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Mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt

Mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt – Begriff und Einordnung

Definition

Ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt ist eine behördliche Entscheidung, die rechtlich nur erlassen oder wirksam werden darf, wenn eine andere Stelle in einer gesetzlich vorgesehenen Form einbezogen wird. Diese Einbeziehung kann als Zustimmung, Einvernehmen, Benehmen, Anhörung, Mitzeichnung, Gegenzeichnung, Genehmigung oder Bestätigung ausgestaltet sein. Ohne die vorgeschriebene Mitwirkung ist der Verwaltungsakt in der Regel rechtswidrig oder entfaltet keine Wirksamkeit.

Rechtliche Einbettung und Zweck

Mitwirkungspflichten verteilen Zuständigkeiten, sichern fachliche Qualität und schaffen Kontrolle im Verwaltungshandeln. Sie gewährleisten, dass Fachkompetenzen gebündelt, öffentliche Interessen abgewogen und übergeordnete Vorgaben eingehalten werden. Zugleich fördern sie Transparenz, Nachvollziehbarkeit und die Vermeidung von Fehlentscheidungen.

Abgrenzung zu anderen Verwaltungsakten

Mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte unterscheiden sich von „einfachen” Verwaltungsakten dadurch, dass die entscheidende Behörde nicht allein handeln darf. Die Mitwirkung ist ein konstitutiver Bestandteil des Entscheidungsprozesses oder der Wirksamkeit. Zu unterscheiden ist ferner zwischen innerdienstlicher Mitwirkung (z. B. Mitzeichnung) und Mitwirkung eigenständiger Behörden oder Gremien. Nicht jede Beteiligung begründet Außenwirkung; vielfach handelt es sich um interne Verfahrensschritte, deren Ergebnis erst im Endverwaltungsakt gegenüber den Betroffenen Bedeutung erlangt.

Typen der Mitwirkung

Zustimmung

Die Zustimmung ist ein Einverständnis einer anderen Stelle, ohne das die Entscheidung nicht rechtmäßig ergehen darf. Sie wirkt wie ein „Vetorecht”: Bleibt die Zustimmung aus, kann der Verwaltungsakt grundsätzlich nicht erlassen werden.

Einvernehmen

Einvernehmen verlangt eine übereinstimmende Entscheidung der beteiligten Stellen. Es geht über die Zustimmung hinaus, weil beide Seiten inhaltlich miteinander in Einklang stehen müssen. Scheitert das Einvernehmen, greifen je nach Vorgaben Ersatz- oder Konfliktlösungsmechanismen.

Benehmen

Benehmen bedeutet, dass eine andere Stelle anzuhören und in die Entscheidung einzubeziehen ist. Die Entscheidung bleibt bei der federführenden Behörde, die die vorgebrachten Argumente jedoch ernsthaft berücksichtigen muss.

Anhörung und Beteiligung

Vorgeschriebene Anhörungen weiterer Stellen oder Betroffener sind Mitwirkungsformen, die der Sachverhaltsaufklärung und Interessenabwägung dienen. Ihre Ergebnisse fließen in die Entscheidung ein, ohne zwingend zustimmungsbedürftig zu sein.

Mitzeichnung und Gegenzeichnung

Mitzeichnung und Gegenzeichnung sind innerorganisatorische Mitwirkungsformen. Sie dokumentieren, dass bestimmte organisatorische Einheiten oder Leitungsebenen die Entscheidung geprüft haben.

Genehmigung und Bestätigung

Bei der Genehmigung oder Bestätigung wird ein bereits erlassener Verwaltungsakt erst durch eine weitere behördliche Billigung wirksam. Bis zur Genehmigung bleibt die Entscheidung schwebend oder entfaltet keine Wirkung.

Verfahrensablauf und Zuständigkeiten

Beteiligte Stellen

Federführende Behörde

Sie bereitet den Verwaltungsakt vor, sammelt Unterlagen, führt die Abwägung durch und erlässt den Bescheid. Sie holt erforderliche Mitwirkungen ein und dokumentiert diese.

Mitwirkende Behörde oder Gremien

Je nach Mitwirkungsart bringt die beteiligte Stelle fachliche Einschätzungen ein, erteilt oder versagt Zustimmung, wirkt am Einvernehmen mit oder genehmigt die Entscheidung nachgelagert.

Weitere Beteiligte

Fachstellen, Beiräte oder Interessenvertretungen können beteiligt sein, um besondere Belange einzubringen. Ihre Stellungnahmen sind je nach Vorgabe unterschiedlich verbindlich.

Zeitpunkt der Mitwirkung

Mitwirkung kann vor, während oder nach dem Erlass des Verwaltungsakts erforderlich sein. Zustimmungen und Einvernehmen erfolgen meist vor Erlass, Genehmigungen häufig nachträglich mit Wirkung auf die Wirksamkeit der Entscheidung.

Fristen, Schweigen und Fiktionen

Für Mitwirkungsakte können Fristen gelten. Je nach Vorgaben kann Untätigkeit entweder folgenlos sein oder eine rechtliche Fiktion auslösen (z. B. fingierte Zustimmung oder Versagung). Ob und in welchem Umfang Schweigen Rechtswirkungen entfaltet, richtet sich nach der jeweiligen Rechtslage.

Dokumentation und Begründung

Die Durchführung der Mitwirkung sollte im Bescheid erkennbar sein. Daraus ergibt sich, wer beteiligt war, welche Stellungnahmen vorlagen und in welcher Weise diese in die Entscheidung eingeflossen sind.

Rechtsfolgen von Mitwirkungsfehlern

Fehlende Mitwirkung: Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit?

