kosten des Verfahrens auferlegen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Im Regelfall trägt er die Kosten seiner eigenen Beteiligung selbst, sofern nicht besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen.
Besondere Konstellationen
Nebenintervention im Berufungsverfahren
Auch in Rechtsmittelinstanzen ist die Nebenintervention zulässig, sofern die materiellen Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Das gilt sowohl für Berufungs- als auch Revisionsverfahren.
Nebenintervention im Verwaltungsprozess
Auch in anderen Verfahrensordnungen, wie dem Verwaltungsprozess (§ 66 VwGO), dem Arbeitsgerichtsprozess (§ 66 ArbGG) und im Sozialgerichtlichen Verfahren (§ 75 SGG), ist die Nebenintervention geregelt, hierbei jedoch teils mit abweichenden Voraussetzungen und Wirkungen.
Beendigung der Nebenintervention
Der Nebenintervenient kann seine Beteiligung jederzeit durch ausdrückliche Erklärung beenden. Mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens endet auch die Nebenintervention automatisch.
Fazit
Die Nebenintervention ist ein essenzielles Instrument des prozessualen Rechtsschutzes. Sie ermöglicht Dritten mit rechtlichem Interesse eine Beteiligung an einem laufenden Verfahren, wobei Rechte und Obliegenheiten in enger Anlehnung an die unterstützte Hauptpartei ausgestaltet sind. Insbesondere durch die Bindungswirkung des Urteils und die daraus resultierende Präklusion kommt der Nebenintervention erhebliche praktische Bedeutung zu.
Literatur & Weblinks:
- §§ 66-71 ZPO
- Münchener Kommentar zur ZPO
- Zöller, ZPO
- Thomas/Putzo, ZPO
Kategorie: Zivilprozessrecht – Verfahrensrecht – Parteistellung
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine Nebenintervention vorliegen?
Für die Zulässigkeit einer Nebenintervention im Zivilprozessrecht (§ 66 ZPO) müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist erforderlich, dass ein anhängiges Verfahren zwischen anderen Parteien vorliegt, in welches der Nebenintervenient eingreifen möchte. Die Person, die als Nebenintervenient auftreten will, muss ein rechtliches Interesse an der Seite einer Partei haben, das heißt, das Urteil muss sich in irgendeiner Weise auf ihre eigene Rechtsposition auswirken können. Dieses rechtliche Interesse wird insbesondere dann angenommen, wenn die spätere Verwertung oder Durchsetzung eigener Rechte des Intervenienten durch das Urteil mittelbar erschwert oder verhindert werden kann. Darüber hinaus muss der Interventionsantrag in der vorgeschriebenen Form und gegenüber dem zuständigen Gericht erklärt werden. Das Gericht prüft das Vorliegen aller formellen und materiellen Voraussetzungen und entscheidet über die Zulassung der Nebenintervention. Die Nebenintervention ist auch im Laufe des Prozesses noch zulässig, solange nicht bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Die rechtlichen Voraussetzungen sind strikt zu prüfen, um sowohl den Parteieninteressen als auch der Prozessökonomie Rechnung zu tragen.
In welchem Stadium des Verfahrens kann eine Nebenintervention erfolgen?
Eine Nebenintervention kann grundsätzlich in jedem Stadium des Verfahrens erfolgen, bis zur formellen Rechtskraft einer Entscheidung. Das bedeutet, dass sie sowohl während der ersten Instanz als auch in den Rechtsmittelinstanzen, wie Berufung oder Revision, möglich ist. Allerdings endet die Möglichkeit zur Nebenintervention mit der materiellen Rechtskraft des Urteils, d.h., sobald das Urteil nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann. Wird eine Nebenintervention erst spätereingebracht, greifen prozessuale Besonderheiten, wie beispielsweise die Bindung an den bisherigen Stand des Verfahrens. Das bedeutet, dass der Nebenintervenient das Verfahren in dem Stadium übernimmt, in dem er eintritt, und keine bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitte erneut eröffnen kann. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung und dem Schutz der bereits bestehenden Prozesspositionen der Hauptparteien.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Nebenintervenient im Verfahren?
