Begriff und Einordnung des Naturallohns
Als Naturallohn werden Leistungen bezeichnet, die Arbeitgeber nicht in Geld, sondern in Sach- oder Nutzungsform gewähren. Dazu zählen beispielsweise die private Nutzung eines Dienstwagens, die Überlassung von Unterkunft oder Verpflegung, Warenrabatte oder bestimmte Gutscheine. In der Praxis wird häufig auch der Begriff Sachlohn oder Sachbezug verwendet. Inhaltlich geht es um den geldwerten Vorteil, den Beschäftigte durch die Sachleistung erhalten.
Abgrenzung zu Geldlohn und Aufwendungsersatz
Geldlohn ist die in Geld ausgezahlte Vergütung. Naturallohn unterscheidet sich davon, weil er als Sache oder Nutzung gewährt wird. Von Aufwendungsersatz ist der Naturallohn ebenfalls abzugrenzen: Erstattet der Arbeitgeber notwendige, beruflich veranlasste Kosten (etwa Reisekosten), handelt es sich nicht um Vergütung, sondern um die Rückzahlung verauslagter Aufwendungen. Naturallohn ist dagegen Teil des Entgelts für die Arbeitsleistung.
Systematische Einordnung
Arbeitsrechtlich ist Naturallohn eine Form des Entgelts und unterliegt daher den Regeln über Entstehung, Fälligkeit, Änderung und Beendigung von Vergütung. Steuer- und sozialversicherungsrechtlich gilt Naturallohn regelmäßig als geldwerter Vorteil, der nach gesetzlichen Bewertungsmaßstäben zu erfassen ist. Kollektivrechtliche Vorgaben (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) können die Ausgestaltung beeinflussen.
Formen und Beispiele des Naturallohns
Typische Erscheinungsformen
- Dienstwagen mit Erlaubnis zur Privatnutzung
- Unterkunfts- und Verpflegungsgewährung
- Mitarbeiterrabatte auf Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens
- Gutscheine oder zweckgebundene Karten für konkrete Waren oder Dienstleistungen
- Jobticket, Dienstrad oder vergleichbare Mobilitätsleistungen
- Zuschüsse in Form von Sachleistungen, z. B. Gesundheits- und Sportangebote ohne Barzahlungsfunktion
- Gestellung von Arbeitsmitteln zur privaten Mitbenutzung (z. B. Handy, Laptop), soweit gestattet
Abgrenzungsfragen bei Gutscheinen und Karten
Gutscheine und Karten gelten nur dann als Naturallohn, wenn sie auf den Bezug konkreter Waren oder Dienstleistungen gerichtet sind. Instrumente mit Barzahlungsfunktion, Auszahlungsanspruch oder breiter Akzeptanz wie allgemein nutzbare Zahlungskarten werden regelmäßig nicht als Sachlohn anerkannt. Maßgeblich sind die Ausgestaltung und der tatsächliche Verwendungszweck.
Besonderheiten bei Rabatten
Vergünstigungen auf eigene Produkte oder Leistungen können als Naturallohn erfasst werden. Für die Bewertung ist der übliche Endpreis abzüglich des gewährten Rabatts maßgeblich; übliche, allgemein für jedermann zugängliche Sonderaktionen bleiben außer Betracht.
Vertragsgestaltung und arbeitsrechtliche Aspekte
Vereinbarung und Transparenz
Naturallohn wird regelmäßig im Arbeitsvertrag, in Zusatzvereinbarungen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen geregelt. Erforderlich sind klare Angaben zu Art, Umfang, Nutzungsbereichen (z. B. Privatnutzung), möglicher Eigenbeteiligung, Laufzeit, Rückgabe- und Beendigungsmodalitäten.
Widerruf, Änderung und betriebliche Übung
Ein einseitiger Widerruf setzt eine wirksam vereinbarte und inhaltlich hinreichend bestimmte Widerrufsklausel voraus. Fehlt eine solche, sind Änderungen grundsätzlich nur im Einvernehmen oder auf Grundlage kollektiver Regelungen möglich. Eine über längere Zeit vorbehaltlos gewährte Sachleistung kann zu einer betrieblichen Übung führen, die künftige Gewährung erwarten lässt.
Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot
Bei der Gewährung von Naturallohn ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Differenzierungen bedürfen eines sachlichen Grundes. Unzulässig sind Benachteiligungen aus verbotenen Gründen wie etwa Geschlecht, Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder Weltanschauung.
Mitbestimmung
Die Einführung, Ausgestaltung und Änderung von Entgeltformen unterliegt in vielen Fällen der Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung, insbesondere wenn es um die Ordnung des Betriebs und das Entgeltgefüge geht. Der konkrete Umfang der Beteiligungsrechte richtet sich nach der jeweiligen Konstellation.
Naturallohn und Mindestlohn, Entgeltfortzahlung, Urlaub
Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn ist grundsätzlich in Geld zu zahlen. Naturallohn erfüllt die Mindestlohnpflicht im Regelfall nicht. Eine Verrechnung kommt nur in eng begrenzten Ausnahmen in Betracht.
Fortzahlung bei Krankheit, Urlaub und Schutzzeiten
Bei der Entgeltfortzahlung orientiert sich der Anspruch am üblichen Arbeitsentgelt. Regelmäßig gewährte Sachleistungen sind dabei zu berücksichtigen. Ist die tatsächliche Gewährung während der Abwesenheit nicht möglich (z. B. Nutzung eines Dienstwagens), kann ein Ausgleich in Geld in Betracht kommen. Gleiches gilt für das Urlaubsentgelt, das die übliche Vergütung einschließlich regelmäßig gewährter Vorteile abbildet.
Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Einordnung
Geldwerter Vorteil und Bewertung
Naturallohn stellt steuerlich einen geldwerten Vorteil dar. Die Bewertung erfolgt nach allgemeinen Bewertungsgrundsätzen. Für bestimmte Sachbezüge wie Unterkunft und Verpflegung bestehen jährlich bekannt gegebene amtliche Werte. Bei der privaten Nutzung eines Dienstwagens kommen typisierte Bewertungsmethoden oder die Einzelermittlung in Betracht.
Freibeträge, Freigrenzen und Pauschalierung
Für Sachbezüge bestehen in bestimmten Fällen Freigrenzen oder Freibeträge. Teilweise ist eine Pauschalbesteuerung möglich. Ob und in welchem Umfang Steuervergünstigungen greifen, hängt von Art, Wert, Häufigkeit und Ausgestaltung der Leistung ab. Steuerliche Vergünstigungen können sich jährlich ändern.
Sozialversicherung
Der geldwerte Vorteil aus Naturallohn ist grundsätzlich beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Ausnahmen und Besonderheiten ergeben sich aus der Art des Sachbezugs und etwaigen Begünstigungen. Bei geringfügig entlohnten Beschäftigungen werden Sachbezüge dem Verdienst zugerechnet und können die maßgeblichen Entgeltgrenzen beeinflussen.
Dienstwagen als Naturallohn
Die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs stellt regelmäßig steuer- und beitragspflichtigen Naturallohn dar. Zur Bewertung werden standardisierte Methoden oder die Führung eines geeigneten Nachweises herangezogen. Ein Eigenanteil mindert den geldwerten Vorteil entsprechend.
Dokumentation
Arbeitgebende haben Naturallohn in der Lohnabrechnung mit dem maßgeblichen Wert zu erfassen. Erforderlich sind nachvollziehbare Unterlagen über Art, Zeitraum, Bewertung und etwaige Eigenbeteiligungen. Anpassungen der amtlichen Werte und interne Richtlinien sollten konsistent nachgehalten werden.
Beendigung, Rückgabe und Rückforderung
Rückgabe- und Herausgabepflichten
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet regelmäßig der Anspruch auf Naturallohn. Überlassene Gegenstände (z. B. Fahrzeug, Geräte, Schlüssel) sind zurückzugeben. Für die Rückgabe können vertragliche Fristen, Protokolle und Zustandsregelungen vorgesehen sein.
Stichtags- und Rückzahlungsklauseln
Regelungen, die Vorteile an Stichtage knüpfen oder Rückzahlungen vorsehen, müssen transparent sein und den arbeitsrechtlichen Wirksamkeitsanforderungen genügen. Unangemessene Benachteiligungen sind zu vermeiden.
