Legal Lexikon

Mobbing


Definition und rechtliche Einordnung von Mobbing

Mobbing bezeichnet fortgesetzte, systematische und wiederholte Schikanen, Benachteiligungen, Demütigungen oder Ausgrenzungen einer Person durch eine oder mehrere andere Personen. Im rechtlichen Kontext wird der Begriff insbesondere im Arbeitsrecht, aber auch im Schul- und Mietrecht sowie im Zusammenhang mit Diskriminierung oder zivilrechtlicher Haftung verwendet. Eine eindeutige, allgemeingültige gesetzliche Definition existiert im deutschen Recht bislang nicht. Dennoch wird Mobbing in zahlreichen Urteilen und in der Literatur als rechtswidriges Verhalten gefasst, das zu Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen führen kann.

Erscheinungsformen von Mobbing

Mobbing kann in verschiedenen Lebensbereichen und in unterschiedlichen Formen auftreten, darunter:

  • Arbeitsplatz (Bossing, Staffing): Hierzu zählen wiederholte abwertende Äußerungen, Ausschluss von Informationen, soziale Isolation oder die bewusste Zuweisung sinnloser Arbeiten.
  • Schulischem Bereich: Hierunter fallen etwa fortdauernde Hänseleien, soziale Ausgrenzung oder physische Angriffe unter Schülern.
  • Wohnumfeld: Schikanierende Verhaltensweisen von Nachbarn, wie beispielsweise Stalking, fortgesetzte Lärmbelästigung oder gezielte Störungen des Mietverhältnisses.

Mobbing im Arbeitsrecht

Begriff und Abgrenzung zu ähnlich gelagerten Konflikten

Im arbeitsrechtlichen Kontext ist Mobbing eine Form der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Mobbing geht über gelegentliche Meinungsverschiedenheiten oder einzelne Konflikte weit hinaus. Entscheidend ist das systematische, häufig über einen längeren Zeitraum andauernde, gezielte und sich wiederholende verletzende Verhalten gegenüber einer Person.

Pflichten des Arbeitgebers

Gemäß § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen (Fürsorgepflicht). Im Fall fortlaufender Schikanen durch Vorgesetzte oder Kollegen kommt eine Verletzung dieser Pflicht in Betracht. Unterlässt es der Arbeitgeber, angemessene Maßnahmen gegen Mobbing zu ergreifen, kann dies zu Haftungsansprüchen führen.

Reaktionsmöglichkeiten Betroffener

Innerbetriebliche Maßnahmen

Mobbing-Opfer sollten zunächst interne Beschwerdewege nutzen, etwa das Gespräch mit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung sowie die Hinzuziehung des Betriebsrates. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht zudem ein Beschwerderecht gemäß § 13 AGG vor.

Arbeitsgerichtliche Maßnahmen

Betroffene können sich an das Arbeitsgericht wenden und auf Unterlassung, Ersatz des entstandenen Schadens sowie Schmerzensgeld klagen. Die Hürde für eine erfolgreiche Geltendmachung ist jedoch hoch: Es muss substantiiert und nachvollziehbar zu den einzelnen Mobbinghandlungen und deren Wiederholungscharakter vorgetragen werden. Einzelne, isolierte Vorfälle genügen in der Regel nicht.

Kündigungsrecht des Arbeitnehmers

Besteht ein erheblicher Mobbing-Druck und ist eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar, kommt eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer gemäß § 626 BGB in Betracht. Zudem können Betroffene unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen.

Mobbing und Diskriminierung

Mobbing überschneidet sich nicht selten mit Diskriminierungstatbeständen, etwa wegen ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung. Nach dem AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Benachteiligung aus genannten Gründen zu unterbinden. Kommt es zu einem Verstoß, können Benachteiligte Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Entschädigung gemäß §§ 15, 21 AGG erheben.

Strafrechtliche Aspekte des Mobbings

Relevante Straftatbestände

Mobbing kann strafrechtliche Relevanz erlangen, insbesondere wenn es sich mit Straftatbeständen wie Beleidigung (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB), Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) oder Nachstellung/Stalking (§ 238 StGB) überschneidet. Auch Nötigung (§ 240 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB) kommen in Betracht.

Strafantrag und Strafverfolgung

Das Strafrecht sieht grundsätzlich keine gesonderte „Mobbing-Straftat“ vor. Betroffenen steht jedoch der Weg offen, die jeweiligen Einzelhandlungen zur Anzeige zu bringen. Die Strafverfolgungsbehörden prüfen dann, ob ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines oder mehrerer Straftatbestände vorliegt.

