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Mittelbarer Besitz


Mittelbarer Besitz – Definition, rechtliche Grundlagen und Regelungen

Begriff und Bedeutung des mittelbaren Besitzes

Mittelbarer Besitz ist ein essentieller Begriff im deutschen Sachenrecht, der sich insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) findet. Er beschreibt einen besonderen Zustand des Besitzes, bei dem der Besitzer nicht die unmittelbare tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, sondern diese Gewalt durch einen anderen – den unmittelbaren Besitzer – für sich ausüben lässt. Mittelbarer Besitz ist damit vor allem für die Regelung von Besitzverhältnissen bei sogenannten Besitzmittlungsverhältnissen relevant.

Abgrenzung: Unmittelbarer und mittelbarer Besitz

Der Besitzbegriff des BGB (§ 854 BGB) unterscheidet zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Während der unmittelbare Besitzer tatsächlich die Sachherrschaft ausübt, bleibt der mittelbare Besitzer im Hintergrund und hat die Möglichkeit, die Herausgabe der Sache zu verlangen.

| Besitzform | Sachherrschaft | Beispielsituation |
|———————-|———————————–|———————————-|
| Unmittelbarer Besitz | Tatsächliche Gewalt | Mieter nutzt gemietete Wohnung |
| Mittelbarer Besitz | Abgeleitete Herrschaft | Vermieter ist mittelbarer Besitzer über die vermietete Wohnung |

Gesetzliche Regelung des mittelbaren Besitzes

Die zentrale Vorschrift für den mittelbaren Besitz im deutschen Sachenrecht ist § 868 BGB. Nach dieser Norm ist mittelbarer Besitzer, wer einem anderen die tatsächliche Sachherrschaft mit dem Willen (Besitzmittlungswille) einräumt, das Besitzverhältnis zwischen beiden auf einem Rechtsverhältnis (Besitzmittlungsverhältnis) beruht und ein Herausgabeanspruch besteht.

Besitzmittlungsverhältnis

Ein Besitzmittlungsverhältnis ist gegeben, wenn zwischen dem mittelbaren und unmittelbaren Besitzer eine rechtliche Beziehung besteht, die dem mittelbaren Besitzer das Recht einräumt, die Sache vom unmittelbaren Besitzer herauszuverlangen. Typische Besitzmittlungsverhältnisse sind Miete (§ 535 BGB), Leihe (§ 598 BGB), Pacht (§ 581 BGB), Verwahrung (§ 688 BGB) oder ein Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB).

Besitzmittlungswille

Der Besitzmittlungswille ist das Bewusstsein und der Wille des mittelbaren Besitzers, den Besitz an der Sache durch einen anderen – den unmittelbaren Besitzer – vermittelt zu erhalten.

Entstehung und Ende des mittelbaren Besitzes

Der mittelbare Besitz entsteht mit der Einräumung der tatsächlichen Sachherrschaft an den unmittelbaren Besitzer im Rahmen eines Besitzmittlungsverhältnisses sowie dem Vorliegen eines entsprechenden Besitzmittlungswillens. Enden kann der mittelbare Besitz mit dem Wegfall des Besitzmittlungsverhältnisses, z. B. durch Beendigung des Mietverhältnisses oder durch Aufgabe des Besitzmittlungswillens.

Bedeutung des mittelbaren Besitzes in der Praxis

Der mittelbare Besitz hat weitreichende praktische Bedeutung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Besitzschutz, der Übertragung von Besitz, der Durchsetzung von Herausgabeansprüchen und der Klärung von Rechtsverhältnissen an beweglichen Sachen und Grundstücken.

Schutz und Ansprüche des mittelbaren Besitzers

Mittelbare Besitzer sind gemäß §§ 861, 862 BGB zum Teil durch Besitzschutzvorschriften geschützt und können unter bestimmten Voraussetzungen eigene Ansprüche aus Besitzstörung oder Besitzentziehung geltend machen.

Übertragung des mittelbaren Besitzes

Der mittelbare Besitz kann durch Abtretung des Besitzmittlungsverhältnisses auf einen Dritten übertragen werden. In der Praxis bietet diese Konstruktion oft Vorteile bei der Sicherung von Rechten oder als Teil von Sicherungsübereignungen.

Mehrstufiger mittelbarer Besitz

Insbesondere in umfangreichen Rechtsbeziehungen kann es zum mehrstufigen mittelbaren Besitz kommen, wenn beispielsweise eine Sache vom Eigentümer an einen Mieter und dieser wiederum an einen Untermieter weitergegeben wird. In diesem Fall bilden sich Besitzmittlungsverhältnisse auf mehreren Ebenen.

