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Mitwirkungsverwaltung


Begriff und Grundlagen der Mitwirkungsverwaltung

Die Mitwirkungsverwaltung ist ein Begriff des deutschen Verwaltungsrechts, der eine spezifische Form der Verwaltungstätigkeit bezeichnet, bei der Privatpersonen oder andere nichtstaatliche Institutionen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beteiligt werden. Diese Form der Verwaltung stellt eine Mischform zwischen reiner Eigenverwaltung des Staates und privater Selbstverwaltung dar. Die Mitwirkungsverwaltung kommt insbesondere dort zum Tragen, wo staatliche Stellen bestimmte Verwaltungsaufgaben nicht allein, sondern unter Beteiligung Dritter wahrnehmen.

Rechtliche Einordnung der Mitwirkungsverwaltung

Abgrenzung zu anderen Verwaltungsformen

Die Mitwirkungsverwaltung ist von anderen Organisationsformen der Verwaltung zu unterscheiden, insbesondere von:

  • Eigenverwaltung: Die vollständige Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch staatliche Behörden ohne Beteiligung Dritter.
  • Fremdverwaltung: Die reine Auslagerung öffentlicher Aufgaben an private Dritte ohne wesentliche staatliche Steuerung.
  • Beleihung: Die Übertragung hoheitlicher Befugnisse mittels eines Beleihungsakts auf Private, die eigenverantwortlich hoheitlich tätig werden.

Im Gegensatz zur Beleihung verbleibt bei der Mitwirkungsverwaltung die Letztverantwortung regelmäßig beim Staat, der den mitwirkenden Dritten in einem geregelten, meist untergesetzlichen Rahmen an der Verwaltung beteiligt.

Erscheinungsformen der Mitwirkungsverwaltung

Die Mitwirkungsverwaltung kann in verschiedenen Ausprägungen auftreten, etwa als:

  • Einbindung von Kammern, Verbänden oder Organisationen bei der Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben (z. B. Industrie- und Handelskammern bei Ausbildungsprüfungen).
  • Beteiligung privater Sachverständiger an Verwaltungsentscheidungen (z. B. Gutachten oder Prüfungen bei Zulassungsverfahren).
  • Mitarbeit von Bürger:innen in Kommissionen oder Beiräten, etwa im Bereich des Umweltrechts oder des Denkmalschutzes.

Rechtsgrundlagen und Ausgestaltung

Gesetzliche Grundlage

Die Mitwirkungsverwaltung bedarf einer gesetzlichen Grundlage. In vielen Fällen ist diese in Fachgesetzen vorgesehen, wie etwa in der Gewerbeordnung, der Handwerksordnung oder im Verwaltungsverfahrensgesetz. Die genaue Ausgestaltung hängt vom jeweiligen Aufgabenbereich und der betroffenen Verwaltungsebene ab.

Beispiele für gesetzliche Regelungen:

  • Gewerbeordnung (GewO): Hier sind Mitwirkungsrechte der Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern festgelegt.
  • Handwerksordnung (HwO): Die HwO sieht die Beteiligung von Handwerkskammern und Innungen bei der Durchführung von Prüfungen oder im Verwaltungsverfahren vor.
  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG): Enthält allgemeine Regelungen zur Beteiligung Dritter, insbesondere im Rahmen von Anhörungsverfahren.

Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeit

Die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse verbleiben bei der staatlichen Instanz. Die mitwirkenden Dritten haben typischerweise beratende, unterstützende oder mitentscheidende Funktionen, können jedoch keine hoheitlichen Entscheidungen eigenverantwortlich treffen, sofern nicht ausdrücklich eine Beleihung nach § 9 VwVfG erfolgt ist. Die Aufsicht über die ordnungsgemäße Verwaltung der Aufgabe bleibt beim Staat.

Funktionen und Ziele der Mitwirkungsverwaltung

Demokratische Legitimation

Durch die Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen oder sachverständiger Personen wird die Verwaltung demokratischer legitimiert und transparenter gestaltet. Die Mitwirkungsverwaltung trägt zur stärkeren Beteiligung von Betroffenen oder sachkundigen Dritten an der Verwaltung bei.

