Begriff und Bedeutung des Naturschutzes
Der Begriff Naturschutz bezeichnet Maßnahmen, Regelwerke und Zielsetzungen zum Schutz von Natur und Landschaft, um deren Funktionsfähigkeit sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit auf Dauer zu erhalten oder wiederherzustellen. Naturschutz dient darüber hinaus dem Schutz von Lebensräumen und wild lebenden Pflanzen- und Tierarten, der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen sowie der Erhaltung der ökologischen Wechselbeziehungen.
Im deutschen und europäischen Recht sind umfassende Regelungen zum Naturschutz verankert, welche unter anderem auf völkerrechtlichen Vereinbarungen, europäischen Richtlinien und nationalen Gesetzen basieren.
Rechtsgrundlagen des Naturschutzes
Europäische und internationale Grundlagen
Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union
Naturschutz auf europäischer Ebene stützt sich primär auf die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie, 92/43/EWG) sowie die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG). Ziel dieser Richtlinien ist es, natürliche Lebensräume sowie wildlebende Tier- und Pflanzenarten innerhalb der Europäischen Union zu schützen.
Die Umsetzung in nationales Recht erfolgt unter anderem in Form der Schutzgebiete nach dem Natura-2000-Netzwerk, welches Kernbereiche des europäischen Naturschutzrechts bildet.
Völkerrechtliche Abkommen
Internationale Abkommen wie die Ramsar-Konvention (Schutz von Feuchtgebieten), das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) sowie die Berner Konvention (Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen in Europa) bilden weitere rechtliche Grundlagen des Naturschutzes.
Verfassungsrechtlicher Status in Deutschland
Das Grundgesetz (Art. 20a GG) verankert die Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Gesetzgeber ist somit verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Umwelt, des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu ergreifen.
Bundes- und Landesrecht zum Naturschutz
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
Das Bundesnaturschutzgesetz regelt die grundlegenden Ziele und Maßnahmen des Naturschutzes in Deutschland. Zu den zentralen Regelungsbereichen zählen:
- Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege
- Allgemeiner und besonderer Artenschutz
- Schutz bestimmter Lebensräume
- Schutzgebietsregelungen (Nationalparks, Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete)
- Planung und Eingriffsregelungen
- Pflichten von Grundstückseigentümern und Nutzungsberechtigten
Landesnaturschutzgesetze
Die Umsetzung und Ergänzung des Bundesnaturschutzgesetzes obliegt den Ländern durch eigene Landesnaturschutzgesetze. Diese enthalten oft spezifische Regelungen, etwa zu Zuständigkeiten, Verfahren oder zu landestypischen Biotopen.
Schutzgebiete und Schutzgegenstände
Typen von Schutzgebieten
Nach nationalem Recht werden verschiedene Schutzgebietskategorien unterschieden:
- Naturschutzgebiete (§ 23 BNatSchG): Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Schutz von Natur und Landschaft, in denen bestimmte Maßnahmen verboten oder nur eingeschränkt zulässig sind.
- Nationalparks (§ 24 BNatSchG): Großflächige Gebiete mit überregionaler ökologischer Bedeutung, die weitgehend ihrer natürlichen Entwicklung überlassen werden.
- Biosphärenreservate (§ 25 BNatSchG): Modellregionen für nachhaltige Entwicklung und Erhaltung kulturell geprägter sowie naturnaher Landschaftsräume.
- Landschaftsschutzgebiete (§ 26 BNatSchG): Gebiete, in denen besondere Maßnahmen zum Schutz des Landschaftsbildes oder zur Erholung der Bevölkerung getroffen werden.
- Naturdenkmale, geschützte Landschaftsbestandteile (§§ 28, 29 BNatSchG): Einzelobjekte oder Flächen mit besonderem Schutzstatus.
Schutz von Arten und Lebensräumen
Der Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen ist neben den Schutzgebieten ein zentrales Anliegen des Naturschutzrechts. Besondere Bestimmungen gelten für streng geschützte und gefährdete Arten. Für bestimmte Biotoptypen besteht zudem ein gesetzliches Verbot ihrer Zerstörung oder Beeinträchtigung.
Instrumente des Naturschutzrechtes
Eingriffsregelung und ökologische Ausgleichsmaßnahmen
Das Naturschutzrecht enthält Regelungen zur Vermeidung, Minimierung und Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft (§§ 13-17 BNatSchG). Planende oder bauende Vorhaben, die erhebliche negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft haben können, erfordern in vielen Fällen eine Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung sowie entsprechende Kompensationsmaßnahmen.
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Bei bestimmten Projekten ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung gesetzlich vorgeschrieben. Die UVP dient dazu, die Auswirkungen geplanter Vorhaben auf Natur, Landschaft und Umwelt frühzeitig zu erfassen und zu bewerten. Ziel ist es, Beeinträchtigungen zu vermeiden oder zu verringern.