Unterschied zu anderen Rechtsinstituten

Die Unterscheidung von mittelbarem Besitz zu anderen Rechtsverhältnissen, wie etwa der bloßen Inhaberschaft, ist von erheblicher praktischer Relevanz. Während der mittelbare Besitzer rechtlich als Besitzer gilt, obwohl ihm die unmittelbare Sachherrschaft fehlt, ist der Besitzmittler lediglich Inhaber der tatsächlichen Gewalt, aber nicht Inhaber des mittelbaren Besitzes.

Zusammenfassung und Bedeutung für das Sachenrecht

Der mittelbare Besitz stellt eine zentrale Kategorie im deutschen Besitzrecht dar. Er bietet eine differenzierte Regelung für zahlreiche Rechtsverhältnisse im Alltag, vom Mietrecht bis zum Eigentumsvorbehalt bei beweglichen Sachen. Durch die gesetzlichen Vorgaben im BGB und die enge Verknüpfung mit Besitzschutz und Herausgabeansprüchen fungiert der mittelbare Besitz in vielen Fällen als rechtliches Bindeglied zwischen klassischem Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft.

Relevante Vorschriften

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): §§ 854 ff., weitreichende Erwähnung in speziellen Besitzkonstellationen wie Sicherungsübereignung und Miete
  • Rechte und Pflichten ergeben sich je nach Besitzkonstellation, unter Einbeziehung des Besitzmittlungsverhältnisses

Literaturhinweise

  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar zu § 868 BGB
  • Münchener Kommentar zum BGB, Besitzrechtliche Vorschriften

Dieser umfassende Überblick zum mittelbaren Besitz erläutert Begriff, gesetzliche Grundlagen, praktische Bedeutung und Abgrenzungen, um in einem Rechtslexikon ein fundiertes Verständnis für diesen zentralen Rechtsbegriff zu vermitteln.

Häufig gestellte Fragen

Kann der mittelbare Besitz auch gegen den Willen des unmittelbaren Besitzers bestehen?

Ja, der mittelbare Besitz kann grundsätzlich auch gegen den Willen des unmittelbaren Besitzers fortbestehen. Dies ergibt sich aus dem Wesen der mittelbaren Besitzlage gemäß § 868 BGB, die auf einem sogenannten Besitzmittlungsverhältnis beruht. Zwar ist der Besitzmittler (unmittelbarer Besitzer) in der Lage, faktisch auf die Sache einzuwirken, doch wird sein Besitzwille kraft Gesetzes von der Anerkennung eines übergeordneten Besitzwunsches des mittelbaren Besitzers überlagert. Selbst wenn der Besitzmittler den mittelbaren Besitz nicht mehr anerkennt oder sich offen gegen die Rechtsmacht des mittelbaren Besitzers stellt, bleibt die Besitzstellung des mittelbaren Besitzers rechtlich erhalten, solange das Besitzmittlungsverhältnis nach außen Bestand hat und keine anderweitige Besitzentscheidung durchsetzbar ist (z. B. durch Herausgabe der Sache). Erst mit klarer Besitzentziehung oder der eindeutigen Manifestation eines eigenen Besitzanspruchs des Besitzmittlers kann der mittelbare Besitz enden. Typische Fälle sind etwa die unberechtigte Selbstanmaßung eines Mieters über das Eigentum an einer Mietsache, solange der Eigentümer als Vermieter sein Besitzrecht nicht verloren hat.

Wie kann ein mittelbarer Besitz begründet werden?

Der mittelbare Besitz entsteht stets durch ein rechtlich geregeltes Besitzmittlungsverhältnis zwischen zwei Parteien, das mit dem Besitzmittlungswillen des unmittelbaren Besitzers und dem Besitzmittlungswillen sowie -recht des mittelbaren Besitzers einhergeht. Zwingend ist hierfür das Vorliegen einer dem mittelbaren Besitzer gegenüber eigenen Herausgabeanspruchs gegen den unmittelbaren Besitzer. Typische schuldrechtliche Besitzmittlungsverhältnisse sind das Miet-, Pacht-, Leih- oder Verwahrungsverhältnis. Gleiches gilt für Treuhandverhältnisse oder Sicherungsübereignungen, in denen der unmittelbare Besitzer regelmäßig ein eigenes, jedoch gegenüber dem mittelbaren Besitzer abgeleitetes Besitzrecht ausübt. Der mittelbare Besitz wird mit Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses und Übergabe der tatsächlichen Sachherrschaft an den Besitzmittler begründet.

Welche Rechte und Pflichten hat der mittelbare Besitzer?

