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Nahrungsergänzungsmittel


Begriff und rechtliche Einordnung von Nahrungsergänzungsmitteln

Nahrungsergänzungsmittel sind nach europäischem und deutschem Recht Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Sie bestehen aus Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, einzeln oder in Kombination, und werden in dosierter Form (z. B. als Kapseln, Tabletten, Pulver oder Flüssigkeiten) in den Verkehr gebracht. Die rechtliche Definition sowie die umfassenden rechtlichen Anforderungen an Herstellung, Kennzeichnung, Bewerbung und Vertrieb ergeben sich insbesondere aus europarechtlichen Vorgaben sowie nationalen Regelungen.

Rechtsgrundlagen für Nahrungsergänzungsmittel

Europäische Rechtsvorschriften

Die maßgebliche europaweite Regelung für Nahrungsergänzungsmittel ist die Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. Diese Vorschrift legt unter anderem fest, welche Stoffe als Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden dürfen und welche Kennzeichnungsanforderungen zu beachten sind. Ziel ist ein freier Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union unter gleichzeitiger Sicherstellung von Verbraucherschutz und Gesundheit.

Nationale Umsetzung in Deutschland

In Deutschland ist die Umsetzung der europäischen Vorgaben vorrangig durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) geregelt, ergänzt durch das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Weitere relevante Vorschriften finden sich in der Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006), in der Lebensmittelinformations-Verordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011) sowie diversen Leitsätzen und Verwaltungsvorschriften.

Abgrenzung zu anderen Produktkategorien

Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich strikt von Arzneimitteln und sonstigen Lebensmitteln abzugrenzen. Während Nahrungsergänzungsmittel ausschließlich zur Ergänzung der normalen Ernährung dienen, verfolgen Arzneimittel einen therapeutischen Zweck und unterliegen daher dem strengeren Arzneimittelgesetz (AMG).

Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Nahrungsergänzungsmittel sind die Zweckbestimmung und die Aufmachung (Darreichungsform, Dosierung, Bewerbung). Die korrekte Abgrenzung ist im Einzelfall für die Zulässigkeit des Inverkehrbringens von erheblicher Bedeutung, da hiervon unterschiedliche rechtliche Anforderungen und ggf. Zulassungsverfahren abhängen.

Zulassung und Anzeigeverfahren

Für Nahrungsergänzungsmittel besteht innerhalb der EU keine generelle Zulassungspflicht. Jedoch unterliegen sie einer Anzeigepflicht gemäß § 5 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung. Vor dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Produkts sind Hersteller bzw. Vertreiber verpflichtet, das betreffende Produkt beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anzuzeigen. Die Anzeige muss sämtliche für das Produkt relevanten Informationen (Zusammensetzung, Darreichungsform, Etikett, Hersteller) enthalten.

Veränderungen am Produkt (z. B. neue Rezeptur, Änderung des Etiketts) bedingen eine erneute oder ergänzende Anzeige.

Anforderungen an Inhaltsstoffe

Erlaubte Inhaltsstoffe und Dosierungsvorgaben

Das Lebensmittelrecht legt fest, welche Vitamine, Mineralstoffe und sonstigen Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen. Die Richtlinie 2002/46/EG enthält Listen zugelassener Stoffe, die durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in deutsches Recht umgesetzt wurden. Verwendet werden dürfen nur die in Anlage 1 (Vitamine und Mineralstoffe) und Anlage 2 (Verbindungen) der NemV gelisteten Stoffe.

Darüber hinaus sind für manche Nährstoffe Höchstmengen empfohlen oder vorgeschrieben, um Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken durch Überdosierung zu schützen. Die Festlegung verbindlicher Höchstmengen erfolgt auf europäischer Ebene, in Ermangelung solcher Regelungen setzen nationale Behörden Orientierungswerte fest.

Verbotene und nicht zugelassene Substanzen

Stoffe, die nicht explizit erlaubt sind, dürfen grundsätzlich nicht in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden. Zudem sind spezifische Verbote und Reinheitsanforderungen zu beachten, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit zu gewährleisten.

Kennzeichnungsvorschriften

Nahrungsergänzungsmittel unterliegen strengen Kennzeichnungsvorschriften. Neben den generellen Anforderungen für Lebensmittel nach der Lebensmittelinformations-Verordnung (u. a. Zutatenverzeichnis, Allergenkennzeichnung, Mindesthaltbarkeitsdatum, Herstellerangabe) müssen spezifische Angaben gemäß § 4 NemV gemacht werden:

  • Bezeichnung als „Nahrungsergänzungsmittel“
  • Nennung der charakteristischen Nährstoffe/Kategorien der enthaltenen Stoffe
  • Angaben zur empfohlenen täglichen Verzehrmenge
  • Warnhinweis, die empfohlene tägliche Verzehrmenge nicht zu überschreiten
  • Hinweis, dass Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sind
  • Aufbewahrungshinweis außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern

Falschangaben, Irreführung oder gesundheitsbezogene Angaben, die nicht hinreichend wissenschaftlich belegt oder zulässig sind, sind untersagt.

