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Mitvormund


Mitvormund – Rechtliche Definition, Bestellung und Aufgaben

Der Begriff Mitvormund bezeichnet im deutschen Familienrecht eine Person, die neben einem weiteren Vormund die rechtliche Vormundschaft für eine minderjährige oder betreuungsbedürftige Person übernimmt. Das Amt des Mitvormunds ist in den §§ 1775 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie weiteren spezialgesetzlichen Regelungen, etwa im Vormundschafts- und Betreuungsrecht, gesetzlich geregelt.

Begriff und rechtliche Einordnung

Ein Mitvormund ist stets Teil einer Mehrvormundschaft (§ 1775 Abs. 1 BGB), bei der das Familiengericht für eine unter Vormundschaft stehende Person (den „Mündel“) ausnahmsweise mehr als eine Person als Vormund bestellt. Diese Konstellation wird auch als „Mitvormundschaft“ bezeichnet und stellt eine Alternative zur Einzelvormundschaft dar. Die Mitvormundschaft kann natürliche Personen oder auch Vereinigungen, wie Jugendämter oder anerkannte Vereine, einbeziehen.

Abgrenzung zu Einzelvormund und Ersatzvormund

Im Gegensatz zur Einzelvormundschaft, bei der eine einzelne Person als Vormund bestellt wird, übernimmt bei der Mitvormundschaft mehr als eine Person diese Aufgabe gemeinschaftlich. Der Mitvormund ist damit kein Ersatz-, sondern gleichberechtigter Hauptvormund neben den übrigen Mitvormündern. Im Unterschied dazu tritt ein Ersatzvormund regelmäßig nur dann in Erscheinung, wenn der Vormund verhindert ist oder sein Amt nicht mehr ausübt.

Gesetzliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die zentrale Grundlage bildet das BGB. Wesentliche Vorschriften sind hierbei:

  • § 1775 BGB: regelt die Anordnung und Voraussetzungen der Mitvormundschaft
  • § 1789 BGB: bestimmt die Vertretungsbefugnisse mehrerer Vormünder
  • §§ 1795 ff. BGB: enthalten Sonderregelungen beispielsweise für den Ausschluss bestimmter Geschäftstätigkeiten

Weitere einschlägige Normen ergeben sich aus dem FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) sowie dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe).

Besondere Konstellationen

Mitvormundschaften kommen insbesondere in Betracht, wenn das Gericht entscheidet, dass dies zum Wohl des Mündels angezeigt ist oder besondere Gründe dies erfordern, beispielsweise bei Interessenkonflikten, bei umfangreichem Verwaltungsbedarf oder um bestimmte Kompetenzen zu bündeln.

Bestellung und Zusammensetzung der Mitvormundschaft

Voraussetzungen der Bestellung

Die Bestellung mehrerer Vormünder erfolgt durch das Familiengericht. Sie setzt voraus, dass das Kindeswohl oder besondere Umstände (beispielsweise eine fachliche oder persönliche Ergänzung der Vormünder) das Zusammenwirken mehrerer Personen erforderlich machen. Das Gericht bestimmt dabei die Zahl der Mitvormünder und deren jeweiligen Aufgabenbereiche.

Rechte und Pflichten der Mitvormünder

Mitvormünder sind grundsätzlich gleichberechtigt. Sie müssen die Vormundschaft gemeinschaftlich führen, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Es besteht die Möglichkeit, Kompetenzbereiche aufzuteilen oder einen „geschäftsführenden Mitvormund“ zu bestimmen, der bestimmte Rechtsgeschäfte eigenverantwortlich vornehmen darf.

Rechte, Pflichten und Verfahren im Amt des Mitvormunds

Vertretung des Mündels

Soweit nicht ausdrücklich eine anderweitige Regelung getroffen wurde, vertreten die Mitvormünder das Mündel gemeinschaftlich. Für die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte ist die Mitwirkung aller Mitvormünder erforderlich. Einzelne Mitvormünder können Aufgabenbereiche übertragen bekommen, beispielsweise im Bereich der Vermögensverwaltung oder in persönlichen Angelegenheiten des Mündels.

Haftung und Kontrolle

Mitvormünder haften bei Pflichtverletzungen gesamtschuldnerisch, sofern ihnen ein schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden kann. Die Aufsicht über Mitvormünder erfolgt durch das Familiengericht, das regelmäßig Berichte und Nachweise verlangt.

