Legal Lexikon

Nacheile


Begriff und Definition der Nacheile

Der Begriff Nacheile ist ein zentraler Terminus im deutschen Polizei- und Strafverfahrensrecht. Er bezeichnet das unverzügliche Verfolgen einer Person durch Amtsträger oder berechtigte Dritte unmittelbar nach Entdeckung einer Straftat oder des Eintretens eines polizeilichen Notstands. Die Nacheile berechtigt insbesondere zu Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Rahmen polizeilicher oder sicherheitsbehördlicher Befugnisse hinausgehen und dient in erster Linie der effektiven Verfolgung und Festnahme von Straftätern, oftmals auch unter vorübergehender Durchbrechung territorialer, sachlicher oder organisatorischer Zuständigkeitsgrenzen.

Rechtsgrundlagen der Nacheile

Nacheile im Polizei- und Ordnungsrecht

Die Befugnis zur Nacheile ist in zahlreichen polizeirechtlichen Vorschriften auf Bundes- und Landesebene normiert. Eine der bekanntesten Regelungen findet sich in § 163b Strafprozessordnung (StPO) sowie in den Polizeigesetzen der Länder. Die Nacheile wird häufig mit der sogenannten Eilkompetenz gleichgesetzt, die polizeiliches Handeln rechtfertigt, wenn eine unmittelbare Gefahr im Verzug ist.

Polizeigesetze der Länder

Die einzelnen Bundesländer normieren die Nacheile in ihren Polizeigesetzen. So bestimmt etwa das Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) in § 46 Abs. 2 PolG NRW explizit die Möglichkeit zum Grenzübertritt im Rahmen der Nacheile. Vergleichbares findet sich beispielsweise auch in den Polizeigesetzen von Bayern, Baden-Württemberg und anderen Ländern.

Bundesrechtliche Regelungen

Im Bundesrecht konkretisieren insbesondere die §§ 127 ff. StPO die Voraussetzungen des Festhaltens eines Tatverdächtigen „auf frischer Tat“ und ermöglichen Eingriffe in Grundrechte bei unmittelbarer Tatverfolgung. Zusätzlich können auch Spezialgesetze wie das Bundespolizeigesetz (§ 41 BPolG) oder das Zollfahndungsdienstgesetz einschlägige Sonderregelungen zur Nacheile enthalten.

Nacheile im Völkerrecht und im internationalen Kontext

Eine besondere Bedeutung besitzt die Nacheile im grenzüberschreitenden Kontext. Das Übertreten von Staatsgrenzen im Zuge der Nacheile ist insbesondere durch internationale Abkommen gerechtfertigt, so beispielsweise gemäß Artikel 41 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ). In bestimmten Fällen dürfen Polizeikräfte bei einer unmittelbar erfolgenden Verfolgung auch das Hoheitsgebiet eines Nachbarstaates betreten, um weitere Maßnahmen im Rahmen der Nacheile zu ergreifen.

Voraussetzungen der Nacheile

Zeitliche und sachliche Anforderungen

Ein zentrales Kriterium der Nacheile ist das „Unmittelbare“: Die Verfolgung muss „auf frischer Tat“ oder kurz danach begonnen werden. Eine längere Verzögerung zwischen dem Tatereignis und der Aufnahme der Verfolgung steht der Annahme der Nacheile entgegen. Der Tatverdacht muss durch konkrete Anhaltspunkte begründet sein.

„Frische Tat“ als Maßstab

Die praktische Definition der „frischen Tat“ ist von erheblicher Bedeutung. Sie liegt vor, wenn die Tat gerade erst begangen wurde und ihre Spuren – sowohl im tatsächlichen als auch im rechtlichen Sinne – noch deutlich erkennbar sind.

Persönlicher Kreis der zur Nacheile Berechtigten

In erster Linie sind Amtsträger der Polizei zur Nacheile befugt. In bestimmten Konstellationen ist jedoch auch die vorübergehende Wahrnehmung von Eilbefugnissen durch vollziehende Zollbedienstete, Bundespolizisten oder sogar Private (unter engen Voraussetzungen, etwa gemäß § 127 Abs. 1 StPO – Jedermann-Festnahme) zulässig.

Territorialer und sachlicher Anwendungsbereich

Die Nacheile kann, insbesondere in polizeilichen Eilfällen, auch das Überschreiten von Grenzen der Zuständigkeit – etwa die eines anderen Bundeslandes oder Staates – rechtfertigen, sofern eine fortlaufende, unmittelbare Verfolgung eines Tatverdächtigen erfolgt.

Rechtsfolgen und zulässige Maßnahmen im Rahmen der Nacheile

Erlaubte Eingriffsmaßnahmen

Im Rahmen der Nacheile dürfen Amtsträger und in bestimmten Fällen auch befugte Private Maßnahmen ergreifen, die sonst einer richterlichen Anordnung oder besonderen gesetzlichen Voraussetzungen bedürften. Hierzu zählen insbesondere die Freiheitsentziehung (Festnahme), Durchsuchungen sowie Betreten von Wohnungen, Grundstücken oder Fahrzeugen. Diese Maßnahmen sind jedoch stets auf das erforderliche Maß zu beschränken.