Der Nebenintervenient hat weitreichende Rechte und Pflichten, die im Wesentlichen an die Rechte und Pflichten der unterstützten Hauptpartei angelehnt sind. Der Nebenintervenient darf im gesamten Verfahren Anträge stellen, Erklärungen abgeben, Beweise vorlegen und Rechtsmittel einlegen – allerdings immer nur zugunsten der unterstützten Partei. Er wird als sogenannter „Hilfspartei“ behandelt, weshalb ihm insbesondere kein eigenständiges Klagerecht oder eine Klagerücknahme zusteht. Der Nebenintervenient ist an die Prozesshandlungen der unterstützten Partei gebunden und kann keine dem Interesse dieser Partei entgegengesetzten Handlungen vornehmen. Sollte die Hauptpartei untätig sein, kann der Nebenintervenient das Verfahren aber insoweit fördern, als dies für den Erfolg der unterstützten Partei dienlich ist. Pflichten ergeben sich insbesondere aus der Beachtung des prozessualen Fairnessgebotes. Er muss im Verfahren regelmäßig die Interessenlage der Hauptpartei wahren und darf diese nicht mit widersprechenden Handlungen beeinträchtigen.
Welche prozessualen Auswirkungen hat die Nebenintervention auf das Verfahren?
Die Nebenintervention hat mehrere prozessuale Auswirkungen. Prozessual gesehen wird der Streitstoff nicht erweitert, da der Nebenintervenient lediglich die bestehende Partei in ihrer Prozessführung unterstützt. Das Verfahren bleibt hinsichtlich der Streitgegenstände und des Umfangs unverändert. Allerdings kann die Nebenintervention durchaus zu einer Intensivierung des Streits führen, weil der Nebenintervenient das Verfahren mit eigenen Anregungen oder Beweismitteln fördert oder Rechtsmittel anstrebt. Prozessual relevant ist auch die sog. Interventionswirkung: Das Urteil wirkt auch gegen den Nebenintervenienten (§ 68 ZPO), d.h. er muss sich im späteren eigenen Verfahren hinsichtlich festgestellter Tatsachen und Rechtsverhältnisse das Vorbringen und das Ergebnis des Prozesses entgegenhalten lassen, es sei denn, bestimmte Ausnahmefälle liegen vor (z.B. mangelhafte Vertretung der Hauptpartei).
Wann ist eine Nebenintervention unwirksam oder unzulässig?
Eine Nebenintervention ist unwirksam oder unzulässig, wenn die Prozessvoraussetzungen nicht vollständig vorliegen. Dazu gehört insbesondere das Fehlen eines rechtlichen Interesses (§ 66 ZPO) seitens des Nebenintervenienten oder die fehlende Prozessführungsbefugnis. Unzulässig ist die Nebenintervention auch, wenn sie nach Eintritt der materiellen Rechtskraft des Urteils erfolgt oder sich gegen den Willen der unterstützten Partei direkt oppositionell richtet. Ferner kann das Gericht eine Nebenintervention von Amts wegen zurückweisen, wenn sie als rechtsmissbräuchlich oder unzulässig erkannt wird, etwa wenn keine relevanten Auswirkungen des Prozessergebnisses auf die Rechtsposition des Intervenienten ersichtlich sind. Auch formelle Fehler, wie etwa die nicht ordnungsgemäße Anzeige der Nebenintervention, können zur Unzulässigkeit führen.
Welche Kostenfolgen ergeben sich bei einer Nebenintervention?
Kostentechnisch trägt der Nebenintervenient gemäß § 101 ZPO grundsätzlich die eigenen Kosten seines Eingreifens selbst, es sei denn, im Hauptsacheverfahren wird die unterstützte Partei vollständig obsiegen. In diesem Fall können die Kosten des Nebenintervenienten, wie sonstige notwendige Kosten zur Rechtsverfolgung, als erstattungsfähig angesehen werden. Falls die unterstützte Partei jedoch unterliegt, trägt der Nebenintervenient seine Kosten selbst und ist zudem risikohaftungsfähig, indem er für die im Prozess verursachten Kosten haftet (z.B. für die durch seine Intervention verursachten Mehrkosten). Kostenregelungen sind vielfach auch davon abhängig, wie sich das Gerichtsverfahren im Detail gestaltet und wie das Gericht den Aufwand der Nebenintervention bewertet.