Effizienz und Fachkompetenz

Die Einbeziehung von Sachverständigen oder Organisationen erhöht die fachliche Qualität der Verwaltungsentscheidungen. Praxisnähe und spezifische Fachkenntnisse, etwa bei Prüfungsleistungen im Handwerk, kommen dem Gemeinwohl zugute.

Verbessertes Verwaltungshandeln

Die Mitwirkungsverwaltung kann dazu beitragen, Akzeptanz und Qualität von Verwaltungsverfahren zu steigern. Die Beteiligung von Dritten wird als Beitrag zu einer bürgernahen Verwaltung und verbesserten Rechtsetzung gesehen.

Abgrenzung zur Beleihung

Ein zentrales Abgrenzungsmerkmal zur Beleihung liegt in der Art der Entscheidungsbefugnisse. Im Rahmen der Mitwirkungsverwaltung verbleibt die Letztentscheidung beim Staat, während bei der Beleihung einem Dritten eigenständige Ausübung hoheitlicher Aufgaben ermöglicht wird. Die Mitwirkungsverwaltung ist damit flexibler und leichter steuerbar, weil der Staat rechtlich weiterhin federführend bleibt.

Anwendungsbereiche der Mitwirkungsverwaltung

Wirtschaft und Berufsrecht

Die Mitwirkungsverwaltung ist insbesondere im Bereich des Gewerbe-, Handwerks- und Berufsrechts von Bedeutung. Hier werden Kammern, Verbände oder andere Organisationen häufig per Gesetz mit Verwaltungsaufgaben betraut, insbesondere im Bereich der Prüfung, Zulassung oder Aufsicht.

Umwelt- und Planungsrecht

Im Umweltrecht wird die Mitwirkungsverwaltung genutzt, um Umweltverbände, Bürgerinitiativen oder sachverständige Dritte an Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Dies trägt zur Transparenz und Legitimität bei.

Gesundheitswesen

Auch im Gesundheitswesen werden berufsständische Organisationen und Beiräte in verschiedene Verwaltungsprozesse eingebunden, beispielsweise bei der Zulassung von Ärzten oder der Organisation von Prüfungen.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Beteiligungsrechte

Die Mitwirkungsverwaltung setzt sich aus spezifischen Beteiligungsrechten und -pflichten zusammen. Dazu gehören Anhörungsrechte, Mitentscheidungsrechte in Kommissionen oder beratende Tätigkeiten.

Rechtsschutz

Mitwirkende Dritte haben im Allgemeinen keine eigenen Entscheidungsbefugnisse mit unmittelbarer Außenwirkung. Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte obliegt in der Regel nur gegenüber staatlichen Stellen. Ausnahmen können sich ergeben, wenn eine quasistaatliche Entscheidung durch die Mitwirkung maßgeblich beeinflusst wurde.

Bedeutung und Bewertung

Die Mitwirkungsverwaltung fördert die Einbindung gesellschaftlicher Gruppen in staatliche Entscheidungsprozesse und trägt so zu einer besseren Legitimation und Praxistauglichkeit des Verwaltungshandelns bei. Sie bietet Flexibilität, erhöht die Akzeptanz und Fachkompetenz staatlicher Maßnahmen und kann damit Effizienz und Qualität der öffentlichen Verwaltung steigern. Zugleich erfordert diese Form der Verwaltung jedoch klare gesetzliche Regelungen, um Aufgabenverteilung, Verantwortlichkeit und Kontrolle sicherzustellen.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Erichsen, Ehlers: Allgemeines Verwaltungsrecht. 16. Auflage, 2022.
  • Maurer: Allgemeines Verwaltungsrecht. 21. Auflage, 2023.
  • Müller, Tina: Die Mitwirkungsverwaltung im deutschen Verwaltungsrecht, 2018.
  • Sachs: Grundgesetz-Kommentar, 9. Auflage, 2021.