Gesundheitsbezogene Angaben (Health Claims)

Die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben beim Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln ist durch die Health-Claims-Verordnung streng reglementiert. Diese Verordnung sieht vor, dass Aussagen über die Wirkung auf Gesundheit, Körperfunktionen oder das Risiko einer Krankheit nur zulässig sind, wenn sie auf einer Positivliste der EU basieren, die wissenschaftlich untermauerte Aussagen enthält.

Jegliche Werbung, die dem widerspricht oder unzulässige Heilaussagen trifft, ist untersagt und kann zu Abmahnungen oder behördlichen Maßnahmen führen.

Überwachung und Sanktionen

Die Lebensmittelüberwachung obliegt den zuständigen Landesbehörden und stellt die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicher. Bei Verstößen gegen Kennzeichnungsvorschriften, Anzeigepflichten oder Inhaltsstoffregelungen drohen empfindliche Bußgelder, Vertriebsverbote oder Produktrückrufe.

Fälle von Irreführung, Täuschung oder gesundheitsgefährdendem Missbrauch werden zusätzlich strafrechtlich oder ordnungswidrig geahndet.

Internationale Aspekte

Beim Import und Export von Nahrungsergänzungsmitteln sind die jeweiligen nationalen Gesetze der Zielländer zu beachten, die teils erheblich von den EU-Regelungen abweichen können. Für den innereuropäischen Handel gilt das Prinzip des freien Warenverkehrs und die gegenseitige Anerkennung, sofern die Produkte den Vorgaben der Richtlinie 2002/46/EG entsprechen.

Zusammenfassung

Nahrungsergänzungsmittel unterliegen in Europa und Deutschland einem umfangreichen Regelungsrahmen mit zahlreichen spezialgesetzlichen Regelungen. Ziel ist ein ausgewogener Verbraucherschutz bei gleichzeitiger Sicherstellung des freien Warenverkehrs. Hersteller und Vertreiber sind verpflichtet, umfangreiche Kennzeichnungs-, Anzeige- und Inhaltsstoffvorgaben zu beachten, wobei laufende Gesetzesänderungen und behördliche Auslegungen zu berücksichtigen sind. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist für die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens, die Verkehrsfähigkeit und die Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln von wesentlicher Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Müssen Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland zugelassen werden, bevor sie in den Handel gelangen?

In Deutschland unterliegen Nahrungsergänzungsmittel keiner Zulassungspflicht im klassischen Sinne, wie es beispielsweise für Arzneimittel der Fall ist. Stattdessen gilt das Anzeigeverfahren nach § 5 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV). Wer in Deutschland ein Nahrungsergänzungsmittel erstmals in Verkehr bringt, ist verpflichtet, dies vor dem erstmaligen Inverkehrbringen dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) schriftlich anzuzeigen. Teil der Anzeige sind insbesondere eine Produktbeschreibung, die Zusammensetzung und ein Muster des Etiketts. Erst nach Abschluss dieser Anzeige darf das Produkt auf den Markt gebracht werden. Eine explizite behördliche Prüfung oder Genehmigung des Produkts erfolgt in diesem Zusammenhang allerdings nicht; die Überprüfung kann – auch nach Markteinführung – durch Überwachungsbehörden erfolgen.

Welche Kennzeichnungsvorschriften gelten für Nahrungsergänzungsmittel?

Für Nahrungsergänzungsmittel gelten umfangreiche Kennzeichnungsvorschriften, die im Wesentlichen durch die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) sowie die NemV vorgegeben werden. Die Kennzeichnung muss unter anderem folgende Angaben enthalten: Bezeichnung als „Nahrungsergänzungsmittel“, die Nährstoffe oder sonstigen Stoffe, einschließlich ihrer Mengen, die täglich aufgenommen werden, die empfohlene tägliche Verzehrmenge, einen Hinweis darauf, dass die angegebene empfohlene tägliche Verzehrmenge nicht überschritten werden darf und einen Warnhinweis, dass Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sind. Weiterhin sind die Namen und Anschriften des Herstellers oder Unternehmers, das Mindesthaltbarkeitsdatum sowie besondere Aufbewahrungsbedingungen anzugeben, falls erforderlich. Fehlende oder fehlerhafte Kennzeichnungen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Welche rechtlichen Vorgaben existieren bezüglich gesundheitsbezogener Angaben auf Nahrungsergänzungsmitteln?

