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Multiple


Begriffserklärung und allgemeiner Überblick zum Begriff „Multiple“

Der Begriff „Multiple“ stammt aus dem Lateinischen (multiplex = vielfach, mehrteilig) und bezeichnet im rechtlichen Kontext eine mehrfache oder vielfache Ausgestaltung eines Sachverhalts, Rechtsverhältnisses oder Begriffs. Die konkrete Ausprägung und Bedeutung des Begriffs „Multiple“ variiert dabei je nach Rechtsgebiet. Die Bezeichnung wird vor allem im Wirtschafts-, Gesellschafts-, Steuer-, und Medizinrecht verwendet, findet aber auch in anderen Rechtsbereichen Anwendung. Im Folgenden werden die wichtigsten rechtlichen Aspekte sowie Praxisbezüge aufgezeigt.


Multiple im Gesellschaftsrecht

Multiple als Finanzkennzahl

Im Gesellschaftsrecht bezeichnet „Multiple“ häufig eine Kennzahl (Multiplikator), die zur Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen herangezogen wird. Der Begriff „Multiples-Verfahren“ hat sich dabei insbesondere im Rahmen von Unternehmensbewertungen etabliert. Hierbei werden Ertrags-, Umsatz- oder Gewinnkennzahlen mit branchenüblichen Faktoren (Multiples) multipliziert, um einen Unternehmenswert zu erhalten.

Rechtliche Bedeutung des Multiples-Verfahrens

Das Multiples-Verfahren hat keine feste, gesetzliche Rechtsgrundlage, sondern wurde als bewährtes Instrument der Unternehmensbewertung durch Rechtsprechung und Literatur entwickelt. Es kann insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Streitfragen, etwa im Zusammenhang mit Abfindungen von Gesellschaftern, Bewertung von Unternehmensanteilen im Zuge von Scheidungen, Erbschaften oder Umwandlungen relevant sein. Gerichte greifen auf diese Methoden zurück, wenn sich die Bewertung im konkreten Fall nach üblichen Marktpreisen richten soll.

Kritische rechtliche Aspekte

  • Transparenz und Nachprüfbarkeit: Die Anwendung des Multiples-Verfahrens setzt voraus, dass die verwendeten Multiplikatoren nachvollziehbar und auf vergleichbare Unternehmen bezogen sind. Die Auswahl der Kennzahlen und Multiplikatoren kann dabei zum Streitpunkt werden.
  • Verhältnis zu gesetzlichen Bewertungsverfahren: Gesetzlich geregelte Bewertungsverfahren (etwa das Ertragswertverfahren gemäß § 199 BewG für steuerliche Zwecke) gehen grundsätzlich dem Multiples-Verfahren vor, können aber durch dieses ergänzt werden.
  • Relevanz für Schiedsgutachten: In gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten ziehen Schiedsgutachter im Sinne des § 317 BGB Multiples zur Beurteilung einer angemessenen Bewertungshöhe heran.

Multiples im Steuerrecht

Im Steuerrecht werden Multiples vorrangig im Kontext der Bewertung nicht notierter Unternehmensanteile genutzt. Die Finanzverwaltung erkennt Multiples als Hilfsmittel zur Plausibilitätskontrolle von Unternehmenswerten an, zum Beispiel bei der Ermittlung von gemeinen Werten für Zwecke der Erbschafts- und Schenkungsteuer.

Rechtsprechung zur Anwendung von Multiples

Gerichte prüfen die Angemessenheit der Multiples-Anwendung, insbesondere im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes und des steuerlichen Bewertungsrechts. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass Multiples aus dem relevanten Marktumfeld stammen und der Bewertungsstichtag beachtet wird.


Multiples im Medizinrecht

Der Begriff „Multiple“ taucht im Medizinrecht bei Regelungen rund um die Diagnose und Einstufung bestimmter Krankheitsbilder auf. Besonders häufig ist die Rede von der „Multiplen Sklerose“. Rechtlich entfalten diese Diagnosen Bedeutung im Bereich des Sozialrechts (etwa bei der Anerkennung von Behinderungen, Rentenansprüchen oder im Rahmen von Berufsunfähigkeitsverfahren).

Soziale und versicherungsrechtliche Einstufungen

Entscheidungen über den Grad der Behinderung (GdB) oder die Zuerkennung von Leistungen nach dem SGB IX hängen unter anderem von der Diagnose Multiple Sklerose ab. Die Voraussetzungen und Beweisführungen für die Anerkennung werden in Verwaltungsvorschriften, höchstrichterlicher Rechtsprechung und medizinisch-rechtlichen Gutachten präzisiert.