Der mittelbare Besitzer ist in seiner Rechtsmacht dem unmittelbaren Besitzer grundsätzlich gleichgestellt, was insbesondere aus § 868 BGB und der gleichstellung im Besitzschutz (§§ 858 ff. BGB) resultiert. Er kann insbesondere eigene Besitzschutzansprüche gegen Besitzstörungen Dritter geltend machen, auch wenn er die tatsächliche Sachherrschaft nicht selbst ausübt. Ebenso erwachsen aus der Stellung als mittelbarer Besitzer Schutzrechte vor unberechtigter Entziehung des Besitzes durch den unmittelbaren Besitzer oder Dritte. Im Gegenzug trifft ihn aber ebenso die Pflicht, die Sache nach Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses oder bei Eintritt des Rückgabefalls an den bisherigen unmittelbaren Besitzer oder den Herausgabeberechtigten herauszugeben. Im Rahmen des bestehenden Besitzverhältnisses kann der mittelbare Besitzer als Anspruchsberechtigter im Sinne des § 985 BGB auftreten und damit Herausgabeansprüche gegenüber unberechtigten Besitzern durchsetzen.

Wie unterscheidet sich der mittelbare Besitz vom unmittelbaren Besitz hinsichtlich der Sachherrschaft?

Der zentrale Unterschied zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz liegt in der tatsächlichen Sachherrschaft. Während der unmittelbare Besitzer die körperliche Einwirkungsmacht auf die Sache unmittelbar und eigenverantwortlich ausübt, ist der mittelbare Besitzer hiervon getrennt und übt keine tatsächliche, sondern eine rechtlich vermittelte Herrschaft aus. Er hat lediglich einen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer, der ihm im Rechtsverhältnis die Legitimation zur Benutzung und Weisung im Umgang mit der Sache gewährt. Die Kontrolle des mittelbaren Besitzers über die Sache ist also stets vermittelt durch das Besitzmittlungsverhältnis und bleibt faktisch stets beschränkt, auch wenn sie rechtlich bedeutsam ist.

Welche Bedeutung hat das Besitzmittlungsverhältnis im Rahmen des mittelbaren Besitzes?

Das Besitzmittlungsverhältnis ist zentrales Element des mittelbaren Besitzes. Es besteht aus einem Schuldverhältnis, das dem mittelbaren Besitzer einen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer einräumt und dem Besitzmittler die Sachherrschaft im Rahmen dieses Schuldverhältnisses gestattet. So kann beispielsweise ein Mieter die gemietete Wohnung als unmittelbarer Besitzer nutzen, während der Eigentümer als Vermieter ein Herausgaberecht innehat und damit mittelbarer Besitzer bleibt. Das Besitzmittlungsverhältnis bildet somit die rechtliche Grundlage für die wechselseitigen Besitzstellungen und bestimmt maßgeblich deren Bestand, Umfang und Beendigung.

Wann endet der mittelbare Besitz?

Der mittelbare Besitz endet grundsätzlich mit der Beendigung des zugrunde liegenden Besitzmittlungsverhältnisses. Dies kann durch Zeitablauf, Kündigung, Rückgabe oder Zerstörung der Sache oder aber durch Besitzentziehung seitens des unmittelbaren Besitzers erfolgen. Mit dem Wegfall der rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeit, den Herausgabeanspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis durchzusetzen, verliert der mittelbare Besitzer auch seine Besitzstellung. Ein eigenmächtiger Entzug der Sache durch den unmittelbaren Besitzer kann im Einzelfall Besitzschutzansprüche auslösen, führt aber letztlich zum Ende des mittelbaren Besitzes, sobald die rechtliche Einflussmöglichkeit verloren geht.

Kann der mittelbare Besitzer Besitzschutzrechte geltend machen?

Ja, der mittelbare Besitzer kann ebenso wie der unmittelbare Besitzer gegen widerrechtliche Störungen seines Besitzes Besitzschutzrechte nach den §§ 858 ff. BGB geltend machen. Er kann insbesondere eigene Ansprüche auf Besitzwehr (§ 859 BGB) und Besitzkehr (§ 859 Abs. 2 BGB) sowie Ansprüche auf Wiedereinräumung des Besitzes nach § 861 BGB verfolgen. Voraussetzung ist hierbei immer, dass der mittelbare Besitz aktuell besteht und nicht lediglich ein Anspruch auf Besitz eingeräumt ist, ohne dass das Besitzmittlungsverhältnis wirksam begründet wurde. Auch gegenüber Dritten, die die Sache eigenmächtig in Besitz nehmen, hat der mittelbare Besitzer einen selbstständigen Schutzanspruch.