Nachlass, digitaler – Begriff und Einordnung
Der digitale Nachlass umfasst alle digitalen Werte, Rechte, Daten und Vertragsverhältnisse, die einer verstorbenen Person zugeordnet sind. Dazu zählen sowohl vermögenswerte Positionen (etwa Guthaben in Online-Diensten oder Kryptowerte) als auch nichtvermögensrechtliche Elemente wie Kommunikationsinhalte, Profile in sozialen Netzwerken oder persönliche Dateien. Der digitale Nachlass ist Teil des gesamten Nachlasses und unterliegt den allgemeinen Regeln der Rechtsnachfolge, wird jedoch durch technische Zugangsbarrieren, Plattformbedingungen und datenschutzrechtliche Besonderheiten geprägt.
Abgrenzung zum analogen Nachlass
Im Unterschied zum analogen Nachlass sind digitale Positionen häufig nicht körperlich vorhanden, sondern als Daten oder vertragliche Nutzungsrechte ausgestaltet. Dies führt zu Fragen nach Vererblichkeit, Zugriffsmöglichkeit und Nutzungsumfang. Digitale Inhalte können über verschiedene Rechtsregime geprägt sein (z. B. Urheberrechte, Lizenzmodelle, Kontoverträge), die jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen im Erbfall auslösen.
Typische Anwendungsfelder
Relevante Bereiche sind unter anderem E-Mail- und Messenger-Konten, Profile in sozialen Medien, Cloud-Speicher, Online-Banking und Zahlungsdienste, digitale Medienbibliotheken, Kryptowerte, Domains, Webseiten, App-Accounts, digitale Abonnements sowie Datenbestände auf Geräten.
Bestandteile des digitalen Nachlasses
Konten und Profile
Kommunikation (E-Mail, Messenger)
Kommunikationskonten enthalten personenbezogene und häufig vertrauliche Inhalte. Sie berühren neben Erbrechten auch Geheimnisschutz und Rechte Dritter. Der Zugang ist rechtlich vom Umfang der Rechtsnachfolge und von vertraglichen Vereinbarungen mit Diensteanbietern abhängig.
Soziale Netzwerke
Profile in sozialen Medien verkörpern keinen Vermögenswert im klassischen Sinn, enthalten aber Daten und Kommunikationsinhalte. Anbieter stellen mitunter besondere Modi wie Gedenkzustände bereit, die den Umgang mit dem Konto nach dem Tod regeln.
Cloud- und Speicherdienste
Cloud-Konten bündeln Dateien, Fotos, Backups und Arbeitsstände. Rechtlich relevant sind die Nutzungsbedingungen, die klären, ob Inhalte übertragen werden dürfen, und welche Zugänge die Rechtsnachfolger erhalten.
Digitale Vermögenswerte
Kryptowerte und Token
Kryptowerte sind grundsätzlich vererblich. Praktisch bedeutsam sind Zugriffsmittel wie Private Keys, Passwörter oder Seed-Phrasen. Ohne diese kann die wirtschaftliche Verwertung erheblich erschwert sein.
Domains und Online-Präsenzen
Domains und Webseiten können vermögenswerte Bestandteile sein. Die Rechtsposition ergibt sich aus Registrierungs- und Hostingverträgen sowie aus kennzeichen- und namensrechtlichen Aspekten.
Digitale Inhalte und Lizenzen
Gekaufte Inhalte
Digitale Medien (E-Books, Musik, Filme, Software) werden häufig nur als persönliche, nicht übertragbare Nutzungslizenz bereitgestellt. Ob eine Übertragung auf Rechtsnachfolger möglich ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Lizenz ab.
Urheberrechte
Urheberrechte an eigenen Werken gehen grundsätzlich auf die Erben über. Bereits eingeräumte Nutzungsrechte an Dritte bestehen fort, sofern keine abweichenden Regelungen vorgesehen sind.
Geräte und Zugangsdaten
Endgeräte (Smartphones, Laptops, Hardware-Wallets) gehören zum körperlichen Nachlass. Zugangsdaten können als Informationen Teil des Nachlasses sein; ihre Verwendung wird durch vertragliche Vereinbarungen, Geheimnisschutz und strafrechtliche Grenzen beeinflusst.
Rechtsnatur, Vererblichkeit und Rechtsnachfolge
Gesamtrechtsnachfolge
Erben treten grundsätzlich in die Rechtsposition der verstorbenen Person ein. Dazu gehören Ansprüche aus Nutzungsverträgen, Herausgabe- und Auskunftsrechte sowie Pflichten. Die Vererblichkeit kann durch höchstpersönliche Rechte oder vertragliche Nichtübertragbarkeiten begrenzt sein.
Rechte Dritter
Im digitalen Kontext sind Rechte Dritter an Inhalten und Daten besonders relevant. Dazu zählen Persönlichkeitsrechte, Urheber- und Leistungsschutzrechte, Geheimhaltungsinteressen sowie Datenschutzbelange anderer Kommunikationspartner.