Artenschutzrechtliche Prüfungen
Verfahren mit potenziellen Auswirkungen auf besonders oder streng geschützte Arten unterliegen gesonderten artenschutzrechtlichen Prüfungen (§ 44 BNatSchG). Das berührt insbesondere Vorhaben in Natura-2000-Gebieten und bei Präsenz nach Roter Liste gefährdeter Arten.
Zuständigkeiten und Rechtsdurchsetzung
Verwaltungsbehörden
Die Durchsetzung des Naturschutzrechtes obliegt der föderalen Verwaltungskompetenz. Zuständige Behörden sind auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene:
- Bundesamt für Naturschutz (BfN)
- Landes- und Kreisverwaltungen (Untere und Obere Naturschutzbehörden)
- Kommunale Verwaltungen
Rechtsschutzmöglichkeiten
Maßnahmen und Entscheidungen im Bereich des Naturschutzes unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Insbesondere:
- Anfechtung von Verwaltungsakten (z. B. Ausnahmegenehmigungen, Schutzgebietsausweisungen)
- Verbandsklagen von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG)
- Klagen auf Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorgaben
Sanktionen und Ordnungswidrigkeiten
Im Falle von Verstößen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften sieht das Gesetz Bußgelder, Anordnungen zur Wiedergutmachung oder im Einzelfall auch Strafvorschriften vor. Zu den typischen Ordnungswidrigkeiten gehören beispielsweise:
- Unerlaubte Eingriffe in Schutzgebiete
- Zerstörung geschützter Lebensräume oder Biotope
- Nichtbeachtung von artenschutzrechtlichen Vorgaben
Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten
Das Naturschutzrecht steht häufig im Spannungsfeld mit anderen öffentlich-rechtlichen Regelungen, darunter insbesondere:
- Bau- und Planungsrecht (z. B. Bebauungspläne, Infrastrukturmaßnahmen)
- Forst- und Agrarrecht
- Wasserrecht
Die Abwägung widerstreitender Interessen erfolgt regelmäßig im Rahmen der jeweiligen Planungsverfahren und unter Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Vorgaben.
Schlussbemerkung
Naturschutz stellt einen umfassend geregelten Rechtsbereich dar, der auf mehreren Ebenen (völkerrechtlich, europarechtlich, national und landesrechtlich) eine Vielzahl von Schutzmechanismen, Pflichten und Instrumenten bereithält. Der Rechtsrahmen sichert somit die nachhaltige Bewahrung, Entwicklung und nachhaltige Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen.
Häufig gestellte Fragen
Wann greift das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und welchen Vorrang hat es gegenüber Landesgesetzen?
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) tritt grundsätzlich immer dann in Kraft, wenn keine spezielleren oder abweichenden Regelungen durch Landesgesetze bestehen, da der Naturschutz in Deutschland dem sogenannten konkurrierenden Gesetzgebungsrecht unterliegt. Dies bedeutet, dass der Bund Rahmenvorgaben macht, die von den Ländern durch eigene Gesetze ausgestaltet oder ergänzt werden dürfen. Das BNatSchG gilt unmittelbar für alle Belange des Arten- und Biotopschutzes, für die Ausweisung von Schutzgebieten, sowie für Vorschriften über Eingriffe in Natur und Landschaft und über Kompensationsmaßnahmen. Hat ein Bundesland jedoch eigene, nicht weniger strenge Regelungen erlassen, gehen diese dem BNatSchG im jeweiligen Landesgebiet vor. Das Gesetz hat insbesondere dann Vorrang, wenn es um bundesweite oder unionsrechtlich harmonisierte Regelungen geht, beispielsweise bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie, die in nationales Recht übertragen werden müssen. Landesgesetze dürfen das Schutzniveau des BNatSchG zudem nicht unterschreiten, sondern können lediglich weitergehende Anforderungen stellen.
Welche Genehmigungen sind nach Naturschutzrecht für bau- oder landwirtschaftliche Maßnahmen erforderlich?
Genehmigungspflichten nach Naturschutzrecht bestehen vor allem dann, wenn bau- oder landwirtschaftliche Vorhaben als Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 BNatSchG eingestuft werden. Ein solcher Eingriff liegt vor, wenn die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild in erheblichem Maße verändert werden. Für derartige Eingriffe ist in der Regel eine naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung der zuständigen unteren Naturschutzbehörde nötig. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird eine Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung durchgeführt, die den Bedarf an Kompensationsmaßnahmen (Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen) ermittelt. In bestimmten Schutzgebieten (wie Naturschutzgebieten, Nationalparks, Natura 2000-Gebieten) bedarf jede nutzungsändernde Maßnahme zudem einer gesonderten Befreiung oder einer Verträglichkeitsprüfung nach den spezifischen Schutzverordnungen. Für landwirtschaftliche Maßnahmen gelten zudem besondere Regelungen, soweit es sich um ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung handelt; diese sind in der Regel privilegiert, unterliegen aber dennoch Beschränkungen in Schutzgebieten und bei besonders geschützten Arten.
