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Nacherbschaft

Nacherbschaft: Begriff, Funktion und Abgrenzung

Die Nacherbschaft ist eine durch letztwillige Verfügung angeordnete, stufenweise Erbfolge. Eine Person (Vorerbe) wird zunächst Erbe und erhält den Nachlass unter bestimmten Beschränkungen. Zu einem späteren, vom Erblasser festgelegten Zeitpunkt oder Ereignis geht das noch vorhandene Nachlassvermögen automatisch auf eine andere Person (Nacherbe) über. Die Nacherbschaft dient der gesteuerten Vermögensnachfolge über mehrere Zeitpunkte, etwa um Vermögen für nachfolgende Generationen zu sichern.

Abgrenzungen

Nacherbe vs. Ersatzerbe

Der Ersatzerbe rückt nur ein, wenn der vorgesehene Erbe wegfällt (z. B. durch Vorversterben oder Ausschlagung). Der Nacherbe hingegen erhält das Vermögen regulär zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Vorerben; er ist nicht bloß Ersatz, sondern planmäßiger Folgeerbe.

Nacherbe vs. Schlusserbe

Der Schlusserbe ist der Erbe des Letztversterbenden in einer gemeinschaftlichen Verfügung. In vielen Gestaltungen (etwa Ehegattentestamenten) werden die Kinder nach dem Tod des überlebenden Ehegatten als Schlusserben eingesetzt. Je nach Wortlaut kann eine Schlusserbeneinsetzung auch als Nacherbschaft ausgestaltet sein; maßgeblich ist die konkrete Anordnung.

Nacherbschaft vs. Vermächtnis

Der Nacherbe wird Erbe und tritt in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Ein Vermächtnis gewährt hingegen lediglich einen Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand oder Wert, ohne Erbenstellung zu begründen.

Beteiligte und Rechtsstellung

Vorerbe: Stellung, Rechte und Pflichten

Der Vorerbe wird zunächst Allein- oder Miterbe und ist Inhaber des Nachlasses. Er verwaltet das Vermögen und darf es im Rahmen der angeordneten Beschränkungen nutzen. Sein zentrales Merkmal ist die Bindung an die spätere Übertragung auf den Nacherben. Er hat den Nachlass ordnungsgemäß zu erhalten, Nutzungen zu ziehen und am Ende der Vorerbschaft das noch vorhandene Nachlassvermögen herauszugeben. Der Vorerbe haftet grundsätzlich für Nachlassverbindlichkeiten, kann diese aber regelmäßig auf den Nachlass beschränken.

Nacherbe: Anwartschaft, Rechte und Pflichten

Der Nacherbe hat bis zum Eintritt des Nacherbfalls eine gesicherte Anwartschaft auf den Nachlass. Er ist noch nicht Erbe, hat aber Schutzrechte: Auskunft, Sicherung des Nachlasses und Eintragung von Sicherungsvermerken, soweit die Voraussetzungen vorliegen. Mit Eintritt des Nacherbfalls wird er Erbe des noch vorhandenen Nachlasses und kann Herausgabe verlangen. Seine Anwartschaft ist grundsätzlich vererblich, pfändbar und übertragbar, sofern der Erblasser nichts Abweichendes angeordnet hat.

Dritte und Gläubiger

Rechtsgeschäfte des Vorerben wirken grundsätzlich, ihre Reichweite hängt aber vom Umfang seiner Befugnisse ab. Zum Schutz des Nacherben bestehen Publizitätsmechanismen (etwa Registervermerke), die auch die Position gutgläubiger Dritter betreffen können. Gläubiger des Vorerben greifen in der Regel auf dessen eigenes Vermögen zu; die Zugriffsmöglichkeiten auf den belasteten Nachlass richten sich nach den Beschränkungen der Vorerbschaft.

Anordnung und Eintritt der Nacherbfolge

Anordnung durch letztwillige Verfügung

Die Nacherbschaft wird durch Testament oder Erbvertrag festgelegt. Der Erblasser bestimmt, wer Vorerbe und wer Nacherbe wird, in welchen Quoten der Nachlass übergeht und ob die Vorerbschaft befreit oder nicht befreit ist.

Bestimmung des Nacherbfalls

Der Nacherbfall tritt zu einem in der Verfügung festgelegten Zeitpunkt oder Ereignis ein. Häufig ist dies der Tod des Vorerben. Möglich sind auch andere Ereignisse (z. B. Erreichen eines Alters, Eheschließung, Zeitablauf), sofern sie rechtlich zulässig und hinreichend bestimmt sind.

Quoten, Gegenstände und Reichweite

Die Nacherbschaft kann den gesamten Nachlass oder einzelne Gegenstände erfassen. Ebenso sind quotal angeordnete Nacherbschaften möglich. Der Umfang ist nach dem Willen des Erblassers auszulegen. Der Nacherbe erhält im Nacherbfall nur das noch vorhandene, vom Nachlass abgrenzbare Vermögen.