Beendigung der Mitvormundschaft

Die Mitvormundschaft endet mit dem Wegfall der rechtlichen Voraussetzungen, durch Ablösung oder Tod eines Mitvormunds, mit Erreichen der Volljährigkeit des Mündels oder auf Antrag aus wichtigem Grund (§ 1886 BGB). Das Gericht kann einen Mitvormund auf Antrag oder von Amts wegen entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Praktische Bedeutung und typische Anwendungsfälle

Anwendungsbereiche

Mitvormundschaften werden insbesondere dann angeordnet, wenn:

  • Interessenkonflikte zwischen Kind und Vormund bestehen könnten (z.B. familiäre oder vermögensrechtliche Angelegenheiten)
  • Eine bessere Kontrolle und gegenseitige Unterstützung erforderlich erscheint
  • Internationale Rechtsbezüge oder komplexe Vermögensverhältnisse vorliegen
  • Jugendamt und private Person gemeinsam Verantwortung tragen sollen („Vormundschaft in Vereinsvormundschaft“)

Praxisrelevanz

In der Praxis ist die Anordnung einer Mitvormundschaft eine Ausnahme und setzt besondere Gründe voraus. Die Einzelvormundschaft, insbesondere durch geeignete Einzelpersonen, ist der Regelfall. Die Mitvormundschaft findet hingegen öfter Anwendung, wenn mehrere Personen einander im Interesse des Kindeswohls ergänzen sollen.

Fazit

Der Mitvormund nimmt im deutschen Familienrecht eine bedeutsame, wenngleich seltene Stellung ein. Seine Bestellung dient in erster Linie dem Schutz und Wohle des Mündels, indem spezifische Kompetenzbereiche oder Interessenlagen abgedeckt werden können. Die rechtliche Ausgestaltung des Amtes ist abschließend im BGB geregelt und durch eine enge gerichtliche sowie behördliche Kontrolle gekennzeichnet.


Literaturhinweis: Weitere Informationen sind insbesondere in den familienrechtlichen Kommentaren zum BGB sowie einschlägigen Handbüchern zum Vormundschaftsrecht zu finden. Die aktuelle Rechtsprechung und entsprechende Reformen sollten stets beachtet werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben übernimmt ein Mitvormund im Vergleich zum Hauptvormund?

Der Mitvormund ist gemäß den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gemeinsam mit dem Hauptvormund für die Sorge des minderjährigen Mündels zuständig. Die Aufgaben des Mitvormunds orientieren sich grundsätzlich an den allgemeinen Pflichten eines Vormunds (§§ 1800 ff. BGB), jedoch findet eine Aufgabenverteilung oder -beschränkung in der Praxis häufig über gerichtliche Anordnungen oder eine einvernehmliche Absprache zwischen den Vormündern statt (§ 1775 BGB). Typischerweise betreut der Mitvormund bestimmte Angelegenheiten, etwa die Vermögensverwaltung oder die Vertretung des Mündels gegenüber Behörden; er kann aber genauso umfassend wie der Hauptvormund tätig werden. Die Verpflichtung zu regelmäßigen Berichten und zur Rechenschaft gegenüber dem Familiengericht ist auch für den Mitvormund bindend. In bestimmten Fällen kann das Gericht die Aufgaben explizit aufteilen, um Überschneidungen oder Interessenkonflikte zu vermeiden. Da der Mitvormund rechtlich gesehen eine gleichberechtigte Stellung einnimmt, haftet er für Pflichtverletzungen im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeiten ebenso wie der Hauptvormund.

Wie erfolgt die Bestellung und Entlassung eines Mitvormunds?

Die Bestellung eines Mitvormunds erfolgt durch das Familiengericht auf Antrag oder von Amts wegen, etwa wenn dies im Interesse des Mündels erforderlich erscheint (§ 1775 Abs. 1 BGB). Die Person, die Mitvormund werden soll, unterliegt denselben Qualifikations- und Eignungsanforderungen wie ein Hauptvormund. Sie muss also volljährig und geschäftsfähig sein und darf weder wegen eines besonders schweren Vergehens vorbestraft noch ungeeignet im Sinne des § 1780 BGB sein. Die Zustimmung der potenziellen Mitvormundsperson ist erforderlich. Die Entlassung eines Mitvormunds kann ebenfalls durch das Familiengericht erfolgen, wenn beispielsweise Gründe der Ungeeignetheit, Befangenheit oder grober Pflichtverletzung vorliegen. Die Voraussetzungen und das Verfahren entsprechen im Wesentlichen denen für den Hauptvormund (§§ 1886, 1887 BGB).

In welchen Fällen wird ein Mitvormund vom Familiengericht eingesetzt?