Unübertragbare Rechte und höchstpersönliche Inhalte
Höchstpersönliche Rechte sind nicht vererblich. Inhalte, die ausschließlich an die Person gebunden sind, können zwar als Daten existieren, berechtigen die Erben aber nicht in jedem Fall zur Nutzung oder Veröffentlichung.
Zugangsrechte, Zugangsdaten und technische Barrieren
Zugangsdaten als Nachlassbestandteil
Zugangsdaten können als Teil des Nachlasses betrachtet werden. Ihre Nutzung durch Erben richtet sich nach der Rechtsnachfolge und nach vertraglichen Regelungen. Anbieter verlangen regelmäßig Nachweise über die Erbenstellung und den Todesfall, bevor ein Zugang eröffnet oder umgestellt wird.
Authentifizierungsverfahren
Mehrstufige Authentifizierung, biometrische Sperren und Verschlüsselung beeinflussen die praktische Zugriffsmöglichkeit. Rechtlich ist zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf Zugang und der tatsächlichen technischen Verfügbarkeit zu unterscheiden.
Rechtliche Grenzen beim Zugriff
Der Zugriff auf Konten und Geräte ist nur im Rahmen der Rechtsnachfolge und der geltenden Vertragsbedingungen zulässig. Unbefugter Zugriff kann rechtliche Grenzen überschreiten, insbesondere wenn Schutzmechanismen umgangen oder Rechte Dritter verletzt werden.
Datenschutz, Geheimnisschutz und Persönlichkeitsrechte
Schutz von Kommunikationsinhalten
Kommunikationsinhalte unterliegen besonderen Geheimnisschutzregeln. Diese können den Umfang des Zugriffs durch Erben beeinflussen, vor allem wenn von der Einsichtnahme Rechte und Interessen lebender Kommunikationspartner betroffen sind.
Postmortaler Persönlichkeitsschutz
Der Schutz des Andenkens an Verstorbene wirkt fort und kann einer Verwertung oder Veröffentlichung bestimmter Inhalte Grenzen setzen. Erben haben regelmäßig eine Wahrnehmungsbefugnis, müssen dabei jedoch die Würde der verstorbenen Person und berechtigte Gegeninteressen beachten.
Datenschutz für Dritte
Datenschutzregeln schützen grundsätzlich lebende Personen. Enthaltene Daten Dritter in Konten und Archiven des Verstorbenen unterliegen daher weiterhin Schutzanforderungen, die bei Auswertung, Weitergabe oder Veröffentlichung zu berücksichtigen sind.
Plattform- und Vertragsrecht
Nutzungsverträge mit Diensteanbietern
Rechtsbeziehungen zu Plattformen beruhen auf Nutzungsverträgen und ergänzenden Richtlinien. Sie regeln Zugang, Übertragbarkeit, Kontoschließung, Speicherfristen sowie den Umgang mit Inhalten nach dem Tod.
Memorialisierungs- und Gedenkfunktionen
Manche Dienste sehen spezielle Einstellungen für den Todesfall vor, etwa Umwandlung in Gedenkzustände oder die Benennung von Kontaktpersonen. Solche Funktionen wirken sich auf den Zugriff und die Sichtbarkeit von Inhalten aus.
Beendigung, Fortführung und Übertragbarkeit
Abhängig vom Vertrag kann ein Konto gekündigt, in einen besonderen Zustand versetzt oder auf Rechtsnachfolger übertragen werden. Nicht selten sind Lizenzen personengebunden und damit nicht übertragbar, während rein vermögenswerte Ansprüche bestehen bleiben.
Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht
Wohnsitz, Serverstandort, AGB-Rechtswahl
Beim digitalen Nachlass treffen häufig unterschiedliche Rechtsordnungen aufeinander: Wohnsitz der verstorbenen Person, Sitz des Dienstanbieters, Serverstandort und vertragliche Rechtswahl. Zuständigkeits- und Kollisionsfragen bestimmen, welches Recht Anwendung findet und wie Ansprüche durchgesetzt werden.
Durchsetzung gegenüber ausländischen Anbietern
Gegenüber Anbietern mit Sitz im Ausland sind urkundliche Nachweise über den Erbstatus regelmäßig erforderlich. Form und Inhalt der Nachweise sowie die Anerkennung ausländischer Dokumente richten sich nach internationalem Privatrecht und den Richtlinien der Anbieter.
Bewertung, Steuer und wirtschaftliche Aspekte
Bewertung von Kryptowerten und digitalen Unternehmen
Der wirtschaftliche Wert von Kryptovermögen, Domains, Online-Shops oder kontobasierten Assets ist maßgeblich für die steuerliche Einordnung. Bewertungsfragen betreffen Kursstände, Marktliquidität, Ertragskraft und Übertragbarkeit.
Einnahmen aus Plattformen
Einnahmen aus Werbung, Streaming, Affiliate-Programmen oder App-Stores können fortlaufen. Ob und wie die Erben diese Ansprüche geltend machen, hängt von den zugrunde liegenden Verträgen und Abrechnungsmodalitäten ab.
Schulden und laufende Verpflichtungen
Digitale Abonnements, Hostingkosten oder Lizenzentgelte können zu Nachlassverbindlichkeiten werden. Die Haftung der Erben richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Erbfolge und etwaigen Haftungsbeschränkungen.