Wegfall, Ersatz- und Mehrstufigkeit

Fällt der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls weg, greifen ersatzweise benannte Personen ein. Fehlt eine Bestimmung, wachsen Anteile den übrigen Nacherben zu; andernfalls verbleibt der betroffene Anteil je nach Auslegung beim Vorerben oder richtet sich nach der gesetzlichen Ordnung. Mehrfache Nacherbschaften (Kettenanordnungen) sind grundsätzlich möglich, sofern sie den gesetzlichen Grenzen entsprechen.

Verfügungsbefugnis des Vorerben

Nicht befreite Vorerbschaft

Bei der nicht befreiten Vorerbschaft unterliegt der Vorerbe spürbaren Verfügungsbeschränkungen. Verfügungen über bestimmte Vermögenswerte, insbesondere Grundstücke und unentgeltliche Zuwendungen, sind erschwert oder unwirksam gegenüber dem Nacherben, sofern die gesetzlichen Schutzmechanismen greifen. Der Nacherbenvermerk in Registern stärkt diesen Schutz.

Befreite Vorerbschaft

Der befreite Vorerbe hat erweiterte Befugnisse. Er kann über Nachlassgegenstände in weitem Umfang verfügen, einschließlich des Verbrauchs von Geldvermögen. Unentgeltliche Verfügungen bleiben regelmäßig begrenzt. Trotz Befreiung ist die spätere Stellung des Nacherben zu berücksichtigen; Maßstab ist eine ordnungsgemäße Verwaltung nach den getroffenen Anordnungen.

Schenkungen, Verbrauch und ordnungsgemäße Verwaltung

Schenkungen aus dem Nachlass sind im Rahmen der Vorerbschaft nur in Grenzen möglich. Der Verbrauch von Vermögen ist bei befreiter Vorerbschaft eher zulässig, bleibt aber am Zweck der Anordnung orientiert. Eine ordnungsgemäße Verwaltung verlangt wirtschaftliche Sorgfalt und Rücksicht auf die Anwartschaft des Nacherben.

Schutzmechanismen des Nacherben

Inventar, Auskunft, Sicherheiten

Zum Schutz des Nacherben bestehen Ansprüche auf Erstellung eines Bestandsverzeichnisses, auf Auskunft und gegebenenfalls auf Sicherheitsleistung. Diese Instrumente fördern Transparenz und Werterhaltung des Nachlasses während der Vorerbschaft.

Nacherbenvermerk im Grundbuch

Bei Grundstücken kann ein Nacherbenvermerk eingetragen werden. Er macht die Belastung gegenüber Dritten sichtbar und verhindert gutgläubige Erwerbe, die den Nacherben benachteiligen könnten.

Herausgabe- und Wertersatz beim Nacherbfall

Mit Eintritt des Nacherbfalls kann der Nacherbe das noch vorhandene Nachlassvermögen herausverlangen. Soweit Gegenstände nicht mehr vorhanden sind, kommen Wertersatzansprüche in Betracht, deren Umfang sich nach der Ausgestaltung der Vorerbschaft und den getroffenen Verfügungen richtet.

Nachlass, Verwaltung und Haftung

Haftung für Nachlassverbindlichkeiten

Der Vorerbe verwaltet den Nachlass und bedient Nachlassverbindlichkeiten. Die Haftung lässt sich auf den Nachlass begrenzen, wenn die dafür vorgesehenen Voraussetzungen geschaffen sind. Der Nacherbe haftet grundsätzlich für Verbindlichkeiten, die den Nachlass betreffen und beim Nacherbfall noch fortbestehen, bezogen auf das übergehende Vermögen.

Testamentsvollstreckung und Nacherbschaft

Die Nacherbschaft kann mit einer Testamentsvollstreckung kombiniert sein. Der Testamentsvollstrecker überwacht oder führt die Verwaltung nach den Vorgaben der Verfügung. Die Befugnisse des Testamentsvollstreckers treten neben die Rechte und Pflichten des Vorerben beziehungsweise des Nacherben.

Gemeinschaft der Nacherben

Tritt der Nacherbfall ein und sind mehrere Nacherben eingesetzt, entsteht eine Erbengemeinschaft. Diese verwaltet das übergegangene Vermögen gemeinschaftlich und setzt es nach den allgemeinen Regeln auseinander.

