Begriff und Definition der Mitverursachung
Mitverursachung bezeichnet im Recht die Situation, in der mehrere Personen oder Ursachen gemeinsam einen Schaden herbeiführen. Sie ist ein bedeutsames Prinzip im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Haftungsrecht. Mitverursachung liegt vor, wenn die schädigende Handlung eines Dritten zum tatsächlichen Schaden beiträgt, ohne dass dieser allein durch eine einzelne Person verursacht wurde. Die rechtliche Bewertung der Mitverursachung erfolgt vor allem anhand der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie spezieller Gesetze, wie dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder dem Deliktsrecht.
Mitverursachung im Zivilrecht
Grundprinzipien des Zivilrechts
Im Zivilrecht spielt die Mitverursachung eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der Schadensverteilung. Sie ist insbesondere bei den §§ 830 bis 840 BGB (Schuldverhältnisse bei mehreren Personen) geregelt. Das Grundprinzip besteht darin, dass der Schaden demjenigen zuzuordnen ist, der diesen verursacht hat. Bei Einschaltung Dritter oder mehreren Verursachern kommen verschiedene Zurechnungsmaßstäbe zum Tragen.
Kausalität und Zurechnung
Die Feststellung der Kausalität (Ursachenzusammenhang) ist eine Kernfrage. Es wird geprüft, ob das Verhalten des Einzelnen „conditio sine qua non“ für den Schadenseintritt gewesen ist – also, ob der Schaden in seiner Form ohne das Verhalten nicht eingetreten wäre (Äquivalenztheorie). Weiter muss die Adäquanz geprüft werden, das heißt, ob das Verhalten nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet war, den Schaden herbeizuführen.
Mitverschulden als Sonderform der Mitverursachung
Abgrenzung zwischen Mitverursachung und Mitverschulden
Mitverschulden (§ 254 BGB) ist eine spezielle Form der Mitverursachung, bei der das Verschulden des Geschädigten selbst zu berücksichtigen ist. Hierbei wird das schadensmindernde oder -verursachende Verhalten des Geschädigten in die Abwägung einbezogen.
Rechtsfolgen bei Mitverschulden
Der Anspruch auf Schadensersatz wird bei Mitverschulden des Geschädigten entweder anteilig gekürzt oder, je nach Ausprägung, ganz ausgeschlossen. Die Haftungsverteilung erfolgt nach dem Grad der Verantwortung der Beteiligten und den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.
Haftung bei mehreren Schädigern
Gesamtschuldverhältnis (§ 840 BGB)
Sind mehrere Personen für den Schaden verantwortlich, haften sie grundsätzlich als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass der Geschädigte auf sämtliche Schädiger zugreifen kann, jeder Schuldner aber nur im Verhältnis seiner Verursachung am Ende internal ausgleichen muss.
Regress und Ausgleichsansprüche
Nach Begleichung des Schadens durch einen Schädiger kann dieser auf die übrigen Mitverursacher im Innenverhältnis zurückgreifen. Die Ausgleichsansprüche werden nach den Anteilen am Verschulden bzw. nach der Schwere des Mitverschuldens berechnet.
Mitverursachung im öffentlichen Recht
Auch im öffentlichen Recht findet das Prinzip der Mitverursachung Anwendung, etwa im Polizei- und Ordnungsrecht. Hier ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeit, Maßnahmen gegen mehrere Beteiligte zu richten, die gemeinsam Gefahr oder Schaden herbeigeführt haben.
Mitverursachung im Deliktsrecht
Mehrfache Verantwortlichkeit (§§ 830 ff. BGB)
Deliktische Haftung bei Mitverursachung knüpft an die gemeinsame kausale Schadenszufügung durch mehrere Personen an. Die gemeinschaftliche Schädigung wird ausdrücklich in den §§ 830 ff. BGB geregelt und ermöglicht dem Geschädigten, jeden der Beteiligten auf den gesamten Schaden in Anspruch zu nehmen.
Fahrlässige und vorsätzliche Mitverursachung
Unabhängig davon, ob der Schaden durch Fahrlässigkeit oder Vorsatz verursacht wurde, gelten die Grundsätze der Mitverursachung. Allerdings kann das Maß der Zurechnung im Rahmen der Billigkeit unterschiedlich gewichtet werden.
