Legal Lexikon

Nachgründung


Nachgründung im Gesellschaftsrecht

Die „Nachgründung“ ist im Gesellschaftsrecht ein zentrales Konzept, das insbesondere im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaften wie der Aktiengesellschaft (AG) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) große Bedeutung erlangt. Die Regelungen zur Nachgründung dienen vor allem dem Gläubigerschutz und der Sicherstellung der Kapitalaufbringungsvorschriften, da sie Interessenkonflikte zwischen Gesellschaft und Gründungsgesellschaftern beim Erwerb von Vermögensgegenständen nach der Gründung adressieren.

Definition und Begriffsklärung

Unter Nachgründung versteht man rechtlich die entgeltliche Übernahme von Vermögensgegenständen durch eine Kapitalgesellschaft von ihren Gründungsgesellschaftern (bei der AG: Gründern, bei der GmbH: Gesellschaftern) im Zeitraum nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, aber vor Ablauf einer im Gesetz festgelegten Sperrfrist (meist zwei Jahre). Typischerweise ist dies bei Rechtsgeschäften der Fall, mit denen Gesellschaftsgründer innerhalb dieser Frist Vermögenswerte an die Gesellschaft veräußern oder gegen Entgelt Dienstleistungen erbringen.

Rechtsgrundlagen

Nachgründung bei der Aktiengesellschaft (AG)

Das Aktiengesetz (AktG) regelt die Nachgründung für die AG umfassend in den §§ 52 ff. AktG. Nach § 52 Abs. 1 AktG ist eine Nachgründung dann gegeben, wenn die Gesellschaft innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Eintragung Vermögensgegenstände von einem Gründer gegen ein Entgelt erwirbt, das mindestens einem Zehntel des Grundkapitals entspricht. Maßgeblich ist das Verhältnis des Erwerbspreises zum Grundkapital zum Zeitpunkt des Erwerbs.

Zu den Schutzinstrumenten zählen insbesondere:

  • Formstrenge Verfahren: Der Erwerb bedarf eines schriftlichen, notariell beurkundeten Vertrags (§ 53 Abs. 2 AktG).
  • Nachgründungsbericht: Die Gesellschaft muss einen Nachgründungsbericht erstellen, der den geplanten Erwerb und seine Bedingungen umfassend erläutert (§ 53 Abs. 1 AktG).
  • Prüfungsbericht: Unabhängige Prüfer (etwa Abschlussprüfer) beurteilen die Angemessenheit des Erwerbs (§ 54 AktG).
  • Hauptversammlungsbeschluss: Der Erwerb muss von der Hauptversammlung genehmigt werden (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AktG).

Eine solche Prozedur soll sicherstellen, dass keine Vermögensverschiebungen zu Lasten der Gesellschaft und ihrer Gläubiger erfolgen.

Nachgründung bei der GmbH

Für die GmbH ist die Regelung weniger ausführlich ausgeprägt. Die GmbH-Nachgründung ist im GmbH-Gesetz (GmbHG) nicht derart detailliert geregelt wie bei der AG. In analoger Anwendung gelten jedoch ähnliche Grundsätze, wobei § 19 Abs. 4 GmbHG wichtige Vorgaben zur Erbringung der Stammeinlagen enthält. Die Rechtsprechung, u.a. des Bundesgerichtshofs, überträgt wesentliche Regelungen des AktG zumindest sinngemäß auf die GmbH, um eine Umgehung des Kapitalschutzes zu verhindern. In der Praxis greifen hier auch die Grundsätze zur „verdeckten Sacheinlage“ sowie diejenigen Regelungen, die zur Sicherung des Stammkapitals besonders auf die Unterscheidung zwischen Bareinlage, Sacheinlage und Nachgründungsakquise abzielen.

Anwendungsbereich und Voraussetzungen

Tatbestand

Eine Nachgründung setzt kumulativ folgende Voraussetzungen voraus:

  • Erwerb eines Vermögensgegenstandes von einem Gründer durch die Gesellschaft,
  • innerhalb von zwei Jahren nach der Eintragung,
  • gegen ein Entgelt, welches mindestens 10 % des Grund- bzw. Stammkapitals entspricht,
  • außerhalb des ursprünglichen Gründungsakts.

Typische Anwendungsfälle

Klassische Anwendungsfälle sind die entgeltliche Überführung von Grundstücken, Maschinen oder immateriellen Wirtschaftsgütern wie Patenten aus dem Privatvermögen eines Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen gegen Zahlung eines Kaufpreises oder die Gewährung von Gesellschaftsanteilen.

Zweck und Bedeutung

Kapitalschutz und Gläubigerschutz

Das Nachgründungsverfahren schützt insbesondere Gläubiger der Gesellschaft. Durch die formalen und materiellen Anforderungen wird verhindert, dass das Gesellschaftskapital nachträglich wieder an die Gründer zurückfließt. Außerdem soll eine Umgehung der Vorschriften zur ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung und eine Benachteiligung später beitretender Gesellschafter ausgeschlossen werden.