Schadensfälle und Nutzung
Bei Beschädigungen oder vertragswidriger Nutzung kommen Ersatzansprüche nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht. Bei überlassenen Fahrzeugen, Wohnungen oder Geräten empfiehlt sich eine klare vertragliche Zuordnung von Sorgfaltspflichten und Kostentragung.
Besonderheiten in ausgewählten Konstellationen
Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten
Bei Ausbildung und Praktikum gelten besondere Anforderungen an die Vergütung. Naturallohn kann Bestandteil der Vergütung sein, ersetzt den gesetzlichen Mindestunterhalt in Geld jedoch nicht. Für Unterkunft und Verpflegung gelten regelmäßig amtliche Bewertungswerte.
Entsendung und Auslandseinsätze
Bei Auslandstätigkeiten spielen Naturalleistungen wie Unterkunft, Transport oder Verpflegung eine größere Rolle. Zu beachten sind neben innerstaatlichen Vorgaben auch abkommensrechtliche Zuständigkeiten und örtliche Besteuerung, die je nach Einsatzland variieren.
Teilzeit, Remote und Elternzeit
Bei Teilzeit ist Naturallohn grundsätzlich verhältnismäßig zu gewähren, sofern er arbeitszeitbezogen ist. Bei mobiler Arbeit können Sachleistungen vergleichbar gestaltet werden, etwa durch digitale Leistungen. Während gesetzlicher Freistellungen gelten die einschlägigen Entgelt- und Fortzahlungsregeln.
Abgrenzung zu Aufwendungsersatz und Spesen
Aufwendungsersatz und Spesen sind Erstattungen für beruflich veranlasste Kosten und damit kein Arbeitsentgelt. Naturallohn ist dagegen Vergütung für die Arbeitsleistung. Entscheidend ist, ob die Leistung einen privaten Mehrwert bietet oder lediglich beruflich veranlasste Aufwendungen ersetzt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Naturallohn
Ist Naturallohn auf den Mindestlohn anrechenbar?
Der gesetzliche Mindestlohn ist grundsätzlich in Geld zu zahlen. Naturallohn erfüllt diese Pflicht im Regelfall nicht und wird daher nicht angerechnet. Ausnahmen sind nur in eng begrenzten Konstellationen möglich.
Muss Naturallohn bei Krankheit oder Urlaub weitergewährt werden?
Bei Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt ist die übliche Vergütung maßgeblich. Regelmäßig gewährte Sachleistungen sind zu berücksichtigen. Ist die tatsächliche Sachleistung während der Abwesenheit nicht möglich, kann ein wertmäßiger Ausgleich in Betracht kommen.
Wie wird ein Dienstwagen als Naturallohn bewertet?
Die Privatnutzung eines betrieblichen Fahrzeugs führt zu einem geldwerten Vorteil. Dieser wird nach anerkannten pauschalen Methoden oder durch Einzelnachweis bewertet. Eigenbeteiligungen mindern den Vorteil.
Zählen Sachbezüge bei Minijobs zum Entgelt?
Ja. Sachbezüge werden dem Arbeitsentgelt zugerechnet und können die maßgeblichen Entgeltgrenzen beeinflussen. Dadurch kann sich die Einordnung der Beschäftigung ändern.
Können Gutscheine als Naturallohn gelten?
Gutscheine gelten als Naturallohn, wenn sie ausschließlich zum Bezug konkret bestimmter Waren oder Dienstleistungen berechtigen. Instrumente mit Barzahlungsfunktion oder allgemeiner Zahlungsakzeptanz werden regelmäßig nicht als Sachlohn anerkannt.
Darf der Arbeitgeber Naturallohn einseitig widerrufen?
Ein Widerruf setzt eine wirksam vereinbarte Widerrufsklausel und einen sachlichen Grund voraus. Ohne eine solche Klausel sind Änderungen grundsätzlich nur einvernehmlich oder auf kollektiver Grundlage möglich.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei Naturallohn?
Bei der Einführung und Ausgestaltung von Entgeltbestandteilen bestehen regelmäßig Mitbestimmungsrechte. Der Umfang richtet sich nach der konkreten Maßnahme und den betrieblichen Gegebenheiten.
Wie werden Unterkunft und Verpflegung bewertet?
Für Unterkunft und Verpflegung werden amtliche Sachbezugswerte herangezogen, die regelmäßig jährlich festgelegt werden. Diese Werte bilden die Grundlage für die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung.