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Nebenintervention

Begriff und Grundgedanke der Nebenintervention

Die Nebenintervention ist der Beitritt einer dritten Person zu einem bereits laufenden Zivilprozess, um eine der beiden Prozessparteien zu unterstützen. Der beitretende Dritte heißt Nebenintervenient. Er verfolgt kein eigenes, vom Verfahren unabhängiges Ziel, sondern hilft einer Partei dabei, ihren Standpunkt durchzusetzen, weil der Ausgang des Prozesses eigene rechtliche oder wirtschaftliche Interessen des Dritten berühren kann.

Definition in einfachen Worten

Eine Nebenintervention liegt vor, wenn jemand, der selbst nicht Kläger oder Beklagter ist, sich einem laufenden Verfahren „anschließt“, um den Sieg einer Seite zu fördern. Grundlage ist ein nachvollziehbares Interesse am Ausgang des Prozesses, zum Beispiel weil das Urteil mittelbare Folgen für den Dritten haben kann.

Rollen im Verfahren

Im Verfahren gibt es die Hauptparteien (Kläger und Beklagter) sowie den Nebenintervenienten. Der Nebenintervenient wählt, welche Hauptpartei er unterstützt, und ist ab seinem Beitritt prozessual beteiligt. Er bleibt jedoch „im Schatten“ der unterstützten Partei und wird nicht selbst zur Hauptpartei.

Unterstützend, kein eigener Streitgegenstand

Der Nebenintervenient macht keine eigenen Ansprüche oder Einreden zum Streitgegenstand. Sein Beitrag dient allein dazu, die Position der unterstützten Partei zu stärken, etwa durch Argumente, Beweisanregungen oder Sachvortrag.

Voraussetzungen und Ablauf

Erforderliches rechtliches Interesse

Voraussetzung ist ein schützenswertes Interesse daran, dass eine der Hauptparteien obsiegt. Typisch ist dies, wenn das Urteil voraussichtlich mittelbar auf Rechtsbeziehungen des Dritten wirkt oder wirtschaftliche Konsequenzen für ihn haben kann (zum Beispiel Regress- oder Freistellungsfragen, Versicherungsschutz, Lieferketten).

Form und Zeitpunkt der Beitrittserklärung

Die Nebenintervention erfolgt durch Beitrittserklärung gegenüber dem Gericht. Ab Zugang der Erklärung beim Gericht und der Mitteilung an die Parteien ist der Dritte beteiligt. Ein Beitritt ist grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich. Er erfolgt zu dem Verfahrensstand, den der Prozess bereits erreicht hat; abgelaufene Fristen werden nicht neu eröffnet.

Beteiligung im laufenden Verfahren

Einsichtnahme und Informationsrechte

Der Nebenintervenient erhält Einsicht in die wesentlichen Verfahrensvorgänge und wird über Termine und prozessuale Schritte informiert, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Unterstützungsrolle erforderlich ist.

Beweisanträge und Schriftsätze

Er kann Schriftsätze einreichen, Anregungen für Beweiserhebungen geben und an mündlichen Verhandlungen teilnehmen. Sein Vorbringen ergänzt den Prozessstoff und kann zur Sachaufklärung beitragen.

Grenzen der Mitwirkung

Der Nebenintervenient darf keine Verfügungen über den Streitgegenstand treffen. Er kann insbesondere keinen Vergleich abschließen, keine Klage zurücknehmen, keinen Verzicht erklären und keine Anerkenntnisse abgeben. Zudem ist seine Tätigkeit akzessorisch: Widerspricht seine Handlung der Prozessführung der unterstützten Partei, gehen die Entscheidungen der Hauptpartei vor.

Arten der Nebenintervention

Einfache Nebenintervention

Die einfache Form ist die typische Konstellation. Der Nebenintervenient unterstützt eine Partei, ohne selbst wie eine weitere Hauptpartei behandelt zu werden. Seine Befugnisse sind erweitert gegenüber außenstehenden Dritten, bleiben aber an die Prozessstrategie der unterstützten Partei gebunden.

Streitgenössische Nebenintervention

In bestimmten Fallgestaltungen kann die Nebenintervention streitgenössische Züge annehmen. Dann nähern sich die Mitwirkungsrechte der Stellung einer zusätzlichen Partei an, wenn der Prozessausgang besonders enge Auswirkungen auf die Rechtsposition des Dritten hat. Die Grundstruktur bleibt unterstützend, die rechtlichen Bindungen des Urteils können jedoch ausgeprägter sein.

Unterschiede bei Rechten und Bindungswirkungen

Während die einfache Nebenintervention vor allem auf Unterstützung angelegt ist, führt die streitgenössische Ausprägung zu einer stärkeren Einbindung in den Prozess und zu intensiveren Bindungen an das Urteil. Welche Form vorliegt, richtet sich nach der Nähe der Rechtsbeziehungen und der Tragweite der Urteilsfolgen.

Wirkungen der Nebenintervention

Verfahrensrechtliche Wirkung

Die Nebenintervention verändert das bestehende Prozessrechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem nicht. Sie soll den Prozess sachgerecht fördern, zusätzliche Sachkunde einbringen und Widersprüche zwischen zusammenhängenden Rechtsverhältnissen vermeiden.

Interventionswirkung für spätere Prozesse

Ein zentrales Merkmal ist die Interventionswirkung: War der Nebenintervenient beteiligt, kann das Urteil in späteren Prozessen zwischen ihm und der Gegenpartei Bindungswirkungen entfalten. Er kann in Folgeprozessen regelmäßig nicht einfach behaupten, der frühere Rechtsstreit sei falsch entschieden worden. Diese Bindung dient der Rechtssicherheit und verhindert widersprüchliche Entscheidungen. Ausnahmen kommen in Betracht, wenn der Nebenintervenient darlegt, dass sein unterstützter Prozess nicht ordnungsgemäß geführt werden konnte und er daran kein Verschulden trifft.

Rechtsmittelbefugnis

Der Nebenintervenient kann Rechtsmittel unterstützen und unter bestimmten Voraussetzungen auch selbst einlegen. Seine Befugnis bleibt jedoch davon abhängig, dass sie nicht im Widerspruch zu maßgeblichen Dispositionen der unterstützten Partei steht. Kehrt die Hauptpartei ihre Prozesshaltung um oder beendet sie das Verfahren einverständlich, begrenzt dies die Möglichkeiten des Nebenintervenienten.

Kostenfolgen

Der Nebenintervenient trägt grundsätzlich seine eigenen Kosten. Gewinnt die unterstützte Partei, können die notwendigen Kosten des Nebenintervenienten der unterliegenden Gegenpartei auferlegt werden. Verliert die unterstützte Partei, kann der Nebenintervenient regelmäßig nicht die Kosten der unterlegenen Hauptpartei auslösen, muss aber unter Umständen die durch seine Beteiligung zusätzlich entstandenen Kosten der Gegenseite erstatten. Die konkrete Kostenentscheidung trifft das Gericht nach den allgemeinen Grundsätzen.

Typische Anwendungsfälle

  • Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung: Versicherer unterstützen die versicherte Partei wegen möglicher Einstandspflichten.
  • Liefer- und Werkvertragsketten: Vorlieferanten oder Abnehmer treten bei, wenn Regressfragen vom Urteil abhängen.
  • Gewährleistung und Produkthaftung: Hersteller oder Händler unterstützen, um Folgestreitigkeiten vorzubereiten oder zu vermeiden.
  • Miet- und Immobilienrecht: Beteiligte mit Sicherungs- oder Rückgriffsinteressen unterstützen eine Partei.
  • Immaterialgüterrecht: Lizenzgeber oder -nehmer beteiligen sich, wenn Schutzrechte oder Nutzungsrechte mittelbar betroffen sind.

Abgrenzungen zu verwandten Instrumenten

Streitverkündung

Bei der Streitverkündung wird ein Dritter formell über den laufenden Prozess informiert, damit er die Möglichkeit zum Beitritt prüft und die Interventionswirkung vorbereitet wird. Die Nebenintervention ist demgegenüber der tatsächliche Beitritt. Streitverkündung und Nebenintervention können zusammen oder unabhängig voneinander vorkommen.

Hauptintervention

Die Hauptintervention (auch Interventionshauptklage) unterscheidet sich grundlegend: Der Dritte macht einen eigenen Anspruch auf den Streitgegenstand geltend und führt einen eigenständigen Prozess. Bei der Nebenintervention hingegen unterstützt er lediglich eine bereits anhängige Sache.

