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Mittelbares Arbeitsverhältnis

Mittelbares Arbeitsverhältnis: Begriff, Systematik und rechtliche Einordnung

Als mittelbares Arbeitsverhältnis wird eine arbeitsrechtliche Konstellation bezeichnet, in der die Arbeitsleistung zwar in einem Betrieb oder für einen Dritten erbracht wird, der Arbeitsvertrag jedoch mit einer anderen Stelle besteht. Typisch ist eine Dreiecksbeziehung zwischen der beschäftigten Person, dem formellen Arbeitgeber und dem Einsatzunternehmen oder einer sonstigen dritten Organisation. Charakteristisch ist die Aufspaltung arbeitgebertypischer Funktionen: Personalverwaltung, Entgeltzahlung und Vertragsgestaltung liegen beim formellen Arbeitgeber, während fachliche Weisungen und die Organisation der konkreten Tätigkeit häufig beim Dritten angesiedelt sind.

Der Begriff dient der Beschreibung solcher Fremdpersonaleinsätze und grenzt diese von unmittelbaren, nur zwischen zwei Parteien bestehenden Arbeitsverhältnissen ab. Er umfasst verschiedene Erscheinungsformen und ist nicht auf ein einzelnes Anwendungsfeld beschränkt.

Typische Erscheinungsformen mittelbarer Arbeitsverhältnisse

Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit)

Bei der Arbeitnehmerüberlassung schließt die beschäftigte Person den Arbeitsvertrag mit einem Verleiher. Die Arbeitsleistung wird in einem fremden Betrieb erbracht, in dem das Einsatzunternehmen die tägliche Arbeit anleitet. Diese Form ist reguliert und unterliegt besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen, Höchstüberlassungsdauern sowie Gleichstellungsgrundsätzen gegenüber der Stammbelegschaft des Einsatzbetriebs.

Personalgestellung und Abordnung

Unter Personalgestellung fallen Konstellationen, in denen eine Person vorübergehend oder dauerhaft in einem anderen Unternehmen oder einer anderen Organisation eingesetzt wird, ohne dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag beendet wird. Häufig betrifft dies den öffentlichen Sektor oder konzerninterne Einsätze. Weisungen in der täglichen Arbeit erteilt das aufnehmende Unternehmen, während Vertragsfragen beim entsendenden Arbeitgeber verbleiben.

Werk- und Dienstverträge mit Fremdpersonal

Unternehmen vergeben Aufgaben an externe Dienstleister oder Werkunternehmer, deren eigenes Personal vor Ort tätig wird. Erfolgen dabei echte, eigenständige Leistungen im Rahmen eigener Organisation und Verantwortung des Auftragnehmers, liegt kein Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber vor. Werden jedoch Beschäftigte faktisch in die Arbeitsabläufe des Auftraggebers eingegliedert und dessen Weisungen unterstellt, kann eine unzulässige Umgehung vorliegen; in bestimmten Fällen wird ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzunternehmen gesetzlich fingiert.

Konzern- und Gemeinschaftsbetriebe

In Konzernstrukturen und Gemeinschaftsbetrieben werden Ressourcen standort- und unternehmensübergreifend genutzt. Beschäftigte können für mehrere Unternehmen tätig werden, ohne den Arbeitsvertrag zu wechseln. Die Zurechnung von Weisungsrechten, Mitbestimmungszuständigkeiten und Verantwortlichkeiten hängt von der konkreten Organisation ab.

Abgrenzung zum unmittelbaren Arbeitsverhältnis

Im unmittelbaren Arbeitsverhältnis fallen Vertrag, Vergütung, Weisung und Organisation regelmäßig in eine Hand. Das mittelbare Arbeitsverhältnis zeichnet sich demgegenüber durch die Trennung zwischen Vertragsarbeitgeber und Einsatzunternehmen aus. Maßgeblich ist der tatsächliche Ablauf: Integration in fremde Arbeitsabläufe, Nutzung der Infrastruktur und die persönliche Abhängigkeit gegenüber einer dritten Stelle sind Indizien für eine mittelbare Gestaltung oder für eine mögliche Fehlzuordnung.

Rechtsbeziehungen und Rollen

Formeller Arbeitgeber

Der formelle Arbeitgeber schließt den Arbeitsvertrag, zahlt die Vergütung, führt Entgeltabrechnungen und ist primärer Ansprechpartner für Vertragsänderungen, Urlaubsgenehmigungen, Beurteilungen und personelle Maßnahmen. Er bleibt verantwortlich für die ordnungsgemäße Anmeldung zur Sozialversicherung und die ordnungsgemäße Abführung von Steuern und Beiträgen.

Einsatzunternehmen oder sonstiger Dritter

Das Einsatzunternehmen organisiert die tägliche Arbeit, erteilt fachliche Weisungen und stellt häufig die Arbeitsmittel und den Arbeitsplatz. Es trifft besondere Pflichten bei der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit am konkreten Einsatzort. In geregelten Dreiecksbeziehungen bestehen hierfür abgestimmte Verantwortlichkeitsmodelle.

Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer

Die beschäftigte Person erbringt die Arbeitsleistung regelmäßig an einem fremden Arbeitsplatz, unterliegt dort der fachlichen Anleitung und wendet sich bei vertraglichen Fragen an den formellen Arbeitgeber. Rechte und Pflichten können in beiden Sphären anknüpfen, etwa wenn Mitteilungen sowohl dem Einsatzunternehmen als auch dem Vertragsarbeitgeber zugehen müssen.

Rechte und Pflichten im mittelbaren Arbeitsverhältnis

Weisungsrecht und Organisation

Das fachliche Weisungsrecht liegt häufig beim Einsatzunternehmen, während das allgemeine Direktionsrecht (z. B. Versetzung, Arbeitszeitmodell) beim formellen Arbeitgeber verbleibt. Diese Trennung bedarf klarer Absprache, um Überschneidungen zu vermeiden.

Vergütung und Arbeitszeit

Die Vergütungspflicht trifft den formellen Arbeitgeber. Arbeitszeiten werden im Einsatzbetrieb geplant und dokumentiert, wobei beide Seiten Verantwortung für die Einhaltung von Arbeitszeitvorgaben tragen. In geregelten Konstellationen gelten Grundsätze der Gleichstellung mit der Stammbelegschaft; Abweichungen bedürfen einer anerkannten Grundlage.

Urlaub, Krankheit, Entgeltfortzahlung

Urlaub wird beim formellen Arbeitgeber beantragt und gewährt, häufig im Benehmen mit dem Einsatzunternehmen, um betriebliche Abläufe zu berücksichtigen. Meldungen zu Krankheit und Arbeitsunfähigkeit sind gegenüber dem Vertragsarbeitgeber abzugeben; das Einsatzunternehmen ist insoweit zu informieren, als dies für die Einsatzplanung erforderlich ist.

Arbeitsschutz und Haftung

Arbeitsschutzpflichten verteilen sich: Das Einsatzunternehmen verantwortet die Sicherheit des konkreten Arbeitsplatzes und die Einweisung in betriebliche Gefährdungen, der formelle Arbeitgeber sorgt für allgemeine Unterweisungen, persönliche Schutzausrüstung und die Berücksichtigung individueller Schutzbedürfnisse. Bei Verstößen können beide Seiten in die Verantwortung genommen werden; in bestimmten Branchen bestehen gesonderte Haftungsketten, etwa in Bezug auf Mindestentgelte.

Datenschutz und Verschwiegenheit

Der Austausch personenbezogener Daten zwischen formellem Arbeitgeber und Einsatzunternehmen muss auf das Erforderliche beschränkt sein und zweckgebunden erfolgen. Vertraulichkeitsvereinbarungen und betriebliche Geheimnisschutzregelungen gelten regelmäßig auch für eingesetztes Fremdpersonal.

Kollektivrechtliche Einbindung

Betriebsrat und Mitbestimmung

Die Zuständigkeit des Betriebsrats richtet sich nach der betrieblichen Eingliederung. Der Betriebsrat des Einsatzbetriebs hat Beteiligungsrechte in Fragen des Fremdpersonaleinsatzes, insbesondere bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen vor Ort. Personalmaßnahmen, die den Arbeitsvertrag betreffen, bleiben dem Betriebsrat des formellen Arbeitgebers zugeordnet.

Betriebszugehörigkeit und Schwellenwerte

Ob und inwieweit Zeiten im Einsatzbetrieb auf Schwellenwerte oder Fristen angerechnet werden, hängt von der jeweiligen Konstellation ab. In geregelten Dreiecksbeziehungen bestehen besondere Anrechnungs- und Gleichstellungsgrundsätze; bei rechtswidrigen Gestaltungen können abweichende Zurechnungen eintreten.

Tarifbindung und betriebliche Regelungen

Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen des formellen Arbeitgebers gelten unmittelbar für dessen Beschäftigte. Im Einsatzbetrieb können ergänzend Regelungen zur Ordnung des Betriebs, zum Gesundheitsschutz, zur Arbeitszeitorganisation oder zu betrieblichen Einrichtungen Anwendung finden, sofern sie auf eingesetzte Personen erstreckt sind oder gesetzliche Gleichstellungsprinzipien dies vorsehen.

Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Aspekte

Der formelle Arbeitgeber ist für Anmeldung, Beitragseinzug und Lohnsteuerabführung zuständig. In rechtswidrigen oder fehlerhaft gestalteten Konstellationen drohen Nachforderungen und Umqualifizierungen, die zu einer anderen Zuordnung von Beitragspflichten führen können. Bei grenzüberschreitender Entsendung sind Kollisionsnormen und Mindeststandards des Einsatzstaats zu beachten.

Entstehung, Umwandlung und Beendigung

Begründung

Mittelbare Arbeitsverhältnisse entstehen durch Vereinbarung zwischen dem formellen Arbeitgeber und der beschäftigten Person sowie durch einen separaten Einsatzvertrag zwischen Arbeitgeber und Drittem. Inhalt und Grenzen des Einsatzes werden dort festgelegt.