Pflichten der Erben und Nachlassverwaltung
Sicherung und Erhaltung des digitalen Nachlasses
Erben haben den Nachlass grundsätzlich zu sichern und zu erhalten. Im digitalen Bereich betrifft dies auch die Bewahrung werthaltiger Daten, die Klärung von Zugängen und die geordnete Verwaltung bestehender Vertragsverhältnisse.
Umgang mit geschäftlichen Accounts
Konten mit Unternehmensbezug sind häufig dem Betrieb oder Arbeitgeber zugeordnet. Deren Nutzung richtet sich nach arbeits- oder gesellschaftsrechtlichen Zuordnungen und kann vom Privatnachlass getrennt zu behandeln sein.
Archivierung, Löschung und Rechteabwägung
Die Entscheidung über Aufbewahrung oder Löschung digitaler Inhalte erfordert eine Abwägung zwischen wirtschaftlichem Wert, Pietät, postmortalem Persönlichkeitsschutz und Rechten Dritter. Plattformregeln und Speicherfristen setzen zusätzliche Rahmenbedingungen.
Besondere Konstellationen
Minderjährige und Sorgeberechtigte
Bei Minderjährigen stellen sich Fragen nach der Vertretung und Einsichtnahme in Kommunikationsinhalte. Maßgeblich sind die Erbenstellung, das Wohl des Kindes sowie Geheimnisschutz und Persönlichkeitsrechte.
Gemeinschaftskonten und geteilte Zugänge
Gemeinschaftliche oder geteilte Zugänge betreffen mehrere Personen. Rechte und Pflichten richten sich nach der vertraglichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Nutzung, einschließlich der Zuordnung von Inhalten und Guthaben.
Unternehmens- und arbeitsbezogene Zugänge
Zugänge, die in Ausübung einer Tätigkeit für einen Arbeitgeber oder ein Unternehmen geführt wurden, können dem Betriebsvermögen zugeordnet sein. Hier gelten die internen Regelungen und die Zuordnung der Rechte am Account und an den Inhalten.
Häufig gestellte Fragen
Was gehört zum digitalen Nachlass?
Zum digitalen Nachlass zählen Online-Konten, Kommunikationsinhalte, Profile in sozialen Netzwerken, Cloud-Daten, digitale Vermögenswerte wie Kryptowährungen, Domains, digitale Lizenzen sowie Daten auf Endgeräten. Maßgeblich ist, dass die Position der verstorbenen Person zugeordnet werden kann und rechtlich übertragbar ist.
Dürfen Erben auf E-Mails und Messenger-Nachrichten zugreifen?
Der Zugriff richtet sich nach der Rechtsnachfolge und den vertraglichen Bedingungen des Dienstes. Zusätzlich sind Geheimnisschutz und die Rechte Dritter zu beachten. Der Umfang des Zugriffs kann daher eingeschränkt sein und von Nachweisen der Erbenstellung abhängen.
Sind Online-Konten und Profile vererblich?
Die Rechtsposition aus einem Nutzungsvertrag ist grundsätzlich Teil des Nachlasses, kann aber durch personengebundene Lizenzen oder vertragliche Übertragungsverbote begrenzt sein. Plattformen sehen mitunter besondere Modi für den Umgang mit Konten verstorbener Personen vor.
Was geschieht mit erworbenen digitalen Inhalten (z. B. Musik, E-Books)?
Digitale Inhalte werden häufig als persönliche, nicht übertragbare Nutzungsrechte bereitgestellt. Ob Rechtsnachfolger diese Inhalte nutzen oder übertragen dürfen, hängt von der konkreten Lizenzgestaltung und den Vertragsbedingungen ab.
Wie werden Kryptowährungen im Nachlass behandelt?
Kryptowerte sind grundsätzlich vererblich. Entscheidend ist die Verfügbarkeit der Zugriffsmittel wie Private Keys oder Seed-Phrasen. Ohne diese kann die wirtschaftliche Realisierung erschwert oder unmöglich sein.
Welche Rolle spielen AGB von Plattformen im Erbfall?
AGB und Richtlinien regeln Zugang, Übertragbarkeit, Kontoumwandlung und Speicherfristen. Sie bestimmen, ob Konten übertragen, in Gedenkzustände versetzt oder geschlossen werden und welche Nachweise Rechtsnachfolger erbringen müssen.
Welche Nachweise verlangen Diensteanbieter für den Zugriff?
Regelmäßig werden Nachweise über den Todesfall und die Erbenstellung verlangt. Die Art der anerkannten Dokumente und formalen Anforderungen richtet sich nach den Vorgaben des jeweiligen Anbieters und gegebenenfalls internationalen Besonderheiten.
Welche datenschutzrechtlichen Aspekte sind zu beachten?
Der Schutz lebender Dritter bleibt zu berücksichtigen, insbesondere bei Kommunikationsinhalten. Der postmortale Persönlichkeitsschutz setzt der Nutzung, Veröffentlichung oder Löschung von Inhalten zusätzliche Grenzen.