Gesundheitsbezogene Angaben auf Nahrungsergänzungsmitteln sind in der EU grundsätzlich durch die Health-Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 streng reglementiert. Solche Angaben dürfen ausschließlich dann gemacht werden, wenn sie im Rahmen eines aufwändigen Zulassungsverfahrens von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft und von der EU-Kommission offiziell genehmigt wurden. Die Liste zugelassener Angaben ist öffentlich einsehbar. Angaben, die den Eindruck erwecken, ein Nahrungsergänzungsmittel könne Krankheiten verhüten, lindern oder heilen, sind ausdrücklich verboten und führen bei Verstoß zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen, darunter Abmahnungen, Bußgelder und Vertriebsverbote.

Wer haftet, wenn durch ein Nahrungsergänzungsmittel gesundheitliche Schäden entstehen?

Im Schadensfall greift hauptsächlich das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), welches die verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers regelt. Wer ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr bringt, muss für Personen- und Sachschäden, die daraus entstehen, einstehen, unabhängig davon, ob ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Daneben kommen zivilrechtliche Haftungsansprüche aus Deliktsrecht oder Gewährleistungsrecht in Betracht. Zusätzlich trifft den Importeur sowie Händler unter Umständen eine sogenannte Quasi-Herstellerhaftung, sollte der ursprüngliche Hersteller nicht identifizierbar oder nicht greifbar sein. In besonderen Fällen kann auch eine strafrechtliche Verantwortung nach § 328 StGB (Unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Gütern) oder anderen Vorschriften in Betracht gezogen werden.

Welche Bestimmungen gelten hinsichtlich der Zusammensetzung und der zulässigen Inhaltsstoffe?

Die Zusammensetzung von Nahrungsergänzungsmitteln ist durch verschiedene europäische und nationale Vorschriften geregelt. Die NemV in Verbindung mit der Richtlinie 2002/46/EG schreibt konkret vor, welche Vitamine und Mineralstoffe (und deren Formen) in Nahrungsergänzungsmitteln zulässig sind. Andere Stoffe wie Pflanzenextrakte, Aminosäuren oder Enzyme unterliegen, sofern sie nicht ohnehin bereits durch andere Rechtsvorschriften beschränkt sind, den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Verboten sind beispielsweise gesundheitsgefährdende Stoffe und jene, die für den menschlichen Verzehr nicht geeignet sind. Für nicht abschließend geregelte Stoffe können Einzelfallprüfungen durch Behörden erfolgen oder gesonderte Regelungen im Rahmen des Novel-Food-Verfahrens greifen, sofern es sich um neuartige Lebensmittel handelt.

Unterliegen Nahrungsergänzungsmittel der Umsatzsteuer und welchen Steuersatz müssen sie ausweisen?

Nahrungsergänzungsmittel gelten steuerrechtlich als Lebensmittel, allerdings ist ihre Einordnung bezüglich des anzuwendenden Umsatzsteuersatzes differenziert zu betrachten. In Deutschland wird auf die meisten Nahrungsergänzungsmittel der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 % angewandt. Ausnahmen bestehen nur für Produkte, die eindeutig als Grundnahrungsmittel eingestuft werden; dies ist bei Nahrungsergänzungsmitteln in aller Regel jedoch nicht der Fall. Die korrekte steuerliche Einstufung obliegt dem jeweiligen Anbieter und wird im Zweifelsfall von den Finanzbehörden geprüft.

Dürfen in Deutschland im Online-Handel beworbene Nahrungsergänzungsmittel aus dem Ausland verkauft werden?

Nahrungsergänzungsmittel dürfen grundsätzlich innerhalb der EU frei gehandelt werden, sofern sie den jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen. Ein Import aus Drittstaaten ist ebenfalls möglich, jedoch müssen sämtliche Produkte, die für den deutschen Markt bestimmt sind, sämtliche deutschen und EU-rechtlichen Vorschriften erfüllen, einschließlich Kennzeichnung, Zusammensetzung und Health Claims. Verantwortlich für die Einhaltung ist derjenige, der das Produkt in den deutschen Markt einführt oder bewirbt. Verstöße können zu Einfuhrverboten, Beschlagnahmungen und Sanktionen führen. Bei Online-Versandhandel ist speziell die Lebensmittel-Informationspflichtenverordnung (LMIV) zu beachten, da Verbrauchern bereits vor dem Kauf sämtliche Pflichtinformationen zugänglich gemacht werden müssen.