Grenzen und Schranken der Nacheile

Trotz der erweiterten Eingriffsbefugnisse müssen alle Maßnahmen verhältnismäßig, geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechte wie die Freiheit der Person (Art. 2 GG) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) müssen einem strengen Prüfungsmaßstab genügen.

Fortdauer und Beendigung der Nacheile

Sobald die Voraussetzungen der Nacheile nicht mehr vorliegen, insbesondere wenn die Verfolgung unterbrochen oder der Aufenthalt des Tatverdächtigen bekannt wird, erlischt die Eilkompetenz. Ab diesem Zeitpunkt müssen die normalen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen wieder beachtet werden.

Nacheile und grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Europäischer Rechtsrahmen

Das SDÜ regelt die Nacheile zwischen den Vertragsstaaten des Schengener Raums und enthält genaue Bestimmungen über Zulässigkeit, rechtliche Bedingungen sowie die Modalitäten der Zusammenarbeit der Polizeibehörden. Die Nacheile ist hier an besonders restriktive Voraussetzungen geknüpft, etwa die sofortige Information der Behörden des anderen Staates und die Pflicht zur Beendigung der Nacheile auf Verlangen der lokalen Behörden.

Praktische Auswirkungen

Im europäisch-internationalen Kontext ist die Nacheile ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität und verfolgt das Ziel, sofortige und effektive Maßnahmen ohne das Risiko eines Entkommens infolge von Zuständigkeitsbeschränkungen zu ermöglichen.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Die Nacheile ist abzugrenzen von der Verfolgung zur Nachtzeit (§ 104 StPO), dem Gefahr im Verzug-Prinzip sowie der Jedermann-Festnahme (§ 127 StPO), die alle eigene rechtliche Spezifika aufweisen. Während „Gefahr im Verzug“ allgemein eine sofortige Maßnahme auch ohne richterliche Anordnung rechtfertigen kann, bezieht sich die Nacheile stets auf die unverzügliche unmittelbare Verfolgung nach einer Straftat.

Bedeutung der Nacheile im Polizeialltag und im Strafverfahren

Im polizeilichen Alltag ist die Nacheile ein unverzichtbares Instrument, um die Wirksamkeit der Strafverfolgung sicherzustellen und das Entkommen von Straftätern zu verhindern. Die rechtliche Ausgestaltung stellt einen Ausgleich zwischen dem Interesse an effektiver Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sowie dem Schutz der individuellen Grundrechte sicher.


Hinweis: Die obige Darstellung dient zur umfassenden rechtlichen Einordnung des Begriffs „Nacheile“ und stellt keine Rechtsberatung dar.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im Rahmen des Nacheile befugt, polizeiliche Maßnahmen durchzuführen?

Im rechtlichen Kontext ist die Befugnis zur Durchführung polizeilicher Maßnahmen im Rahmen des Nacheile grundsätzlich an bestimmte Personengruppen gebunden. In Deutschland sind dies in erster Linie Polizeivollzugsbeamte der Länder und des Bundes gemäß den jeweiligen Polizeigesetzen sowie dem Bundespolizeigesetz (§ 163b StPO, § 7 BPolG, § 127 StPO). Im Falle grenzüberschreitender Nacheile nach den Regeln des Schengen-Besitzstands dürfen unter bestimmten engen Voraussetzungen auch ausländische Sicherheitskräfte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland handeln, sofern vorherige bilaterale Absprachen, etwa nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), bestehen. Bürger oder Privatpersonen sind im Rahmen der „Jedermannsrechte“ nur begrenzt zur vorläufigen Festnahme berechtigt (§ 127 Absatz 1 StPO), weitere Zwangsbefugnisse stehen ihnen nicht zu. Somit ist die Wahrnehmung klassischer polizeilicher Eingriffs- und Zwangsbefugnisse während des Nacheile an die Erfüllung der beamtenrechtlichen sowie völkerrechtlichen Voraussetzungen geknüpft.

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Beginn der Nacheile vorliegen?

Die Nacheile setzt einen sogenannten „frischen Tatverdacht“ voraus, typischerweise im Zusammenhang mit einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, bei der sich der Täter der polizeilichen Kontrolle oder Festnahme durch Flucht zu entziehen versucht. Die Maßnahme muss unverzüglich, das heißt ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung, eingeleitet werden. Die Rechtsgrundlagen hierfür sind insbesondere § 127 StPO (Strafprozessordnung), das Polizeigesetz des jeweiligen Bundeslandes sowie spezielle Regelungen im internationalen Kontext etwa nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (Art. 41 SDÜ). Die Verfolgung darf sich nur auf Maßnahmen beschränken, die im Zusammenhang mit der Tataufklärung und vorläufigen Festnahme stehen; weitergehende Ermittlungs- und Durchsuchungsmaßnahmen sind im Rahmen der Nacheile grundsätzlich nicht zulässig, ausgenommen Gefahr im Verzug.