Mitverursachung in Sonderbereichen
Verkehrsrecht
Im Bereich des Straßenverkehrs wird bei Verkehrsunfällen oftmals eine sogenannte Betriebsgefahr mitverursachend berücksichtigt. Nach § 17 StVG wird die Schadensverteilung – z.B. zwischen Autofahrern und Fahrradfahrern – auch dann angepasst, wenn kein direktes Verschulden, aber eine Mitverursachung im Sinne der Gefährdungshaftung besteht.
Produkthaftungsrecht
Bei der Produkthaftung kann eine Mitverursachung des Geschädigten ebenfalls zur Anspruchsreduzierung führen, etwa wenn er das Produkt unsachgemäß verwendet.
Bedeutung in der gerichtlichen Praxis
Die Mitverursachung ist in vielen gerichtlichen Entscheidungen relevant, insbesondere bei der Schadensaufteilung und der Ermittlung angemessener Haftungsquoten. Die Umstände des Einzelfalls, das Maß der Beteiligung und die individuellen Verschuldensanteile sind maßgeblich für die konkrete Haftungsverteilung.
Zusammenfassung
Mitverursachung ist ein zentrales Prinzip des Zivilrechts und angrenzender Rechtsgebiete, das der gerechten Verteilung von Verantwortlichkeit bei mehrfach verursachten Schäden dient. Die genaue Ausgestaltung erfolgt nach Maßgabe gesetzlicher Vorschriften, insbesondere im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft und der Haftungsverteilung. Die Prüfung der Mitverursachung ist stets einzelfallbezogen und erfordert eine detaillierte Bewertung der Kausalitäts- und Verschuldensanteile aller Beteiligten.
Häufig gestellte Fragen
Welche Bedeutung hat die Mitverursachung im Zivilrecht?
Im Zivilrecht spielt die Mitverursachung eine zentrale Rolle bei der Haftungsabwägung innerhalb von Schadensersatzansprüchen. Sie bedeutet, dass nicht nur der Hauptverantwortliche für einen Schaden haftet, sondern auch der oder die Geschädigte selbst zur Entstehung des Schadens beigetragen haben könnte. Nach § 254 BGB („Mitverschulden“) wird bei der Bemessung des zu ersetzenden Schadens berücksichtigt, inwieweit der Schaden vom Geschädigten selbst mitverursacht ist. Dies kann zu einer vollständigen oder teilweisen Kürzung des Schadensersatzanspruches führen. Gerichte wägen hierbei alle Umstände des Einzelfalls ab, insbesondere die Schwere beider Verschuldensanteile und ob das Verhalten des Geschädigten adäquat kausal für den Schaden war. Typisch ist dies etwa bei Verkehrsunfällen, bei denen der Verletzte beispielsweise keine Schutzkleidung getragen hat oder Verkehrsregeln missachtete.
Wie wird die Mitverursachung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten berücksichtigt?
Im Arbeitsrecht gewinnt das Prinzip der Mitverursachung bei Streitigkeiten um Schadensersatz – etwa bei Betriebsunfällen – erhebliche Bedeutung. Hier prüft das Arbeitsgericht, inwieweit der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden, z. B. durch Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften oder Fehlverhalten, zur Schadensentstehung beigetragen hat. Ebenso wird betrachtet, inwieweit der Arbeitgeber beispielsweise durch mangelhafte Einweisung, fehlende Sicherheitsvorkehrungen oder Übertragung ungeeigneter Arbeiten zur Verursachung beitrug. Die Schadensverteilung orientiert sich dabei oft an der sogenannten Haftungsprivilegierung im Arbeitsrecht, sodass bei einfacher Fahrlässigkeit häufig eine Teilung, bei grober Fahrlässigkeit jedoch eine wesentlich stärkere Haftung des Arbeitnehmers in Betracht kommt, jeweils abhängig vom festgestellten Mitverursachungsanteil.
Wie unterscheidet sich die Mitverursachung von der Gesamtschuldnerschaft?