Zivilrechtliche Ansprüche bei Mobbing

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche

Auf zivilrechtlicher Ebene kann das Opfer von Mobbing gemäß §§ 823, 1004 BGB die Unterlassung und bei noch fortdauernden Verstößen die Beseitigung verlangen. Diese Ansprüche richten sich gegen den Störer, unabhängig davon, ob es sich um einen Kollegen, Vorgesetzten oder etwa einen Nachbarn handelt.

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Für materielle Schäden, die durch Mobbing entstehen, kann ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 BGB bestehen. Bei erheblichen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts kann darüber hinaus ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen. Die Höhe orientiert sich am Einzelfall und der Schwere des zugefügten Leids.

Mobbing in weiteren Rechtsbereichen

Schulrecht

Im schulischen Kontext verpflichtet die Schulpflicht die Schule, ihre Schüler vor Mobbing zu schützen. Unterlässt sie geeignete Maßnahmen, können Schadensersatzansprüche gegen den Schulträger entstehen. Landesrechtliche Schulgesetze sehen zudem häufig Meldepflichten und Interventionsgebote vor.

Mietrecht und Nachbarschaft

Mobbing unter Nachbarn kann einen Mietminderungsanspruch begründen und mitunter zur Kündigung des Mietverhältnisses führen. In gravierenden Fällen sind auch Unterlassungsklagen möglich.

Beweislast und Herausforderungen bei der Durchsetzung

Ein wesentliches Problem in rechtlichen Streitigkeiten um Mobbing ist die Darlegungs- und Beweislast. Betroffene müssen im Detail nachweisen, dass wiederholt rechtswidrige Angriffe vorlagen, diese systematisch waren und dadurch gesundheitliche oder wirtschaftliche Schäden entstanden sind. Dokumentation, Zeugen sowie – im Arbeitsverhältnis – der Rückhalt des Betriebsrates sind hierfür von erheblicher Bedeutung.

Prävention und Compliance

Im Rahmen von Prävention und Compliance sind Unternehmen gehalten, Strukturen und Maßnahmen zur Vermeidung von Mobbing bereitzustellen, etwa durch Verhaltenskodizes, Schulungen und Beschwerdestellen. Verstöße können zu arbeitsrechtlichen Sanktionen aller Beteiligten führen.

Zusammenfassung

Während der Begriff Mobbing im deutschen Recht nicht ausdrücklich definiert ist, wird er über diverse Einzelnormen, urteilbasierte Rechtsfortentwicklung und verschiedene Gesetzeswerke wie das AGG und das BGB rechtlich greifbar gemacht. Betroffene haben sowohl zivilrechtliche als auch arbeitsrechtliche und in Einzelfällen strafrechtliche Ansprüche, deren erfolgreiche Durchsetzung maßgeblich von einer klaren Beweisführung abhängt. Arbeitgeber, Schulen sowie Vermieter sind verpflichtet, geeignete Maßnahmen gegen Mobbing vorzunehmen, um Rechte und Gesundheit der Betroffenen zu schützen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Schritte können Betroffene von Mobbing am Arbeitsplatz einleiten?

Betroffene von Mobbing am Arbeitsplatz haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, gegen die Schikane vorzugehen. Zunächst sollten sie Vorfälle detailliert dokumentieren und ggf. Beweise, wie E-Mails oder Zeugenberichte, sichern. Ein erster Schritt kann das Gespräch mit dem Arbeitgeber oder dem Betriebsrat sein. Arbeitgeber sind nach § 241 Abs. 2 BGB sowie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor Diskriminierung und Mobbing zu schützen. Führt ein internes Gespräch zu keiner Besserung, können Betroffene eine offizielle Beschwerde nach § 13 AGG einreichen. Bleiben betriebsinterne Maßnahmen wirkungslos, besteht die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Klage vor dem Arbeitsgericht. Dort können z. B. die Unterlassung des Mobbings, Schmerzensgeld nach § 823 BGB, Schadensersatz oder gegebenenfalls sogar die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. durch ärztlich attestierte Unzumutbarkeit) beantragt werden. In besonders schweren Fällen, etwa bei Beleidigung, übler Nachrede oder Körperverletzung, kommen auch strafrechtliche Schritte (z. B. Strafanzeige nach §§ 185 ff. StGB) in Betracht.

Welche Beweismittel sind vor Gericht bei Mobbing-Fällen zulässig und sinnvoll?

Vor Gericht spielen Beweismittel eine zentrale Rolle, da die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Mobbing-Opfer liegt. Zulässige und sinnvolle Beweise sind insbesondere ein detailliertes Mobbing-Tagebuch, in dem Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen und genaue Beschreibung der Vorfälle festgehalten werden. Auch E-Mails, Briefe, schriftliche Anweisungen, Messenger-Verläufe oder andere schriftliche Korrespondenz können herangezogen werden. Zeugen, wie Kollegen oder Kunden, sind ebenfalls von großer Bedeutung. In bestimmten Fällen können auch medizinische Gutachten zu den psychischen oder physischen Folgen des Mobbings als Beweis dienen. Grundsätzlich gilt, dass jeder Vorfall so präzise wie möglich dokumentiert sein sollte, damit ein schlüssiger Kausalzusammenhang zwischen den Handlungen des Täters und den gesundheitlichen Konsequenzen nachweisbar wird.