Fehlt eine gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung, ist der Verwaltungsakt in der Regel rechtswidrig. Ob er von Anfang an unwirksam ist oder „nur” anfechtbar bleibt, hängt von Bedeutung und Gewicht des Mitwirkungsfehlers ab. Wesentliche Mitwirkungsdefizite können die Wirksamkeit hindern; weniger schwerwiegende Fehler führen typischerweise zur Anfechtbarkeit.

Heilung von Verfahrensfehlern

Bestimmte Mitwirkungsmängel können nachträglich behoben werden. Ob eine Heilung zulässig ist und ob sie rückwirkend oder nur für die Zukunft wirkt, hängt von der Art der Mitwirkung und den einschlägigen Vorgaben ab. Nicht jede Mitwirkung ist heilfähig; bei konstitutiven Zustimmungen ist eine Nachholung oft nur innerhalb definierter Verfahrensschritte möglich.

Ersetzung der Mitwirkung

In Einzelfällen kann die Mitwirkung durch eine andere Stelle ersetzt oder eine verweigerte Mitwirkung durch übergeordnete Instanzen überwunden werden. Solche Ersetzungsmechanismen dienen der Konfliktlösung zwischen Behörden und verhindern Blockaden.

Teilbarkeit und Folgen für Dritte

Ist ein Verwaltungsakt teilbar, kann sich ein Mitwirkungsfehler nur auf den betroffenen Teil auswirken. Für Dritte kann ein Mitwirkungsdefizit bedeutsam sein, wenn sie den Verwaltungsakt angreifen und die fehlende Mitwirkung als Rechtsfehler geltend machen.

Rechtsschutz und Kontrolle

Anfechtung durch Betroffene

Betroffene können gegen den Verwaltungsakt vorgehen und dabei Mitwirkungsfehler als Begründung für dessen Rechtswidrigkeit anführen. Ob der Fehler entscheidungserheblich war, ist Teil der rechtlichen Prüfung.

Interne Rechtskontrolle zwischen Behörden

Behördeninterne oder zwischenbehördliche Konflikte über Mitwirkungsakte werden regelmäßig im Verwaltungsverbund geklärt. Je nach Ausgestaltung kommen hier verwaltungsinterne Kontroll- und Konfliktlösungswege in Betracht.

Bedeutung für Dritte und Nachbarn

Personen, die nicht Adressaten des Verwaltungsakts sind, können Mitwirkungsdefizite im Rahmen ihrer rechtlichen Betroffenheit rügen. Dabei ist maßgeblich, ob die verletzten Mitwirkungspflichten auch dem Schutz ihrer Belange dienen.

Praxisbeispiele ohne konkrete Rechtsgrundlagen

Aufsichtsrechtliche Genehmigung

Ein Verwaltungsakt einer unteren Behörde wird erst nach Billigung durch eine Aufsichtsbehörde wirksam. Ohne Genehmigung bleibt die Entscheidung rechtlich ohne Wirkung.

Beteiligung fachlich zuständiger Stellen

Die federführende Behörde holt Stellungnahmen einer Fachstelle ein, deren Zustimmung erforderlich ist. Verweigert die Fachstelle diese, kann der Verwaltungsakt nicht erlassen werden.

Kommunale Mitwirkung bei Vorhaben

Bei bestimmten Vorhaben wird das Einvernehmen oder die Zustimmung einer Kommune benötigt. Kommt es nicht zustande, greifen vorgesehene Ersatz- oder Vermittlungsverfahren.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet „mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt” konkret?

Es handelt sich um eine behördliche Entscheidung, die nur mit Beteiligung einer weiteren Stelle rechtlich zulässig erlassen oder wirksam werden darf. Die Art der Beteiligung ist vorgegeben und kann von einer einfachen Anhörung bis hin zur zwingenden Zustimmung reichen.

Worin liegt der Unterschied zwischen Zustimmung und Einvernehmen?

Bei der Zustimmung hat die mitwirkende Stelle ein Vetorecht, während die Entscheidung federführend bleibt. Einvernehmen verlangt dagegen eine inhaltlich übereinstimmende Entscheidung beider Seiten; es erfordert eine gemeinsame Lösung.

Welche Folgen hat eine fehlende oder fehlerhafte Mitwirkung?

Fehlt eine vorgeschriebene Mitwirkung, ist der Verwaltungsakt in der Regel rechtswidrig. Je nach Gewicht des Fehlers kann er unwirksam sein oder muss auf Rechtsbehelf hin aufgehoben werden.

Kann eine Mitwirkung nachgeholt werden?

Eine Nachholung ist in bestimmten Konstellationen möglich, insbesondere bei verfahrensrechtlichen Beteiligungen. Bei konstitutiven Mitwirkungsakten wie zwingenden Zustimmungen ist die Nachholung nur unter engen Voraussetzungen zulässig.

Hat die Mitwirkung selbst Außenwirkung gegenüber Betroffenen?

Häufig nicht. Viele Mitwirkungsakte wirken verwaltungsintern. Außenwirkung entfaltet in der Regel erst der abschließende Verwaltungsakt; Ausnahmen bestehen, wenn die Mitwirkung ausdrücklich als eigener, nach außen wirkender Akt ausgestaltet ist.

Spielen Fristen und behördliches Schweigen eine Rolle?

Ja. Für Mitwirkungsakte können Fristen gelten. Je nach Vorgaben kann aus ausbleibender Reaktion eine rechtliche Fiktion folgen, etwa eine fingierte Zustimmung oder Versagung.

Können Dritte Mitwirkungsfehler rügen?

Ja, sofern sie rechtlich betroffen sind und die verletzte Mitwirkungspflicht auch dem Schutz ihrer Belange dient. In solchen Fällen kann ein Mitwirkungsfehler im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen den Hauptverwaltungsakt thematisiert werden.