Wie weit reicht die territoriale Erlaubnis für Maßnahmen im Rahmen der Nacheile?

Die territoriale Befugnis zur Nacheile erstreckt sich im nationalen Kontext gewöhnlich auf das gesamte Bundesgebiet. Besonders relevant wird die Frage der territorialen Reichweite bei grenzüberschreitender Nacheile, wie sie im Schengener Raum geregelt ist. Gemäß Art. 41 SDÜ dürfen Polizeikräfte eines anderen Schengen-Staates unter engen Voraussetzungen zur Nacheile auch das Hoheitsgebiet eines Nachbarstaates betreten, müssen die zuständigen Behörden umgehend informieren und dürfen Maßnahmen nur solange ausüben, bis diese von den Behörden des Verfolgerstaates übernommen wird bzw. längstens bis vier Stunden nach Grenzübertritt und ausschließlich im Rahmen der inländischen Befugnisse. Außerhalb dieser Rahmenbedingungen sind weitere Maßnahmen rechtlich nicht gedeckt und können zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche polizeilichen Maßnahmen dürfen im Rahmen der Nacheile angewandt werden?

Im Rahmen der Nacheile beschränken sich die zulässigen polizeilichen Maßnahmen im Wesentlichen auf das Festhalten sowie die vorläufige Festnahme der flüchtigen Person. Die Durchsetzung dieser Maßnahmen kann gegebenenfalls mit unmittelbarem Zwang erfolgen, sofern dies zur Abwendung einer konkreten Gefahr erforderlich ist (§ 82 BPolG, § 10 ff. StPO, Polizeigesetze der Länder). Weitere Maßnahmen wie beispielsweise Durchsuchungen, die längerfristige Beschlagnahme von Gegenständen oder gar verdeckte Ermittlungsmaßnahmen sind während der eigentlichen Nacheile regelmäßig nicht erlaubt und bedürfen gesonderter richterlicher oder staatsanwaltschaftlicher Anordnung, es sei denn, es liegt Gefahr im Verzug vor.

Welche Pflichten und Grenzen ergeben sich für Polizeikräfte bei der Durchführung der Nacheile?

Polizeikräfte sind im Rahmen der Nacheile verpflichtet, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Alle Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das Ziel der vorläufigen Festnahme zu erreichen. Überschreitet die Maßnahme das zulässige Maß – etwa durch unrechtmäßige Gewaltanwendung oder das Betreten nicht erlaubter Bereiche -, kann dies disziplinarrechtliche, zivilrechtliche oder sogar strafrechtliche Folgen für die handelnden Beamten nach sich ziehen. Besonders bei grenzüberschreitender Nacheile sind zudem Melde- und Informationspflichten gegenüber den Behörden des Gastgeberstaates, Dokumentationspflichten und jederzeit das Gebot der Zurückhaltung zu beachten. Bei der Festnahme ist zudem zu gewährleisten, dass die Rechte des Betroffenen (insbesondere das rechtliche Gehör und die unverzügliche richterliche Vorführung) gewahrt werden.

Wann und wie ist die Nacheile zu beenden?

Die Nacheile ist zu beenden, sobald der Zweck der Maßnahme – in der Regel die Festnahme des Verdächtigen – erreicht ist oder wenn offensichtlich wird, dass keine Erfolgsaussicht mehr besteht (beispielsweise weil der Aufenthaltsort des Flüchtigen nicht mehr festgestellt werden kann). Bei grenzüberschreitender Nacheile endet die Maßnahme spätestens dann, wenn die Polizei des Verfolgerstaates eingreift oder nach Ablauf der in völkerrechtlichen Vereinbarungen vorgesehenen Maximaldauer. Wird erkennbar, dass eine Festnahme mit den gesetzlich zugelassenen Mitteln nicht vorgenommen werden kann oder der Flüchtige sich in einem Bereich befindet, in dem die rechtlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten nicht mehr vorliegen, ist die Nacheile sofort einzustellen.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten bei grenzüberschreitender Nacheile im Schengen-Raum?

Grenzüberschreitende Nacheile im Schengen-Raum unterliegt strikten völkerrechtlichen und nationalen Vorgaben, insbesondere Art. 40, 41 SDÜ sowie weiterführenden bilateralen Abkommen. Polizeikräfte dürfen lediglich im Rahmen der vorab vereinbarten Befugnisse agieren. Die Nacheile muss in unmittelbarem Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung stehen und darf nur zur Festnahme, nicht zur Durchführung weitergehender Ermittlungsmaßnahmen führen. Es besteht Meldepflicht gegenüber den Behörden des Gastgeberstaates und eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit diesen. Verstöße gegen diese Regelungen können nicht nur zur Unwirksamkeit der Handlung, sondern auch zu disziplinarischen und rechtlichen Konsequenzen für die betroffenen Beamten führen.