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Naturallohn


Begriff und Grundlagen des Naturallohns

Der Begriff Naturallohn bezeichnet im deutschen Arbeitsrecht die Gewährung von Sachleistungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Teil der Arbeitsvergütung. Die Entlohnung erfolgt hierbei nicht ausschließlich in Form einer Geldzahlung, sondern zumindest teilweise durch Sachen oder Dienstleistungen, zum Beispiel Unterkunft, Verpflegung, Dienstfahrzeuge oder die private Nutzung von technischen Geräten. Der Naturallohn stellt damit eine spezielle Entgeltform innerhalb des Vergütungsrechts dar und unterliegt einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen.


Rechtliche Grundlagen

Arbeitsvertragliche Einordnung

Der Anspruch auf Naturallohn kann entweder ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart werden oder sich aus tarifvertraglichen, betriebsvereinbarungsrechtlichen Regelungen oder Gewohnheitsrecht ergeben. Gemäß § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schuldet die Arbeitgeberseite eine vereinbarte Vergütung, die grundsätzlich sowohl aus Geld- als auch aus Sachleistungen bestehen kann. Eine Kombination aus beidem ist möglich und rechtlich zulässig, solange dadurch nicht gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen wird.

Sozialversicherungsrechtliche Bewertung

Naturallohn unterliegt als Bestandteil der Arbeitsvergütung den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Nach § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gehört der Wert der Sachbezüge zum Arbeitsentgelt und ist bei der Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) zu berücksichtigen. Die Bewertung der jeweiligen Sachleistungen erfolgt in der Regel nach den amtlichen Sachbezugswerten, die jährlich im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

Steuerrechtliche Behandlung

Auch im Einkommenssteuerrecht zählt Naturallohn als steuerpflichtiger Arbeitslohn. Nach § 8 Einkommensteuergesetz (EStG) müssen Sachbezüge mit dem sogenannten Endpreis am Abgabeort, also dem üblichen Marktwert, angesetzt werden, sofern keine amtlichen Sachbezugswerte vorliegen. Es gelten dabei zum Teil spezielle Freibeträge und Bewertungsregeln, die im Lohnsteuerrecht detailliert geregelt sind.


Arten und Bewertungsmaßstäbe des Naturallohns

Typische Erscheinungsformen

Häufige Formen des Naturallohns im deutschen Arbeitsleben sind:

  • Wohnraumüberlassung (z. B. Werks- oder Dienstwohnungen)
  • freie Verpflegung (Mittagessen, Frühstück, Abendessen)
  • Dienstfahrzeuge zur Privatnutzung
  • Überlassene technische Geräte (Smartphone, Tablet zur privaten Nutzung)
  • Werksprodukte als Ware oder verbilligte Produkte

Bewertung der Sachbezüge

Die amtlichen Sachbezugswerte (§ 2 Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) dienen als Bewertungsgrundlage für wesentliche Naturalleistungen. Diese Werte werden jährlich angepasst und geben verbindliche Beträge für Unterkunft, Verpflegung und andere Sachbezüge vor. Sind keine amtlichen Werte vorhanden, erfolgt die Bewertung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem ortsüblichen Wert. Besondere Vorschriften gelten darüber hinaus für Kraftfahrzeugüberlassungen und sonstige Dienstleistungen.


Relevanz des Naturallohns im Rahmen des Mindestlohngesetzes

Anrechnung von Sachbezügen auf den Mindestlohn

Nach § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, mindestens den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Sachbezüge können grundsätzlich auf den Mindestlohn angerechnet werden, sofern sie eine Geldeswert-Leistung darstellen und vom Arbeitnehmer tatsächlich genutzt werden können. Die Anrechnung erfolgt nur in Höhe des Sachbezugswertes und erfordert, dass der verbleibende Geldlohn mindestens den Differenzbetrag zum Mindestlohn abdeckt.

Einschränkungen und Grenzen

Nicht jede Sachleistung ist auf den Mindestlohn anrechenbar. Gesetzliche Pflichtleistungen und solche Sachleistungen, die im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers erfolgen (z. B. Arbeitskleidung, betriebliche Fortbildungen), dürfen grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Die genaue Einordnung erfordert die Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung.