Welche Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen im Falle von Mobbing?

Opfer von Mobbing können Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen, wenn ein konkreter Schaden oder eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte nachgewiesen werden kann. Rechtsgrundlage hierfür sind insbesondere § 823 BGB (unerlaubte Handlung) und § 253 BGB (immaterieller Schaden). Voraussetzung ist, dass der Täter vorsätzlich oder fahrlässig das Persönlichkeitsrecht des Opfers verletzt hat und dies nachgewiesen werden kann. Schmerzensgeld wird insbesondere dann zugesprochen, wenn erhebliche psychische oder körperliche Schäden durch das Mobbing entstanden sind, die ärztlich belegt werden müssen. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kann auch der Arbeitgeber haften, wenn er seinen Schutzpflichten nicht nachgekommen ist. Die Höhe von Schmerzensgeld und Schadensersatz bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Intensität, Dauer und Auswirkung des Mobbings.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber beim Verdacht oder Nachweis von Mobbing?

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, seine Mitarbeitenden vor Mobbing zu schützen. Kommt es zu Hinweisen oder Beschwerden über Mobbing, muss er unverzüglich angemessene Ermittlungen einleiten. Dies kann interne Untersuchungen, Schlichtungsgespräche, Versetzungen oder im äußersten Fall auch arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Täter umfassen, bis hin zur Abmahnung oder Kündigung. Nach § 15 AGG sowie aus seiner Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) muss der Arbeitgeber organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen treffen und ggf. auch externe Unterstützung (z. B. durch betriebsärztlichen Dienst, Mediation) hinzuziehen. Ignoriert er Mobbing-Fälle oder unterlässt geeignete Maßnahmen, kann dies seine eigene Haftung begründen.

Verjährt ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Mobbing und wenn ja, nach welcher Frist?

Ja, Ansprüche aus Mobbing unterliegen der Verjährung. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche verjähren grundsätzlich nach drei Jahren gemäß § 195 BGB, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat (§ 199 BGB). Bei Arbeitsrechtsstreitigkeiten ist zusätzlich zu beachten, dass tarif- oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen kürzer ausfallen können, teilweise nur wenige Wochen betragen und sowohl für die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber als auch für eine gerichtliche Durchsetzung gelten. Daher ist eine rasche rechtliche Beratung zu empfehlen.

Gibt es besondere Schutzmaßnahmen für Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Mobbing-Fällen?

Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst unterliegen besonderen dienstrechtlichen Schutzvorschriften. Ihre Vorgesetzten sind nach dem Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und Bundesbeamtengesetz (BBG) verpflichtet, Maßnahmen gegen Mobbing zu ergreifen. Es bestehen interne Beschwerdemechanismen und spezielle Anlaufstellen, wie Gleichstellungs- oder Beschwerdestellen. Disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen mobbende Kollegen können bis zur Entfernung aus dem Dienst reichen. Darüber hinaus gelten für Beamte die allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Regelungen, sofern der Tatbestand der Körperverletzung, Beleidigung etc. erfüllt ist. Im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Rechtsschutzes gelten jedoch besondere Zuständigkeiten (z. B. Verwaltungsgerichte).

Können Kündigungen im Zusammenhang mit Mobbing angefochten werden?

Ja, Kündigungen, die im Zusammenhang mit Mobbing stehen – sei es, weil das Mobbing-Opfer durch die Situation gekündigt wird (etwa wegen angeblicher Leistungsmängel als Folge des Mobbings) oder selbst eine Eigenkündigung ausspricht – können unter bestimmten Voraussetzungen vor dem Arbeitsgericht angefochten werden. Wird dem Opfer betriebsbedingt oder verhaltensbedingt gekündigt, können Indizien für Mobbing eine Kündigungsschutzklage rechtfertigen, insbesondere, wenn ein Zusammenhang zwischen Kündigung und Mobbing nachweisbar ist. In Einzelfällen ist auch eine sogenannte „fristlose Eigenkündigung aus wichtigem Grund“ (§ 626 BGB) möglich, wenn das Arbeitsverhältnis durch Mobbing unzumutbar geworden ist. Hier müssen Betroffene sorgfältig vorgehen und sich rechtzeitig rechtlich beraten lassen, da Fristen einzuhalten sind und ein Nachweis der Unzumutbarkeit erforderlich ist.