Streitgenossenschaft

Bei der Streitgenossenschaft stehen mehrere Personen als Hauptparteien gemeinsam auf einer Seite. Der Nebenintervenient ist keine zusätzliche Hauptpartei, sondern nimmt eine unterstützende Rolle ein.

Beiladung im Verwaltungsverfahren

In verwaltungsgerichtlichen Verfahren gibt es die Beiladung als besondere Form der Beteiligung Dritter. Sie dient anderen verfahrensrechtlichen Zwecken und folgt eigenen Regeln. Die Nebenintervention ist ein Institut des Zivilprozesses.

Nebenintervention und Nebenklage

Die Nebenklage ist ein Begriff aus dem Strafverfahren und hat mit der Nebenintervention im Zivilprozess nichts zu tun. Beide Institute verfolgen unterschiedliche Zwecke und unterliegen eigenständigen Verfahrensordnungen.

Grenzen und Risiken

Prozessökonomie

Die Beteiligung eines Dritten kann das Verfahren sachlich fördern, es jedoch auch komplexer machen. Das Gericht achtet darauf, dass die Mitwirkung zweckdienlich bleibt.

Bindungswirkung

Die Interventionswirkung kann spätere abweichende Argumentationen des Nebenintervenienten begrenzen. Dies erhöht die Vorhersehbarkeit von Entscheidungen, kann aber die eigene Rechtsverfolgung in einem späteren Verfahren beeinflussen.

Kostenrisiken

Mit der Beteiligung können zusätzliche Kosten entstehen. Die Kostenverteilung richtet sich nach dem Ausgang des Verfahrens und der Notwendigkeit der entstandenen Kosten.

Häufig gestellte Fragen zur Nebenintervention

Was ist eine Nebenintervention?

Die Nebenintervention ist der Beitritt eines Dritten zu einem laufenden Zivilprozess, um eine der beiden Seiten zu unterstützen. Sie dient dazu, die Interessen des Dritten zu wahren, wenn der Ausgang des Verfahrens seine Rechtsposition mittelbar berührt.

Wer darf einer Nebenintervention beitreten?

Beitreten kann, wer ein nachvollziehbares Interesse daran hat, dass eine der Parteien gewinnt. Dieses Interesse kann rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur sein, etwa bei drohenden Regressen oder Versicherungspflichten.

Bis wann ist eine Nebenintervention möglich?

Der Beitritt ist grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich. Er erfolgt zu dem Verfahrensstand, der bereits erreicht ist; abgelaufene Fristen werden nicht erneut eröffnet.

Welche Rechte und Grenzen hat der Nebenintervenient?

Er kann Schriftsätze einreichen, an Verhandlungen teilnehmen und Beweisanregungen geben. Er darf jedoch nicht über den Streitgegenstand verfügen und ist in seiner Tätigkeit an die Prozessführung der unterstützten Partei angelehnt.

Hat die Nebenintervention Auswirkungen auf spätere Prozesse?

Ja. War ein Dritter als Nebenintervenient beteiligt, kann das Urteil in späteren Verfahren zwischen ihm und der Gegenseite Bindungswirkungen entfalten. Dadurch werden widersprüchliche Entscheidungen vermieden.

Wer trägt die Kosten der Nebenintervention?

Der Nebenintervenient trägt grundsätzlich seine eigenen Kosten. Je nach Verfahrensausgang können seine notwendigen Kosten der unterliegenden Seite auferlegt werden; umgekehrt kann er zusätzliche gegnerische Kosten auslösen, wenn die unterstützte Partei verliert.

Kann der Nebenintervenient Rechtsmittel einlegen?

Er kann Rechtsmittel unterstützen und unter bestimmten Voraussetzungen selbst einlegen. Seine Befugnis bleibt akzessorisch und darf maßgeblichen Entscheidungen der unterstützten Partei nicht widersprechen.

Worin unterscheidet sich die Nebenintervention von Streitverkündung und Hauptintervention?

Die Streitverkündung ist eine formale Benachrichtigung eines Dritten über den Prozess; die Nebenintervention ist der tatsächliche Beitritt. Die Hauptintervention ist ein eigenständiges Verfahren, in dem der Dritte eigene Ansprüche am Streitgegenstand verfolgt.