Besonderheiten in bestimmten Arbeitsverhältnissen

Saisonarbeit und Landwirtschaft

Insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft sowie in Saisonarbeitsverhältnissen ist die Entlohnung mit Naturallohn traditionell weit verbreitet. In diesen Branchen zählen freie Unterkunft und Verpflegung häufig zur üblichen Vergütung. Gesetzliche Spezialvorschriften, vor allem im Sozialversicherungsrecht, regeln die Berechnung und Anrechnung dieser Sachbezüge detailliert.

Au-pair-Verhältnisse

Im Rahmen von Au-pair-Beschäftigungen sind freie Unterkunft, Verpflegung und weitere Sachleistungen regelmäßig Hauptbestandteil der Gesamtvergütung und werden bei der Berechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern entsprechend berücksichtigt.


Naturallohn und Pfändbarkeit

Die Pfändbarkeit des Naturallohns richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften zur Arbeitseinkommenpfändung (§ 850 Zivilprozessordnung – ZPO). Naturallohn ist dabei in Geld umzuwandeln und wie Arbeitseinkommen pfändbar. Die Höhe des pfändbaren Betrags orientiert sich an den Sachbezugswerten oder dem Marktwert der Sachleistungen.


Dokumentations- und Nachweispflichten

Arbeitgebende sind verpflichtet, sämtliche Lohnbestandteile, einschließlich Naturallohn, ordnungsgemäß zu dokumentieren und gegenüber den zuständigen Stellen (z. B. Sozialversicherungsträgern, Finanzbehörden) nachzuweisen. Grundlage hierfür sind die Vorschriften der Lohnabrechnung sowie steuer- und sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten.


Zusammenfassung und Bedeutung in der Praxis

Der Naturallohn ist ein gesetzlich anerkannter Bestandteil der Arbeitsvergütung, der in zahlreichen Branchen und Beschäftigungsformen Bedeutung erlangt. Er unterliegt umfassenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich Bewertung, Anrechnung auf den Mindestlohn, Besteuerung und Beitragspflicht zur Sozialversicherung. Eine korrekte Dokumentation, Bewertung und Abrechnung ist unerlässlich, um rechtliche Risiken und Haftungsfragen zu vermeiden. Durch die Bereitstellung von Sachleistungen als Teil der Vergütung ergeben sich sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsspielräume, die den Arbeitsvertrag individuell ausgestalten können.

Häufig gestellte Fragen

Inwieweit unterliegt der Naturallohn der Sozialversicherungspflicht?

Naturallohn, also der Teil des Arbeitslohns, der nicht in Geld, sondern in Sachwerten oder Dienstleistungen gewährt wird (z.B. freie Unterkunft, Verpflegung oder die private Nutzung eines Dienstwagens), unterliegt grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht. Gemäß § 14 SGB IV zählt zum Arbeitsentgelt alles, was ein Arbeitnehmer für die Beschäftigung vom Arbeitgeber erhält, gleichgültig, ob es sich um Geld oder geldwerte Vorteile handelt. Es existieren jedoch Freigrenzen und Freibeträge, etwa für Verpflegung und Unterkunft, die jährlich durch die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) neu festgesetzt werden. Wird der Wert des gewährten Naturallohns oberhalb dieser Sachbezugswerte angesetzt, so bildet der volle geldwerte Vorteil die Beitragsbemessungsgrundlage für die Sozialversicherungen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die korrekten Werte zu ermitteln, zu dokumentieren und ordnungsgemäß zur Verbeitragung anzumelden.

Wie ist der Naturallohn steuerrechtlich zu behandeln?

Im deutschen Steuerrecht gilt der Grundsatz, dass alle Einnahmen zu versteuern sind, unabhängig von ihrer Form (§ 8 EStG). Naturallohn stellt somit steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Die Bewertung erfolgt grundsätzlich nach dem üblichen Endpreis am Abgabeort unter Berücksichtigung üblicher Preisnachlässe. Wie bei der Sozialversicherung gelten auch hier für bestimmte Sachleistungen (z.B. Verpflegung, Unterkunft) jährlich festgelegte Sachbezugswerte als Bemessungsgrundlage. Der Arbeitgeber muss diese im Lohnkonto erfassen, auf der Lohnsteuerbescheinigung ausweisen und die entsprechende Lohnsteuer abführen. Für einzelne Zuwendungen gibt es jedoch Steuerbefreiungen und Pauschalierungsmöglichkeiten, die im jeweiligen Einzelfall zu prüfen sind.