Das Familiengericht kann einen Mitvormund insbesondere dann bestellen, wenn der Hauptvormund an der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben gehindert ist oder um Interessenskonflikte zu vermeiden – etwa wenn der Hauptvormund mit dem Mündel in rechtlichen Auseinandersetzungen steht (§ 1795 Abs. 2 BGB). Ebenso kann ein Mitvormund bestellt werden, wenn der Umfang und die Komplexität der Vormundschaft besondere Kenntnisse in unterschiedlichen Bereichen (z.B. Vermögensverwaltung, persönliche Betreuung) erfordern oder wenn die effektive Ausübung der Vormundschaft im Interesse des Mündels nur durch Arbeitsteilung möglich erscheint. Gerade in komplexen familiären Konstellationen oder bei minderjährigen Flüchtlingen wird zunehmend auf eine Arbeitsteilung durch Mitvormünder zurückgegriffen.

Wie erfolgt die Zusammenarbeit zwischen Mitvormund und Hauptvormund im Alltag?

Die Mitvormünder müssen ihre Handlungen grundsätzlich miteinander abstimmen und Entscheidungen im besten Interesse des Mündels gemeinsam treffen, es sei denn, das Familiengericht schreibt eine spezifische Aufgabenverteilung fest oder überträgt die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben ausschließlich einem der Vormünder (§ 1775 Abs. 2 BGB). Konflikte sind möglichst einvernehmlich zu lösen, bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten entscheidet im Zweifel das Familiengericht. Für bestimmte besonders persönliche Angelegenheiten, wie zum Beispiel medizinische Eingriffe oder den Aufenthalt des Mündels, müssen die Mitvormünder einvernehmlich zum Wohl des Kindes handeln, andernfalls kann das Gericht moderierend oder entscheidend eingreifen. Die regelmäßige Dokumentation und gegenseitige Information sind rechtlich geboten, da die Wahrnehmung der Vormundschaft ansonsten beeinträchtigt sein könnte.

Welche Haftungsrisiken bestehen für einen Mitvormund?

Ein Mitvormund unterliegt denselben haftungsrechtlichen Anforderungen wie der Hauptvormund (§ 1833 BGB). Das bedeutet, er haftet für Schäden, die dem Mündel durch schuldhafte Pflichtverletzungen in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich entstehen. Dies umfasst sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Verhalten. Arbeitsaufteilungen gemäß gerichtlicher Anordnung können die Haftung insoweit eingrenzen, als dass jeder Mitvormund nur für seinen eigenen Bereich verantwortlich bleibt. Kommt es dennoch zu gemeinsamen Entscheidungen oder es werden Aufgaben gemeinsam ausgeübt, kann die Haftung gesamtschuldnerisch bestehen, das heißt, das Mündel kann jeden der Mitvormünder für den gesamten Schaden in Anspruch nehmen, sodass eine interne Ausgleichspflicht zwischen den Mitvormündern bestehen kann.

Wann und wie endet die Tätigkeit eines Mitvormunds rechtlich?

Die Tätigkeit eines Mitvormunds endet mit dem gleichen Ablauf wie bei einem Hauptvormund: Mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Mündels, der Adoption, der Entlassung des Mitvormunds aus wichtigen Gründen durch das Familiengericht, dem Tod des Mündels oder des Mitvormunds oder bei Beendigung der Vormundschaft aus sonstigen gesetzlichen Gründen (§§ 1881, 1882 BGB). Die Beendigung wird durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt und ist dem Jugendamt sowie allen Beteiligten mitzuteilen. Auch der Mitvormund selbst kann unter Angabe von gewichtigen Gründen seine Entbindung vom Amt beantragen, wobei das Wohl des Kindes stets im Vordergrund steht. Bis zur ordnungsgemäßen Übertragung der Amtsgeschäfte auf einen Nachfolger oder den Hauptvormund bleibt er jedoch gesetzlich verpflichtet, seine Aufgaben weiterhin sorgfältig wahrzunehmen.

Welche Vergütung und Aufwendungsersatzansprüche kann ein Mitvormund geltend machen?

Für ehrenamtlich tätige Mitvormünder besteht ein Anspruch auf eine pauschale Aufwandsentschädigung gemäß § 1835a BGB. In Fällen besonders aufwendiger Betreuung oder spezieller Kenntnisse kann das Familiengericht einen erhöhten Vergütungsanspruch zusprechen. Berufsvormünder als Mitvormund haben einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach § 1836 BGB, die sich nach Art und Umfang der geleisteten Aufgaben bemisst. Zusätzlich bestehen Ansprüche auf Ersatz notwendiger Auslagen (zum Beispiel für Reisekosten, Porto oder Verwaltungsaufwand). Einzelheiten der Abrechnung und Nachweispflichten sind gegenüber dem Familiengericht nachzuweisen und im Rahmen der jährlichen Berichterstattung einzureichen.