Unwirksame Gestaltungen und Rechtsfolgen

Werden Einsätze ohne erforderliche Zulässigkeitsvoraussetzungen oder entgegen zwingenden Vorgaben durchgeführt, können Sanktionen, Vergütungsansprüche nach Gleichstellungsgrundsätzen und die gesetzliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzunternehmen die Folge sein. Dies betrifft insbesondere Scheinwerkverträge oder unerlaubte personelle Überlassung.

Beendigung und Kündigung

Kündigungen spricht der formelle Arbeitgeber aus. Das Einsatzunternehmen kann den Einsatz beenden, ohne dass dadurch automatisch das Arbeitsverhältnis endet. Bei fingierten Arbeitsverhältnissen infolge rechtswidriger Gestaltungen verlagern sich Kündigungszuständigkeiten und Schutzmechanismen entsprechend.

Branchenspezifische Besonderheiten

In bestimmten Branchen bestehen zusätzliche Anforderungen, etwa Nachunternehmerhaftungsketten, besondere Eignungs- und Zuverlässigkeitsanforderungen, Qualifikationsnachweise oder Zutritts- und Sicherheitsregelungen. Diese wirken sich auf die Vertragsgestaltung und die Verteilung der Verantwortlichkeiten im Einsatz aus.

Internationale Sachverhalte

Bei Einsätzen über Landesgrenzen hinweg gelten ergänzende Vorgaben zur Entsendung, zu Mindestarbeitsbedingungen im Einsatzstaat, zu Meldepflichten sowie zur Koordinierung der Sozialversicherung. Maßgeblich ist die tatsächliche Tätigkeit und der Ort der Leistungserbringung.

Praktische Abgrenzungskriterien

Für die rechtliche Einordnung werden regelmäßig folgende Kriterien herangezogen:

  • Grad der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Einsatzbetriebs
  • Weisungsabhängigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit
  • Nutzung von Arbeitsmitteln und Infrastruktur des Einsatzunternehmens
  • Auftreten nach außen (z. B. E-Mail, Kleidung, Ansprechpartner)
  • Verantwortung für Ergebnisse, Qualität und Personaldisposition
  • Vorliegen eigener betrieblicher Organisation des Dienstleisters
  • Vergütungsstruktur und wirtschaftliches Risiko

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum mittelbaren Arbeitsverhältnis

Was bedeutet mittelbares Arbeitsverhältnis?

Es bezeichnet eine Konstellation, in der die beschäftigte Person bei einem Arbeitgeber angestellt ist, ihre Arbeit jedoch in einem anderen Betrieb erbringt. Vertragliche Rechte und Pflichten liegen beim formellen Arbeitgeber, während die tägliche Arbeit im Einsatzbetrieb organisiert wird.

Worin unterscheidet sich das mittelbare vom unmittelbaren Arbeitsverhältnis?

Beim unmittelbaren Arbeitsverhältnis fallen Vertrag, Weisungsrecht und Organisation in einer Einheit zusammen. Beim mittelbaren Arbeitsverhältnis sind diese Funktionen zwischen formellem Arbeitgeber und Einsatzunternehmen aufgeteilt.

Wer erteilt Weisungen im mittelbaren Arbeitsverhältnis?

Fachliche Weisungen erteilt in der Regel das Einsatzunternehmen, während grundlegende arbeitsvertragliche Anordnungen, etwa Versetzungen oder Änderungen des Arbeitszeitmodells, vom formellen Arbeitgeber ausgehen.

Wer zahlt die Vergütung?

Die Vergütung schuldet der formelle Arbeitgeber. Gleichwohl können im Einsatzbetrieb Regelungen zur Angleichung von Arbeitsbedingungen gelten, wenn entsprechende Gleichstellungsgrundsätze einschlägig sind.

Welche Mitbestimmungsrechte gelten im Einsatzbetrieb?

Der Betriebsrat des Einsatzbetriebs hat Beteiligungsrechte bei Fragen des Einsatzes von Fremdpersonal und der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen vor Ort. Personalmaßnahmen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, sind dem Betriebsrat des Vertragsarbeitgebers zugeordnet.

Was passiert bei unerlaubten Gestaltungen oder Scheinwerkverträgen?

Es können Sanktionen, Nachzahlungsansprüche und die gesetzliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzunternehmen eintreten. Zudem drohen sozialversicherungs- und steuerrechtliche Folgen.

Zählt die Einsatzzeit im fremden Betrieb für die Betriebszugehörigkeit?

Die Anrechnung richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung. In geregelten Dreiecksbeziehungen können besondere Anrechnungs- und Gleichstellungsregeln gelten; bei rechtswidrigen Konstellationen kann eine andere Zurechnung erfolgen.

Wie sind Arbeitsschutzpflichten verteilt?

Das Einsatzunternehmen sorgt für sichere Arbeitsbedingungen vor Ort und spezifische Einweisungen. Der formelle Arbeitgeber ist für allgemeine Unterweisungen und persönliche Schutzausrüstung verantwortlich. Beide Seiten tragen abgestimmte Verantwortung für die Sicherheit der Beschäftigten.