Die Mitverursachung bezieht sich auf das Mitverschulden des Geschädigten und betrifft die Aufteilung eines Schadens dort, wo mehrere Beteiligte zur Schadensentstehung beigetragen haben. Die Gesamtschuldnerschaft (§ 421 BGB ff.) hingegen regelt, dass bei mehreren Schädigern jeder für den gesamten Schaden haftet, unabhängig von seinem Verursachungsanteil, wobei sie untereinander anteilig ausgleichen können. Die Mitverursachung reduziert also die Haftung des Schädigers gegenüber dem Geschädigten, während die Gesamtschuld die Regressregelung zwischen mehreren Schädigern betrifft. Beide Institute können im konkreten Fall zusammentreffen, werden aber rechtlich eigenständig gehandhabt.
Welche Anforderungen stellt die Rechtsprechung an die Darlegung und den Beweis der Mitverursachung?
Die Beweislast für das Vorliegen eines Mitverschuldens trägt grundsätzlich der Schädiger, der sich auf die anspruchsmindernde Wirkung beruft. Er muss konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ein Sorgfaltspflichtverstoß des Geschädigten ergibt. Hierzu zählen das Vorhandensein sowie das Ausmaß des Mitverschuldens, beispielsweise das Nichtanlegen eines Sicherheitsgurtes, das Überqueren einer roten Ampel oder die unterlassene Sicherung von Wertgegenständen. Gelegentlich arbeitet die Rechtsprechung mit Beweiserleichterungen, etwa durch Anscheinsbeweise in typischen Konstellationen. Insgesamt wird eine genaue Einzelfallbetrachtung durchgeführt, um festzustellen, ob und in welchem Umfang das Verhalten des Geschädigten zur Schadensentstehung beigetragen hat.
Kann die Mitverursachung bereits bei der Anspruchsentstehung oder erst bei der Anspruchsdurchsetzung Berücksichtigung finden?
Die Mitverursachung wird überwiegend bei der Anspruchsdurchsetzung – das heißt bei der Berechnung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs – berücksichtigt. Allerdings ist sie eine rechtshemmende Einwendung und wirkt bereits auf der Prüfungsebene der „entstandenen und zu ersetzenden Schaden“ mit. Sie bewirkt, dass sich der Anspruch von vornherein nur auf den vom Schädiger zu vertretenden, d. h. nicht mitverursachten Teil bezieht. In der Anspruchsbegründung obliegt es bereits dem Kläger, den vollen Schaden darzulegen, während der beklagte Schädiger im Rahmen seiner Verteidigung das Mitverschulden einwenden muss, sodass es letztlich bei der Anspruchsberechnung relevant wird.
Inwieweit wirkt sich die Mitverursachung auf deliktische Haftungstatbestände aus?
Auch im Bereich der unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) führt die Mitverursachung gemäß § 254 BGB zu einer Anspruchskürzung bzw. -wegfall. Dies betrifft insbesondere deliktische Schadensersatzansprüche, etwa nach Verkehrsunfällen, der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder Körperverletzungen. Die Rechtsprechung verlangt dabei nicht nur das Verschulden, sondern bezieht alle Umstände, insbesondere Vorverhalten, zumutbares Eigenrisiko und Obliegenheitsverletzungen in die Abwägung ein. Auch bei deliktischer Haftung kann somit der Geschädigte seinen Ersatzanspruch infolge eigenen Mitverschuldens ganz oder teilweise verlieren.
Welche Rolle spielt die Mitverursachung im Versicherungsrecht?
Im Versicherungsrecht führt die Mitverursachung durch den Versicherungsnehmer oftmals zur Leistungskürzung oder Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß den gesetzlichen Bestimmungen, etwa bei grober Fahrlässigkeit (§§ 81, 82 VVG). Auch hier wird im Rahmen der Schadensregulierung geprüft, inwieweit der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall durch eigenes Verhalten mitverursacht oder begünstigt hat (z.B. unzureichende Sicherung, falsche Angaben im Schadenfall). Je nach Grad des Mitverschuldens kann dies zur Quotelung, Leistungsverweigerung oder sogar zur Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen führen. Die Interessenabwägung und der Schutz des Versicherers vor missbräuchlicher Inanspruchnahme spielen dabei eine entscheidende Rolle.