Steuerliche Aspekte

Die Nacherbschaft führt regelmäßig zu zwei getrennten Erwerbsvorgängen: zum ersten Erwerb durch den Vorerben beim Erbfall des Erblassers und zum zweiten Erwerb durch den Nacherben beim Nacherbfall. Der steuerliche Stichtag für den Nacherben ist der Eintritt des Nacherbfalls. Die Bewertung, Freibeträge und Steuerklassen richten sich nach dem Verhältnis zum Erblasser; der Erwerb des Nacherben wird grundsätzlich als Erwerb vom ursprünglichen Erblasser behandelt.

Internationale und praktische Bezüge

Auslandsvermögen und Anerkennung

Bei Vermögen in mehreren Staaten können unterschiedliche Kollisionsnormen und Registeranforderungen relevant sein. Die Wirksamkeit und Durchsetzung einer Nacherbschaft hängt dann auch von der Anerkennung im jeweiligen Staat ab.

Nachweise der Rechtsstellung

Für den Rechtsverkehr werden Nachweise benötigt, die die Stellung als Vorerbe oder Nacherbe belegen. Entsprechende Nachweise können die Beschränkungen und die Person des Nacherben ausweisen und erleichtern die Abwicklung.

Grundbuch und Register

Bei grundbuch- oder registerpflichtigen Vermögenswerten ist die Eintragung der Vorerbschaft und eines Nacherbenvermerks wesentlich. Sie schafft Publizität und dient als zentrales Schutzinstrument im Rechtsverkehr.

Beendigung und Modifikationen

Aufhebung, Umgestaltung, Abgeltung

Der Erblasser kann die Nacherbschaft gestaltend anordnen und begrenzen. Nach dem Erbfall ist eine Umgestaltung nur in engen Grenzen möglich, etwa durch ausdrückliche Anordnungen des Erblassers oder einvernehmliche Lösungen, die die Rechtspositionen der Beteiligten wahren.

Ausschlagung durch Vor- oder Nacherben

Sowohl Vorerbe als auch Nacherbe können die ihnen angefallenen Rechte ausschlagen. Die Ausschlagung des Vorerben führt je nach Anordnung zum Anfall an Ersatzerben oder unmittelbar an den Nacherben; die Ausschlagung des Nacherben eröffnet die im Testament vorgesehenen Ersatzregelungen oder die gesetzliche Ordnung.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet die Nacherbschaft von der Schlusserbschaft?

Die Nacherbschaft ist eine gestufte Erbfolge, bei der zunächst der Vorerbe und später der Nacherbe Erbe des ursprünglichen Nachlasses werden; die Schlusserbschaft bezieht sich auf den Erbfall nach dem Tod des Letztversterbenden in einer gemeinschaftlichen Verfügung und ist nicht zwingend als Nacherbschaft ausgestaltet, auch wenn sie in der Praxis häufig ähnlich wirkt.

Kann der Vorerbe frei über Nachlassgegenstände verfügen?

Das hängt von der Ausgestaltung ab: Bei der nicht befreiten Vorerbschaft bestehen engere Beschränkungen, insbesondere bei Grundstücken und unentgeltlichen Verfügungen; bei der befreiten Vorerbschaft sind Verfügungen weitergehend möglich, gleichwohl unter Beachtung der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Schutzrechte des Nacherben.

Wann tritt der Nacherbfall ein und was geschieht dann?

Der Nacherbfall tritt zu dem in der Verfügung bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis ein, regelmäßig beim Tod des Vorerben; mit diesem Zeitpunkt wird der Nacherbe Erbe des noch vorhandenen Nachlasses und kann Herausgabe verlangen.

Welche Rechte hat der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls?

Der Nacherbe verfügt über eine gesicherte Anwartschaft und Schutzrechte, unter anderem auf Auskunft, Erstellung eines Bestandsverzeichnisses, Sicherung des Nachlasses und Eintragung von Vermerken in Registern, soweit die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.

Ist die Anwartschaft des Nacherben übertragbar oder pfändbar?

Die Anwartschaft ist grundsätzlich vererblich, übertragbar und pfändbar, sofern der Erblasser keine abweichenden Anordnungen getroffen hat; Umfang und Durchsetzbarkeit richten sich nach der konkreten Gestaltung der Nacherbschaft.

Wie wirkt sich die Nacherbschaft auf die Erbschaftsteuer aus?

Es liegen zwei getrennte Erwerbsvorgänge vor: der Erwerb des Vorerben beim Erbfall des Erblassers und der Erwerb des Nacherben beim Nacherbfall; der Erwerb des Nacherben wird dabei grundsätzlich wie ein Erwerb vom ursprünglichen Erblasser behandelt.

Was passiert, wenn der Nacherbe vor dem Nacherbfall wegfällt?

In diesem Fall greifen die in der Verfügung vorgesehenen Ersatzregelungen; fehlen solche Anordnungen, wachsen Anteile den übrigen Nacherben zu oder es gilt die gesetzliche Ordnung, die je nach Konstellation zu einer anderen Verteilung führen kann.