Hinweis: Die Mitwirkungsverwaltung ist ein vielschichtiges Konzept und durch zahlreiche Sonderregelungen in den jeweiligen Fachgesetzen geprägt. Die Einzelfallbetrachtung ist hierbei stets unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Mitwirkungsverwaltung in Deutschland?

Die Mitwirkungsverwaltung ist im deutschen Recht kein einheitlich kodifiziertes Rechtsinstitut, sondern ergibt sich aus verschiedenen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Regelungen. Im Mittelpunkt steht hierbei das Grundgesetz, insbesondere die Art. 83 bis 85 GG, welche die Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern regeln. Die zentrale Rolle spielt Art. 83 GG, wonach die Länder grundsätzlich die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, es sei denn, das Grundgesetz sieht eine abweichende Regelung vor. Art. 85 GG konkretisiert die sogenannte Bundesauftragsverwaltung, eine Spielform der Mitwirkungsverwaltung, bei der die Länder Bundesgesetze im Auftrag des Bundes ausführen. Weitere spezifische Vorschriften finden sich u.a. in Fachgesetzen, in denen zusätzliche Einzelheiten zu den Mitwirkungspflichten und Kontrollrechten festgelegt werden. Neben diesen formellen Regelungen greifen auch Grundsätze des Verwaltungsrechts, wie das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Rechtsstaatsprinzip sowie Handlungs- und Kontrollbefugnisse des Bundes. Zudem präzisieren zahlreiche Urteile des Bundesverfassungsgerichts die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften.

Welche typischen Mitwirkungsformen existieren im Rahmen der Mitwirkungsverwaltung?

Im rechtlichen Kontext lassen sich mehrere typische Mitwirkungsformen unterscheiden. Am häufigsten ist die Bund-Länder-Mitwirkung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung (§85 GG) und in Form der Mischverwaltung bei Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a, 91b GG). In der Bundesauftragsverwaltung führen die Länder die Bundesgesetze im eigenen Namen, jedoch nach den Weisungen des Bundes aus. Dies bedeutet, sie sind sowohl für die Durchführung als auch für die Organisation der Verwaltungsaufgaben verantwortlich, müssen aber bundesgesetzliche Vorgaben streng beachten und dem Bund Bericht erstatten. Mischverwaltungen hingegen kennzeichnen sich durch ein abgestimmtes Zusammenwirken von Bund und Ländern, wobei Verwaltungstätigkeiten gemeinsam geplant, koordiniert und durchgeführt werden. Weitere Mitwirkungsformen sind die Zustimmungspflichten im Rahmen des Bundesrates, obligatorische Anhörungsverfahren, Verwaltungsvereinbarungen oder institutionalisierte Kooperationsstrukturen. Diese tragen dem föderalen Charakter der Bundesrepublik Rechnung und verhindern sowohl Über- als auch Unterordnung einer Verwaltungsebene.

Wie weit reicht die Weisungsbefugnis des Bundes gegenüber den Ländern im Rahmen der Mitwirkungsverwaltung?

Die Weisungsbefugnis des Bundes gegenüber den Ländern ist im Rahmen der Mitwirkungsverwaltung rechtlich präzise begrenzt. In der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) kann der Bund generelle wie auch Einzelfallweisungen erteilen, die sich auf die Umsetzung der betreffenden Bundesgesetze beziehen. Die Länder sind an diese Weisungen strikt gebunden und haben keinen eigenen Entscheidungsspielraum hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahme, nur beim „Wie“, sofern dies nicht abschließend durch Bundesrecht geregelt ist. Die Ausführung von Bundesgesetzen erfolgt dabei immer unter der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundes. Die Länder können gegebenenfalls Bedenken gegen Weisungen äußern, sind im Ergebnis jedoch verpflichtet, diese zu befolgen, solange sie nicht evident rechtswidrig sind. In anderen Formen der Mitwirkungsverwaltung, etwa bei der Mischverwaltung, bestehen i.d.R. keine direkten Weisungsmöglichkeiten, sondern lediglich Koordinations- und Abstimmungsrechte.