Transparenz und Kontrolle

Die umfangreichen Nachgründungsvorschriften schaffen Transparenz über Vermögensverschiebungen kurz nach der Gründung und geben Aktionären sowie Gläubigern eine objektive Grundlage zur Bewertung des Gesellschaftsvermögens, insbesondere im Hinblick auf verdeckte Einlagen oder überhöhte Entgelte für eingebrachte Vermögenswerte.

Rechtsfolgen bei Missachtung der Nachgründungsvorschriften

Nichtigkeit und Schadensersatz

Werden die gesetzlichen Nachgründungsvorschriften nicht beachtet, ist das betreffende Rechtsgeschäft schwebend unwirksam und kann – nach Ablauf der Sperrfrist oder durch Genehmigung – grundsätzlich nachträglich wirksam werden. Ohne Einhaltung der Formvorschriften besteht das Risiko der Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts (§ 52 Abs. 2 AktG). Außerdem können Schadensersatzforderungen gegen die handelnden Personen entstehen, insbesondere aus den Vorschriften über die Geschäftsführer- und Vorstandshaftung.

Anfechtbarkeit von Geschäften

Gesellschafts- oder Gläubigerinteressen können im Falle eines formwidrigen Nachgründungsgeschäfts geschädigt werden, was die Anfechtbarkeit solcher Rechtsgeschäfte eröffnet, sofern die gesetzlichen Vorschriften nicht eingehalten wurden.

Nachgründung im Konzernrecht und internationalen Kontext

Auch in Konzernsachverhalten kommt der Nachgründung Bedeutung zu, insbesondere wenn zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften Vermögensgegenstände veräußert werden. In vielen Ländern sind vergleichbare Nachgründungsregeln Bestandteil der jeweiligen Gesellschaftsgesetze, wenn auch die rechtlichen Ausprägungen variieren. Unternehmen mit Auslandssitz sollten daher die jeweiligen nationalen Besonderheiten prüfen.

Ausnahmen und Abgrenzungen

Nicht jedes Geschäft mit Gründern innerhalb von zwei Jahren ist eine Nachgründung. Unerheblich sind Vorgänge, bei denen das Entgelt unterhalb der 10 %-Schwelle liegt, im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs getätigt werden oder Gegenstand und Gegenleistung bereits Gegenstand des Gesellschaftsvertrags waren. Ebenfalls abzugrenzen ist die Nachgründung von der Sacheinlage im Rahmen der Gründung sowie von der verdeckten Sacheinlage, bei der ein im Gründungsakt als Bareinlage deklarierter Betrag tatsächlich durch eine Sache „verdeckt“ erbracht wird.

Literaturhinweise und weiterführende Quellen

Für die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema wird auf einschlägige Kommentare zum Aktiengesetz, Entscheidungssammlungen der Oberlandesgerichte sowie Monographien zum Kapitalgesellschaftsrecht verwiesen.


Zusammenfassung und Bedeutung für die Praxis

Die Nachgründung ist ein bedeutsames Kontrollinstrument im Gesellschaftsrecht zur Sicherung des gesetzlichen Kapitals, zur Vermeidung von Vermögensverschiebungen und zur Wahrung der Transparenz in den ersten Jahren nach der Gründung von Kapitalgesellschaften. Ihre Beachtung ist für die Rechtssicherheit und zur Vermeidung haftungs- und anfechtungsrechtlicher Risiken von zentraler Bedeutung. Gesellschaften und ihre Organe sollten Transaktionen mit ehemaligen oder gegenwärtigen Gründern stets auf einen möglichen Nachgründungscharakter hin überprüfen und die gesetzlichen Vorgaben strikt einhalten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Nachgründung einer Gesellschaft?

Die Nachgründung, insbesondere bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH oder der AG, unterliegt in Deutschland klaren gesetzlichen Regelungen, vor allem in den §§ 52 ff. GmbHG sowie §§ 19, 255 ff. AktG. Eine Nachgründung liegt vor, wenn innerhalb von zwei Jahren nach der Gründung der Gesellschaft oder nach Kapitalerhöhung Vermögensgegenstände von Gesellschaftern oder Gründern durch die Gesellschaft gegen eine Vergütung von erheblichem Wert erworben werden. Rechtlich relevant ist dabei insbesondere die Notwendigkeit einer besonderen Beschlussfassung durch die Gesellschafter bzw. Hauptversammlung, die mindestens eine Dreiviertelmehrheit erfordert. Ferner ist ein Nachgründungsbericht zu erstellen, der den Erwerbsvorgang sowie dessen Bewertung nachvollziehbar dokumentiert. Zusätzlich ist die Einbeziehung eines unabhängigen Sachverständigen zur Bewertung des einzubringenden Vermögens obligatory, um Missbrauchsfälle und eine unzureichende Kapitalausstattung im Interesse der Gläubiger zu verhindern. Verstöße gegen diese Vorschriften können zur Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts oder zu Schadensersatzpflichten führen.

Welche Formerfordernisse müssen bei einer Nachgründung beachtet werden?