Multiples im Wertpapierrecht und Finanzmarktrecht

Im Wertpapierrecht und angrenzenden Bereichen des Bankaufsichtsrechts bezeichnet „Multiple“ auch Preisrelationen und Bewertungsfaktoren, beispielsweise bei der Konstruktion oder Bewertung von Finanzprodukten („Multiples auf den Gewinn je Aktie“). Die Veröffentlichung und Offenlegungspflichten der Emittenten (etwa nach der EU-Prospektverordnung) beziehen sich teils auch auf ausgewählte „Multiples“, um Anlegern transparente Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen.


Multiples im Immaterialgüterrecht

Im gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere im Marken- und Patentrecht, kann der Begriff „Multiple“ im Zusammenhang mit Mehrfachschutz, Parallelanmeldungen („Multiple Registrations“) oder Kumulierung von Schutzrechten auftreten. Die rechtliche Zulässigkeit und Reichweite solcher Mehrfachbefugnisse ist abhängig vom jeweiligen Schutzbereich und internationalem Kontext.


Rechtliche Besonderheiten und Streitfragen

Interdisziplinäre Streitpunkte

Die Anwendung von Multiples, insbesondere im Bewertungsrecht, kann zu Auseinandersetzungen führen. Das betrifft die Ermittlung von Unternehmenswerten, aber auch die richterliche Anerkennung bestimmter medizinischer Diagnosen mit Rechtsfolge.

Verfahrensrechtliche Aspekte

Die Heranziehung von Multiples in gerichtlichen Verfahren verlangt regelmäßig eine ausführliche Dokumentation und Plausibilisierung durch die jeweils herangezogenen Gutachter. Dabei können auch Verfahrensvorschriften zum Sachverständigenbeweis und zur richterlichen Überzeugungsbildung berührt sein.


Internationale Bezüge

Insbesondere im internationalen Steuerrecht und Gesellschaftsrecht sind Multiples anerkannte Bewertungsinstrumente. Internationale Bilanzierungsstandards wie IFRS oder US-GAAP sehen die Anwendung von Multiples für „Fair Value“-Bewertungen ausdrücklich vor. In Abkommenskontexten kann dies zur Definition von Verrechnungspreisen und steuerlichen Wertansätzen entscheidend sein.


Zusammenfassung

Der Begriff „Multiple“ ist ein rechtlich facettenreicher Terminus, der in unterschiedlichen Rechtsgebieten verschiedene Bedeutungen besitzt. Im Vordergrund steht seine Funktion als Bewertungsmultiplikator im Gesellschafts- und Steuerrecht, aber auch als fachsprachliche Bezeichnung in Medizin- und Immaterialgüterrecht. Die rechtliche Einordnung hängt stets vom Kontext ab. Die in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Verwaltungspraxis herausgearbeiteten Anforderungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit sind zentrale Voraussetzungen für die Anwendung des Begriffs „Multiple“ in seiner jeweiligen Ausprägung.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet beim Erwerb und der Nutzung von Multiplen im rechtlichen Sinne?

Beim Erwerb und der Nutzung von Multiplen haftet grundsätzlich der Veräußerer, sofern dieser gegen die gesetzlichen Vorschriften des Urheberrechts, des Markenrechts oder des Kunstrechts verstößt. In Deutschland sind insbesondere das Urheberrechtsgesetz (UrhG), das Kunsturhebergesetz (KUG) sowie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) einschlägig. Hat der Verkäufer (beispielsweise ein Galerist oder Künstler) dem Erwerber wissentlich oder unwissentlich gefälschte oder unerlaubt vervielfältigte Multiple verkauft, so kann dieser auf Schadenersatz haften. Der Käufer sollte sich daher beim Kauf rechtlich absichern, indem er eine Herkunftserklärung (Provenienz) und eine Echtheitsbestätigung verlangt. Gleichzeitig muss der Erwerber sicherstellen, dass die weitere Verwendung, etwa die öffentliche Ausstellung oder der Verkauf der Multiple, die bestehenden Rechte des Künstlers und dritter Rechteinhaber beachtet. Andernfalls kann auch der Nutzer haftbar gemacht werden.

Welche gesetzlichen Schutzmechanismen bestehen beim Handel mit Multiplen?

Der Schutz von Multiplen im Geschäftsverkehr wird maßgeblich durch das Urheberrecht gewährleistet. Demnach steht das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung allein dem Urheber (also typischerweise dem Künstler) zu, sofern nicht explizit Nutzungsrechte übertragen wurden. Jeglicher Handel mit Multiplen bedarf einer rechtlichen Grundlage – oftmals in Form eines Lizenzvertrags zwischen Künstler und Produzent or Vermarkter. Zudem sind Vorschriften des Verbraucherschutzes (§§ 312 ff. BGB), der Produktkennzeichnung sowie Regelungen zum Kulturgüterschutz relevant. Im internationalen Kontext müssen zudem Bestimmungen wie das Washingtoner Abkommen zum Schutz von Kunstwerken sowie das Unidroit-Übereinkommen zum internationalen Kulturgütertransfer beachtet werden.