Inwiefern stellt die Vernichtung von Lebensraum eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat nach dem Naturschutzrecht dar?
Die vorsätzliche oder fahrlässige Vernichtung von Lebensraum besonders geschützter Arten kann sowohl als Ordnungswidrigkeit nach § 69 BNatSchG, als auch als Straftat nach § 71 BNatSchG eingestuft werden. Maßgeblich ist hierbei, ob gegen konkrete Schutzverbote aus dem BNatSchG, wie zum Beispiel das Zerstörungsverbot von Lebensstätten nach § 44 BNatSchG, verstoßen wurde. Wird eine Lebensstätte einer nach Anhang IV der FFH-Richtlinie oder einer national streng geschützten Art zerstört, stellt dies grundsätzlich eine besonders schwere Zuwiderhandlung dar. Die Sanktionierung reicht von Bußgeldern in Höhe von mehreren tausend Euro bis hin zu Haftstrafen, insbesondere wenn der Täter gewerbsmäßig, wiederholt oder mit erheblichem Ausmaß handelt. Zusätzlich können Wiederherstellungsanordnungen und Sofortmaßnahmen zur Schadensbegrenzung von den Behörden verfügt werden. Im Rahmen der Strafzumessung wird ferner berücksichtigt, ob die betroffenen Lebensräume unter internationalem oder europäischem Schutz stehen (z. B. Natura 2000-Gebiete).
Welche Bedeutung haben Natura 2000-Gebiete aus rechtlicher Sicht für Projekte und Pläne?
Natura 2000-Gebiete – das sind FFH-Gebiete und EU-Vogelschutzgebiete – unterliegen einem besonders strengen Schutzregime gemäß §§ 32 ff. BNatSchG. Jegliche Pläne und Projekte, die einzeln oder in Kombination mit anderen Plänen oder Projekten erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter verursachen können, erfordern eine sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung (§ 34 BNatSchG). Wird in dieser Prüfung festgestellt, dass erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können, dürfen die Vorhaben grundsätzlich nicht zugelassen werden, es sei denn, es liegen zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vor. In solchen Fällen muss zudem für einen vollständigen ökologischen Ausgleich gesorgt werden und gegebenenfalls eine Ersatzmaßnahme durchgeführt werden. Die Anforderungen an die Umsetzung und Dokumentation dieser Prüfungs- und Ausgleichsmaßnahmen sind in verschiedenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften detailliert geregelt.
Welche besonderen Vorgaben gelten für die Entnahme oder Umsiedlung geschützter Tier- oder Pflanzenarten?
Für die Entnahme, Umsiedlung oder sonstige Nutzung besonders und streng geschützter Arten (§ 44 BNatSchG) ist grundsätzlich eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 BNatSchG erforderlich. Die Ausnahme kann nur erteilt werden, wenn nachweislich keine zumutbaren Alternativen bestehen und die Maßnahme keine den Erhaltungszustand der Population gefährdenden Auswirkungen hat. Die Entscheidung trifft die zuständige Naturschutzbehörde unter umfassender Abwägung der gesetzlichen Ausnahmegründe, wie etwa Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Gesundheit oder Sicherheit, oder – in seltenen Fällen – der Forschung. Die detaillierten Verfahrensvorgaben und Dokumentationspflichten sind durch Artenschutzverordnungen, Verwaltungsvorschriften sowie das EU-Recht (insbesondere die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie) ergänzt. Daneben bestehen Anzeigepflichten und Kontrollen, um eine missbräuchliche Nutzung oder einen Schwarzmarkt zu verhindern.
Welche Mitwirkungs- und Klagerechte haben anerkannte Naturschutzverbände nach deutschem Recht?
Anerkannte Naturschutzverbände besitzen gemäß § 63 BNatSchG weitgehende Beteiligungsrechte in naturschutzrelevanten Verfahren. Sie sind frühzeitig zu unterrichten und zur Stellungnahme aufzufordern, wenn öffentliche Stellen über planungs- oder genehmigungsbedürftige Vorhaben entscheiden. Darüber hinaus haben sie das Recht zur Verbandsklage nach Maßgabe von § 64 BNatSchG beziehungsweise dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), wenn sie geltend machen können, dass naturschutzrechtliche Vorschriften verletzt wurden. Diese Klagerechte dienen nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern haben vor allem eine Funktion für den objektiven Naturschutz. Die Klagebefugnis setzt voraus, dass der Verband seit mindestens drei Jahren anerkannt ist und satzungsgemäß Naturschutz als Tätigkeitsfeld verfolgt. Verbandsklagen sind bei Zulassung tauender Vorhaben – insbesondere bei Nichtdurchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Artenschutzprüfungen – ein bedeutsames Instrument der Rechtskontrolle und stellen sicher, dass die gesetzlichen Vorgaben tatsächlich eingehalten werden.