Welche Kontrollmechanismen kann der Bund gegenüber den Ländern im Rahmen der Mitwirkungsverwaltung anwenden?

Im rechtlichen Gefüge der Mitwirkungsverwaltung stehen dem Bund verschiedene Kontrollmechanismen zu. Zentral ist das Kontrollrecht nach Art. 85 Abs. 4 GG, demzufolge der Bund durch beauftragte Personen die Durchführung der Bundesgesetze prüfen kann. Dieser Kontrollmechanismus zielt auf Effektivität, Rechtskonformität und Einheitlichkeit der Verwaltungsausführung ab. Zudem besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht detaillierte Berichte, Akteneinsicht und Auskünfte zu verlangen. Werden Verfahrens- oder Gesetzesverstöße festgestellt, kann der Bund Korrekturmaßnahmen, einschließlich des Erlasses von Weisungen oder letztlich sogar das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung anrufen (Art. 84 Abs. 4 GG). Darüber hinaus können spezialisierte Bund-Länder-Kommissionen eingerichtet werden, die laufend die Durchführung kontrollieren und Koordinationsaufgaben übernehmen.

Wie ist die Verantwortlichkeit und Haftung bei Fehlern in der Mitwirkungsverwaltung geregelt?

Die Verantwortlichkeit und Haftung im Kontext der Mitwirkungsverwaltung richtet sich nach der jeweils ausgeübten Verwaltungshoheit. Führen die Länder Bundesgesetze in Bundesauftragsverwaltung aus, haften sie grundsätzlich für eigenes Verwaltungshandeln; Ansprüche richten sich primär gegen das jeweilige Land. Gleichwohl trifft den Bund eine Kontrollverantwortung bezüglich Weisungen und Überwachungsmaßnahmen. Bei Mischverwaltungen oder Gemeinschaftsaufgaben kann eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen Bund und Ländern eingreifen, insbesondere wenn der Verwaltungsfehler auf einer gemeinsamen Maßnahme beruht. Die Haftung bestimmt sich im Einzelnen nach dem verwaltungsrechtlichen Schadensersatzrecht des Bundes und der Länder (z. B. Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG), wobei der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach den allgemeinen Grundsätzen gewährleistet ist.

Welche Rolle spielt der Bundesrat in der Mitwirkungsverwaltung?

Der Bundesrat spielt aus rechtlicher Sicht eine zentrale Rolle in der Mitwirkungsverwaltung, insbesondere bei der Bundesgesetzgebung, die die Verwaltungskompetenzen der Länder betrifft. Zahlreiche bundesstaatliche Gesetze, die eine Mitwirkung oder Durchführung durch die Länder vorsehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, weil sie wesentliche Interessen der Länder berühren (§ 84 Abs. 1 GG). Der Bundesrat kann somit gesetzgeberisch Einfluss auf die Ausgestaltung von Aufgaben nehmen, bei denen die Länder in der Ausführung betroffen sind, und so die Interessen der Ländern gegenüber dem Bund wahren. Außerdem wirkt der Bundesrat bei der Bestellung und Kontrolle von Organen mit, die für die Aufsicht über die Mitwirkungsverwaltung zuständig sind.

Wie werden Konflikte zwischen Bund und Ländern in der Mitwirkungsverwaltung gelöst?

Konflikte zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Mitwirkungsverwaltung werden im Regelfall auf unterschiedlichen Ebenen gelöst. Vorrangig besteht die Möglichkeit informeller oder formeller Abstimmung und Vermittlung, etwa durch Verwaltungsabkommen oder Bund-Länder-Ausschüsse. Kommt eine einvernehmliche Lösung nicht zustande, steht das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht offen. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten über die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder. Typische Streitpunkte betreffen die Rechtmäßigkeit von Weisungen, die Zuständigkeit zur Ausführung oder die Vereinbarkeit konkreter Maßnahmen mit dem Grundgesetz. Das Gericht kann im Rahmen dieser Organstreitverfahren verbindliche Entscheidungen treffen und Leitlinien zur Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen geben.