Nach gesetzlichen Vorgaben muss der Nachgründungsvertrag notariell beurkundet werden. Dies gilt sowohl für GmbHs als auch für Aktiengesellschaften. Darüber hinaus ist ein detaillierter Nachgründungsbericht zu erstellen, der alle relevanten Angaben, insbesondere zum Kaufgegenstand, zur Wertermittlung sowie zum rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund des Erwerbs, enthalten muss. Die Bewertung des Vermögensgegenstandes muss durch einen gerichtlich bestellten oder von der Gesellschaft unabhängigen Sachverständigen erfolgen. Bei der AG wird der Vorgang außerdem vom Aufsichtsrat überprüft. Die Nachgründungsunterlagen, hierzu zählen insbesondere Vertrag, Bericht und Sachverständigengutachten, müssen zur Eintragung im Handelsregister eingereicht werden. Erst nach Prüfung durch das Registergericht wird die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs bestätigt.

Welche Fristen sind bei der Nachgründung zu beachten?

Entscheidend ist die Zwei-Jahres-Frist ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft beziehungsweise nach erfolgter Kapitalerhöhung. Innerhalb dieser Frist gilt der rechtliche Nachgründungsbegriff mit seinen besonderen Vorschriften und Formerfordernissen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes finden die Normen über die Nachgründung keine Anwendung mehr und der Erwerb von Vermögensgegenständen unterliegt lediglich allgemeinen Vorschriften, insbesondere denen über Geschäfte mit nahestehenden Personen oder Gesellschaftern sowie etwaigen Zustimmungserfordernissen laut Gesellschaftsvertrag. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob ein Erwerbsvorgang innerhalb dieser Frist durchgeführt wird, um etwaigen Formmängeln bzw. Nichtigkeitsrisiken vorzubeugen.

Welche Rechtsfolgen treten bei Verstößen gegen Nachgründungsvorschriften ein?

Werden die gesetzlichen Vorschriften zur Nachgründung nicht beachtet, so ist der zwischen Gesellschaft und (Alt-)Gesellschafter bzw. Gründer abgeschlossene Erwerbsvertrag grundsätzlich nichtig. Das Registergericht kann die Eintragung mangels Erfüllen der Formvorschriften verweigern. Darüber hinaus können daraus Schadensersatzansprüche gegen die handelnden Personen – insbesondere gegen Geschäftsführer beziehungsweise Vorstände und Aufsichtsräte – resultieren, falls durch die Missachtung der Regelungen ein Schaden für die Gesellschaft oder deren Gläubiger entsteht. In gravierenden Fällen können auch strafrechtliche Tatbestände, z. B. wegen Untreue, erfüllt sein.

Wie erfolgt die Bewertung des einzubringenden Vermögens bei einer Nachgründung?

Eine sorgfältige Prüfung und Bewertung des einzubringenden Vermögens ist zentraler Bestandteil des Nachgründungsverfahrens. Die Bewertung erfolgt durch einen unabhängigen, gerichtlich bestellten oder bestellten Sachverständigen. Dieser erstellt ein Gutachten über den Wert des einzubringenden Gegenstandes, das dem Nachgründungsbericht beizufügen ist. Ziel ist es, die Angemessenheit der Gegenleistung und damit die Gleichbehandlung aller Gesellschafter sowie den Gläubigerschutz sicherzustellen. Unzureichende oder fehlerhafte Bewertung kann die gesamte Nachgründung angreifbar machen und zu erheblichen haftungsrechtlichen Konsequenzen führen.

Welche Rolle spielen Gesellschafterbeschlüsse bei der Nachgründung?

Der Erwerbsvorgang im Rahmen der Nachgründung bedarf zwingend eines Gesellschafterbeschlusses bei der GmbH beziehungsweise eines Hauptversammlungsbeschlusses bei der AG. Die gesetzlich erforderliche Mehrheit beträgt bei der GmbH gemäß § 52 GmbHG mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen trifft. Bei der AG gelten die Vorschriften der §§ 19, 255 ff. AktG, die ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit sowie die Mitwirkung des Aufsichtsrates vorsehen. Ohne entsprechenden Beschluss ist das Nachgründungsgeschäft nichtig. Diese Vorgaben dienen vor allem dem Schutz der Minderheitsgesellschafter und einer transparenten Entscheidungsfindung.

Welche Unterschiede bestehen zwischen der Nachgründung einer GmbH und einer AG?

Die grundlegenden rechtlichen Anforderungen an die Nachgründung von GmbH und AG sind vergleichbar, im Detail bestehen jedoch Unterschiede. Während bei der GmbH die §§ 19 Abs. 4, 52 GmbHG Anwendung finden und die Nachgründung vor allem auf Geschäfte mit Gründern oder Gesellschaftern innerhalb von zwei Jahren nach der Gründung abzielt, sind die Regelungen im Aktiengesetz strenger ausgestaltet und verlangen neben einem Hauptversammlungsbeschluss auch die Überprüfung durch den Aufsichtsrat und einen gerichtlich bestellten Prüfer. Die AG muss zudem detailliertere Nachgründungsunterlagen beim Handelsregister einreichen und eine noch stärkere Transparenz gegenüber ihren Aktionären und Gläubigern gewährleisten. Die Missachtung der Vorschriften hat für die AG insbesondere wegen Publizitätspflichten weitreichendere Konsequenzen.