Welche Besonderheiten gibt es bei der Bewertung von Naturallohn?

Die Bewertung von Naturallohn richtet sich nach den Vorgaben des § 8 Abs. 2 EStG sowie der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). Typische Sachbezüge wie Unterkunft und Verpflegung werden jährlich mit Festbeträgen bewertet, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht werden. Für andere geldwerte Vorteile, wie etwa die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs, gelten spezifische Bewertungsregeln (z.B. 1 %-Regelung). Übersteigt der tatsächlich gewährte Sachbezug den gesetzlichen Sachbezugswert, muss der höhere Wert angesetzt werden. Arbeitgeber sind unbedingt verpflichtet, die nachweisbaren und richtigen Werte zu verwenden, da eine fehlerhafte Bewertung Nachforderungen von Finanzamt und Sozialversicherungsträgern nach sich ziehen kann.

Welche Melde- und Nachweispflichten hat der Arbeitgeber in Bezug auf Naturallohn?

Der Arbeitgeber muss sämtliche gewährten Sachbezüge – und damit auch den Naturallohn – vollständig und korrekt im Lohnkonto des Arbeitnehmers erfassen (§ 4 LStDV). Er hat darüber hinaus eine Nachweispflicht, das heißt, er muss die Art, den Umfang und den Wert der gewährten Sachbezüge dokumentieren und bei Prüfungen durch Finanzamt oder Sozialversicherungsträger vorlegen können. Die Meldungen an die Sozialversicherung sind monatlich im Rahmen der Entgeltbescheinigungen zu erbringen. Kommen Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, drohen Nachforderungen sowie Bußgelder oder strafrechtliche Konsequenzen.

Gilt der Mindestlohn auch beim Naturallohn?

Beim gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 MiLoG) ist die ausschließliche Zahlung in Sachwerten nicht zulässig. Das Mindestlohngesetz fordert grundsätzlich eine Zahlung in bar oder durch Überweisung. Lediglich der auf den gesetzlichen Mindestlohn entfallende Teil muss als Geldleistung erbracht werden. Naturallohn kann nur angerechnet werden, wenn ein darüber hinausgehender Lohn bezahlt wird und der Sachbezug die Qualität einer zusätzlichen Vergütung hat. Werden Regelungen zum Mindestlohn missachtet, ist der Arbeitgeber verpflichtet, etwaige Differenzbeträge nachzuzahlen, zusätzlich drohen Bußgelder sowie der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Gibt es bei der Gewährung von Naturallohn Besonderheiten im Rahmen von Minijobs?

Auch bei Minijobbern ist der gewährte Naturallohn Teil des maßgeblichen Arbeitsentgelts. Die Bewertung erfolgt nach denselben Regelungen wie bei regulären Arbeitsverhältnissen. Überschreitet der Wert des Sachbezugs zusammen mit dem Barlohn die Entgeltgrenze von monatlich 538 Euro (Stand 2024), wird aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Arbeitgeber müssen daher besonders sorgfältig die Werte ermitteln und Monat für Monat prüfen, ob die Minijobgrenze eingehalten wird.

Welche gesetzlichen Ausnahmen oder Steuervergünstigungen können beim Naturallohn greifen?

Es gibt verschiedene gesetzliche Verschonungsregelungen und Steuervergünstigungen bei Naturallohn. Zum Beispiel sind bestimmte Sachzuwendungen bis zu einer Freigrenze pro Monat steuer- und beitragsfrei (§ 8 Abs. 2 EStG: 50 Euro Sachbezugsfreigrenze). Zu nennen sind außerdem sogenannte Aufmerksamkeiten (z.B. kleinere Geschenke unter 60 Euro zu einem besonderen Anlass), die in der Regel steuerlich begünstigt sind. Auch typische Arbeitsmittel oder Leistungen, die zur Ausübung der Tätigkeit unentbehrlich sind (z.B. Arbeitskleidung, Werkzeuge), werden zum Teil nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn angesehen. Ob und in welchem Umfang Steuervergünstigungen greifen, ist im Einzelfall abhängig von Zweck, Art und Höhe des Naturallohns – diese sollten stets im Vorfeld geprüft werden.