Inwieweit greifen urheberrechtliche Schranken bei der öffentlichen Präsentation von Multiplen?

Das Urheberrecht räumt dem Schöpfer des Kunstwerks weitreichende Kontrollrechte über die öffentliche Wiedergabe seines Werkes ein (§ 19a UrhG). Auch bei Eigentum an einer Multiple ist daher zu unterscheiden zwischen Sachherrschaft (Eigentum am konkreten Objekt) und den weiterhin beim Urheber verbleibenden Rechten. Für Museen, Galerien oder Privatsammler kann die Ausstellungsfreiheit nur im Rahmen der durch das UrhG normierten Schranken (z.B. § 44a ff. UrhG zur vorübergehenden Vervielfältigung) sowie im Rahmen etwaig eingeräumter Verwertungsrechte ausgeübt werden. Ohne solche Rechte kann die Veröffentlichung einer Multiple eine Urheberrechtsverletzung darstellen und zu Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen führen.

Welche Besonderheiten bestehen beim Weiterverkauf von Multiplen aus rechtlicher Sicht (Weiterveräußerungsrecht, Folgerecht)?

Laut § 26 UrhG haben Bildende Künstler in Deutschland Anspruch auf ein sogenanntes Folgerecht, sobald originale Werke der bildenden Kunst weiterverkauft werden und ein Kunstmarktakteur (wie Kunsthändler oder Auktionator) daran beteiligt ist. Auch Multiples können unter diese Regelung fallen, sofern sie als Werke der bildenden Kunst im Sinne des Urheberrechts gelten. Der Veräußerer muss dem Urheber in diesen Fällen einen prozentualen Anteil am Wiederverkaufserlös abführen. Diese Regelung dient dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Künstlers auch nach der ersten Veräußerung des Werkes und stellt sicher, dass dieser am Wertzuwachs partizipiert.

Welche Vorkehrungen müssen bei der Ein- und Ausfuhr von Multiplen getroffen werden?

Die internationale Verbringung von Multiples kann einem komplexen Geflecht aus zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften unterliegen. So verlangen viele Staaten eine Ausfuhrgenehmigung für Kulturgüter bestimmter Wert- oder Altersklassen (z.B. nach der deutschen Kulturgutverordnung sowie der EU-Verordnung Nr. 116/2009). Beim Import sollten entsprechende Herkunftsnachweise vorgelegt werden, um den rechtmäßigen Erwerb belegen zu können. Versäumnisse in diesem Bereich können nicht nur zu Beschlagnahmungen und Geldstrafen, sondern auch zu strafrechtlichen Ermittlungen wegen illegalen Kulturgüterverkehrs führen.

Welche rechtlichen Herausforderungen bestehen bei Verträgen über Editionen oder Multiples zwischen Künstlern und Verlegern?

Verträge über die Herstellung und den Vertrieb von Multiples regeln regelmäßig die Fragen der Rechteübertragung, Auflagenhöhe, Nummerierung, Vergütung, Vermarktung und etwaiger Rückrufrechte. Die Ausgestaltung dieser Verträge unterliegt § 31 UrhG und sollte insbesondere klarstellen, welche Nutzungsrechte auf den Verleger übergehen und welche beim Künstler verbleiben. Streitigkeiten entstehen häufig bei nachträglicher Überschreitung der vereinbarten Auflagen, unklaren Regelungen zu Nachdrucken oder der mangelnden Dokumentation über den Verbleib der Exemplare. Um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich eine anwaltlich geprüfte Vertragsgestaltung.

Wie wird die Echtheit und rechtliche Legitimität einer Multiple vor Gericht nachgewiesen?

Im Streitfall ist der Nachweis der Echtheit und Legalität einer Multiple vor Gericht von zentraler Bedeutung. Üblicherweise wird der Nachweis durch Gutachten anerkannter Kunstsachverständiger, Provenienzunterlagen und Echtheitszertifikate geführt. Auch die Dokumentation der lückenlosen Besitzkette (chain of custody) und die Vorlage von Rechnungen, Verträgen und sonstigen Belegen kann entscheidend sein. Fehlen solche Nachweise, kann das Gericht zu Ungunsten des Besitzers entscheiden; im schlimmsten Fall drohen Rückgabeansprüche des rechtmäßigen Eigentümers bzw. Schadenersatzforderungen des Urhebers oder Rechtsnachfolgers.